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KllM M PhklljlNlUIlWlllN AiMsrr TaUedlstt. NK 274^ Soiillubcnd, öen 26. November 1910. 67. IatstMNg. Deutscher Reichstag 85. Sitzung vorn 24. November. Nach 1 ..hr. Das Haus ist stark besetzt. Nm Bundesratstische: Dr. Delbrück, Frhr. v. Schorlemer. Die Wahl des zweiten Vizepräsidenten, die durch Zettel erfolgt, ergibt die Wahl des Abg. Schultz (Rpt.) mit 186 Stimmen. Auf den Abg. Singer (soz.) entfielen 52 Stimmen, auf die Abgg. Dr. Naumann (Fortschr. Volksp.), Dr. Müller - Meiningen (Fortschr. Volksp.), Stadthagen (soz.), Kobelt (natl.) und Dr. Spahn jun je eine Stimme. Abg. Schultz (Rpt.) nimmt die Wahl dankend an. (Leb hafter Beifall rechts.) Darauf wird die Be sprechung der konservativen und der sozialde- - mokratischen Interpellation über die Fleisch teuerung fortgesetzt. Abg. Wiemer (Fortschr. Volksp.): Wirk same Mittel gegen die Teuerung sind nach den gestrigen Erklärungen der Regierungsvertreter nicht in Aussicht genommen. Es soll nichts geschehen. Von einem Fleischnotrummcl, der ohne Not inszeniert wäre, ist keine Rede. Die konservative Partei hat ihre Interpellation we gen der kommenden Wahlen eingebracht, as ist der wahre Grund. Die gegnerischen Argu mente sind schwach und unzureichend. Eine ausreichende Ernährung aller Berufsstände ist schon im Interesse der Schlagfertigkeit unsres Heeres notwendig, sowie eines gesunden Nach Wuchses. Wir freuen uns des jährlichen Be völkerungszuwachses, müssen aber auch für des sen Ernährung sorgen. Eine plötzliche, allge meine Aufhebung der Zölle, einseitig von Deutschland aus, halten auch wir nicht für möglich; es kann nur eine schrittweise Herab setzung der Zölle, und nicht nur der landwirt schaftlichen, sondern auch der industriellen in Frage kommen. Eine Aenderung unsrer Wirt schaftspolitik ist aber notwendig, wenn es oes ser werden soll. Der Kleinhandel ist an der Fleischteucrung nicht schuld, wie ein Versuch in Breslau erwiesen hat. Der Grund liegt darin, daß die Viehproduktion mit dem be darf nicht Schritt gehalten hat. Aus den mit wenn und aber eingekleideten gestrigen Erklä rungen des Staatssekretärs wird das ^olk nur das Nein heraushören, Als Oberbürgermeister von Danzig hat Herr Delbrück ganz anders gesprochen als jetzt als Staatssekretär. ^oir werden jedes Mittel zum Schutz gegen die nicht zu unterschätzende Seuchengefahr unterstützen; aber man soll diese Gefahr nicht als Vor wand nehmen, um dem Volke die Lebensmil tel zu verteuern. Wir fordern in erster Linie die Herabsetzung der Futtermittelzölle. -ver Träger der Viehzucht ist nicht der Großgrund besitzcr, sondern der kleine Bauer. Wir brau chen einen starken Bauernstand. Deshalb mutz die innere Kolonisation gefördert werden. Wir können und werden nur vorwärts kommen, wenn die Junkerpolitik in Bauernpolitik um gewandelt wird. (Lachen rechts, lebhafter ^ei fall links.) Abg. Paasche (natl.): Die Fleischteue rnng ist da; es geht aber zn iveit, wenn man unsre Wirtschaftspolitik für eine Herabminde rung der Volksgesundheit verantwortlich macht. Man mutz bedenken, daß auch die Ansprüche -MM— ' Der rote Hof. Kriminal-Erzählung von Adalbert Reinold. 85) (Nachdruck verboten.) Endlich crbielt Dr. W. die alle Hoffnung nicder- schnicttcrnde Mitteilung, daß das Justizministerium ver fügt habe, der Celbst-Teunnziaul solle vorerst vom Physikat untersucht und geprüft werden, ob nicht seine sämtlichen Angaben ans Wahnsinn verübten und er somit im unzurechnungsfavigen Zustande bandle. Ter ehrliche Dr. W. sprang bei Lesung dieses Be richtes ans. „Tas darf nicht geschehen*, ries er, „der Schwarz ist verloren, denn nichts weiter will man bezwecken, als die Ehre der Richter retten, die offenbar den schänd lichsten Justizmord begingen." Aber was war zn machen? Gegen den ministeriellen Befehl war auch Tr. W. vollständig ohnmächtig. „Justizopter!" murmelte er, „der arme Alte, die bedauernswerte Schwester des jungen Mannes, die Hoffnung, den Neffen, den Bruder gerettet zn scheu, hält sie allein aufrecht, und dies Lavier vernichtet alles." Er entwarf rasch eine protestierende Suvvlik an das Ministerium, iu welcher er, im Interesse seines schwer geschädigten Micmcn, um Eröffnung des Prozesses gegen den sich selbst alS Mörder bezeichnenden Stamm ersuchte. Er motivierte diese Bitte sehr richtig damit, daß die Zurechnungsfähigkeit des sich selbst An- schuldigcnden ja ebenso gut im Prozeß, ja gerade hier viel zuvcrlaffiger ermittelt werden könne, — man möge bedenken, daß hier Ebre und Lebensglück eines völlig Unschuldigen auf dem Spiel stehe, — und daß der neue Prozeß uuvcdiugl größere Klarheit in die Sache bringen würde. Sei dieser Unglückliche wirklich vollständig wahnsinnig, so sei damit noch immer nicht ausgeschlossen, daß er der Mörder jein könne, vielmehr sei auzuuchmen. stark gestiegen sind. Im klassischen Lande des Freihandels, in England, werden dieselben Vorwürfe wie bei uns erhoben. Ein erheb licher Teil der Verteuerung aller Produkte er klärt sich aus der Verbilligung des Geldes. Die Statistik zeigt, datz in keinem Lande der Welt der Stand der Viehzucht so gesun- und gut dasteht wie in Deutschland. (Sehr richtig! rechts.) Aber die Landarbeit ist nicht mehr beliebt im Volke. Woher die Landflucht? ^ce jungen Dinger »vollen nicht mehr im Schwei nestall die Arbeit tun, sondern lieber nach Ber lin gehen. In Berlin gibt es mehr Leute, die die Landwirtschaft schätzen, als auf dem Lande. (Zustimmung und Heiterkeit.) Die Herab setzung der Futtermittelzölle, die zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft er forderlich war, haben wir gegen den Willen der Linken durchgesetzt. Wir müssen die Pro duktion im eigner» Lande so steigern, datz wir allen Ansprüchen genügen können. Die Oeff- nung der Grenzen würde uns eine Aeber- schwemmung mit Vieh bringen und die Lust der Landwirte zur Biehzüchtung beeinträchti gen. Trotz der Getreidezölle ist der Roggen jetzt billiger als je. Dern Bauer ist es vor allem um stabile Preise zu tun, und diese wer den ihm durch unsere Zölle gewährleistet. Deshalb werden »vir an unserer Wirtschaftspo litik sesthalten. (Beifall.) Abg. Frhr. v. G am p (Rpt.): Woher weis; denn der Abg. Emmel, daß es der Land wirtschaft so gut geht? (Zurufe des Abg. Em- mel.) Lassen Sie doch nur sein; Sie haben ja auf dem Parteitage genug reden können. Ich behaupte, daß sich irr den letzten Jahr zehnten kein -mnd so gehoben hat, wie ge rade der Jndustriearbeitcrstand. Sie haben keine Ahnung, Herr Emmel Ivie traurig die Verhältnisse in der Landwirtschaft liegen. Sie sprachen von einer Brotverleuerung, augen scheinlich haben Sie das Manuskript einer Rede benutzt, die Sie 1906 halten wollten. Die Er klärungen der Regierungsvertreter haben uns im Allgemeinen befriedigt. Wir wollen von allen Mitteln Gebrauch machen, soweit davon eine Gefährdung der Viehzucht nicht zn besor gen ist, und haben nichts gegen eine Revision des Fleischbeschaugesetzes nach verschiedenen Richtungen hin. Der Begriff der Hausschlach tungen wird zu eng gefaßt. Zur Linderung der Fleischteuerung empfiehlt sich die Einfüh rnng von Notstandstarifen für kurze Zeit, ^er deutsche Bauer ist viel zu klug, um nicht zu wissen, lvo seine wahren Freunde sitzen. (Leb Hasler Beifall rechts.) Abg. Fürst Radziwill (Pole): Die polnische Bevölkerung leidet ebenfalls unter der Fleischteuerung und wünscht, daß alles ge schieht, »vas zu einer Ermäßigung der Preise führen kann. Eine Verseuchung des Viehstan des ist natürlich unmöglich. Abg. Trimborn (Ztr.): Auch die städtischen Vertreter des Zentrums halten an unserer gemäßigten Schutzzollpolitik unbedingt fest. Das deutsche Volk hat noch nie einen ähnlichen Aufschwung erlebt, wie seit der Aera der Schutzzollpolitik. Selbst die französischen Sozialisten erkennen den Segen des Schutzzolls an; unsere deutschen Genossen sollten sich dar nach richten. Zu LUigriffen auf die Regierung liegt kein Anlaß vor. Redner wünscht die Ein fuhr des holländischen Viehes. Landwirtschaftsminister v. Schorlemer antwortet, die holländische Grenze könne nicht geöffnet werden, weil dort noch Seuchen herr schen. Gangbare Wege für die Erreichung der geäußerten Wünsche seien leider nicht gewiesen, Notstandssätze und Ermäßigung der Futter mittelzölle würden das Fleisch kaum verbilli gen. An der weiteren Besprechung beteiligen sich noch die Abgg. Rösicke (lons.), Kobelt (liver.). Freitag 1 Uhr: Interpellationen. ZurLtadtvervi ductenwahl schreibt man uns: Nachdem die Stadtverordnetenwahl vorüber ist, ist es wohl an der Zeit, unserer Bürger schaft noch einige Aufklärungen über das Ver hältnis des Kartells zum Hausbesitzerverein zu bringen. Das Prinzip des Kartells besteht darin, nach eingehender Beratung in den einzelnen Körperschaften eine Liste von Kandidaten vor- zuschlagcn, welche für das wichtige Amt eines Stadtverordneten sich zurzeit am besten eig nen. Die Erfahrung hat im Laufe der Jahre ergeben, daß eine solche Liste nur dann durch zubringen ist, wenn sich sämtliche Vereine, die Interesse an der Stadtverordnetenwahl haben, dem Kartell anschließen und nicht auf eigne Faust eine besondere Liste bringen. Es haben sich auch dieses Jahr ca. vier Wochen vor der Wahl wiederum 9 Körper schaften zu einem Kartell vereinigt und ist dem Vorsitzenden des Kartells der Auftrag zuteil geworden, dringend darauf hinzuwirken, daß sich auch der Hausbesitzerverein dem Kartell anschließen möge und falls dies nicht zu er reichen wäre, den Hausbesitzerverein zu ersu chen, mit der Aufstellung einer Liste so lauge zu warten, bis sich das Kartell über seine Kandidaten schlüssig geworden wäre, um mög lichst dann noch eine wesentliche Zersplitterung zu vermeiden. Diesem dringenden, notwendi gen Ersuchen ist der Hausbesitzerverein nicht nachgekommen, sondern hat eine Kandidaten liste festgelegt, ehe nur eine Aussprache in den Körperschaften des Kartells stattfinden konnte. Diese Liste war so einseitig ausgestellt, datz sie bis aus einige Herren vom Kartell nicht an genommen werden konnte. Diese Liste hat dann zu den berechtigten Aussprachen in der Kartellsitzung selbst geführt, welche in den hie sigen Zeitungen genügend gekennzeichnet wor den sind. Der Hausbesitzerverein hat noch nie malS einen Kandidaten durchgebracht, welcher allein auf seiner Liste stand und mußte sich bewußt sein, daß jeder Kandidat, der nicht vom Kartell akzeptiert wurde, gleichbedeutend mit einem Siege der Sozialdemokratie sei. Der Hausbesitzerverein durfte sich auch nicht einbilden, daß, um den Sieg der Sozialde mokratie zu vermeiden, das Kartell seine samt lichen Kandidaten annähme. Wie einseitig von Seiten des Hausbesitzer vereins vorgegangen worden ist, läßt sich schon daraus ersehen, datz in der ersten Liste nicht einmal der sich um das Wohl der Stadt so sehr verdient gemachte Herr Schuldirektor Dietze Gnade vor seinen Augen gefunden hatte und erst nachträglich nach den Aussprachen im Kar tell aus die Liste des Hausbesitzervereins mit kam. Ein Vorsteher eines solchen Vereins, der nun zugleich ein Stadtverordnetenmandat inne hat und seinen Verein auf solche Bahnen lei tet und, wenn auch seine Gesinnung eine an dere ist, sein Vorsteheramt beibehält, sich auch bewußt sein muß, welche Folgen das Vorge hen seines Vereins zeitigt, kann doch unmog lieh verlangen, nach solchen Vorgängen von Seiten des Kartells wieder ausgestellt zu wer den. Das sind die Gründe, die im Kartell zu» Sprache gekommen sind und die maßgebend ge wesen sind, den Herrn nicht wieder auf die Liste deS Kartells zu nehmen. — Es kommt nun unwillkürlich die Frage, welches die Gründe sind, weshalb der Hausbesitzerverein sich nicht dem Kartell anschlicßt. Es gibt doch nur zwei Wege, entweder im Kartell mit den bürgerlichen Parteien zn gehen, oder sich offen auf die Seite des Gegners zu stellen, eine Mit telslellung ist absolut ausgeschlossen. Es ist jetzt an der Zeit, daß der Hausbesitzerverein offen mit seiner Farbe herausgehl, wie er sich in Zukunft zu dem Kartell zu verhalten ge denkt; denn bleibt er auf seiner jetzigen Mei nung bestehen, dann fallen im nächsten Jahre die Wahlen evtl, noch günstiger für die Ge genpartei aus und es wäre dann jetzt schon an der Zeit, an eine Aenderung des Wahlge setzes heranzutreten; denn das Kartell und alle bürgerlichen Parteien können nicht zugeben, daß die Gefahr bestehen bleibt, der Sozialdemo kratie die Oberhand im Stadtverordnetenkolle gium einzuränmen. Es ist Pflicht unserer Stadtvertretung, auf eine Klärung dieser An gelegenheit jetzt zu dringen nnd von dem Hausbesitzerverein eine Erklärung zn fordern, entweder öffentlich, oder dem Vorsitzenden des .Kartells zn erklären, wie seine Haltung zu dem Kartell bei nächster Wahl sein wird. Gibt der Hausbesitzerverein die Erklärung, bei der nächsten Wahl mit dem Kartell zu gehen, so ist eine Aenderung des Wahlgesetzes nicht nö tig; denn dann ist Aussicht vorhanden, datz auch in Zukunst die bürgerlichen Parteien die Oberhand behalten, ist aber von dem Haus besitzerverein eine derartige Erklärung nicht zu erlangen, dann ist die Aenderung des Wahl gesetzes noch in diesem Jahre spruchreif und eine unbedingte Notwendigkeit. Es ist zu hoffen und zu wünschen, daß diese offenen, wohlgemeinten Worte volle Wür digung von maßgebender Seite finden und die Angelegenheit nicht aus die lange Bank ge schoben wird, oder dem Zufall überlassen bleibt. Oertlickes und Liifrisisches. Das S ch a u f e n st e r. Bis zum Jahre 1870 gab es selbst in großen deutschen Städten nur eine verhältnismäßig bescheidene Zahl von Schaufenstern, und wo sie bestanden, da waren keine besonderen Anstrengungen ge macht, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen. Die Geschäftsleute hatten ihre feste Kundschaft, die Konkurrenz war mäßig, die Auswahl und die Zahl der zu verkaufen den Artikel auch nicht entfernt so, wie heute, daß der sonst «an; harmloie Mensch diese blutige Tat gerade in Erallativu voll-rächt habe! Kurz nach Einreichung vieler neuen Eingabe fuhr Dr. W. nach dein Städtchen N„ wo der Bettel-Jakob noch innrer in» Gefängnis saß. Der Anwalt erbat sich bei den, Assessor die Erluibnis, den jungen Irrsinnigen einmal sprechen zu dürsten; cs war dies ein Gesuch, das man wohl absLlagcn konnte, aber nicht mochte, und es g:!ang dem Anwalt des Försters, Zutritt ins Gefängnis zu erhalten. Effie volle Stunde fast verweilte Dr. W. mit dem Assessor in der Zelle d-s Bettel-Iakobs. Als die beiden Männer aus dem Gefängnis traten, wandte sich W. an den Assessor. „Halten auch Sie, der Sic doch ein ausaeklärter Mann sind, den jungen Menschen für so wahnsinnig, daß alles, was er sagt, iu seinem Wahn förmlich er- sonncu und erdichtet sei?" Tr. W. batte den Assessor an seine schwache Seite gefaßt; seine schwächste Seite mar die Eitelkeit. — Nur ja zu gern galt er für einen volksfreundlichen, aui- geklärten Mann. Als Dr. W. ibn einen solchen nannte, war er halb gewonnen. „Ich bin ja derjenige", — beantwortete er die an ihn gerichtete Frage des Advokaten, — „der allsogleich tarkrällig eingriff, den Iakob Stamm sofort in Haft nahm, und aus Ministerium berichtete. — ist mir übel genug eingerechnet worden", sägte er hinzu. „DaS macht mir eine wahre Freude, cn lich einmal einen Manu zu treffen, mir dem ich ürcr den ebenso wichtigen, wie interessanten Fall ein vernünftiges Wort sprechen kann, die andern Herren verschließen förmlich die Ohren", sagte der Advokat. Er glaubte in der ferneren Unterredung mit dem Assessor irgend etwas erfahren zu können, das einen sicheren Anhalt bot, aber er kam um keinen Schritt weiter und schied nur mit der Ueberzcugnng, daß er durch eine fade Schmeichelei in dem Assessor eine Art Unterstützung gefunden batte, denn dieser versicherte ihm noch beim Abschied wiederholt seine Freundschaft. Dr. W. ließ seinen Wagen in der Stadt, er schlug den Weg zum Försterbause ein. — Ter alte Förster war seil dem furchtbaren Unglück, das ihn betroffen batte, ein ganz anderer geworden. Vorher leidend, schien der Schicksalsschlag in dem Greise plötzlich die ganze Spannkraft seines Lebens erneuert zu baden; — war gleich lein Nucken gebeugt, sein Silbcrbauvt trug der Alte bochaufgcrichtet, aus seinen Augen blitzte es, als wallte eine innere Stimme sagen: noch darf ich nicht sterben, es gilt noch erst, meinen Neffen zu retten und den wirklichen Mörder zu entdecken. Er selber versah den Försterdicnst, er war nicht zu bewegen gewesen, das Försterbaus im Walde zu verlassen. „Nicht eher", entschied er fest, „gebe ich. bis der Friedrich frei ist und mich bealcüet, daun will ich dieser Ställe des Unglücks gern den Nucken lehren." Ter Herbst war bereits wieder ins Land gekommen, als Tr. W. den einsamen Feldweg, der von dem Städtchen zum Förstcrhause führte, dahinschritt. Als er vor nun bald Jahresfrist denselben Weg bis zum roten Hof wanderte, da war cs seine Aufgabe, die geringen Indizien, welche gegen den jungen Förster sprachen, zu entkräften, — Heine luchte er eine andere Spur, hatten die Begebenheiten doch eine ganz andere, eine völlig ungeahnte Wendung genommen. Seinen Gedanken nachhängcnd. war er bald beim Försterhansc anaetangt, — als cr ein:rc:eu wollte, kam ihm der alte Förster entgegen, derselbe war zum Nevier- gehcu gerüstet. Als der alte Jäger den Anwalt seines Neffen er blickte, stutzte er: ans dem Gesicht des Advokaten schien keine allzu frohe Botschaft zu leuchten; — er nötigte Dr. W. ins Laus. „Ich bringe nichts Schlimmeres und nichts Besseres", begann dieser, als die beiden Männer sich im Wohn zimmer befanden, „hauptsächlich komme ich beute, um mir von Ihnen, Herr Förster, einige Aufklärungen über den Jakob Stamm zu bolen." „Ich werde Jbnen blitzwenig sagen können", er widerte kopfschüttelnd der Alte, — „habe mir schon alle Mühe gegeben, etwas Bestimmtes zu ersuhren, aber keiner weiß etwas anderes, als was der Hofbauer Hartmann schon früber vor Gericht als Zeuge aus- gcsagt ball" „Sie baden sich alw an Ort und Stelle genau erkundigt?" „Ich bade das Gesinde des roten Hokes vom Kuh- jungen bis znm Großlnecht gefragt, keiner der Leute weiß etwas Näheres." „Wo wohnte denn eigentlich der Jakob Stamm?" fragte der Advokat. „Ja, der wobnte überall und nirgends, die Sommer zeit über hütete er die Kühe und während der Herbst« nnd Winterzcit gab ihm eine alte Frau, die sich, glaube ich, vom Spinnen und Stricken ernährt, Obdach; für diese nnd sich selber zog er mit seinem Quersack bettelnd von Tür zu Tür." „Wie kommt denn der Mensch zu der reichen Bauern« tochter?" „Das ist eine sonderbare Geschichte", entgegnete der Förster, „die beiden kennen sich von klein auf", — und der alte Jäger erzählte in kurzen Umrissen, daß ja die ermordete Martha die Tochter der Feldhüters-Lene sei nnd nach dem Tode ihres Vaters wild aufwuchs, ähnlich wie der halbtollc Bettel-Iakob, der Sohn der im Moors« ertrunkenen Schullchrcrstochter. (Fortsetzung folgt.)