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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 07.12.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191012070
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19101207
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19101207
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-12
- Tag 1910-12-07
-
Monat
1910-12
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 07.12.1910
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§NlM M AMt«kt Taaebkatt. Mittwoch, den 7. Dezember 1910. 37. Jahrgang. Nr. 283. Der Parteitag der sächsische» Konservativen. Die Generalversammlung des konservativen Landesvereins im Königreiche Sachsen, die am Montag nachmittag im Künstlerhause zu Dresden stattfand, war aus allen Teilen des Landes sehr zahlreich besucht. Ueber die Ver handlungen, die unter Ausschluß der Oeffent- lichkeit erfolgten, wurde von der Parteileitung ein Bericht ausgegcben, dem wir das folgende entnehmen: Der Vorsitzende Exzellenz Dr. Mehnert er stattete in Kürze den Geschäftsbericht über das vergangene Jahr, in dem es heißt, daß nicht nur dem konservativen Landesverein mehrere Hundert neue Mitglieder, gegenüber nur 19 Austritten, beigetreten seien, sondern daß auch neue konservative Lokalverbände gegründet wurden mit mehreren tausend Mitgliedern. Die konservative Organisation habe im verflossenen Geschäftsjahre einen solchen Zuwachs an ein zelnen Vereinen wie an Mitgliedern erhalten, wie er seit einer langen Reihe von Jahren nicht zu verzeichnen gewesen sei. Die Kassen verhältnisse seien trotz bedeutender Ausgaben bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahre völlig geordnet. Für die Haltung des Landesvereins bei den kommenden Reichstagswahlen wurde dar auf folgende Resolution gutgeheißen: „Die konservative Partei Sachsens hält es nach wie vor für die oberste Ausgabe des Staates und der bürgerlichen Gesellschaft, die grundstürzen- den Bestrebungen der Sozialdemokratie unter Einsetzung aller Kräfte zu bekämpfen. Hier durch ist ihr auch die Richtlinie für die im nächsten Jahre bevorstehenden Reichstagswah len von selbst gegeben, „nnversöhnlicher Kampf gegen die Umsturzpartei" muß die Parole sein, unter der wir in die Wahlschlacht ziehen. Dankbar werden wir es begrüßen, wenn wir bei diesem Kampfe aus den Reihen der bür gerlichen Parteien kräftige Unterstützung er halten. Unerbittlich müssen wir uns aber ge gen diejenigen richten, die mittelbar oder un mittelbar die Sozialdemokratie fördern oder für sie eintreten. Mit der Sozialdemokratie als Umsturzpartei darf es kein Paktieren geben. Für die Wahlen selbst ist anzustreben, daß die bürgerlichen Parteien nnter Unterlassung jeder Bekämpfung untereinander der gemeinsamen Front gegen die Sozialdemokratie eingedenk bleiben und wenigstens für die Stichwahlen eine gegenseitige Unterstützung der Ordnungs mattdate sich zusichern. Wer von den Par teien hierfür nicht zu haben ist, muß ebenso als Feind angesehen und behandelt werden, wie die Sozialdemokratie selbst." Ebenso wurde eine Resolution, die sich mit der Heranwachsenden Jugend und deren Be wahrung vor den Einflüssen der Sozialdemo kratie beschäftigt, in folgender Form einstim mig angenommen: „Der Staat gibt seinen Wöhlern das höchste Recht, das er verleihen kann: Mit zu bestimmen über die Geschicke des Staates. Der Staat hat es aber bisher unterlassen, den Heranwachsenden Bürgern diejenigen Maße von Kenntnissen der Staats einrichtungen, die Pflichten und Leistun gen des Staates gegenüber seinen Bür gern und die Pflichten und Leistungen des Einzelnen gegenüber dem Staate zu verschaffen, was unbedingt notwendig ist, um die im Wahlrecht liegenden Verpflichtun gen genügend zu verstehen und zu erkennen. Die Schule unterläßt überdies vielfach selbst die unbedingt notwendige Unterweisung in der vaterländischen Geschichte. Diesen Mangel hat die Sozialdemokratie in einer die Existenz des Staates schwer bedrohenden Weise sich zunutze gemacht. Sie versteht es in geschickter Weise durch gewissenlose Agitation den kaum der Schule entwachsenen jungen Leuten jede va terlandsfreundliche Anschauung zu entziehen, die Achtung vor der Obrigkeit und jede Auto rität zu untergraben und ihre jungen Anhän ger mit unversöhnlichem Hasse gegen die Mo narchie und gegen die Regierung zu erfüllen. Mit solchen Gesinnungen treten auch viele junge Leute in die Truppe ein und gefährden hierdurch den Geist der Armee auf das Schlimmste. Es muß daher die dringende Forderung erhoben werden, daß der Staat selbst und zwar auf dem Wege der Gesetzge bung sich der Weiterbildung in Sonderheit der aus der Volksschule entlassenen jungen Staats bürger annimmt und zielbewußt dafür sorgt, daß durch die Ausdehnung einer geordneten Fortbildung die Liebe zur Heimat geweckt und gepflegt, sowie die Kenntnis der Vaterlands kunde, wie es für das Verständnis für die staatsbürgerlichen Pflichten notwendig ist, er weitere und die Achtung vor der Autorität besser gewahrt wird, als dies bis jetzt der Fall gewesen ist." Ferner kam das allgemeine Verlangen, so zialdemokratische Einflüsse von der Lehrerschaft fernzuhalten, in folgender Resolution, die eben falls einstimmig angenommen wurde, zum Ausdruck: „Es ist aus verschiedenen Zeitungs berichten zu entnehmen gewesen, daß einzelne Lehrer sozialdemokratische Versammlungen be suchten und mehrmals ihre Zustimmung zu Aeußerungen sozialdemokratischer Redner gege ben haben, andere aber wiederholt öffentlich die Hoffnung ausgesprochen haben, daß die Sozialdemokratie die Forderung des sächsischen Lehrervereins unterstützen möchte. (Das offi zielle Organ dieses Vereins schreibt: „Wir halten uns daran, daß in der Schulfrage die Sozialdemokratie für unsere Forderungen ein tritt," und an anderer Stelle: „Erwarten wir doch davon, d. h. von der Unterstützung durch die Sozialdemokratie ein gut Teil der Auf klärung des Volkes, die für ein Gelingen der Schulreform so unendlich notwendig ist.") In der Lehrerpresse finden sich weitere Aeußerun- gen, die ein fatales Liebäugeln mit der So zialdemokratie erkennen lassen (in der offiziel len „Sächsischen Schulztg." heißt es: „Die Be schuldigung sozialdemokratischer Gesinnung gilt im allgemeinen nur bei beschränkten Köpfen schwer, und weiter bleibt die recht kindliche Frage, ob ein Lehrer in einem gewissen Falle sozialdemokratisch wählen dürfe oder nicht), und deren Bestrebungen nicht erntfernt so be urteilen, wie dies fiir königs- und vaterlands treue Männer selbstverständlich ist. Der Deut sche Lchrerverein, dem der Sächsische Lehrer verein als Mitglied angehört, hat in seiner diesjährigen Hauptversammlung in Straßburg einenAntrag auf Ausschluß sozialdemokratischer Mitglieder nicht zum Beschluß gebracht, wäh rend die Vertreterversammlung des Sächsischen Lehrervereins vom 25. Sept. d. I. allen Ern stes die Frage des Ausschlusses derjenigen Lehrer diskutiert hat, die dem evangelisch-lu therischen Schulverein oder dem konservativen Verein angehören. Der konservative Landes verein kann in Uebereinstimmung mit Tau senden königstreuer Lehrer derartige Vorgänge nur mit der. größten Sorge um die Zukunft unseres Volkes erkennen und erwartet, daß den geschilderten Vorgängen und den Wider die Autorität des >Schulvereins gerichteten Bestre bungen gegenüber die maßgebenden Instanzen ungesäumt diejenigen .Vorkehrungen treffen, die zur Aufrechterhaltung der Disziplin in einem monarchischen Staate unbedingt notwendig sind." Nach der Erledigung der Vorstandswahlen und geschäftlicher Angelegenheiten nahm Ge heimer Hofrat Opitz das Wort, um über das Verhältnis der Industrie zur konservativen Partei zu sprechen und hervorzuheben, wie die Industrie bei keiner anderen Partei solche Un terstützung und Förderung fände wie bei der konservativen und wie hocherfreulich es sei, daß die Kenntnis davon auch in immer wei teren Kreisen der Industrie sich verbreite. Im Anschluß an den Vortrag gelangte in voller Einstimmigkeit folgende Resolution zur An nahme: „Der konservative Landesverein er blickt in der Nachgiebigkeit des Liberalismus gegen die staats- und gesellschaftsfeindlichen Forderungen der Sozialdemokratie und in dem Wettlaufen um die Gunst der Massen die ern stesten Gefahren, welche heute der Industrie drohen. Statt der Sozialdemokratie den Wind aus den Segeln zu nehmen, wie gewisse bür gerliche Politiker vermeinen, hat solche Nach giebigkeit nur den Erfolg, daß die Begehrlich keit und der Terrorismus der Sozialdemo kratie gesteigert werden. Entwickeln sich die Verhältnisse in dieser Richtung weiter, so ver liert der Arbeitgeber im Betriebe das Heft ans den Händen, so verkümmert jeder gesunde Un ternehmungsgeist, so wird die Produktion mit neuen Lasten aller Art beschwert und dadurch die deutsche Industrie dem Ausland gegenüber konkurrenzunfähig gemacht. Leider ist — nicht zum mindesten dank der schlappen Haltung der bürgerlichen Linken gegen die Sozialdemokratie — die Zahl der Industriellen in der Zweiten Kammer von 29 auf 16 herabgesunken, und es sind die der Industrie verloren gegangenen Sitze der Sozialdemokratie zugefallen. Auch sonst hat sich die Zusammensetzung dieser Kam mer dank dem Auftreten des Liberalismus der art zum. Vorteil der Sozialdemokratie verän dert, daß die Regierung nicht einmal mehr im Widerstande gegen die jede staatliche und wirt schaftliche Ordnung schwer gefährdende Aus dehnung der Koalitionsfreiheit auf die Eisen bahnarbeiter unbedingt den erforderlichen star ken Rückhalt findet. Ein lediglich agitatorischen Zwecken dienender sozialdemokratischer Antrag aus Einführung von Arbeiterkontrolleuren bei der Fabrikinspektion wurde von der Zweiten Kammer angenommen und nur der Ersten Kammer ist es zu danken, daß er nicht als ständischer Antrag an die Staatsregierung ge langt ist. Es ist daher mit Freuden zu be grüßen, daß in industriellen Kreisen immer mehr anerkannt wird, wie die Industrie im Kampfe uni ihre Lebensinteressen und Existenz bedingungen gerade bei der konservativen Par tei eingehendes Verständnis und tatkräftige Förderung findet." Mit kurzen Schlußworten des Vorsitzenden erreichte die Versammlung in der fünften Nach mittagsstunde ihr Ende. An den dieser Tage aus dem Amte ge schiedenen Finanzminister Dr. v. Rüger wurde folgende Adresse beschlossen: „Ew. Exzellenz bekunden die aus allen Teilen des Landes an läßlich der Generalversammlung zahlreich ver einigten Mitglieder des konservativen Landes- Vereins einmütig aus vollem Herzen innigen und aufrichtigen Dank für alles, was Ew. Exzellenz in einem Leben voll nimmermüder Tätigkeit für unser engeres wie weiteres Va terland getan und geschaffen haben. Unver gänglich für alle Zeiten wird das Wirken Ew. Exzellenz verknüpft sein mit der Wiedergesun dung unserer sächsischen Staatsfinanzen, deren Leitung Ew. Exzellenz in schwerer Zeit über nommen und die in ihrem jetzigen Stande ei nen freudigen und zuversichtlichen Ausblick in die Zukunft gewähren. Unvergänglich wird der Name Rüger späteren Geschlechtern noch sagen von einem seltenen Manne, dessen Geradheit und Schlagfertigkeit, dessen hohe staatsmännische Begabung in schwierigen Tagen von ausschlag gebender Bedeutung für die Geschicke unseres lieben Heimatlandes gewesen sind. Unser auf richtiges Dankgefühl begleitet Ew. Exzellenz in die Tage des Ruhestandes mit dem herzlichen Wunsche, daß es Ew. Exzellenz vergönnt sein möge, an dem mit eiserner Energie und weit sichtigem Blick Geschaffenen noch lange Zeit sich erfreuen zu können. Der konservative Lan desverein hat bisher kein Ehrenmitglied. So eben aber hat die Generalversammlung einmü tig beschlossen, Ew. Exzellenz die Ehrenmit gliedschaft zu verleihen und zu bitten, daß der Name Ew. Exzellenz künftig als der unseres einzigen Ehrenmitgliedes an der Spitze der Vereinsliste eingetragen werde." Meine Chronik. * Ler Mosbiter Kr«w«ll-Prozetz in verli« dürfte jetzt cm- der Periode der endlosen Wider sprüche herauskommcn. Nach Mitteilung des StaatS» anwalts haben sich 70 neue unparteiische Zeugen gemeldet, die nach ihren Erfahrungen aussagen wollen, wie die Exzesse sich abspielten. 42 von diesen Personen sind vorgeladen. Ter Angeklagte Kliche, der mft Steinen geworfen halte, wollte auf der Polizeiwache gemißhandclt sein, mährend ein gleichzeitig dort anwesender Zeuge avssagte, die Beamten seien eher zu anständig gewesen. Auch andere Zeugen behaupteten, dem Manne sei nicht- geschehen. Der Angeklagte Trepkowski ist Gcwohn- heiislrinker und hat schon oft Krakehl mit der Po lizei gehabt. Er weiß von nichts mehr. Auch andere Beklagte haben vergessen was eigemlich passiert ist, sie wollen angetrunken gewesen sein * Opfer diS Unwetters auf dem Kaspische« Meere. Von den vom Sturme auf dem Epischen Meere ereilten Schiffen sind insgesamt 23 gesunken. 314 Menschen sind ertrunken, darunter 181 persische ZchiffLarbeiter. Acht Leichterschiffe sind nn Ehe stecken g-bOeben, Laa? ist bed'vAiest. Der rote Hof. Kriminal-Erzählung von Adalbert Reinold. 441 (Nachdruck verboten.) „Will es mir überlegen", sagte er zum Abschied, — „und was an Dir in, Steffen, vlandcre nicht, es würde sonst vor den Leuten anssehen, als bade Dein Zöchen meiner Martha einen Korb gegeben, ans den beiden soll ein Paar werden, will es mir überlegen, läßt wohl von Deiner Forderung noch ab." „So schieden wir voneinander, — ich habe den Hofbauern vor dem unglücklichen Tode seiner Stief tochter nicht wieder gesehen. Zn spät berente er, nickt lieber alles hingegeben zu haben, — aber ich weiß rückt, ernst wird cS ihm mit solchem Gerede nicht ge wesen sein, die Martha war einmal tot und er batte den Hof weg." Der Advokat halte aufmerksam rugehört, er hatte gewannt jedes einzelne Wort beachtet, das der alte Stessen sprach; — ftm Herz pochte, er glaubte, seinem Ziel um ein gutes Stück näher gerückt, oeun zwischen den Worten des Bauern lag ein neuer Verdacht gegen Hartmann. — Slcfsen naunrc diesen geradezu einen Knauser, einen Fuchs. „Bauer', begann Dr. W., als Steffen geendet hotte, — „ick habe Euch schon gesagt, und Ihr wußtet eS ja auch schon, daß in der noch ganz dunklen Mord- gcschichlc eine plötzliche Wendung ciugcireten ist, — der Beitel-Jakob hat sich als Mörder gestellt und be- dauvtet, der Förster Sckwarz sei unschuldig." „Ihr seid als ein Ebrcumaun im ganzen Lande bekannt', sagte langsam Steffen und ergriff die Hand des Advokaten, — „hört denn meine Meinung. Ich, als schlichter Bauer, der aber besser die Verhältnisse kennt, wie die Herren hinter den grünen Tischen in R. und in Hannover, ich habe niemals an des jungen Schwarz Schuld geglaubt, - aber daß der Bettel- Iakob die Martha gelötet, das glaube ich erst reckt nickt. Es liegt da etwas anderes zugrunde, etwas, wohinter mau nicht kommt." „Habt Ihr irgend einen Verdacht, eine Vermutung?" fragte Dr. W. „Wenn ich sie hätte, würde ich sie niemals, gegen leinen Menschen aussprecheu", war die Antwort. Der Anwalt besann sich einen Augenblick. „Ihr kennt den Bettel-Iakob?" fragte er dann. „Wie meinen Jochen, habe den armen Jungen ja ganz zn mir nehmen wollen, aber das Vagabundieren neckt in ihm, ist ihm angeboren: mitten in der Nackt klettert er vom Henboden herumer und läuft, als triebe ibn eiu böser Geist, über Feld und Flur, bis seine Beine ermüdet ihn nicht weiter tragen, dann schläft er einige Stunden, wo er zukommt." „Der Mensch ist also vollständig wahnsinnig?" Der Bauer rieb sich die Stirn: — „der Junge ist gescheit genug, aber er bat nichts gelernt, hat von Kindheit ans hcrnmgcstrolcht nnd hat die Manieren von wilden und zahmen Tieren angenommen, die seine liebsten Freunde sind." „Ihr sagt, er sei nickt toll, — und doch gibt er fick fiir den Mörder Marthas ans:' „Er ist nicht toll, — ich sage es noch einmal, — wirr mag er bandeln, kauderwelsch mag er sprechen, und seine Augen mögen, was sic sehen, anders nuf- faffen wie andere Menschen, die wie Menschen erzogen sind, das alles mag fein. — deshalb ist mir seine Sclbstanklage auch unerklärlich." Der Advokat war aufgcstanden, er griff schon nach seinem Hut, — da schien ihm noch etwas einzufalleu. „Erinnert Ihr Euch genau des Unglücks, durch das der selige Wendel zu Tode kam?" fragte er. „Ganz genau, — er geriet in den Moorsee, als er abends von der Stadt zurückkam." Steffen schwieg. Als er nicht weiter sprach, fragte Dr. W.: „Habt Ihr nie gehört, daß das Moorgespenst das Pferd er schreckte und der Wagen aus diese Weise i» den Sumps geriet?" „Habe davon gehört, jedes Kind erzählte es in der Gegend dem andern nach. Ja, ja", meinte ernst und bedächtig der alte Steffen — „über den roten Hof und den Moorsee ließe sich ein Buch machen, der neue Bauer, meiu Sohu, hat einen Knecht, der weiß Teufels zeug genug darüber zu erzählen." „Kennt der den roten Hof?" „Er hat bis zu der Mordtat, dem Tode Marthas, bei Hartmann gedient und ist dann hierher auf meines Sohnes Hof gekommen.' „Gespenster- und Spukgeschichten will ich nickt wissen", lächelte Dr. W., „und sämtliche Domestiken sind gleich nach der Tat und später auch als Zeugen ver- nommcu worden." „Verlohnte sich doch vielleicht der Müde, wenn Sie einmal mit ihm sprächen, Sie kennen dock das Land volk, was sie vor den Gericktsberrcn nickt aussagcn, erzählen sie untereinander beim Rübcnschneiden. Soll ich nachsehen, ob er zu Haine ist?" Dr. W. willigte gern ein; — ja, er kannte das Landvolk, er ersah ans der ganzen Mitteilung des alten Steffen, daß er noch nickt alles erfahren, daß der alte Bauer selbst mit einem Etwas hinter dem Berge hielt er hatte es vielleicht auf der Zunge, aber es wollte nicht herunter. Mit Hastigen Schritten durchmaß der Advokat das Zimmer: — er war aufgeregt wie selten, frand er vor einer wichtigen Enthüllung, vor Ent deckung des wavren Mörders? Der alte Steffen trat nach wenigen Minuten wiederein, gefolgt von dem Knechte, welcher aut dem roten Hofe gedient hatte. „Das ist der Herr Dr. W.. wie ich Dir schon ge sagt habe, der Advokat des Försters Sckwarz", er klärte der alte Bauer dem Knecht, „der Herr möchte von Dir wissen, wie es auf dem roten Hofe zu- gegangeu ist." Der Anwalt erinnerte sich jetzt, denselben Menschen beim Zengenverhör gesehen zu haben: er war damals ängstlich und zurückhaltend gewesen, aber einer der jenigen, welche zuerst den Bettel-Jakov erblickten und dann an den Moorsee eilten. Dr. W. erklärte dem Kneckt kurz, weshalb er ge kommen, daß der Bettel-Iakob sich als Mörder au- gegeben, daß dieser es aber unmöglich sein könne. Geduldig mußte der Advokat eine lauge Geschichte auhörcu: wie es überhaupt auf dem roteu Hofe und am Moorsee nicht geheuer sei: aber durch diese Mit teilungen wurde der Knecht auch zugleich redseliger und schloß mit den Worten: „Der Herr Doktor bat ganz recht, der Bettel-Jakob hat die Martha nicht ermordet." „Woher weißt Du denn das so bestimmt?" „Hm hm", meinte der Knecht, „der Jakob ist ein guter Junge und hat die Martha lieber gehabt als der Förster selber, der dock das hübsche Mädchen nehmen wollte ohne einen Groschen Mitgift!" „Hast Du das erfahren?" fragte der Advokat. „Habe die beiden einmal zufällig im Birkenwäldckcn belauscht, da sprachen sie über den Stiefvater Marthas und daß er ein Geizhals sei, und Marcha bat ihren Geliebten, mit dem Freien nm sie zu warten, bis sie mündig wäre, darauf erwiderte der Förster, sie solle mit ihm kommen in sein Haus, er verlange nichts, keinen Groschen, als sie allein. Nein", fügte der Knecht hinzu, „weder der Jakob noch der Förster sind die Mörder, der ist wohl am Ende ganz anderwärts zu suchen." (Fortsetzung folgt.)
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