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vk»M IM WftAIkilPNIIIlWlN Amnon Tageblatt Sonntag, den 27. November MO. Nr. 275. 37. Jahrgang. Neue Weihnachts- Handarbeiten. Von Vera v. Bergen. (Nachdruck verboten) Immer kürzer werden die Tage und bald locken lange Abendstunden zu angenehmen Träumereien beim knisternden Feuer, die in Begleitung der Musik des leisen aber rythmi schen Fadenziehens die erste Ouvertüre zu dem noch fernen Weihnachtssest bilden. Denn wenn wir unseren Lieben zeigen wollen, wie lieb wir sie haben, werden wir die denselben be stimmten Gaben nicht erst knapp vor dem Feste ansertigen und dann planlos und hastig nach dem Nächstbesten greifen, sondern beizeiten eine sorgsame Wahl treffen und dem Geschmack der zu Beschenkenden gerecht zu werden suchen. Auch vom ökonomischen Standpunkt aus empfiehlt es sich, mit den Weihnachtshandar beiten möglichst früh zu beginnen, um nicht im letzten Moment Geringwertigeres erstehen zu müssen, das dann weder den Stempel der fleißigen Hände, noch des individuellen Ge schmackes der Geberin trägt. Wir beeilen uns daher schon heute die Anregung zu verschiede nen Handarbeiten zu geben, die Vvn der Mode besonders begünstigt sind und deren Ausfüh rung keine übermäßigen Ansprüche an den Geldbeutel stellt, noch allzu kompliziert ist. In erster Linie sind die zierlichen Kleinigkeiten zu nennen, die dem Biedermeiergeschmack, der die Mode beherrscht, entsprechen; da gibt es win zige Sacktücher aus weißem Glasbatist, die in Ermangelung einer Tasche ihren Platz in der Handschuhöffnung oberhalb des Knopfes fin den und mit einer zarten Schlingeret am Rande verziert werden. Solch ein Sacktuch ist nicht größer als 16—18 Zentimeter im Qua drat; die Randschlingerei wird am besten in einer nur leicht gewellten Linie ausgeführt, an die man ein ganz schmales Valenziennespitz- chen einschlingt. Geschickte Hände werden in eine Ecke ein kleines Medaillon oder ein Kränz chen einsticken, in dem der Anfangsbuchstabe des Vornamens der Beschenkten steht. Etwas größere Sacktücher, die in den kleinen Täsch chen untergebracht werden, die die Damen zur Besuchstoilette tragen, haben 22 Zentimeter im I Quadrat und werden neuestens in der Art ge schlungen, daß die Ränder kleine Zäckchen, die Ecken jedoch einen Schmetterling oder ein Klee blatt bilden; man kann auch bloß eine Ecke in letzterer Art ausführen und in die Flügel des » Schmetterlings resp. in die Blätter des Klee blattes die Anfangsbuchstaben des Namens sticken. Sehr fein sehen auch geschlungene Batisttü- i cher aus mit eingeschlungenem Spitzchen und einem Biedermeierkrärnchen in der einen ^cke in dessen Mitte das Monogramm steht. Auch die feinsten Babylätzchen stickt man neuestens auf Batist und legt denselben auf stärkeres Material auf; die Kante wird mit einem Zäck chen geschlungen, das an jedem Ende ein Schleifchen bildet, und gleichfalls mit Spitz chen besetzt; den Fond füllt man mit kleinen Biedermeierkränzchen, die mit den gleichen Schleifchen schließen, in Hoch- und Durchbruch arbeit aus. Für Tischgarnituren, Mileux, Läu fer und Sofakissen ist die Kreuzsticharbeit auf weißem Leinen nioderner denn je; bunte Wie senblumenkränze mit Schleifen gebunden, in Waschgarn in Biedermeierfarben gestickt, sind von dankbarster Wirkung. Sehr modern sind auch Sofakissen aus weißem Leinen, die ein Blumenstrauß im Flachstich schmückt; man wählt gerne Blumen einer Art, z. B. feuer roten Mohn oder blaurot schattierte Astern, orangefarbene Crysanthemen, auch rosalila Zy klamen; der vorgezeichnete Strauß muß lange Stengel haben und hauptsächlich aus Blumen ohne Laub bestehen. Man verwendet abschat tierte Waschseide; die Stengel werden in grün ausgeführt, eine große Kokarde aus fingerbrei tem Scidenband in der Farbe der Blumen ist an Stelle, wo der Strauß gebunden sein soll, aufgeheftet. Zu den Neuheiten im Biedernieiergenre zählen auch Kreuzstichbordüren und Quadrate für Decken, Vorhänge und Mileux, welche als Dessin Hähne oder Schwalben zeigen; auch für Filetarbeiten benutzt man figurale Mo tive, zumeist leichtstilisierte Menschen oder Tier gestalten, oft auch Biedermeierszenen, wie z. B. ein sich küssendes Paar, oder ein Kind mit Blumenstrauß aus der vormärzlichen Zeit, das einem Gönner gratuliert. Das Motiv des Hahnes (Chantecler) begegnet man auch an- j derweitig, in bunter Seide auf einem weißen Nadelkissen gestickt, oder in koloriertem ram met auf ein Sofakissen aus naturfarbenem Tuch appliziert. Auch als Teekannen- und Eierwärmer aus einfarbigem bunt gesticktem Tuch mit feuerrotem oder gelbem Hahnenkamm spielt der Chantecler eine Rolle. Als kleinere Handarbeiten, die der Mode entsprechen und leicht herzustellen sind, nehmen gehäkelte ovale und runde Körbchen aus creme farbenem Häkelgarn einen Platz ein. Ein far biges seidenes Band zieht sich durch die Lücken des Korbrandes und des Henkels und schließt an der Apßenseite mit einer Kokarde ab; Modefarben für Bänder sind empiregriin, orange und lilarosa. Auch der Hutnadelbehäl ter ist eine sehr moderne Gabe: hier bedarf es eines zylinderförmigen hohen und schmalen Glasbehältnisses mit Boden, jedoch ohne Dek- kel, über welches man eine Hülle aus zartem gesticktem Batist oder aus schmalen Spitzenein sätzen zieht, durch welche der Länge nach far bige Bändchen geleitet sind, die oben und un ten mit Schleifchen endigen. Am oberen Rand des Ueberzeuges werden drei Bändchen be- I festigt, die zum Anhängen des zierlichen Ge genstandes dienen; in die Röhre werden, mit dem Kopfe nach oben, die Hutnadeln gesteckt, was von sehr hübschem Effekt ist. Eine nette zierliche Gave ist auch eine Tasche, die zur Aufbewahrung der im Gebrauche befindlichen Serviette dient, und auf deren Außenseite der Name desjenigen zu lesen ist, dem die Ser viette gehört, qmer wird gleichzeitig einer yy- gienischen Forderung Rechnung getragen, da durch die Tasche die Serviette vor jeder Ver unreinigung und Verwechslung geschützt ist. Man nimmt als Material entweder Leinen kongreß oder Leinen in einer Modefarbe, die sich dem Service anpaßt, beispielsweise flieder farbenes Leinen, welches mit einem zart rosa Biedermeierkränzchen unweit der Kante im Stielstich bestickt wird und in dessen Mitte in Handschrift der volle Namen aus gleichem Ma terial und in gleicher Ausführung zu lesen ist. Die Größe der Tasche richtet sich nach der Serviette, die zusammengelcgt, zur Hälfte ge kniffen, in erstere zu schieben ist. Die Kante wird mit einem rosa Waschbörtchen benäht, das Ganze muß jedoch aus drei Teilen beste hen, zwei geben die Tasche, der dritte den Ueberschlag, auf dem der Name zu lesen ist. Zum Schluß sollen noch die vielen Strick arbeiten erwähnt werden aus einer neuartigen Wolle, welche dem Gegenstand pelzartiges Aus sehen verleiht. Man fertigt Stolas, Muffe, ärmellose Westen, vor allem aber die so mo dernen breiten flachen Kappen, sowie die neue sten Biedermeierhäubchen aus derselben an; die letzteren schmückt man oberhalb der Ohren mit Blumen oder Bandkokarden. „Aarkc MiMn ßrMu durch". Duisburg, Stcrnbutchweg 12t, 16. Dez. 1909. „Schon in früheren Jahren haben wir bei unserem Töchterchen Elfriede die ausgezeichnete Wirkung von Scotls Emulsion kennen gelernt. Deshalb entschlossen wir uns auch sofort, unserem Söhnchen Werner das gleiche Präparat eine Zeitlang zu geben, als taS von Geburt an schwache Kind in die Zahnzeit kam. Die Wirkung, die man sofort bemerken tonnte, in tatsächlich pauue, swert, denn der Kleine hat von Tag zu Tag mehr zugenommen, die schönsten roten Bäckchen bekom men, und 6 parke Zähnchen b achen durch, otme daß er damit zu tun ha.le. Es ist dies ein großer -egen für die Mutter, welche dann auch ihre ruhigen Nächte hat." (gez - Herr u. Frau Salzbrenner. Ein erstrebcnswcries Ziel süc Mutter und Kmd sind ruhige Nächte in der Zahnzeit. Kinder, deren Körper die nötige Widerstandsfähigkeit besitzt, werden ohne Beschwerden darüber hinwcgksmmen, und denjenigen, bei welchen die- nicht zulrifft muß durch ein Kräftigungsmittel nach- geholfen werden. Hinzu eignet sich Scotts Emulsion wie kein zweite- Mittel. Ihre V standleile, Lebertran st und Kalkialz-, sind voitn ffliche Nahr- L werte und hervorragend geeignet, dem H / jungen Organismus Widerstands- fähigkeit zu verleihen und ihn so zu kräftigen, daß er mühelos über dle W-rr«-d?mz,-^ Z chnzctt hinwegkommt Tie Kinder «aranü-. nehmen TcottS Emulsion so gern, u-en Verfahren»! well sie angenehm suß schmeckt. Scotts Emulsion wird von un» auSschlieblich im großen »erkauft, und zwar nie loie nach Gewicht oder Mab, sondern nur in Versiegelten Originalsta'chen in Karton mit unserer Schutzmarke (Fischer mit dem Dorsch» Scott L Bowne, S m. b. H., Frankfurt a. M. vcstandlkile: Feinster Medizinal.Lebertran 1K0.0, prima GlHzerin 5S,0. untcrphosphorigsaurer Kalk 4,3, unterphoSphorigsaure» Natron r,o, pulv. Tragant 2,0, fernster arab Gummi pulv 2.0, Wasser 12»,0, Alkohol ti.o. Hierzu arsmatijche Emulsion mit Zimt-, MandeU un» Gaultheriaöl je 2 Tropfen. 4 « « Allerlei Kurzweil. » » Denksprüche. Nur vorwärts frisch und frei den Blick, Darfst ihn nicht trübe senken; Dir ward beschicken dein Geschick, Doch — selber kannst du's lenken. * * Jeder zieht nur seine Plage, Glaubt, daß er am schwersten trage, Und ist sehr erstaunt, Hört er eine- andern Klage, Der ist, hcißl's dann, schlecht gelaunt. Rätselecke. Rätsel. 1. Im Winter, Freundchen, nimm dich in acht, Denn Knabenhand schleudert's gewandt; Im Sommer ist'- durch der Blüten Pracht In Anlagen gar wohl bekannt. 2. Wen mein' ich wohl? Ich hoff', ihr wißt es! Ein ziemlich starker Rauchec ist es, Der auch bei euch tagtäglich raucht Und dennoch Tabak nicht verbraucht — Gefällt uns sonst daS Rauchen nicht, Bon ihm verlangen wir's als Pflicht. SirmrStsel. Bin ich dir vorgesetzt, So sichst du wohl zuletzt Mich ganz und gar verschwinden; Ich schlichte manchen Streit, Bring' vielen Pein und Leid, Kann auch den Tod verkünden. Dreisilbige Scharade. Die Erste liehst du vielen schon im Leben, Dem Prediger, dem Lehrer in der Schule, Der Nachtigall, sowie dem Frosch im Pfuhle, Und hast du sie noch niemals fortgegcben. Die beiden Zweiten nennen süße Frucht, Die jedem wohlgesällt, der sie versucht. Doch wer da- Ganze einmal hat genossen, Ist zu verzichten alsobald entschlossen, Begehret nie, daß man ihm wieder reiche Die bittre Frucht, die allzu stcngelreiche. BerwandlnagS-Rätsel. Wo- mit e durch eine Hauptstadt geht, Mit t» gar leicht im Wind verweht. Jrrgarteu-RtbuS. (Tüc Aufangsbuchs abeu smd so zu vnbmden, wie die Wege des Irrgartens gehen.) Vexierbild. Da kommt der Parkaufseher; daß der mir nur nicht etwa mein liebes Pfeifchen verbietet. (Auflösungen in nächster Nummec.) Auflösungen aus Nummer 47. Der Worträtsel: 1. Babel - Kabel — Fabel — Gabel. 2. Purpur. 3. Koblenz. Des RätselS: Feder. DcS Homonyms: Brenner. Der Scharade Maulschelle. Des Buchftaben-Rätsels: Farbe — Garbe. Der Scherzfragen: Rübezahl — Der Augapfel. Des Bilder-Rätsel»: Der Wahn macht Dichter. Des Vexierbildes: Im Baumstamm hinter dem links sitzenden Manne. Kops nach unten. Kindtr-Ztitilng. Alle Rechte sür den gesamten Inhalt Vorbehalten. Nr 48. Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lebmann, Hohenstein Ernnthal. 1910. Die blinde Rosa. An einem schönen Sommertage des Jahres 1846 rollte der Postwagen zur gewohnten Stunde auf der Landstraße von P. nach S. Die Pferde trabten, die Räder knarrten, die Kutsche krachte und der Kutscher schnalzte ohne Unterlaß mit der Zunge, um die Pferde anzulreiben — die Hunde bellten in der Ferne, die Vögel erhoben sich auS den Feldern in die Lüste — . . der Schatten lief neben dem Wagen und tanzte mit eigcnlümlichen Sprüngen zwijchen Bäumen und Büschen fort. Plötzlich hielt der Kutscher nicht fern von einem einsamen Wirtshause an. Er sprang von seinem Sitze, öffnete, ohne ein Wort zu sagen, die Kulfchentür, ließ die eisernen Tritte herunter und reichte die Hand einem Reisenden, der, seine Reiselasche in der Hand, auf die Straße trat. Ebenso stumm legte der Kulscher die Tritte wieder zusammen, schlug die Tür zu, schwang sich auf seinen Sitz und pfiff leise, um seinen Pferden das Zeichen zum Ausbruch zu geben. Die Pferde trabten weiter . . . und der schwerfällige Wagen setzte seine eintönige Fahrt fort. Unterdessen mar der Reisende in das Wirts haus gegangen und hatte sich zu einem Glase Bier au den Tisch gefetzt. ES war ein Mann von mehr als gewöhnlicher Größe, und schien gegen fünfzig Jahre alt zu sein. Man hätte ihn sogar sür einen Sechziger halten können, wenn nicht seine rüstige Haltung, sein lebhafter Blick und ein gewisses jugendliches Lächeln um seine Lippen bewiesen hätten, daß Geist und Gemüt in ihm jünger waren als sein Gesicht. Wirklich waren seine Haare grau, die Stirne und Wangen nut Runzeln bedeckt, und seine Gesichtsfarbe vcr- riet die Abgelebtheit, welche anstrengende Arbeit und langer Kummer als ein Zeichen eines frühen Alter« dem Gesichte nusdrücken. Und doch hob sich seine Brust noch rüstig, er trug den Kopi aufrecht, und in seinen Augen funkelte noch das Feuer männlichen Alter«. Nach seiner Kleidung konnte man in ihm einen reichen Bürger vermuten; sie halte nichts auffallendes an sich, nur schien der bi- an da- Kinn zugeknöpfte Rock und die große Mcerschaum- pseise, die ihm an der Brust hing, einen ehe maligen Offizier anzudculcn. Die Leute im Hause machten sich, nachdem sie ihn bedient hatten, wieder an ihre Arbeit, ohne weiter auf ihn acht zu geben. Er sah die zwei Töchter hin und her gehen, den Vater dat Feuer mit Holz unterhalten und die Mutter kochen; doch richtete niemand ein Wort an ihn, obgleich seine Augen mit Sehnsucht einem jeden Glieds der Familie solgten, und in seinen freund lichen Augen die Frage zu lesen war: „So er kennt Ihr mich nicht?" Da traf sein Ohr das Schlagen einer Uhr, die an der Wand hing. Als ob der Klang ihn schmerzlich berührte, umzog sein Gesicht der Aus druck einer unangenehmen Uebcrraschung und jagte das Lächeln von seinen Lippen- Er stand aus und besah unmutig die Uhr, bis die neun Schläge, einer nach dem andern, au«geklungcn hatten. Die Mutter hatte die unbegreifliche Rührung des Reisenden gemerkt und stellte sich verwundert neben ihn; auch sie blickte zur Uhr hinauf, um zu entdecken, was er darin so seltsam gefunden. „Die Uhr hat einen schönen Klang, nicht wahr?" sprach sie. „Sie geht nun schon zwan zig Jahre, ohne daß der Uhrmacher seine Hand daran gelegt hat!" „Schon zwanzig Jahre!" seufzte der Reisende. „Und wo ist die Uhr geblieben, die vordem hier hing? WaS ist aus dem Muitergottcsbilde ge worden, das auf dem Kamine stand? Es ist wohl beides zerbrochen und vergessen?" Staunend blickte die Frau auf den Fremden und antwortete: „Das Muttcrg»ttc-b>ld hat unsere Marie zer brochen, da sic, als kleine« Kintz, mit ihm spielte. Doch eS war auch so erbärmlich, daß un- der Pfarrer selbst geraten hatte, cin andere- zu kaufen. Hier steht das neue; ist e- nicht Vie schöner?" Der Reisende schüttelte verneinend den Kopf. „Und die Uhr werdet Ihr gleich hören", fuhr