Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 27.02.1919
- Erscheinungsdatum
- 1919-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191902271
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19190227
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19190227
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-02
- Tag 1919-02-27
-
Monat
1919-02
-
Jahr
1919
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 27.02.1919
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bei den Rcmg- und Gradabzeichcn bandelt es sich um tiefe Genüitswerte. Der Glnube an die Gegenrevolution ist ciw Irrglaube. Wir haben ganz andere Sorgen. Es geht ums Leben. Hof- fentlich hat jetzt schon allein der Entschluß, eine Reichswehr zu schaffen, die Wirkung, die wir alle erhoffen. Damit schließt die allgemeine Aussprache. In der Einzelberatung spricht sich Abgeord neter Ritter v o n L a n g h e i u r i ch (Demokrat) für den Antrag der Mehrheitsparteien ans, wo nach besonders bewährten Unteroffizieren die Offizierslausbahn eröffnet werden soll. Die schroffe Scheidung zwischen Offizier und Mann muß be seitigt werden. NeichSwchrminister N oske wendet sich gegen den von den unabhängigen Sozialdemokraten eingebrachtcn Abändcrungsantrag, wonach alle Formationen ohne Auswahl in die vorläufige Reichswehr ausgenommen werden sollen. Man dürft die Regierung nicht binden. Es beständen zahlreiche Formationen olme jeden militärischen Wert, die man nicht aufnehmen könne. Die Be sorgnis vor konterrevolutionären Bestrebungen in der Reichswehr sei hinfällig und erscheine als übermäßiges Maß von Mißtrauen in die poli tische Reife des Volkes, lieber die Stärke der Neichswehr werde Bericht erstattet werden. Man werde aber nicht die Verpflcgnngsstärke angeben dürfen, denn es würden zurzeit allein in deut schen Lazaretten noch 200 000 Kranke und Ver wundete verpflegt, welche noch dem Heere an gehören. Darauf wird der Entwurf nach dem Anträge der Antragsteller obnc Debatte erledigt. Nächste Sitzung Donnerstag 10 Ubr Erösfimg -er MM» LMMMtt. Dresden, 26. Februar. Gestern nachmittag H Ubr trat die »enge- wählte Sächsische Volkskammer erstmalig zusam men. Der Haupteingang zum Släntuhans war mit Palmen und Blattpflanzen geschmüett. Dcr Sitzungösaal desgleichen. Rings an den Wän den standen Palmen. Das Rednerpult, der D isw deS Hauses und die Brüstungen um die Slcno- graphenplätzr prangten in mancherlei Rot von Alpenveilchen, Azalien und anderen Blumen. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Sitzung waren die ösfentlichen Tribünen voll besetzt, zum großen Teil von Angehörigen der Abgeordneten. Am Regierungstisch: Dr. Gradnauer, Nitzsche, Heldt, Schwarz, Bug, Dr. Harnißb und mehrere Regicrungsräfe. Ter VolkSbeauftragte Dr. El r adnaue r erö^nel die Sitzung im Namen des Gesamt - Ministeriums mit einer Ansprache, in der er u. a. folgendes ausfnhrt. In überaus schwerer Zeit trete die Volkskammer des Freistaates Saebsen zum ersten Male zusammen. Das ganze deutsche Volk blicke auf Weimar, wo die Nationalver sammlung die Grundlage für ein neues Deutsch land verstellen solle. Auch für die deutschen Ein- ! zelstaaten und ihre Volksvertretungen bleibe neben s der Nationalversammlung eine große Fülle wirb- ! tiaer Arbeiten. Die Zeit, in der die Volkslam- I mer ihre Wirksamkeit aufncvme, sei eine überaus schwere. Politisch und wirtschaftlich sei die Lage unseres Landes unendlich gefährdet. Unsere Zn kun't sei ungewiß und dunkel. Wir seien wehr- ! und was'enlos und könnten gegen die'Diktate der l Sieaer Widerstand nicht leisten. Aber die 'gegiw- - rische Gewalt könne unsere Seelen nicht ernied- ! riaen. Solanae wir atmen, wollten wir für die Lebensnotwcndigkeiten und für die Rechte unse res Volkes Bekenntnis ablegen. (Bravo!) Dar- s um erbeben wir auch schärfsten Protest gegen dü fortdanernde Zurückhaltung unserer Kriegsgefan genen (Bravo!), geaen die Fortdauer der Blockade und gegen die Besetzung deutscher Gebiete durch die Polen. (Scvr richtig!) Auch das Schicksal der Deutschen in Böhmen erfülle unö init tiefer Besorgnis. Sachsen habe immer in besonderem Maße die guten Beziehungen zum benachbarten Volke -Oesterreich gepflegt. So begrüßen denn gerade auch wir hier in Sachsen mit besonderer Freude die Aussicht, daß das ganze deutsche Oesterreich seinen Anschluß an uns finden solle. Dr. Gradnauer betonte weiter, daß kaum ein Gebiet Teutschlands unter den Folgewirkungen deS Krieges so schwer leide wie Sachsen. Der Ernährungszustand sei während des Krieges noch ungünstiger als in den meisten anderen Reichs gebieten gewesen. Zu dem Ernährungselend komme die Notlage unserer Industrie. Unsere einst blühende Exportindustrie sei gelähmt. Unser gesamtes industrielles Leben stehe nahe vor dem völligen Verfall, ja vor dem Untergang. Wenn die Volkskammer in einer solchen Lage sich ver sammelt, so zweifle er nicht, daß sie dahin wir ken werde, daß zunächst einmal in unserem Lande geordnete WirtschaftSvelbältnisse geschaffen wer den müssen, und daß alles anfgewendet werden müsse, um unsere Industrie überhaupt wieder in Gang zn bringen. (Sehr richtig! Bravo!) Tie Volkskammer finde eine reiche Fülle von Arbeit vor. Die erste Aufgabe sei die Beratung und Verabschiedung einer vorläufigen Verfassung. Näheres hierüber ausznführen, behalte sich die Regierung für die bevorstehenden Beratungen des Gesetzentwurfes vor. Aber schon jetzt wolle er im Namen des bisherigen Gesamtministeriums die Erklärung abgeben, das; es ohne Verzug seine Aemter der Volkskammer zur Verfügung stellen werde. Sobald die vorläufige Verfassung ver abschiedet sein werde, solle auf Grund der darin festgesetzten Bestimmungen eine neue Regierung gemäß dem Willen der Volkskammer eingesetzt werden. Nach der Verabschiedung der Verfassung müsse die Kammer sieb in erster Reibe mit der Finanzlage deS Landes beschäftigen. Ferncr werde die Kammer die weitere Ausgestaltung dcr Demokratie durchzusühren haben. Auf allen Ge bieten deS «ökonomischen nnd geistigen Lebens müsse neues anfgcbaut werden. Ans der Fülle dieser Angelegenheiten wolle er nur eine noch im besonderen hcrausheben, nämlich die viel er örterte Frage der wirtschaftlichen Sozialisierung. Die vorläufige Regierung vertrete die Auffassung, daß der neue Freistaat nicht nur ein demokra- ljswer Staat sein solle, sondern daß er von sozialem und sozialistischem Geiste erfüllt wexden müsse. Es müsse geprüft werden, in welcher Weile nnd ans welchem wirtschaftlichen Gebiete es möglich und nützlich sei, zn neuen, höheren Wirtschaftsformen voranznschrciten. Die vorläu- siae Reaierung habe einen Gesetzentwurf zur Verstaatlichung der Bergwerke vorbereitet und stehe im Begriff, einen besonderen Sozialisie- rungSanSjckmß zu berufen, in dem neben Män nern der Wissenschaft Fachleute der Praxis über diele wübtiocn und schwierigen Fragen beraten sollen. Solle diese Aufgabe gelingen, dann müsse die Kmnmer alle Anßnerksamkeit nnd Kraft auS- scbließlich auf sachliche Arbeit richten. (Sehr richtia') DaS sächsische Volk bade das Recht, »on seinen Vertretern zu fordern, daß sie fern von Haß nnd Kleinlichkeit ibre äußersten An ürengnngen daraus richten, daß unser Land wie der ansgcriöbtet wird und zu neuer Lebensboff- nung gelanat. (Bravo!) Dr. Gradnauer schloß mit den Worten: „Möge die neue Volkskammer dazu müwirlen, daß eine Zeit der fretbeitlichen nnd sittlichen Erneuerung beranssleiat, eine Zeit, in der Kinder nnd Kindeskinder ein friedliches und srobeS Leben sübren rind den höchsten Auf gaben der Menschheit zustreben dürlen! Geben Sie, meine Damen und Herren, an Ihre Arbei ten im Vertrauen auf das Losungswort „Durch Nacht zum Licht!" Kierans übernimmt Ava. D e m m l e r (Soz.) als Alterspräsident daS Präsidium, indem er in kurzen Worten auf seine sünszigiäbrige politische Tätiakeit Hinweis! und der Kammer das Tchiller- sche Wort zuruft: „Seid einig, einig, einig!" Pi vorläufigen Sekretären wurden von ibm die Abgg Koch (Dem.) und U b l i g (Soz.) bestimmt Es folgte nunmehr die ' Wahl »tS Kamm»rprSfid»»1e». Abg. Sindermann (Soz.) schlägt als Kam-- merpräsidenten den Abg. Fräßdorf (Soz.) vor Bei der Abstimmung wird Abg. Fräß dorf mit 68 von 01 abgegebenen Stimmen als Präsident gewählt, nnd nimmt die Wabl dankend an. Präsident Fräßdorf: Ich baute Ihnen sür das Vertrauen, das Sie mir erwiesen haben. Ich mnß Sie aber auch bitten, mich bei der Führung der Geschäfte zu unterstützen und mir Ihre Nachsicht zu gewähren. Ich habe zwar einige Erfahruu^n sür diesen Posten, aber die neuen Verhältnisse bringen auch neue Situatio nen. Ich verspreche, ein gerechter und unpartei ischer Präsident zu sein, ein Präsident des gan zen Hauses. (Lebhaftes Bravo!) Wir haben schwierige Ausgaben zu erfüllen. TaS erste muß sein, die Not und Oual des Volkes zu lindern und eine bessere Zukunft zu schaffen. Die ersten Worte bringe ich unserem Vaterland Sachsen. Wabre Vaterlandsliebe beftebt in der Wahrung der Interessen der großen Massen des Volkes, der Mehrheit des Volkes, des- ganzen Volkes-. Bis zur Selbstansop-enmg muß ein Vertreter des Vol kes seine Kraft entspannen. Unser Volk verlangt nach Frieden, Arbeit, Brot und Recht. Alt un serem guten Willen, ibm diese Dinge zn schaf fen, soll es nicht fehlen. Die Verteilung der Lebensmittel und GebrauchSgcgenstände ist aber immer noch durchaus- ungerecht. Solche Unge rechtigkeiten müssen beseitigt werden. Tas freie > Wort soll vier eilte Ställe haben, aber Sclbslbc- I swräukung werden wir uns auferlegeu müssen. Tie Demokratie ist errungen, wir haben sie zu schlitzen Wer sie antastel, bat die Folgen zu tragen. Hoffeit wir, daß eine Abwebr gegen solche Bestrebungen nicht nötig wird. Blut in genug geflossen. Recht und Freiheit können niebi gedeihen auf Grund von Unterdrückung nnd Ent rechtung anderer. Tie Kammer muß mit der Regierung für Ordnung sorgen. Olmc Ordnung teine Freiheit, kein Frieden, kein Brot (Lebb. Beifall.) Tie polnische Freiheit allein gibt nicht das- Glück, sie ist nur ein Mittel zum sozialen Aufbau der neuen Gesellschaft, lieber das Tempo dieser Umwandlung läßt sich streiten, aber wir müßen mts darüber verständigen. Trümmer ba den wir genug, neue dürfen wir inctu schassen. (Stürmisches: Sehr richtig!, Bewegung bei de» Präsident Fraßdorf schlägt viK, die bis herige Geschäftsordnung der Zweiten Kammer als vorläufige Geschäftsordnung weiterhin be stehen zu lassen mit der Maßgabe, daß über etwaige Abweichungen die Kammer mit Mehr heit beschließen soll. Nach einer längeren Geschäftsordnungsaus-- sprache bezüglich der Zweckmäßigkeit, bereits am Mittwoch den Entwurf des vorläufigen Grund gesetzes zu beraten, setzt Präsident Fraßdorf die nächste Sitzung aut Mi'twoch vormittags kl Ubr fest. lieber die Arbeitseinteilung in den nächsten Tagen teilte der Präsident noch mit, daß der Donnerstag für AuSschnßbcratungen sitzungsfrei bleiben soll; am Freitag findet die Schlußbera- ttmg über den Entwurf einer vorläufigen Ver fassung stau, sonne gegebenenfalls die Wahl des Ministerpräsidenten, während ain Montag die -Neubildung des Ministeriums vorgencmmen wer den soll, daneben kommen noch Interpellationen zur Beratung. Lit fnrWlmu Solst« »es Streik; im Rtthrrevier. Aus Essen wird gemeldet: Der durch den Ausstand der Bergarbeiter angerichtete Schaden ist vorläufig gar nicht abzusehen. Ungezählte Millionen sind den Arbeitern durch den Lohn- aussall und den Zechen durch die sinnlose Zer- störung an den Werkanlagen und die Still legung der Betriebe verloren gegangen. Schwer wiegende Folgen hat der Streik insbesondere auch für die Gemeinden, die in ihrer Gas- und Elektrizitätsversorgung von den Zechen abhängig sind. In einigen Tagen werden die Koksöfen vollständig erkaltet sein. Eine Wiederaufnahme des Betriebes der Kokereien wird dann vor Ab lauf von sechs Wochen kaum erfolgen können. Letzten Sonntag ist aus den Zechen Mathias Stinnes 1, 2, Z und 4 in Karnav und Wel heim-Bottrop von Teilen der Belegschaft über Tage der gesamte Tagesbetrieb sttllgelegt worden. Damit ist die Stromlieferung an di« rheinisch westfälischen Elektrizitätswerke und die Leucht gasversorgung der Gemeinden Gladbeck und Dorsten, sowie von etwa BO Städten und Ge meinden des Bergischen Landes feyon für die allernächste Zeit ernsthaft bedroht. li. S.) Was vom Altcm gut war, muß erhal- ic» blc'ibc», was dcr Entwickelung hemmend ent gegenstebt, muß beseitigt werden. Unser Voll iß ;n einen im Bestreben zum Auibaucn. Taz» bedarf cs der Verständigung unter uns allen Mit allzu langen und allzu scharfen Reden ist nichis getan, die Redewnt entspringt der Ohn macht, zu Handelir. (Sebr richtig!) Ich möchte dieie Worte hier anschlagen lassen. (Heiterkeit.) Wir »vollen unserem Polke den Weg zum Auf stieg ebnen. Alles dnrch das Poll und alles- für das Volk! 'Und nun an die Arbeit! Nachdem der Präsident noch der Staats- und Stadtgan nerei sür den Blumenschmuck gedankt bat, scknci tet das- Haus zur Wahl »er Vizepriifideute» Auf Vorschlag des Abg. Nitzschke-Leutzsch wird Abg. Dr. Dietel (Dern.) zum ersten Pizeprä sidenlen gewählt — er erhält 81 Stimmen, je eine Stimme fällt ans die Abg. Dr. Kraft und Schwager, acht Zette! sind unbeschrieben. Abg. Fleißner (U. S.) schlägt als zweiten Vizepräsidenten den Abg. LiPi n s t v vor. Er wird mit 84 Summen gewählt, nenn Zettel sind nnbcschrieben, zwei lauten auf Frau Geper. Nach dem Vorschlag des Abg Sindermann lSoz.) werden durch Zürn» zn Schriftführern die Abgg. Dr. W a g n e r (Dentschnal. Vp.) nnd Winkler (Soz.), zu stellvertretenden Schriftführern die Abgg. H a r t m a n n lTem.) nnd K ü b n (Soz.) gewählt. MSMlMeu-ntsch ia Pims. Plauen 25. Febr. Im Anschluß an eine gestern morgen abgehaltene Arbeitsloseuversamm- lung zogen deren Teilnehmer unter spartakistischer Führung zum Rathaus, wo die dort unterge brachte Sicherheitswache entwaffnet und dem ! Oberbürgermeister die Forderungen der Arbeits- ! losen unterbreitet wurden. Der-Oberbürgermeister ! sicherte in einer Ansprache an die Demonstranten , die Prüfung der Forderungen zu. Darauf be wegte sich der Zug nach der Kaserne. Die daselbst befindliche Sicherheitskompagnie übergab nach Verhandlungen die Macht an die Spartakisten. Auch die in der Stadt vor den öffentlichen f Gebäuden stehenden Sicherheitsposten wurden . aufgehoben. Den beiden bürgerlichen Zeitungen s „Vogtländischer Anzeiger" und „Neue Vogtlän- dischc Zeitung" statteten bewaffnete spartakisttsche l Abteilungen Besuche ab. Hier wurden von den Spartakisten in dckn Maschinensälen Maßnahmen getroffen, die den Zeitungen das Wcitererscheinen zunächst unmöglich machen. s Plaul», 25. Febr. Gestern abend gegen 7 Uhr erschienen die Demonstranten in großer Zahl vor der Gefangenenanstult, wo sie Inhaftierte, insbesondere Untersnchungsgcfangene, befreiten. Die gestern abend besetzte Hauptpost ist heute wieder dem Verkehr geöffnet. Auch der obere Bahnhof ist seit gestern abend besetzt. In der Mihnensteme. Kriminalroman von M. Kossak. 17 Sv zwang sie denn ihr krankes, gequältes Herz zur Ruhe und trat, da der Direktor ihr dm'ür eine höhere Gage lwt, allabendlich jetzt sogar zweimal auf, einmal im ersten Teil mit Occhesterbegleitung singend und das zweite Mal zu vorgetückler Staude sich auf der Geige selbst begleitend. 'Nie aber war sie so lieb gewesen, »vie jetzt mn ihren große», traurige» Auge» und dem zuckeiwen Mund, ans dem heitere und schwermü tige Lieder in bmiiem Durcheinander quollen. Tic ersten Nummer» des Programms gingen a» Brüminel ziemlich eindrmckslos vorüber. Dann aber erschien Frida und alsobald spamttcn sich alle seine Sinne anfs äußerste a», um nichts vor» den; zu veUicreu, ivas auf der Vüh»e vorgmg. Sie trug ein weißes Ehiffoukleid, sehr schick gemacht, aber kaum den Boden berühreiw, ein richtiges Backfisch tleid, d.sjeii einzigen Schmuck ei» Strauß blaßro- ter Nelken im Gürtel bildete. Das ivar das einzige Farbige au ihrem Anzug. Das reizende Köpscheu auf den» schlanken Halse erschien mit seiner Fülle Hel!blonden HaareS »vie eine Blume am Stengel. Aber was war das für eine seltsame Gestalt, die da hinter ihr ging und jede ihrer Bewegungen uaclnnachtc? Ein dürrer Mau» in buntscheckigem Trikownzng mit kreideweiß angestrichenem Gesicht und juchLrmer Perücke, von der ein hoher, spitzer Schopf nu'mäus strebte, erschien er einem grotes ken Kinderfpielzeilg ähnlicher als einem Menschen von Fleisch und Blut. Und seine Bewegungen hat ten weit mehr Aehnlichkett mit einer Gnmmipuppe als mit einem Menschen. Lung-Bell, der Clown. Wie' ihr Schatten stand er hm ter der holdjeli- gen Frida, sich bewegeud wie sie, gehend wie sie, lmz ihr Abbild iu seinem ganzen Tun. Nur was reizend und lieblich bei ihr erschtem verzerrte sich bei ihm zur widerwärtigen Fratze. Dem Publikum erschien die Parodie sehr lustig, aber Brümmcl lief es dabei eisig nnd kalt über den Rücken. „La bete et la bellet" dachte er. Denn war das nicht ein Lier, dieser Mensch mit dem kreideweißen Gesicht, auf dessen hohlen Wangen ziegelrote Flecken leuch teten und dessen fuchsrote Perücke auf der Stirn eine Schnebbeuspitze umschrieb, wie mau sie auch bei deu Teufelsmaskeu steht? Ein Tier, eine wilde Bestie, die kaltblütig Menschenleben vernichtet und hinterher alberne Possen treibt wie ein Affe? Jetzt fing die anmntige Frida zu singen an, hei lere und traurige Liedchen, die aber, die einen wie die andern, traurig und klagend klangen. Ihre Lip pen versuchten wohl zu lächeln, aber es blieb nur bei dem Versuch und eS sah ein paar Mal auS, als wollten ihr die Tränen aus den Augen stürzen. Dabei machte sie mit den kleinen Händchen die vor» geschriebenen, ihr einstndierten Bcweguugeu, die seltsam hilflos aussahen, gleich als ob ein geäng stigtes Kind sie aufhebt, um die Mutter um Er- barmeu für irgend eine van ihr begangene Unart zu bitten. Der Mensch da hinter ihr aber parodierte sie, gleichviel ob sie lächelte oder ob ihr Mund weinte. ,, DaS Publtkum applaudierte wie rasend — mau wußte »licht, wem sei» Beifall galt, ob der Sänge rin oder ihrem Schatten, doch wahrscheinlich bei den. „Sehen die Menschen denn gar nicht, »vie herz zerreißend das alles ist?" denkt Briinunel. Frida verbeugte, sich jedesmal mechanisch, wenn der Beifallssturm erklingt, und der Clown ver beugt sich natürlich auch.' Dabei will es Brümmel Vorkommen, als ob er die Entfernung zwischen ihr und sich nicht richtig abmißt, denn seine lauge, spitze Nase berührt ihre Schulter. Kann der Mensch wirtlich so schlecht sehen, daß er ohne Kneifer nicht einmal die weiße, schlanke Gestalt des Mädchens anders, als in unbestimmten Umrissen rwrstchsteht? Auf Fridas Nummer folgen andere, aber Briim- mel gibt wenig acht auf sie, denn seine Gedanken weilen bei dem zuvor Gesehenen. Die große Pause ist vorüber, ein japanischer Jongleur tritt auf uud dann tomult abermals Frida, jetzt mit ihrer Geige. Lang-Bell folgt ihr abermals, statt einer Geige hält er eine Schlmn- merrolle im Arm, auf der er mit eiuem Spazier stock herumstreicht. Sie trägt ein fast fußfreies Kleid aus mattblauer Seide und um der Uebereiustim- mung willen hat er sich auch etilen blauen Fetzen um den Hals gebunden. Wieder fällt es Brümmel auf, wie schlecht seine Augen sein müssen, denn mit seinem Stock stößt er das Mädchen wiederholt in den Rücke». Der Detektiv'hat dabei ein Gefühl, als müßte er den widrige», Gesellen von der holden Gestalt fortreißen. Anitas Nummer ist die vorletzte. Sie führt »vie allabendlich auch heilte der Lotosblume Tanz ans und auch als ihr Schatten erscheint Long-Bell. Brümmel kann nicht umhin, sich zuzugestehe», daß es etwas Graziöseres, Eigenartigeres nnd Berau schenderes nicht geben kann, als die Italienerin mit ihrem Rabeuhaar und ihren schlangeuhafteu Bewegungen, aber merkwürdigerweise erregt das zotenhafte Gebaren des Clowns, mit dem er ihre» Tanz parodiert, diesmal nicht seine Entrüstung. Diese schölle Gestalt, deren Antlitz so kühl und ru hig ist, vermag iu seinem Herzen kein Mitleid wach- zurufe», wie das junge, hilflose Kind mit der um den Geliebten trauernden Seele. Wunderlich ist Anitas Benehmen gegen deu Clown;ungleichFrida, die seine Gegenwart gar nicht beachtet, wirft sie ihm jedesmal, wenn er ihr zu uahe kommt, einen Btick unsäglichster Berachtung zu. Der Clown weicht dann >vie erschrocken von ihr zurück und für eine Weile erscheinen seine Bewegungen dann - mecha nisch, ivie gelähmt. Als die Lcktosblume auf das Wasser zuschwebt und darin uutertauchr, tutLoug- Bcll das gleiche, aber wie schon öfters verfehlt ec die Richtung. Andere bemerken es nicht, aberBrüm- mel, der von seiner außerordentlichen KurzstchUg- kc hat, entgeht es nicht. Einmal will es scheinen, als ob die Italienerin den, Menschen et was zuruft, irgend ein zorniges, gehässiges Wort, qeun jener zuckt zusammen und bleibt eine», Au genblick wie erstarrt stehen. Nachdem diese Nummer vorüber ist, verläßt der Detektiv das Lokal und promeniert draußen daran vorübcr, mn zu sehen, wem, Auim und Long-Bell herauskvmmen. Er hat eine Ahnung, daß eS dabei für ihn »och etwas zu beobachten geben wird. Nnd richtig, er hat sich nicht getäuscht. Als Auita, von ibrer Gesellschafterin gesolgt, aus den, Portal tritt, erscheint dicht hinter ihr die dürre Gestalt in den, hechtgrauen Paletot. Dcr Ctown eilt daun ihr voraus, auf den Fiaker zn, der schon ihrer harrt und reißt den Wagcuschlag auf, um alsdann in dcmüuger Stellung, wie c-'m La- kei, daneben stehen zu bleiben. Als sie sich dem Fiaker nähert, vernimuit Brünmiel ganz deutlich, wie sie ihm zuzischt: „Vada — mostro!" „Geh', Ungeheuer!" heißt das auf deutsch. Dam, ziehen die Pferde an, der Wagen ver schwindet gleich darum um die Ecke „ach dem Ste- phansplatz z», aber der Clown steht »och immer auf seinem Platz m,d starrt dem Gefährt nach, bis er sich endlich ausrafsi, um sich laugsau, zu entfer» neu. Jetzt hat sei», Gesicht uicht mehr deu Ausdruck einer Teufelsinaske, soudern den eines todunglück lichen, verzweifelten Menschen. „Er ist der Mörder — er und kein anderer!" sagt sich Brümmel. „Aber »vie hat er den Grafen ermordet — wie?" Daß er die Lai ansEifersncht vollbracht, dcnchte ihn wahrscheinlich, aber keineswegs gewiß. Den» wenn er die schöne Kollegin auch liebte, so hätte er doch wissen müssen, daß sic niemals seine Liebe erwidern würde. Das schöne, verführerische Wciv konnte sich um» öglich einen Menschen gleich die sem widerlichen Gesellen als Gatten oder Liebha ber auSsuchen. Außerdem war der alternde Gras auch teine Perjcm, auf die mai, hätte eifersüchtig sein kömien und Anita hatte sicher früher schon au- dcrn ihre Liebe geschenkt, so vor allem, »venu das Gerücht uicht trog, dem hübschen und interessan ten Olfers, de» sie dau» freilich später abgeschüt telt hatte. Warmn war der Clown ans de» nicht eifersüchtig gewesen? Nein — je mehr Brümmel die Sache überdachte, desto mehr gelangte er zu der Ueberzeuguug, daß da andere Beweggründe mit- gespielt halten, als Liebe und Eifersucht. 2 t8,I7
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)