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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 04.11.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191011047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19101104
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19101104
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-04
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 04.11.1910
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Der Berliner Aufruhr-Prozeß wegen der Ausschreitungen in Moabit findet cm 17. November vor dem Schwurgericht statt. Der Staatsanwalt behauptet, wie das „Berl. Tgbl." mitteilt, daß die Krawalle von der sozialdemokratischen Partei organisiert wor- dey seien. Der Beweis für diese Auffassung wird unter anderem darin gesehen, daß in Moabit dieselben Rufe gehört wurden, wie bei den von der sozialdemokratischen Partei veran stalteten Wahlrechtsmanifestationen. Ferner wird aus einen Artikel des „Vorwärts" ver wiesen, in dem es hieß, daß die Polizei sich an die sozialdemokratische Parteileitung hätte wenden sollen, und daß dann die Ruhe schnel ler als durch Säbelattacken wieder hergestellt worden wäre. Die Verteidiger beabsichtigen, gegen die Behauptung, daß die Partei bei den Moabiter Krawallen die Hand im Spiele ge habt, einen umfangreichen Gegenbeweis zu führen. England. England stellt eine Untersuchung über die Kaffern-Revolte in Deutsch-Slldwestasrika an, wie der in London ansässigen Gesellschaft zum Schutze der Urvölker und zur Abschaffung der Sklaverei vom dortigen Auswärtigen Amte mitgeteilt wurde. Ueber Vorgänge in deut schen Schutzgebieten hat die englische Negierung an Ort und Stelle natürlich keine Untersu chungen vornehmen zu lassen. Dazu sind die deutschen Behörden da. — Interessante Schieß übungen auf Unterseeboote führten englische Kriegsschiffe in der Nähe von Portsmouth aus. Es gelang nicht, die Periskope, d. h. die übers Wasser hinausragende Vorrichtung, vermittels deren die Besatzung eines in der Tiefe befindlichen Unterseebootes die Meeres oberfläche überschauen kann, zu treffen. Ist die Periskope durch einen Treffer zerstört, so ist das Unterseeboot, da es ja das feindliche Schiff nicht mehr sichten kann, kampfunfähig. Frankreich. Die Demission des Kabinetts Briand, die in dem Ministerrat am Mittwoch beschlossen wurde, hat im wesentlichen formelle Bedeu tung, denn Präsident Fallieres wird Herrn Briand mit der Neubildung des Kabinetts bettauen. Briand hat durch seine und seiner sämtlichen Kollegen Demission freie Hand ge wonnen, sich die Mitarbeiter ganz nach seinem Sinne auszusuchen. Er ließ bereits mitteilen, daß der große Eisenbahnerstreik und die zu dessen Unterdrückung notwendig gewordenen Vorkehrungen, sowie die Verhinderung ähn licher Vorkommnisse in der Zukunft das Mi nisterium vor andre Aufgaben gestellt hätten, als zu Anfang der Amtszeit der bisherigen Regierung bestimmt war. Justizminister Bar- lbou sprach Herrn Briand daraus das Ver trauen aller Mitglieder des Kabinetts aus; das gleiche tat auch der Arbeitsminister Vi viani für seine Person, erklärte aber, daß er in das neue Kabinett Briand nicht eintreten könnte. Der Präsident der Republik Fallieres hatte nach der Entgegennahme der Demission eine Unterredung mit den Präsidenten der De putiertenkammer und des Senats, deren Er gebnis befriedigend war. Als sichere Mitglie der des neuen Kabinetts Briand gelten der Kriegsminister Brun, der Marineminister Bone de Lapeyrene und der Minister des Auswärti gen Pichon. Dagegen wurde es für wahr scheinlich gehalten, daß der sozialistische Han delsminister Millerand gleich Viviani aus der Negierung ausscheiden würde. Auf die aus wärtige Politik der Republik Frankreich übt der Ministerwechsel also keinerlei Einfluß aus. Die innere Politik des Landes erfährt dage gen einen Ruck nach rechts. Namentlich wird das Ministerium Briand nach seiner Umwand lung gegenüber Lohnkämpfen schärfere Saiten aufspannen. Naturgemäß vermehrt sich damit auch die Zahl seiner politischen Gegner in der Kammer, und ob Herr Briand, dessen gerühm tes einschmeichelndes Organ sich in ein absto ßend rauhes und gebieterisches umgewandelt haben soll, noch lange den Posten des franzö- fischen Ministerpräsidenten bekleiden wird, er scheint allerdings mehr als fraglich. Spanien. Die spanische Regierung läßt die Meldun gen von dem Ausbruch einer revolutionären Bewegung für grundlos erklären und mittei len, daß im ganzen Lande Ruhe herrscht. Es scheint aber zu stimmen, daß verschiedene Kra walle stattgefunden haben. Portugal. Die Mitglieder der früheren Regierung ver fügen über beträchtliche Geldmittel. Gleich dem Diktator Franco hinterlegten auch der einstige Ministerpräsident Teixeira de Souza und noch ein anderes Mitglied der früheren Regierung, die gleichfalls wegen gesetzwidriger Handlun gen im Amte angeklagt waren, sofort die ver langte Kaution und blieben auf freiem Fuße. — Die republikanische Negierung, welche einen Gesetzentwurf zur Schaffung von Arbeitsbör sen zwecks Beseitigung der Arbeitslosigkeit aus arbeitete, beschlagnahmte im königlichen Schlosse Necessidades verschiedene Dokumente, die in einem eisernen Schranke verschlossen waren. Rußland. Der Kriegsminister teilte mit, daß die Se- natoren-Revisionen bis jetzt die Einleitung von 65 Strafverfahren gegen 445 Personen zur Folge gehabt hätten, deren Erledigung jedoch erst in drei Jahren zu erwarten sei. — In ei ner dem russischen Militär-Etat beigegebenen Denkschrift erklärt der Kriegsminister, daß die Ausrüstung der Feldartillerie im Zarenreiche mit neuen Geschützen in der Hauptsache abge schlossen sei und 161 Millionen Rubel gekostet habe. — Wie man dem „Neuen Wiener Abend- Natt" aus Petersburg telegraphiert, wurde durch die Verhaftung zweier Beamter der Moskauer Gouvernemewtsverwaltung eine große revolutioniere Organisation aufgedeckt. In Griechenland wird Kronprinz Konstantin demnächst wieder in die Armee eintteten und seinen früheren Posten als Ober-Kommandant von neuem übernehmen. Das ist ein Fortschritt, der dem energischen Auftreteri des neuen Ministerprä sidenten Venizelos zu danken ist. Die grie chisch-türkischen Beziehungen beginnen sich zu bessern. König Nikolaus von Montenegro wird, wie es heißü, am 15. d. M. dem Kai ser Franz Josef iri Wien sinnen Antrittsbesuch abstatten. Den er'sten Besuch müßte der Kö nig eigentlich dem Zaren abstatten, dem Mon tenegro nach Gott alles zu danken hat, wie der Beherrscher der Schwärzen Berge selber erklärte. Nuffühvttng des Kirchenchors zu St. TrinitatiS. Gestern abend fand im Saale des Attstädter Schützenhauses die in allen musikalischen Kreisen unserer Stadt mit großem Interesse erwartete Aufführung des Hayduschen Oratoriums „Die Jahreszeiten" (1. und 2. Teil) statt. Ein großer Apparat war aufgeboten worden, die Darbietung so würdevoll und eindringlich als möglich zu gestalten. Der Kirchenchor hatte sich mit der Aufführung dieses Oratoriums eine Aufgabe ge stellt, die alle bisherigen an Größe und Inhalt übertraf. Ungefähr zwei Stunden dauerte die Aufführung, und schon daraus kann man er messen, auf welch hohe Probe die .Kunst der Mitwirkenden gestellt wird. Betrachtet man aber erst das Werk selbst, dann wird diese Gewißheit umso mehr gefestigt. Ein Oratorium, rein als Gattung in der Mnsik betrachtet, kann seine Entstehung in erster Linie auf daS Bestreben znrückführen, Poesie und Musik zu einem einheitlichen Ausdrucks mittel zu vereinigen. Seine viel in sich fassen den Vorbilder waren der griechische Chor oder der Psalm und Hymnus. Aber wie breit auch diese Grundlage erscheinen mag, bis zu welch ungeahnter Höhe hat sich diese Musikgattung ent wickelt! Die lyrische Komposition begreift alles in sich, was Gesang und Töne auszudrücken vermögen, ohne die Gebärdensprache, die bei der Oper (ganz abgesehen von"der Operette) als na türliches Ansdrucksmittel hinzukommt. Die ersten Anklänge nach dieser Richtung hin könnte man schon im einfachsten Lied entdecken, das mit ent sprechender Begleitung in einheitlicher Harmonie einheitliche Empfindung auslöst. Die idealste Art von Poesie und Musik, also im (weltlichen) Oratorium, hat unstreitig Joseph Haydn erreicht. Seine hervorragendsten Werke in dieser Beziehung sind „Die Jahreszeiten" und „Die Schöpfung". Die Fülle der Gedanken, die der Meister in den „Jahreszeiten" durch Chor, Orchester und Solisten dem Hörer übermittelt, seine kindlich-heitere Ausdrucksweise, die bei aller Einfachheit doch von genialer Beweglichkeit und Formenschönheit ist, wird stets ein Gefühl unge teilter Befriedigung und Wohlgefälligkeit erzeu gen. Denn gerade die Volkstümlichkeit in seinen Melodien, die aber nie zur Trivialität wird, weil sie die Kunst des Meisters veredelt, so daß selbst der musikalisch Anspruchsvollste nichts daran aus setzen kann, diese Volkstümlichkeit gewinnt ihm alle Herzen. Daß Haydn ein Meister der Ton malerei ist, dürste auch dem weniger Musiktrei- bcnden nach Anhörung des gestrigen Konzerts klar geworden sein. Gerade in den Jahreszeiten tritt diese Eigenschaft in erhöhtem Maße zutage. Der Text, den Baron van Swieten nach einer englischen Dichtung von I. Thomson ins Deutsche übersetzt hat, schildert bekanntlich im Anschluß an den Lauf der Jahreszeiten eine Reihe von Bil dern aus der Natur und dem menschlichen Leben. Und dieser Staff gab dem Komponisten reiche Anregung, seine Kunst ausströmcn zu lassen, so daß sie dann in edelster Entfaltung zutage trat. In der Naturmalerei beim Beginn des Unwetters, in der Schilderung des Frohsinns und der Freude des Volkes offenbart sich die reiche Individualität. Die handelnden Personen sind Lukas, Hanne und Simon. Um sie schart sich ein Chor der Landleute, die sofort den einziehen den Frühling begrüßen. Der Satz „Komm, holder Lenz" ist eins der poetischsten Stücke des Werks, von den wechselnden Empfindun gen des Sehnens, Hoffens, Zagens herrlich belebt, vorwiegend traulich und bescheiden im Ton, nur an einzelnen Stellen zum stürmi schen Ausdruck gesteigert. Die zweite Szene, in der der Ackersmann in gleichem Schritt hin ter dem Pfluge einhergeht, hat Haydn mit ei nem ähnlichen musikalischen Scherze ausgestat tet, wie sie in der älteren Oper „Don Juan" häufiger vorkommen. Der Dichter läßt den Bauer „flötend schreiten". Haydn überträgt dieses „Flöten" auf das volle Orchester. Und was wird geflötet? Das Andante aus Haydns eigener Sinfonie mit dem Paukenschlage. Es folgen kleinere Orchestermalereien von Läm mern, Fischen, Bienen und Vögeln. Am Schlüsse geht er ins Feierliche über und besondere Wucht erhält er durch die Stellen, mit welchen, in dem einleitenden Adagio die Melodien des Soloterzetts von den Anrufungen der Chor stimmen unterbrochen werden. Die Bilder, die „Der Sommer" enthält, sind auf die Spanne eines Tages zusammengedrängt. Die Schil derung beginnt mit der Morgendämmerung und endet mit dem Klang der Äbendglocke. Sie ist reich an instrumentalen Randzeichnungen. In dem einleitenden Rezitativ ahmt die Oboe den Morgenruf des Hahnes nach. Unter den gro ßen mehrteiligen Nummern der Abteilung sind die Szene der Hanne „Willkommen jetzt" und der Chor „Ach, das Ungewitter naht" die be deutendsten. Da brausen die Wetter über das schutzlose Landvolk herein. Noch vor dem Chor einsatze beginnt die Szene schon mit dem Pau- kenwirbel, der als Hinweis aus den von wei tem hörbaren Donner in die Seccorezitative des Simon und Lukas hineinrollt. Aller Laut erstirbt in dieser bangen Situation: die Streich instrumente erklingen in Pizzicato und in stok- kenden Nythmen wie knisternd. Ein Takt mit einer unheimlich flatternden Flötenfigur, dann ein Krachen des vollen, mit Posaunen ge spickten Orchesters, und ein lautes „Ach" vom Chor her. Das ist der Anfang des großen Gemäldes vom Gewitter, das eine Haupt partie in den Jahreszeiten, für Viele schlecht hin die Hauptpartie, bildet. Die nächste Szene, in der das Horn durch 8 Stöße die Abend stunde verkündet, ist äußerst fesselnd. Tanz klänge tauchen auf und in einem Nachtgesang, der sich in die Ferne verliert, tönt alles aus. Es wird also nach dem Gesagten begreiflich erscheinen, wenn ich wiederhole: Die Aufführung des Werkes kann sehr wohl als eine Probe für die Leistung der Mitwirkenden gelten. Der Chor mit seinem rührigen Dirigenten hat diese Probe gut überstanden. Allenthalben war ein lobens werter Fleiß bei der Einstudierung des schwieri gen Werkes zu erkennen. Der Chor verfügt über prächtiges Stimmenmaterial, die Damen stimmen waren in der gewaltigen Wucht der Fortissimosätze fast zu stark für den Konzertsaal. Die Männerstimmen traten dagegen manchmal (besonders auffällig in dem Chor beim Heran nahen des Ungewitters) etwas in den Hinter grund. Im übrigen aber sang der Chor mit jenem unerläßlichen Maß von Sicherheit, das den Erfolg in sich trägt. Selbst in den schweren fugierten Sätzen, in denen den Sängern noch schwere und schnelle Passagen zugemutet werden, hielt er meist sieghaft Stand, während er ge tragene Stellen mit anerkennenswerter Feinheit der Empfindung vortrug. Das verstärkte Orchester unserer Stadt kapelle löste seine nicht leichten Aufgaben mit großer Hingabe und bestem Gelingen. Daß be sonders in den Rezitativs hin nnd wieder einige Tempoverschiebungen, auch einige Unreinheiten unterliefen, konnte der schönen Wirkung des Ganzen keinen Abbruch tun. Im übrigen aber gab das Orchester einen prächtigen Klang und entwickelte in den Fvrtissimostellen eine schöne sonore Fülle, wobei auch die einzelnen Orchester gruppen im Gleichmaß der Kraft nebeneinander standen. Zur Wahl seiner Solisten kann inan Herrn Kantor Fischer aufrichtig beglückwünschen. Die Konzertsängerin Frl. Helene Schmidt- Röder aus Chemnitz, die hiesigen Sängerkreisen vom Frankenberger Bundesfest 1909 noch be kannt ist, hatte die Partie der Hanne über nommen. Frl. Schmidt verfügt über eine über aus tragfähige Sopranstimme, die in ihrer strahlenden Reinheit förmlich blendete. Vor treffliche Schulung in Verbindung mit staunens werter Sicherheit und kraftvoll biegsamer Stimme verhalf sie der Hanne zu einem nachdrücklichen Erfolg, dem sich keiner der Hörer entziehen konnte. Neben der Höhe erfreute besonders die klangvolle Tiefe der Stimme. Als Oratoriensängcr von ganz besonderen musikalischen Qualitäten zeigte sich der hier aus verschiedenen Konzerten des Lehrergesangvereins bekannte Bassist, Herr Felix Loch -Chemnitz. Er entfaltete besonders in den Arien eine warme Innigkeit in der Tongebung. Seine Atcmfüh- rung und Phrasierung erweckt Bewunderung, ebenso die Leichtigkeit, mit der er der großen und vollen Stimme Bewegung verlieh. Sehr vorteilhaft führte sich auch der Vertreter der Tenorpartie, Herr Ed. Mann-Dresden, der erst im Vormonat sein 25jähriges Jubiläum als Lehrer am Kgl. Konservatorium zu Dresden be gehen konnte, hier ein. Er zeigte sich im Be sitze aller Mittel, die den Sängern zum Erfolge verhelfen müssen: Sehr schöne, ungekünstelte Stimme, marines Empfinden, fein entwickelte Gcsangstechnik und Geschmack, der den vor nehmen Künstler kennzeichnet. Herzlicher Dank aber gebührt vor allen: Herrn Kantor Fischer für den hier so selten gebotenen Genuß. Den Verehrern wirklich guter Musik — und daß es dieser eine große Anzahl gibt, bewies der vollständig lückenfreie große Saal — hat er neben großer Freude eine tat sächliche Erbauung verschafft. Möge er in dem trefflichen Gelingen seines Unternehmens den Lohn für die reichlich aufgewendete und nicht zu unterschätzende Mühe finden! Zum Schluß sei noch erwähnt, daß die Auf führung mit äußerst reichem Beifall, der am Schluffe spontan einsetzte, ausgenommen wurde. Es wird gerecht sein, diesen Beifall und die Anerkennung zu gleichen Teilen dem Chor, seinem Dirigenten, den Solisten und schließlich auch dem Orchester nicht zum kleinsten Teile znzumessen. 0. OerMches und Sächsisches. *— Auf der Weihnachtstour. Kaum jemand im großen Publikum denkt heute schon an das Weihnachtssest, man hat bei dem eingetretenen unfreundlichen Herbstwet ter sich mit anderen Dingen zu befassen. Ganz anders aber steht es in der Geschäftswelt, bei Fabrikanten und Detaillisten. Da ist das An gebot für das Fest des Schenkens schon im vollen Gange, und mit seinen Koffern wan dert der Vertreter jeder Firma durch das deut sche Vaterland. Die Geschäftswelt in den ein zelnen Orten wartet mit Spannung, was ih nen an neuen und zugkräftigen Artikeln be schert wird. Da heißt es, auf dem Sprunge zu sein, denn auch die Konkurrenz wacht. Un sere Zeit drängt, trotzdem sie teuer ist, im mer weiter nach Luxus. Gerade das kostspie lige Pelzwerk z. B., das sich nur große Bör sen leisten können, ist gut genug. Daher wird es für kaufschwächere Kreise nachgeahmt. Die Imitation ist neben dem Prunk das andere Zeichen der modernen Zeit, und darum ist es durchaus beifällig zu begrüßen, daß ein kräf tiges Streben für die Wiederbelebung der Freude am Guten und Soliden eintritt. Na türlich spielen bei den Aufträgen für die Weih nachtszeit die Spielzeugartikel eine große Rolle, in denen, man darf das einmal ganz offen sa- gen, für das Kind ein Zuviel entwickelt wird. Wenn die Kinderstube danach eingerichtet wer den sollte, dann könnten ihre Freuden kaum noch gesteigert werden. Das deutsche Familien leben wird auch hierin die rechten Grenzen zu ziehen wissen. So geht der Weihnachtsmann schon um, ohne daß man in der Bevölkerung daraus achtet. Doch mit der Eisenbahn kom men in den folgenden Wochen Kisten und Bal len und Tonnen und Bündel. Es gibt ja kaum noch einen Gewerbezweig, der nicht in einer Beziehung zum Knecht Rupprecht stände. * — Wetteraussicht für Freitag, den 4. November: Nordostwind, wolkig, kühl, im Tief lande zeitweise Regen, im Gebirge Schnee. * — Kreisausschußsitzung. Die nächste öffentliche Sitzung des Kreisausschus ses findet Mittwoch, den 9. d. M., nachmit tags 1 Uhr im Sitzungssaale der Königlichen Kreishauptmannschaft Chemnitz statt. * — Der Vierte Sächsische Mit te l st a n d s t a g, der am Sonntag, den 13. November, in Dresden abgehalten wird, fin det im Konzertsaale des städtischen Ausstel lungspalastes statt. Auf der Tagesordnung ste hen einige sehr wichtige Fragen, so die Re form des Submissionswesens und die Zu spitzung der Arbeiterfrage, wie sie bei den letz ten Streiks und Aussperrungen in die Erschei nung getreten ist. Von ganz besonderer Be deutung für den Kleinhandel ist das Umsatz steuerproblem. Auf dem Mittelstandstage wird man nach Mitteln und Wegen suchen, endlich zu einem einigermaßen befriedigenden Ziele zu gelangen. Vielleicht wird man sich dahin ei nigen, daß bei der bevorstehenden Gemeinde steuerreform für das ganze Land eine Steuer nach dem bekannten Chemnitzer Muster vorge sehen wird. * — Das Chemnitzer Gewerbe gericht fällte vor kurzen: in einer Klage sache ein Urteil von grundsätzlicher Bedeu tung. In einem gewerblichen Geschäftsbetrieb erschien eines Tages ein Aushang des Inhal tes, daß die Arbeitszeit wegen Arbeitsman gels um ein Fünftel verkürzt, damit aber auch der Lohn entsprechend verkürzt werde. Ein Ar beiter protestierte gegen die Lohnkürzung und erhielt deshalb sofort die Kündigung. Damit sie nicht auch die Kündigung zu befürchten brauchten, sagten die anderen Arbeiter nichts; zwei ließen erst zwei Lohntage vorüber — weil 14 Tage Kündigung im Betriebe bestand und d e Arbeiter annahmen, daß während der Kündigungszeit die Löhne nicht einseitig ver kürzt werden ' könnten —, dann forderten sie beim Gewerbegericht die gekürzten Beträge als Lohnrest ein, gleich dem ersten Arbeiter, der protestiert hatte. Dieser hat im ersten Termin den geforderten Lohnrest erhalten, nachdem der Firmeninhaber vom Vorsitzenden belehrt wor den war; dagegen wurden die beiden anderen Kläger mit ihrem Anspruch abgewiesen, weil sie nicht protestiert hatten. In der Urteilsbe gründung wurde ausgesührt, daß „der An schlag in einer Fabrik für die Arbeiter rechts verbindlich wird, wenn diese gegen den In halt keinen Widerspruch erheben". * Hohenstein-Ernstthal, 3. Nov. Als letzten Termin für die Abholung der Ein quartierungsgelder hat der Stadtrat den 10. November bestimmt. Die bis zu diesem Tage nicht abgeholten Einquartierungsgelder verfal len zu Gunsten der Stadtkasse. * — Ladenschluß im Novem ber. Im laufenden Monat können die Lä den und offenen Verkaussgeschäste an sämt lichen vier Sonnabenden, den 5., 12., 19. und 26. November, bis 10 Uhr abends geöffnet bleiben. An allen übrigen Werktagen müssen die Verkaufsgeschäfte und Läden abends 9 Uhr geschlossen werden. * — Der Neustädter Jünglings- verein veranstaltet am Sonntag den 13. d. M. im Saale des Neustädter Schützenhauses einen Familienabend, bestehend in gesanglichen und theatralischen Darbietungen. U. a. gelangen Lichtbilder aus dem Kriege 1870/71 zur Vor führung; der Abend verspricht einen schönen Ver lauf zu nehmen. * — Bedauerliche Unglücks fälle. Gestern vormittag fiel die an der Zeißigslraße wohnhafte Frau Kraft in ihrer Stube so unglücklich, daß sie dabei ein Bein brach. Die Frau ist um so mehr zu bedauern, als sie schon in den 60er Jahren steht. — Am Reformationstage verunglückte hier ein 76jähriger Weber von der Karlstraße. Er kam am Abend von der Windmühle, das Wind mühlengäßchen herein, wobei er zu Falle kam und sich dadurch das Schlüsselbein brach. * — Aus dem Gerichtssaal. Der Arbeiter Fischer, der zum Stadtjubiläumsfest dem Hausmann Teumer von hier mehrere Stiche mit dem Messer versetzte, wodurch der Verletzte einige Wochen arbeitsunfähig wurde, ist vom Landgericht Zwickau zu 10 Monaten Gefängnis und Tragung der Kosten verurteilt worden. * ** Oberlungwitz, 3. Nov. Ende dieses Jahres scheiden aus dem Gemeinderat aus die Herren Gutsbesitzer Louis Zimmermann, Louis
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