Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 12.03.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191903128
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190312
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190312
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-03
- Tag 1919-03-12
-
Monat
1919-03
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 12.03.1919
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Volute» Wahrheit und Klarheit deni deutschen A,lk« sagen, wie die Lage ist. Anderseits mils. sen wir das moralische Gefühl des Bolles auf» rufen. Die Arbeitseinstellungen müssen aufhören, damit die vorhandenen Vorräte nicht aus Furcht »or der Unsicherheit vergeudet werden, und da» Mit die neue Ernte gesichert wird. Wir fordern speziell di« Aufhebung der Zwangswirtschaft für Fische und Eier, weiter den Abbau der Kriegs organisationen. Zum zweiten haben wir unsere Interpellation eingebracht, um an das Gewissen der Welt zu appellieren. Wenn wir nicht die Lebensmittel bekommen, die wir haben müssen, dann wird es nicht «Nein zu einer deutschen, sondern zu einer europäischen Katastrophe führen. Wenn aber der russische Bolschewismus Deutsch land und schließlich ganz Europa überflutet, danu mögen die Mächte die Verantwortung tragen, die belsen können, aber nicht wollen. Zur Begründung der Interpellation der Deutfchnationalen Volkspartci und der Deutschen Bolkspartei über die Abstellung des Notstandes sAr die Landwirtschaft erklärt Dr. Semmler (Deutschnat. Vp): Wir stehen vor einer Kata strophe, wenn in bezug auf die Produktion künst licher Düngemittel und die Beschaffung der nöti gen Arbeitskräfte für die Landwirtschaft nicht Abhilfe geschaffen wird. Wir müssen Vorsorge treffen, daß wir in Zukunft vom Ausland un abhängig werden. Dank der Leistungen unserer Chemie kann die Frage, ob die deutsche Land wirtschaft imstande ist, unser Volk zu ernähren, restlos bejaht werden. Die Zwangswirtschaft muß noch den Vorschlägen Dr. Nösickes abge baut werden. Die Ablieferung einer bestimmten Menge ist zu verlangen, im übrigen muß aber den Landwirten volle Freiheit gelassen werden. Die Landwirtschaft kann nur gefördert werden durch den Privatbetrieb, nicht durch Sozialisie rung. Das HauS beschließt die gemeinsame Bespre chung der beiden Interpellationen. Grnährungsminister Schmidt: Die Frage der Interpellationen, ob unsere Ernährung bis zum nächsten Wirtschaftsjahr auSrcicht, muß ich vemeinen. Was soll nun geschehen, um den Fehlbetrag zu decken? Eine Herabsetzung der schon so niedrigen LcbcnSmittelration ist unmög lich. Es bleibt also nur übrig, den Fehlbetrag durch Einftlbr vom Auslände zu decken. Die Hoffnung auf Aufhebung der Blockade beim In krafttreten des Waffenstillstandes war trügerisch. Alles spricht dafür, daß der WirtschaftSkamps Mich nach Friedensschluß mit aller Schärfe fort- Gesetzt werden soll. Droh allem stände eS nicht s» schlimm mit unserer Ernährung, wenn uns nicht durch sinnlose Streiks und politische Hn° ruhen die Einfuhrmöglichkeiten aus dem neutra len und sogar dem feindlichen Auslande unter bunden worden wären Wir hätten unserem Holk« mancherlei Erleichterungen schaffen können, wir hatten in nicht geringem Umfange Reis, Del, Milch, Fleisch und Südfrüchte einfübrcn können, wenn wir dafür al? Kompensation Kob- l»n, Kali und Eisen hätten liefern können. Weil wir da? nicht konnten, sind sie uns vor der Nase weggeschnappt worden. Das Ausland will nicht unser entwertete? Geld, es will unsere Er zeugnisse. Ich sage vor aller Oeffentlichkeit, daß ich die Verantwortung für die Ernährung der Städte nicht mehr übernehmen kann, wenn nicht Vernunft und Einsicht zurückkehren Jeder wei tere Streik bedeutet die Vernichtung des Recht"? unserer Volkswirtschaft. Jeder Streik der städti scheu Arbeiter ist seht ein Verbrechen an der Nation. Aber kein geringere? Verbrechen ist es, wenn den Landwirten getagt wird, sie könnten auch streiken. Ich muß leider die Fleischration «uf den Stand vor der lebten Erhöhung wieder herabseheu: wahrscheinlich ist sogar diese vermin derte Ration nicht in jedem Falle zu sichern. Als Ersatz sollen Hülsenfrüchte gegeben werden Bei dem jetzigen Mangel kann die Zwangswirt schäft nicht aufgehoben werden. Maßnahmen zu ihrer Aufhebung sind eingeleitet für Frühgemüse und Obst, für die auch die Einfuhr freigegeben werden wird. Ebenso kommen Dörrgemüse, Sauerkraut und Salzgemüse in Betracht. Ich will prüfen, in der Erfassung der Hülsenfrüchte eine Aeuderuug in der Richtung eintreten zu lassen, daß wir vielleicht einen Teil erfassen und das übrige freigeben, vielleicht auch bei Gerste und Hafer, Heu und Stroh, unter ilmständen auch für Eier und Zucker nach Sicherstellung des Verbrauchszuckcrs. Dagegen muß ich mit aller Eulschiedenheit die Aufhebung der ZwangSbewirt- schaftung für Brotgetreide ablehuen, ebenso für Fleisch, Butter, Milch und Kartoffeln. Aber heute schon erkläre ich, wenn bei der Freigabe bestimmter Artikel die planlosen Preistreibereien und die skrupellose Ausnutzung der Konjunktur sortdauern sollte, so werde ich zu dcu Höchst preisen zurückkehreu und mit aller Entschieden heit für ibre Durchsetzung sorgen. Wir werden natürlich alles tun und unterstützen, was geeig net ist, die Produktion zu erhöhen. Ich be dauere, daß besouders unsere jungen Leute nicht auf das Laud hinaus zu bekommen sind. In der Frage der Düngemittel sind leider unsere Hoffnungen auf eine ausreichende Erzeugung durch die i-ttägigeu Streiks in der Stickstoffindu strie vernichtet. Unsere Lebensmittelversorgung ln diesem Jahre netzt auf setzr unsicherer Grund lage. Nur eine rutzige wirtschaftliche Entwicke lung im Innern und eine menschliche Einsicht unserer Gegner kann uns retten. NnterstaatSsekretär Edler von Braun gibt einen eingetzenden Bericht über die Ernährungs verhandlungen in Spa. Wir Hatzen den Abbruch nur als eine Maßnahme der gegnerischen Ver treter aufgcfaßt, sich bei ihren Negierungen neue Informationen zu holen. Unsere Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Neue Verhandlungen werden kommen und auf die Tauer wird sich die Welt den Verpflichtungen, welche sie Deutschland gegenüber bat, nicht entziehen können. Mg. Schiele (Deutschnat. Vp.) erstattet einen Bericht des Ausschusses für Volkswirtschaft betreffs einer besseren Verteilung der Arbeits kräfte und über Förderung der dringendsten Ar beiten in der Landwirtschaft. Abg. Blum (Zentr): Ich kann wotzl für alle meine Berufsgenossen sprechen, wenn ich sage, daß wir Landwirte unter keinen Umstän den streiken werden. Ich bin mit dem Minister durchaus einverstanden in betreff der Erzeugnisse, für welche ZwangSbewirffchastung beibebalten werden muß. Je mcbr wir in der Lage sind, zum freien Handel über,zugehen, umsomehr wird der Schleichhandel auflwren. Die spartakistischen Unrutzen haben setzr zur Erschütterung unseres ErnätzruuaSwesen? beigetragen. Unsere Feinde sollten sich überlegen, welche Gefatzr damit ber- auftzeschworen wird, wenn unter dem Druck der Hungersnot die Bolschewisten die Grenze überfluten. Abg. Wurm lUnabh): Wir brauchen beute noch auf allen Gebieten die Zwangswirtschaft und Rationierung, mehr noch als während des Krieges. Wenn die Landwirtschaft gesunden soll, müssen itzr Menschenkräftc zugefützrt werden, die zum Landbau geeignet sind. Auch ohne die Streiks hätten wir uns nicht bis zur nächsten Ernte ernähren können. Ohne Hilfe vom Aus land können wir nicht durchkommen Vorerst müssen wir an die Arbeiterschaft in allen Län denr appellieren, damit da? deutsche Voll nicht verhungert. Reichsminister Dr. David: Gegenüber dem Vorwurf, die Regierung sei mit sozialen Kon zessionen zu spät gekommen, verweise ich darauf, daß die Regierung rafcher mit Gesetzentwürfen hätte kommen können, wenn die Unrutzen im Lande ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch aenomm.cn hätten Wenn der Streik sich gegen da? Leben der Gesamtheit wendet, muß ieder verständige Arbeiter einsetzen. daß der Streik ein Verbrechen ist. Daß die Arbeiter nun endlich zur Arbeit zurückketzren, da? ist das einziac Mittel, um uns au? der Not beranSnibnngen. kSchluß folgt.) SSchM Volkrtmmr. Dresden, U). März Zu der Tagesordnung, die Interpellation der Abgeordneten Tr. Engelmann (Deutschnat. Pp.) und Genossen, die wiUfchastliche Notlage des gesamten gewerblichen Mittelstandes betresfend, erhält Abg. Dr. Engelmann (Deutfchnat. VolkSP.) das Wort zur Begründung. Er schil dert die Notlage unseres Handwerks und Han dels. Die Gewerbetreibenden hätten aus Han del und Gewerbe in den Jahren 1914 und 1918 dasselbe Einkommen erzielt; bei vielen sei sogar der Verdienst zurückgegangen. Man hätte gehosft, daß mit Kriegsende das Gewerbe einen Auf schwung erleiden würde, aber dadurch, daß Tau- sekide von kleinen Handwerkern heimgekehrt seien, habe sich die Konkurrenz wesentlich erhöht, und es lei daS Gegenteil der Erwartung eingctreten. Um diesem Uebelstaud abzuhelfen, schlägt er vor, die bestehenden Notgesehc weitcrbcstehen zu las sen, damit dem Schuldner auch weiterhin Schutz zuteil wird. Vor allem aber müsse für Rohstoffe und Arbeit gesorgt werden. ES sei vielleicht auch vorteilhaft, eine Zentralstelle des sächsischen Handwerks zu bilden, die Aufträge sammle und verteile. Besonders habe das Handwerk unter der Einführung des achtstündigen Arbeitstages zu leidcu. Zur Förderung des Kleinhandels müßte das Bezugschcinwesen aufgehoben werden, und von großem Vorteil sei die umgehende Ver teilung der in Niedersedlitz bei Dresden lagern den Reichs-Tertilwaren. Zur Beantwortung der Interpellation ergreift al? RegierungSvertreter Geh. Nat Dr. Dehne das Wort: Wie in anderen Berufsständen, so habe sich auch iin gewerblichen Mittelstände der Krieg mit seinen nachteiligen Erscheinungen stö rend bemerkbar gemacht. Anderseits sei aber mancher Handwerker erst durch den Krieg vor wärts gekommen und über den, gewerblichen Mittelstand hinausgewachsen. Die Negieruug, auch in ihrer fetzigen Zusammensetzung, erkenne durchaus die Bedeutung und Wichtigkeit des ge werblichen Mittelstandes an und erkläre sich be reit, demselben soweit al? möalich zu helfen. Der ungeheure Niedergang unserer wirtschaftlichen Lage und die Verarmung unseres Polles zwinge nn? dazu, alle wirtschaftlichen Kräfte so zweck mäßig und so rationell wie möglich zu gestalten. Die Negierung könne durch Gesetze.und Verord nungen helfen, wichtiger aber erscheine ihm Prak- tifthe Unterstützung der Regierung bei Ueber- windung der Schwierigkeiten, die sich durch den Mangel an Rohstoffen und Arbeit ergeben. Bei der Verteilung der Heeresaüter sei auch der ge werbliche Mittelstand bedacht worden und würde weiter bedacht werden Als Pflicht wird die Negierung auch die Förderung der gewerblichen Schulen anseben. Ter gewerbliche Mittelstand müsse in allen seinen Mitgliedern den Wert sei nes Zusammenschlusses erkennen und einsetzen, daß es notwendig ist, den erwählten Führern Vertrauen eutgeoeumbringen. Dann würde auch d^r gewerbliche Mittelslaud leine Stellung be haupten. Die Frage des achtstündigen Arbeits tages dürfte über kurz oder lang einer Neube arbeitung unterzogen werden. Das Bezugsschein oerftbren würde bald abgeschafft Vierden. Die Regierung sei entschlossen, alles zu tun. was der No'lage de? gewerblichen Mittelstandes ein Ende bereitet. In der auf Antrag de? ?Eg H o f m a n u f ^Deutsetznat. Vp.) erfolgten AwSsprgcbe macht ?kbg. E a st a n längere Ausführungen im Sinne der allgemeinen Sozialisierung. ?lbg. Fleißner lNnabb.) stellt es als eine starke llcbertreibung bin, wenn in der In terpellation von der Notlage des gesamt e n gewerblichen Mittelstandes gesprochen werde. Amb weite Kreise des Mittelstandes hätten KrieaSge- Minne gemacht, z. B. Landwirte, Gärtner, Händler, Fleischer und Bäcker. (Scbr richtig!) Die Notlage des gewerblichen Mittelstandes sei eine Frage der wirtschaftlichen Entwickelung. Man sei wohl in der Lage, einzelnen Personen zu helfen, aber nicht dein ganzen Stande. In der zukünftigen Wirtschaftsweise würde noch mehr zum Ausdruck kommen, daß die Arbeiter die eigeurlichen Träger der Wirtschaft seien, und er und seine Parteifreunde hielten es daher für nutzlose Zeitverschwcndung, über derartige Fra gen zu verhandeln. Abg. Ziller (Deutschnat. Vp.) nimmt Stellung zu den Ausführungen des Regierungs vertreters und erklärt unter Bezugnahme auf seine» Vorredner, daß der Mittelstand doch ein gehobener Arbeiter- und Angestelltenstaud sei. Es sei Pflicht, diese Kreise nicht- untcrgehen zu las sen lind ihnen das Leben lebenswert zu gestal ten. (Bravo!) Abg. Blüher (Deutsche Vp.) macht Abg. Fleißner einen Dorlvurf daraus, daß er Land- wirtschast und Gärtnerei zum Gewerbe rechne. Selbsthilfe der Gewerbetreibenden und Handwer ker sei da? Beste. In bezug auf Vergebung öffentlicher Aufträge müsse man die Kriegsteil nehmer und die durch den Krieg wirtschaftlich Geschädigten bevorzugeil. Er bitte die Regie rung, alles zu tun, um dem gewerblichen Mit telstände zu Helsen. Vizepräsident Dr. Dietel (Dem.) bedau ert, daß bei der Baudircktion im Ministerium des Innern davon die Rede gewesen sei, daß in Rücksicht auf die hohen Rohstoffpreise rind hohen Arbeitslöhne die von feiten der Regierung be- > absjchtigten Notstandsarbeiten nicht in Angriff genommen werden könnten. « Darauf erklärt Geh. Rat Tr Dehne an I Hand einer Mnisterialverfügung, daß darüber 1 dick Volkskammer entscheiden müsse. Abg Schiersand (Dem.) macht darauf aufmerksam, daß in der Interpellation nur eine augenblickliche Hilfe für den gewerblichen Mittel stand in Aussicht genommen sei, und schlägt die Bildung von Handwerks-Genossenschaften vor. Nächste Sitzung Dienstag nachm. 1 Iltzr. W» WM litt MWWM in die MitMN. 10. Mürz. Im Namen der Fraktion der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei in der Volkskammer haben die Abgeordneten Fleißner und Lipinsky der Fraktion der Mehr- heitssozialtsten mitgeteilt, daß sie eine Regierungs bildung mit Vertretern der Mehrheitssozialisten ablehnen, weil diese auf die von den Unab hängigen als Voraussetzung zum Eintritt in die Regierung aufgestellten Bedingungen in sehr wichtigen Punkten ausweichend, zweideutig oder direkt ablehnend geantwortet Hütten. Weiter wird als ausschlaggebend angeführt, daß die Mehrheitssozialisten es grundsätzlich ablehnten, die A.- und S.-R8te als Träger der politischen Macht anzuerkennen und daß die sozialdemo kratische Fraktion und jetzige Regierung dem Streikrecht der Arbeiter gegenüber eine Haltung einnehme, die zu der der Unabhängigen in schroffem Gegensatz steht Nach dieser Ablehnung der Unabhängigen ist nunmehr mit der Neu bildung der Regierung aus Sozialdemokraten und Demokraten zu rechnen. Zar LaWevkWg i« LWti-gtlM-ZMmtt Kohlttmitt sei noch folgendesmitgeteilt: Die Verhandlungen zwischen den Bergarbeitern und den Vertretern der Werke fanden am Sonntag in Zwickau im »Deutschen Kaiser" in Gegenwart des Wirt schaftsministers Schwarz, des Regierungsrats Fröhlich "vom Wirtschaftsministerium, des Ge- ZLühnenfterne. Kriminalroman von M. Kossak. 26 Noch einmal wiederholte Frida ihre Frage und wieder tat Panla ihr Möglichstes, um dem armen Ding Trost zu spenden. Dann küßte sie das Mäd chen sanft auf die Stirn und verließ sie, sich seinen DankeSivorten entziehend. „Wenn daß arme Herzchen wieder einmal gar zu schwer ist," sagte sie, „so besuchen Sie mich, für Tie habe ich immer Zeit. Hier haben Sie meine Karte mit meiner Adresse." Frida war eS wirklich zu Mute, als ob ein En gel bei ihr gewesen sei, der in ihre wunde, kranke Seele himmlischen Frieden gegossen hatte. Erst hin terher kam eS ihr znm Bewußtsein, daß die gütige Fremde ihr gar nicht erzählt, woher sie Felix Ol- ferS kenne und worauf sich ihre Teilnahme an sei nem Geschick gründete. Sie grübelte jedoch nicht viel darüber nach, denn die Hauptsache war es, daß Frau Hardegg es wirklich gut mit ihr, Frida, und Ihrem unglücklichen Liebsten, meinte. Das aber schien ihr außer allem Zweifel zu stehen, und um vieles erleichterter, machte sie sich daran, ihre Vor bereitungen für ihr abendliches Anftreten zu been den. 11. Kapitel. Am selben Abend noch benachrichtigte Paula Brümmel davon, daß sie mit Frida Sasse die iu Aussicht genommene Unterredung gehabt hatte, wo rauf der Detektiv die junge Frau besuchte und beide mehrere Stunden bei verschlossenen Türen mit ein anderoerhandelte». I» der Folge gingen dann ver schiede»« Briefe nach Toulouse ab, darunter einer an einen dortigen Detektiv, dessen Adresse sichBrüm- mel verschafft hatte, und ein zweiter an die Optiker- firma Nouveau iu Toulouse. Auf beide Schreiben lief überraschend schnell Antwort ein. Der Detektiv, bei dem sich Brümmel nach dem Clown Long-Bell erkundigt, der im ver flossenen Sommrr in Toulouse auf einer eleganten Sommerbühne anfgrirrten war, schrieb, daß der Clown sehr zurückgezogen gelebt und eigentlich nur mit einem alten indischen Händler verkehrt habe. Jin übrigen ivar er fast stets bei sich zu Hause ge wesen. Gegen Ende des Sommers hatte seine Wir tin ihn eines Morgens bewußtlos in einer Kam mer gefunden, die an sein Zimmer stieß. Der Frau fiel es gleich beim Betreten des Raumes auf, daß in demselben eine eigentümlich atembeklemmende Luft herrschte, gleich als ob dieselbe mit giftigen Gasen erfüllt sei. Sie öffnete jedoch sofort die Fen ster, worauf die widerlichen Dünste herauszogen. Der eiligst herbeigerufene Arzt schaffte den Ohn mächtigen in ein Krankenhaus, wo er lange zwi schen Leben und Tod schwebte, endlich aber genas. Leider nur litten seine Angen sehrdurchseineKrcmt- heit. Die Aerzte tonnten sich dieselbe nicht erklären, da alle ihre Symptome ihnen seltsam nnd rätsel hafterschienen, und Long-Bell wollte anfangs eben falls nichts über ihre vermutliche Ursache aussa gen, nnd erst als man ihm Beobachtungen derWirtin bezüglich der gasegeschwängerten Luft in seinem Ziminer vorhielt, erklärte er, daß er dainit beschäf tigtgewesen sei, eine Salbe herzustellen, die er stets brauchte, um seinen Glieder» Geschmeidigkeit zu verleihen, und daß er bei dieser Gelegenheit wahr scheinlich die nötige Vorsicht außer acht gelassen habe, was dann wohl die Veranlassung seinerKrank- heit geworden sei. Er habe gerade noch Zeit gefun den, die verschiedene» Chemikalie» zu beseitige», bevor er das Bewußtsein verloren. Da zurzeit ge rade viel Patienten in dem Kranketthaus lagen und die Aerzte alle Hände voll zu tun hatten, forschten siederSache nichtweiter nach, um somehr als auch Long-Bell bald darauf genas, verlor der Fall an Interesse für sie. Der Chef der Firma Nouveau jedoch schrieb, daß er sich der Auge ngläser, welche er für den Clown Long-Bell hatte a»fertigeulasseu, noch recht wohl erinnerte, da dieselbe» vo» ei»er Art gewe sen waren, ivte man sie nur ganz ausnahmsweise verlangte. Die Augeilschwäche und Kurzsichtigkeit Long-BellS war eben eine sehr eigentümliche ge wesen und ein berühmter Augenarzt hatte 'ihiüfte- n«n Kneifer »«ordnet. Am '24, Oktober hatte er HM» - 2l8,17 Der Italiener war auf seine» Smhl zurückge- sunken nnd saß jetzt, die Hände ineinander kramp fend, da. „Wie konnte ich das!" murmelte er. „Da aus Wieu von Loug-Bell Auftrag erhalten, ihm abermals einen solchen Kneifer zn senden, da der erste beim Niederfallen auf der Erde zerbrochen sei. Weiterhin bekam Brümmel noch eine Zuschrift vom Eimvohnermeldeamt aus Toulouse und eine andere vom Direktor der Varieteebühue, bei de Loug-Bell engagiert gewesen war. Der ersteren entnahm er die Tatsache, daß der Clown in Nea pel geboren sei, als Sohn eines englischen Gym nastikers und einer indischen Mutter, die zweite dagegen enthielt nur ein paar Mitteilungen, welche diejenigen des Toulouser Detektivs bestätigten. Das erste, was Brümmel tat, war, daß er sich dnrch Fürsprache seines Vorgesetzten die Erlaub nis erwirkte, den angeklagteil Felix Olfers in sei ner Untersuchungshaft besuchen zu dürfe». Er fand de» junge» Ma»» dumpf brütend vor seinem Tisch sitzen und den Kopf in die Hände ge stützt, vor sich htttstarrend. Er fah unsäglich elend aus, seine immer blasse, aber sonst dennoch keines wegs krankhafte Gesichtsfarbe hatte einen grau gelben Ton und die schönen, dunklen Augen wa ren von breiten, blauen Ringen umgeben. Auch in der Kleidung schien er vernachlässigt. Dennoch ver mochte alles dies nicht die Anmut und Feinheit seiner Persönlichkeit zn vernichte», ja vielleicht wäre er den Damen, deren Günstling er von jeher ge wesen, m seiner jetzigen Verdüsterung noch interes santer erschienen als sonst. Als Brümmel und der Gefängniswärter ein traten, hob Olfers ein wenig de» Kopf und schaute die beiden aus trüben Augen mißtrauisch an. „Was ist s ?" fragte er verdrießlich. „Ich bringe Ihnen hier eine» Herrn, der mit Ihnen sprechen möchte," entgegnete der Gefäng- mswärter und zog sich dann zurück. „Vom Gericht oder von der Polizei?" erkun digte sich der Italiener kuflj. Brümmel trat näher. „Ich bin Detektiv," er widerte er, „und niemand hat mich geschickt. Ich komm« in meinem eigenen Auftrag, weil ich Jh. ne» Helsen möchte, Herr Olserk." Dieser machte eine abwehrende Bewegung, als ob er sagen wollte: „Mir helfen? DaS kenne ich." Dann wies er stumm auf einen zweiten Stuhl, auf dem Kleidungsstücke und Bücher lagen, die Brum mel entfernte, »in sich dami darauf zu setze». „Herr Olfers" — begann der Detektiv — „zu vörderst bringe ich Ihnen Nachrichten von Ihrem Jugendfreund James Todd, genannt Loug-Bell." Der junge Manu war bei der Nennung des Namens zusammengezuckt und seine dunklen Au gen stierten Brümmel entsetzt und überrascht au, bann aber faßte er sich und ' fragte mit schlecht ge spielter Gleichgültgkeit: „Loug-Bell ? Was geht mich der Mau» a» ?" Brümmel zuckte die Achsel». „Nun, ich dächte doch, daß er Sie recht viel augeht, denn wenn wir auch alles andere beiseite lasse», womit er iu Ihr Lebe» eingegriffeu hat, so sind doch allein die Ec- eignisse in den Abruzzen —" Er endete nicht, denn Olfers war bei dem Worte „Abruzzen von seinem Stuhl aufgesprungen und stand jetzt, vor Aufregung am ganzen Körper zit ternd, dem Detektiv gegenüber. Der Schleier war von seinen Augen wie weggezogen, Flammen lo derten daraus Brümmel entgegen. „Was in aller Heiligen Name», wisse» Sie vo» den Abruzzen?" Aber Brümmel war ein Detektiv, dessen Ge wandtheit von seinen Vorgesetzten gemeiniglich weit unterschätzt wurde. Er ließ sich nicht aus seiner Fassung bringen und zeigte sich auf der Höhe jeder Situation. Olfers fixireud, entgegnete er lächelnd: „Wozu die Dinge erklären, die uns beide» bekannt sind, Herr Olfers. Sie haben jedenfalls eine» gro ße» Fehler begangen, indem Sie sich vor Lmig- Bell fürchteten, wie Sie eS taten, und mehr noch, indem Sie ihm das zeigten. Er wußte das und vertrante darauf. Hätten Sie ihm offen getrotzt — r näre alles anders gekommen."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)