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nen gestohlen zu haben. — Eine romantische Liebesaffäre hat sich in diesen Tagen hier ab gespielt. Zwischen der 18jährigen Tochter eines Schaustellers und einem jüngeren Kollegen desselben hatte sich ein Liebesverhältnis eut- sponnen, dem die Eltern des Mädchens ihren Segen nicht gaben. Dieser Tage verließ nun das junge Mädchen eines Nachmittags das Elternhaus mit dem Vorgeben, eine Freundin in einem Vororte besuchen zu wollen. In Wahrheit war die Freundin der Liebhaber und der Vorort von Leipzig hieß London. Dort ließen sich die beiden trauen und kehrten dann nach Leipzig zurück, wo sie sich vorsorglich be reits vor der Abreise ein Nestchen gebaut hat ten. Der dem Paare sofort nachgereiste Vater der Braut soll gerade eine Stunde nach der Trauung in London eingetroffen sein. * Döbeln, 22. Nov. Nachdem in den beiden letzten Jahren versuchsweise landwirt schaftlicher Unterricht an Soldaten der sächsi schen Armee erteilt worden ist, wird er nun mehr auf Veranlassung des Landeskulturrates und auf Anordnung der Staatsregierung ein- gefllhrt. Der diesjährige Kursus des hiesigen 139. Infanterie-Regiments, zu dem sich 67 Soldaten freiwillig gemeldet hatten, wurde am vorigen Sonnabend im König!. Realgymna sium mit Höherer Landwirtschaftsschule durch den Landwirtschaftslehrer Professor Dr. Krantz eröffnet. Der landwirtschaftliche Unterricht für Soldaten soll zwei Aufgaben erfüllen: 1. die Liebe zur heimatlichen Scholle zu pflegen und den Sinn für die Wichtigkeit und Annehmlich keiten des landwirtschaftlichen Berufes zu er halten oder auch zu erwecken, und 2. landwirt schaftliche Kenntnisse zu vermitteln. Als erstes Thema wurde „Die Bedeutung der Landwirt schaft mit besonderer Berücksichtigung des Bau ernstandes" behandelt, wobei der hohe Wert der Landwirtschaft für die Volkswirtschaft, das Volk und den Staat ausführlich dargelegt wurde. Der Unterricht findet in zwei Abtei lungen wöchentlich zweimal bis 4. April statt. * Annaberg, 22. Nov. Der Zug, der 2,41 Uhr nachmittags von hier nach Werdau fährt, hatte eine halbe Stunde Verspätung. Das kommt besonders bei solchem Schnee östers^vor, diesmal war aber die Veranlassung ein winziges Wesen. Auf der Strecke vvu Ännaberg nach Zwickau brachte eine im Zuge fahrende Frau einen Knaben zur Welt. In Zwickau wurde der Wagen mit Wöchnerin und Kind ausrangiert. * Klotzsche, 22. Nov. Eine eigenartige Störung des Gottesdienstes in der hiesigen al ten Kirche verursachte das Ausströmen von .Kohlengas aus einem eisernen Ofen. Sechs Kirchenbesucher mußten ohnmächtig aus der Kirche getragen werden. * Krippen, 22. Nov. Der Schulknabe Ahlert glitt beim Ueberschrciten der Brücke, die an der Ausmündung des Krippenbaches in die Elbe über den Bach führt, aus, stürzte in den hochangeschwollenen Bach und ertrank. Am Montag fand man den Leichnam an der Unglücksstelle. * Pirna, 22. Nov. Einen ganz leicht sinnigen, unüberlegten Streich beging am Sonn abend ein 18 Jahre alter Handlungsgehilfe, der in einem hiesigen Geschäfte in Stellung Ivar. Er sollte außenstehende Gelder einkas sieren, nahm aber einem Kutscher der Firma die 340 Mark betragende Kasse ab, stellte ihm eine Quittung aus und verschwand mit dem Gelde. In Dresden nahm er sich ein Auto und fuhr mit diesem nach Zwickau. Die Fahrt kostete die Kleinigkeit von 170 Mark. In Zwik- kau weilte eine „Liebe" des hoffnungsvollen Jünglings und dort ging es hoch her, bis er schließlich fast auf dem Trockenen saß. Der Polizei kam das Verhalten des jungen Men schen verdächtig vor, man nahm ihn fest und so kam die Unredlichkeit an den Tag. Die Fahrt dürfte ihm noch manchen Kopfschmerz bereiten. * Bautzen, 22. Nov. Verschwunden ist seit dem 18. d. M. das hier bedienstete 29 Jahre alte Hausmädchen Ida Lemke. Das Mädchen hat sich dahin geäußert, sich mit ih rem Bräutigam, dem 19 Jahre alten Kessel schmied Robert Münchhof, der seit dieser Zeit ebenfalls vermißt wird, das Leben zu nehmen. Dev Doppelraubmord in Burkersdorf bhcmnitz, 22. Nov. Das Schwurgericht hatte sich heute mit dem furchtbaren Doppcl- raubmorde in Burkersdorf bei Burgstädt zu beschäftigen, wo bekanntlich der 22jährige Bar biergehilfe Karl Gründig die hochbetagten Gast wirtseheleute Göller erschlug, um sie zu be rauben. Der jugendliche Verbrecher machte bei seiner Vernehmung einen ziemlich gleichgül tigen Eindruck. Auf dem Gerichtstische lagen zahlreiche Gegenstände, die von dem Vcrvre- chen herrührten, u. a. das Mordbeil, sowie einige Notenblätter, von denen der musiklie- bendc Gastwirt in der Stunde seines Todes zusammen mit seinem Mörder gespielt hatte. Aus der persönlichen Vernehmung des Ange klagten ging hervor, daß Gründig am 25. November 1888 in Freiberg i. Sa. geboren ist. Er war zuerst im Geschäft seines Vaters tätig, welcher ebenfalls das Barbiergeschäft ausübt und der von seinem mißratenen Sohn schon seit längerer Zeit seine Hand abgezogen hat. Dann war Gründig in Frankenberg, Mittweida und zuletzt in Oberwiesa tätig. We gen schwerer Urkundenfälschung und Betrugs ist der Angeklagte trotz seiner Jugend bereits mit Gefängnis vorbestraft. Die Mordtat an deni Ehepaare beging er am 13. Septeniber. Der Vorsitzende befragte den Angeklagten ein gehend über die näheren Umstände, worüber Gründig ziemlich rückhaltlos Auskunft gab. Auf die Frage, wie er auf den Gedanken ge kommen sei, den alten Göller zu erschlagen, erklärt der Angeklagte, er habe Geld gebraucht, um Kinderwäsche für das am Tage vor dem Morde geborene Kind seiner in Burgstädt wohnenden Braut auzuschasfeu. Seinen künf tigen Schwiegereltern hatte er vorgelogen, er sei reich und übernehme demnächst selbst ein Friseurgeschäft. Er kam daher in eine unan genehme Lage, als für das Kind Geld ge braucht wurde. Vors.: Wann ist Ihnen der Gedanke an das Verbrechen gekommen? An geklagter: Als ich mit Göller musizierte und er am Klavier saß, während ich Geige spielte. Bors.: Wollten Sie auch die alte Frau Göl ler bei Seite schaffen? Angekl.: Nein. Sie war krank und hatte die Gicht. Vors.: Was taten Sie, als Sie in die Wirtsstube eintra ten? Angekl.: Ich bestellte Bier. Bors.: Warum schlugen Sie nicht sofort zu? Angekl.: Ich hatte nicht den Mut; ich überlegte, wie ich die Tat am besten ausführen könnte. Bors.: Was geschah darauf? Angekl.: Göller spielte Geige; ich frug, ob ich mitspielen dürfte. Hierauf setzte sich Göller ans Klavier. Ich spielte Geige. Vors.: Haben Sie denn mit solchen Gedanken spielen können? Angekl.: Nicht or dentlich. Vors.: Was geschah jetzt? Angekl.: Ich legte die Geige auf den Tisch, nahm das Beil aus meiner Tasche und spaltete Göller mit einem Schlage den Kopf, woraus er vom Sessel stürzte. Dann habe ich noch öfter zu geschlagen. — Der Angeklagte schildert weiter, wie er die Ladentür schloß, die Vorhänge herabließ, den Leichnam mit der Klavierdecke zudeckte, die Treppe hinaufging und die alte kranke Frau Göller durch Beilhiebe erschlug. Vors.: Warum visitierten Sie nicht erst die Taschen des alten Göller und die Ladenkasse? Das taten Sie wohl nicht, weil Sie genau wußten, daß die alte Frau das Geld in Ver wahrung hatte und daß Sie, entgegen Jyrer Behauptung, von Anfang an beabsichtigten, beide alten Leute zu ermorden? Ter Angeklagte fand in einer Kommode zwei Börsen mit 60 Mk. Inhalt. Damit ver ließ er das Haus, warf draußen das Beil fort und ging nach Göppersdorf, wo er ein- kehrtc, kaufte hierauf in Burgstädt für das Kind Kinderwäsche und ging dann zu seinen Schwiegereltern, denen er sagte, er komme aus Chemnitz. Am nächsten Morgen wurde er von der Wohnung seiner Schwiegereltern aus nach der Polizeiwache geholt, wo seine Verhaftung erfolgte. Das Urteil: Der. Angeklagte Gründig wurde nach dem Wahrspruche der Geschworenen wegen zweifa chen Raubmordes zweimal zum Tode und zu dauerndem Verlust der bürgerlichen Eh renrechte verurteilt. Der Angeklagte, der schon während der Verhandlung großen Gleichmut gezeigt hatte, behielt seine Ruhe bis zum Schlüsse. Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm er das Urteil aus. — Die Verteidigung wird keine Revision einlegen, beabsichtigt aber, beim König ein Gnadengesuch einzureichen. Kleine Chronik * Der Moaditcr Srawall-Prozctz in Berlin. Im Zeugenvcihör hatte der beleidigte und bedrohte Pfarrer Schwebel ausführliche Angaben über die Roheit namentlich der an den Ausschreitungen be teiligten jungen Burschen gemacht. Nach ihm wurden Mitglieder der sozialdemokratischen Partei-Organi sation vernommen, die alle bestritten, daß die Parteileitung in irgendwelcher Beziehung zu den Krawallen gestanden habe. Abgeordneter Ströbel, Redakteur des „Vorwärts", sagte aus, auf seiner Redaktion habe niemand Kenntnis von den a s- gebrochcnen Krawallen gehabt, eS sei erst später ein Berichterstatter nach Moabit gesandt worden. Der Vorsitzende bat die Verteidiger, die Frage an die Zeugen tunlichst einzuschränken, da sonst kein Ende abzusehen sei. Der Vertreter der Firma Kupfer u. Co, bei der der die Krawalle einleitende Streck entstand, sagte aus, drr Ausstand sei vom Zaune gebrochen. Arbeitswillige und Beamte seien mit Steinen beworfen und darum auch Revolver angeschafft worden. Bei dem ganzen Ausstand habe es sich nur um eine Machtprobe gehandelt. Die Arbeitswilligen seien brave Leute gewesen. Ein wände, daß es sich um wirtschaftliche Streitereien gehandelt habe, will der Zeuge nicht gelten lassen. Die Firma hat von der Arbeitseinstellung großen Schaden gehabt. Verschiedene Arbeiter des Ge schäfts stellen in Abrede, daß sie von den Aus ständigen bedroht und mißhandelt worden sind. Die Weitcrbcratung wurde darnach bis zum Mitt woch vormittag vertagt * Schnecwetter iu Galizien. In ganz Galizien herrscht seit 48 Stunden starker Schneefall Der Verkehr ist allenthalben gehemmt Wegen Schnee verwehung mußte der Verkehr an mehreren S Mionen vollständig sistiert werden. * Sieden Personen ertrunken. Wie aus Nan tes gemeldet wird, ist ein Boot, in welchem !7 Arbeiter und Arbeiterinnen über die Loire setzen wollten, mitten im Flusse an eine Leuchtboje gesto ßen und zerschellt. Sieben Arbeiter sind ertrunken, die übrigen konnten sich retten. * Vier Kinder erstickt. In der Wohnung des Lagerhalters Siebert in Erfurt spielten an, DicnStag nachmittag während der Abwesenheit der Eltern drei Kinder mit Streichhölzern und steckten die Betten in Brand. Als die Mutter nach Hause kam, sand sic zwei Kinder erstickt vor, daS d ittc war bewußtlos ge worden und gab noch Lebenszeichen von sich Ob es aber mit dem Leben davonkommen wird, ist zweifelhaft. — Bei einem verhältnismäßig unbedeu tenden Brande in der Wohnung eines Arbeiters in Charlotienburg sind gestern dessen beide Kinder, Knaben im Aller von 2 und 3 Jahren, in Abwesen heit der Eltern ebenfalls in den Flammen umgekom men. Wahrscheinlich haben die Kinder mit Streich hölzern gespielt. * I« die Liefe gestürzt. Auf der Strecke der Warschau-Wicner Eisenbahn ist eine Brücke in dem Moment eingcstürzt, als sie von einem Güterzug passiert wurde. Vier Waggons stürzten in die Tiefe, drei Kondukteure fanden dabei den Tod. * Da- GrstSnduiS dcS GattcnmSrdcrs Dr. Crtppea. „Eoening Times" erklärt, daß Dr. Crippen sein Verbrechen eingestanden habe. In diesem Ge ständnis, das eine Niederschrift voller kaltblütiger grauenhafter Einzelheiten sei, teilt Crippen olle Vorgänge der Mordtat mit. Gestern früh drückte Dr. Crippen den Wunsch au-, Frl. Le Neve noch mals zu scheu Die Behörde genehmigte dies und benachrichtigte Frl. Le Neve, die auch gleich daraus im GesängniS erschien. Dcr Besuch dauertc20Miuuten. * Verurteilung der beiden Harzräaber. Das Schwurgericht in Dessau verurteilte die beiden Harz räuber, die Bahnarbeiter Karl Keßler und Hermann Held aus Quedlinburg, die am 29. Juli und am 30 Juli d. I. eine Dame ans Leipzig und zwei Berliner Damen überfallen und beraubt hatten, unter Versagung mildernder Umstände wegen Raubes und schweren Diebstahls Keßler zu einer Gesam strafe von 9 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrcnrechls- vcrlust, Held zu 6 Jahre» Zuchthaus und ebenfalls 5 Jahren Ehrenrechtsverlust. * Selbstmord eine- Malers. Auf der Fahrt nach Ancona bat sich der tschechische Maler Knüpfer non dem Schiffe „Williams" ins Meer gestürzt. Vor seiner Abreise von Prag übergab er einem dort lebenden Freunde, dem kaiserlichen Rale Dimmer, eine kleine Kossette mit dem Bemerken, daß wertvolle Familiendokumente darin seien. Gestern mittag erhielt Timme- ein Telegramm aus Ancona: „Lasse sofort mein Kästchen durch Schlosser öffnen und lies den an dich gerichteten Brief." Das Kästchen enthielt zahlreiche Abschiedsbriese, die als Motiv für seine Tat den pkysi chen und geistigen Rückgang des Malers bezeichnen. * Vaodal'Smus. In Florenz wurde gestern die Marmortreppe der heiligen Fassade des Domes mit grüner Anilinfarbe bestrichen. Auch wurde Farbe in das Wcihwasserbecken geschüttet Ferner wurden mehrere Marmorsäulen durch Hammerschläge beschädigt * Gln bebnuerlicheS Verseht». In der Bürger schule im Wiener Vorort Hietzing wurde gestern früh der !2 Jahre alte Motorsahrerssohn Karl Nowak in einem Lichthof schwer verletzt aufgefunden. Es stellte sich heraus, daß der Knabe vorgestern nachmittag von seinem Lehrer wegen eines kleinen Vergehens eingesperrt worden war Bei Schul-chluß hatte der Lehrer vergessen, den Knaben wieder frei- zulasscn. AIS die Dunkelheit hereinbrach, fürchtete sich der Knabe und versuchte sich selbst einen Aus gang zu verschaffen, wobei er aber unglücklicher weise durch das Fenster in den Lichthof stürzte Die besorgten Eltern stellten Erkundigungen über den Verbleib ihres Kindes an und es ergab sich, daß inan den Buben vergessen hatte. Eine strenge Untersuchung ist eingeleitet. ' * Nächtlicher Neberfoll eines Irrsinnige« ans einen Arzt. Ein zur Kur in ZiegenhalS weilender Bergbeamtcr aus Oberschlcsicn ist plötzlich irrsinnig geworden. Er begab sich nachts zum Hause des SanilälsratS Michalke. Als infolge des heftigen Klingelns der Arzt öffnete, echielt er von dem Kranken mit einem keulcnartigen Stück Holz zwei Schläge aus den Kopf. Nun begann ein heftiges Rin:e» auf Leben und Tod. Erst als Hckfe kam, wurde der Irrsinnige überwältigt. Michalke ist schwer verletzt. * Tie Petroleumlampe. In Bielefeld trugen infolge der Explosion einer Petroleumlampe der Arbeiter Gellert sowie sein Sohn und leine Tochter schwere Brandwunden davon. Ter Zustand des Mädchens ist hoffnungslos. Depeschen vorn 21. Noveinber. Berlin. (P ri n a t - Te I e g r am m.) Der Kronprinz wird nach seiner Rückkehr ans Ost- nsien die Führung des 8. Dragoner-Regiments in Oels in Schlesien übernehmen, dessen Chef die Kronprinzessin ist. Alsdann wird er als Regiments-Kommandeur im Schlosse zu Oels Wohnung nehmen. Reichenberg i. Böhmen. Im Jcschkcm nnd Isergebirge sind gestern nachmittag unge heure Schuecmasseu niedergegangen. Der Ver kehr ist teilweise unterbrochen. Der ungerichtete Schaden an Wald und Feld ist bedeutend. Der Schneefall dauert an. Genua. Gestern abend erfolgte eine furcht bare Explosion im Stadtteil Kleine Pforte. Als die Polizei sich an Ort und Stelle ein fand, entdeckte sie in der Wohnung eines ge wissen Amato den 22jährigen Sohn Amatos, welcher vor einigen Tagen aus der Arme« zu rückgekehrt war, in seinem Blute liegend. Ne ben ihm lagen seine beiden Schwestern im Alter von 14 und 15 Jahren. Diese waren jedoch nur leichter verletzt. Die Untersuchung ergab, daß die Katastrophe durch die Explo sion einer Bombe herbeigeführt worden ist, die erfolgte, als der junge Amato die Bombe fül len wollte. Zwei andere Bomben wurden in einen! Nebenzimmer gefunden. London. (Pri vat - Telegramm.) An läßlich der Hinrichtung des Londoner Gatten mörders Dr. Crippen hatte sich trotz des dichten Nebels in den frühen Morgenstunden eine große Menschenmenge vor dem Londoner Gefängnis versammelt. Dr. Crippen wurde um 6 Ühr^ge- weckt, um seiueu letzten Gang anzutreten. Um 9 Uhr teilte die hochgehende schwarze Flagge auf dem Dache des Gefängnisses der harrenden Menge mit, daß Dr. Crippen nach dem Wort laut des Urteils am Halse gehängt worden sei, bis er tot war. Die Menge nahm schweigend den Hnt ab und entfernte sich. London. Ueber die neuen schweren Un ruhen, die sich gestern im Kohlenbezirk von Wales, besonders in Tonypandy, ereignet ha ben (siehe „Tagesgeschichte") berichtet die „Daily Mail" folgende Einzelheiten: Die Menge mußte mehrmals von der Polizei zu Fuß und zu Pferde auseinandergetrieben werden. Die Aus ständigen überschütteten die Polizisten mit ei nem Hagel von Steinen und Brikettwürfeln. Die Situation ist sehr kritisch geworden, und es mußten Truppen herbeibeordert werden. Als aber ein Detachement Kavallerie eintraf, waren die Unruhen schon beendet. 30 Poli zisten sind bei den Zusammenstößen mehr oder minder schwer verletzt worden, 15 haben be sonders schwere Verletzungen davongetragen. Die Ausständigen, die über das Verbot der Kontrolle auf den Bahnhöfen besonders auf- gebracht sind, hatten mit den Polizisten und Truppen eine regelrechte Schlacht. Die Aus ständigen wurden wiederholt von den Poli zisten attackiert, die mit ihren Knüppeln kräf tig an sie einschlugen. Die Exzedenten zogen sich in guter Ordnung zurück und nahmen ihre Verwundeten niit. Die Frauen der Ausständi gen beteiligten sich an dem Kampfe, indem sie aus den Fenstern heißes Wasser auf die Köpfe der Polizisten gossen. Verhaftungen wurden nicht vorgenommen; die Polizei glaubt, daß Verhaftungen die Wut und Entrüstung der Ausständigen noch vermehren würden. Dies entspricht jedoch nicht der Ansicht des Ministers des Innern, Churchill, der telegraphisch an ordnete, daß alle Ausständigen, die sich gegen die Ordnung vergehen, verhaftet werden sollen. London. Die Journalisten, die während der Unruhen in Tonypandy vorgestern abend den Ruhestörern nach Penygraig zu folgen suchten, sanden den Weg durch Polizeibeamte versperrt. Dieselben stürzten ihnen mit ge schwungenen Polizeiknütteln entgegen, stießen und durchsuchten sie und befahlen ihnen, sich zurückzuzieheu. Petersburg. Zu Ehren Tolstois fanden gestern in verschiedenen Stadtteilen Prozessionen statt, an denen Studenten, Hörerinnen der Frauenkurse und Arbeiterinnen teilnahmen. Den Zügen voran wurden Porträts von Tolstoi getragen, denen eine nach Hunderten zählende Menge folgte. Zahlreiche berittene Schutzleute und (Gendarmen sprengten die Prozessionen im mer wieder. Besonders lebhaft ging es vor deni Anitschlow-Palais zu. Dreihundert Stu denten wurden verhaftet, nach Feststellung ih rer Personalien aber wieder freigelassen. Im Gedränge wurde eine Gymnasiastin erdrückt. Ncwyork. Die Lage in Mexiko ist außer ordentlich kritisch. Ruhestörungen werden von Punkten in sieben Staaten gemeldet. Die -Un ruhen bewegen sich fächerartig von einem Punkte, der weniger als hundert Meilen nord wärts der Stadt Mexiko entfernt liegt, nach der amerikanischen Grenze zu. In zahlreichen andern Distrikten im Osten und Südosten fan den ebenfalls Kämpfe statt. Truppen werden schleunigst nach den bedrohten Punkten ent sandt. Tie mexikanische Regierung hat arischer nend den Telegraphendienst der Republik in die Hand genommen und übt eine strenge Zensur aus. — Wie aus Mexiko gemeldet wird, ist am vergangene» Sonntag bei einer Haussuchung inr Hause von Revolutionären eine Verschwörung aufgedeckt worden. Es wurden Dokumente gefunden, nach denen be absichtigt war, mehrere hohe Beamte zu er morden. Präsident Diaz sollte festgenommeu, wegen seiner früheren Verdienste um das Land jedoch nicht getötet werden. DredsuvorsUwäs-VLlü. Die Ergänzungswahl für den Kirchenvorstand der Trinitatisgemeinde findet am 1 Adventssonntage, den 27. November d. I., mittags /2I2—1 Uhr auf dem Altarplatze der Trinitatiskirche statt. Es scheiden mit Ende dieses Jahres aus die Herren: Böttchermeister Kolbe, Kauf mann Louis Pfefferkorn uud Kontorist Richard Fechner. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. Stimmberechtigt sind für diesmal alle diejenigen über 25 Jahre alten Hausväter (sie seien verheiratet oder nicht), welche bis zum 13. November d. I. iu die Wähler liste der Kirchgemeinde ausgenommen waren. Dieselben erhalten in den nächsten Tagen ein abgestempeltes Formular für einen Stimmzettel zugestellt uud haben denselben ausgefüllt in der oben angeführten Wahlzeit persönlich auf dem Altarplatz der Kirche abzugeben. Der Kirchenvorstand der Trinitatisparochie. Schmidt, Pf.