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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 16.10.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191010161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19101016
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19101016
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-16
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 16.10.1910
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exerziert, doch ist der Aufklärungsdienst und der Lärm hiexbei die Hauptsache, aber es kommt doch vor, daß die Holzschwerter auf- emander prasseln und daß es Gefangene und gar auch Verwundete gibt, sodaß am Abend die Mutter zu Nähnadel und Zwirn greifen muß und der gestrenge Vater ein Pflaster auf die Sitzgelegenheit verabreicht. Aber der „Krieg" geht morgen wieder weiter. In diesen schweren Zeiten der drohenden Streiks gibt es mitunter doch noch ganz liebevolle und arbeitswillige Mitmen schen. Das mutzte auch ein Langenber ger Gutsbesitzer erfahren, der, als er seinen Teich nach Fischen absuchte, die Entdeckung machte, datz diese Arbeit schon liebe Freunde für ihn getan hatten. Sowas soll vorkommen. Das H e i m a t f e st ist nun bis auf die Abrechnung zu den Akten gelegt worden. Grotz dürfte der Reingewinn ja nicht fein; die Kirch berger, die im Vormonat ein gleiches Fest ab hielten, stehen in dieser Beziehung, wenn auch nicht glänzend, so doch besser da. Der Netto überschuß betrug dort etwa 1500 Mark, die dem Grundstücksfond zur Errichtung eines Bürgerhospitals zugesührt wurden. Durch Ein zelspenden gelegentlich des Festes wurden in Kirchberg allerdings außerdem noch 18 736,26 Mark gezeichnet; in Hohenstein-Ernstthal wa ren es noch nicht ganze 500 Mk. direkte Spen den. D i e Kreise, die in der Lage wären, etwas zu spenden, haben hier vollkommen ver sagt. Oder kommt das noch? Im Interesse des stets Geld gebrauchenden Stadtsäckels wäre dies nur erwünscht. Eine reizende Beobachtung konnte man bei einem kürzlich stattgefundenen Konzerte machen. Es handelte sich um ein so genanntes „besseres" Konzert mit gesanglichen Genüssen. Der Saal war gut besetzt und hat ten gerade die wirklich guten Leistungen rines Doppelquartetts die zahlreichen, meist den Sängerkreisen angehörenden Zuhörer entzückt. Kaum war der Sang verklungen und schon hatte sich am Büfett eine trinkfeste Männerge sellschaft eingefunden, die mit voller Kehle ei nen Trinkspruch in den Saal schmetterte. Kommt dies beim Tanz vor, so mag es hingehen, aber während des Konzerts darf es nicht pas sieren. Wer's brauchen kann, bediene sich, womit ich verbleibe bis demnächst Ern st von Hohen-Ober. Kleine Chronik. * Bei eiae» Grotzseaer in Berlin ei« jnaget Ehepaar verbrannt. In dem Geschäft von Arndt in der Neuen Friedrichstraße in Berlin brach am Freitag mittag ein Großseuer aus, das im zweiten Stockwerk durch eine Gasexplosion entstanden war. Die Flammen verbreiteten sich rasch über die anderen Stockwerke und schließlich über das ganze HauS. Auf dem Hose deS Gebäudes spannte die Feuer wehr ein Sprungtuch auf, und die zahlreichen Ar beiter und Arbeiterinnen, die keinen Ausweg mehr finden konnten, mußten hinunterspringen. Dabei verfehlten einige das Ziel und wurden schwer ver- letzt. Drei Züge der Feuerwehr waren an der Brand- stätte, um die Flammen zu bekämpfen. Die Der- letzten wurden m Wagen zur Unfallstation gefahren. Bi» 5 Uhr nachmittags wurden aus dem brennen den Hause die Leichen eine- jungen Ehepaare-, das im Dienst der Firma stand, geborgen. Zwei Per sonen werden noch vermißt. Die beiden Leichen wurden unter dem Dach in einer Ecke hinter einer verschlossenen eilernen Tür aufgefunden Um diese Zeit waren daS zweite und dritte Stockwerk und der Dachstuhl ausgebrannt. Die Flammen hatten an den leicht brennbaren Stoffen — die Firma handelt mit Schürzen und Kinderkleidern — eine so reiche Nahrung gesunden, daß die Feuerwehr trotz aller Anstrengung nur mit größter Mühe es vermochte, die angrenzenden Grundstücke vor der Weiterver breitung der Flammen zu schützen. Ein Verwalter, der seine Wohnung unter dem Dach des brennenden HauseS hatte und bei Ausbruch des Feuers gerade mit seiner Frau bei Tische saß, konnte sich mit dieser n«r dadurch retten, daß beide auf das Dach stiegen und von dort auf das Dach eines Neben- hauseS kletterten. Ueber die Entstehung des Brandes ist näheres noch nicht zu ermitteln gewesen, ver mutlich ist das Feuer dadurch entstanden, daß während der Mittagspause die weiblichen Ange- stellten der Firma sich Kaffee kochten und hierbei nicht vorsichtig genug zu Werke gegangen sein mögen. Bon den Räumen der Firma ist nichts übrig ge blieben, al- die kahlen Mauern. * Der Tod i« de« Welle«. Eine ganze Reihe von Schiffbrüchen und anderen Unfällen wird ge meldet: Von der Besatzung deS an der afrikanischen Küste kreuzenden Kanonenbootes „Panther" sind, wie schon gestern gemeldet, am 9. Oktober vor Dualla in Kamerun durch da- Kentern eines Bootes die Obermaschinistenmaate Ehrenberg und Renner, die Maschinistenmaate Müller und Franck, der Obcr- wachtmeistermaat Zimmermann und der Matrose Wilde ertrunken. — Die dänische Bark „Prinzessin Marie" ist auf der Reise von Nordamerika nach Südaustralien mit Mann und Maus untergegangen. Die Besatzung bestand aus 14 Mann. — Bei Fre dericia kenterte das IShrboot; zwei Personen er tranken, ebensoviel bei Itzehoe mit dem Segler Ama- zone. — Im heftigen Sturm strandete der Dampfer ^Heathfield" bei Glasgow, 16 Seeleute sind tot. — Mit dem Danziger Dampfer „Sophie" kamen an der jütischen Ostküste sechs Mann um. Sie hielten sich lange in den Masten trotz der schweren See fest, wurden aber dann vom Sturm herabgerifsen und sortgeschwemmt. — Während des Sturmes der vorletzten Nacht ist der Londoner Dampfer „Eran- ford" vor Hartlepool gesunken. Zwanzig Mann sind ertrunken. ' Unglück auf -er Eisenbahn. Durch falsche Weichenstellung resp. infolge UeberfahrcnS des Haltc- SignalS stießen bei Welmitz im Bezirk Franks»'t- Oder ein Eilgüterzug und ein Güterzug zusammen. Durch den heftigen Anprall fuhr die Lokomotive deS Eilgüterzuges über zwölf Wagen deS Güterzuges hinweg. Durch den beim Platzen deS Wasserstands glases ausströmenden Dampf wurde ein Hilfsbremser so schwer verbrüht, daß er kurze Zeit nach dem Unglück seinen Verletzungen erlag. Drei schwer ver letzte Beamte wurden nach Frankfurt a. O. übe - geführt. — Ein zweiter Eisenbahnzusammenstvß er eignete sich bei Lindau. Dort fuhr der von München kommende Schnellzug 126 auf den Güterzug 3! 25 auf Lokomotive und Postwagen deS Schnellzuges, sowie sechs beladene Güterwagen und der Packwagen des Güterzuges wurden beschädigt. Fünf Personen wurden leicht verletzt, konnten jedoch die Reise sortsetzcn. * Ei» Otka« auf Kuba. Wie aus Havanna gemeldet wird, hat ein Orkan die Städte Kasilda und Santa Clara zerstört. Viele Menschen sollen dabei umgekommen sein. Die Verbindungen sind unterbrochen. Der Schaden ist sehr groß. * Ueber ei« Automobilunglück wird aus Bu karest gemeldet: Der Kriegsminister Grainiciano und seine Familie erlitten einen schweren Automobilun- fall. Der Minister brach zwei Rippen und wurde am Kopfe verletzt. Diese Verletzungen sind jedoch ungefährlich. Seine Gemahlin erlitt ebenfalls zwei Rippenbrüche, die Tochter einen Armbruch und der Chauffeur einen Beinbruch. * TyphuSerkrankuugt« im 17. Armeekorps. Die TyphuSerkrankungen im 17. Armeekorps während der diesjährigen Kaisermanöver sind ziemlich umfang reich gewesen. In Danzig liegen noch 50 Personen (Offiziere und Mannschaften) krank darnieder. Drei Soldaten, die in verseuchten Quartieren gelegen haben, sind gestorben. Vom 23. Pionierbataillon in Graudenz werden 25 Erkrankungen gemeldet. ' Revolte wegen hoher LebenSmittelpretse i« Jtalieu. Aus Rom wird gemeldet: Infolge der Lebensmittelteuerung stürmte am Donnerstag eine Menge den Gemüsemarkt von Perugia, stülpte den Händlern die Körbe über die Köpfe, setzte die Eier frauen mit Gewalt in die Eierkörbe und verfolgte und verprügelte die Fliehenden. Die Polizei mußte die Ordnung wiederherstellen. ' Bombeoattentat auf eiuea türkische« Eisens bahuzug. Der Gütcrzug Zibeftscha-Ucsküb entgleiste infolge Explosion zweier Bomben. Sieben Wagen wurden zertrümmert. Ein Bremser wurde zer schmettert. Der Attentäter ist unerkannt entkommen. * Ber«rteilte vahufrevler. Das Schwurge richt in Schweidnitz hat den Grubenarbeiter Klcnnert aus GotteSberg und den Kutsche» Elsner auS Landes- Hut, die in der Nacht zum 2. Juni auf der Bahn strecke Fallhammer—Friedland schwere Schwellen über die Schienen gelegt hatten, um den Zug zum Entgleisen zu bringen, zu je 2 Jahren Zuchthaus verurteilt. * Verhaftung ei«eS Ba-r-irektorS. Auf Veranlassung der Rostocker Staatsanwallschaft ist der frühere Direktor der Gesellschaft Seebad Heiligen damm, Schriftsteller Walter John Marlitt, ein Neffe der verstorbenen Romanschriftstellerin, in seiner Berliner Wohnung verhastel und ins Untersuchungs gefängnis nach Rostock übergesührt worden. Mar litt steht im Verdacht, seine Gläubiger betrogen zu haben. Inzwischen werden die Bemühungen sort- gcsetzt, das Seebad Heiligendamm zu sanieren. * Reiche Echenkuage« für Erfurt. In der letzten Stadtverordnetensttzunq zu Erfurt wurde be kannt gegeben, daß der StaatSminister Frhr. LuciuS v Ballhausen, ferner die- Gattin deS im August verstorbenen Geh Kommerzienrates LuciuS und dessen in Frankfurt lebende Schwägerin der Stadt Erfurt ein Kapital von 300000 Mark geschenkt haben, welches der Förderung von Kunst und der Verschönerung der Stadt Erfurt dienen soll. * Millioueu-Zollhiuterziehuugeu. Der Anti- quitäten- und Kunsthändler Benjamin Duveen ist in Newyork unter der Beschuldigung verhaftet wor- den, in den letzten Jahren Zollhinterziehungen im Betrage von einer Million Dollars begangen zu haben. * Bon T»sche«dieb<« bestöhle«. Aus Bahnhof Friedrichstraße in' Berlin wurde einem russischen Staatsrat aus Moskau von Taschendieben eine lederne Brieftasche mit einem über 8000 Mark lau tenden Kreditbriefe, von dem aber schon 7600 Mark abgehoben sind, gestohlen, ferner ein Hundertmark schein und wichtige Papiere. * Ei« seltener Kall. Der Apothekenbesitzer Janssen, jetzt in Leipzig, wurde von der Strafkammer in Nordhausen wegen Betruges zu drei Monaren Gefängnis und 2000 Mk. Geldstrafe verurteilt. Janssen hatte seit Jahren in gewinnsüchtiger Absicht für Rezepte höhere Gebühren erhoben, al- die gesetzliche Taxe zuläßt, und hatte ferner minderwer tige Medikamente geliefert und in Anrechnung gebracht. * Die badische« Arbeiter, welche zum Beginn der Wo>he in stattlicher Zahl zum Besuch der Weltausstellung nach Brüssel reisten, treten heute von dort die Rückreise an. Sie sind hochbefriedigt, denn man ist ihnen überall mit größter Freundlich keit und Bereitwilligkeil entgcgengekommen. Da ihnen auch für die Dauer der Reise der volle Lohn ge währt ist, wird diese Zeit eine angenehme Erinnerung ihres Lebens bleiben. * Bou Korfu «ach Hamburg. Tas aus dem Palais Achilleion auf Korfu, dem Besitz deS Kaisers, sorlgcschaffte Heine-Denkmal wird demnächst an der Straßenfront eines Hamburger CaffeeS ausgestellt werden Ein anderer Platz hätte sich doch wohl finden lassen. Ikmisckei'MgxfelMA Originelle Kneipe in Chemnitz. « Sehenswürdigkeiten. — Witz und Humor. L mütiger Art waren. „Das düsterste Loch, das ich je gesehen, sicherlich, auch nicht ein einziger Sonnenstrahl fällt hier herein, nicht des Sommer», nicht det Winters!" Mochte e» ihm nun in diesem Augenblicke scheinen, al- sei hier kein Ort für die Sonne, um hereinkommen zu können — wir wissen cs nicht zu sagen; allein, er blickte rings um sich im Kämmerlein, und sein Auge blieb hasten an einem kleinen Fenster, das ganz mit Staub und Schmutz überzogen war, dann fuhr er fort: „Nun, hier ist doch ein Fenster, mag sein, daß die Straße dunkel ist; aber wenn ich meine Arbeit hintrage in andere Häuser, da scheint denn die Sonne und macht alle- so hell und lustig — aber meine Wohnung! — o du mein Herr Gott" ES wurde immer dunkler — David sah sich noch einmal im Kämmerlein um, und rief wieder sein : „O du mein Herr Gott!" — da flog ein hellstrahlender Licht durch das Gemach, so blen- dend, daß David voll Schrecken aufsprang; er erbleichte dann eben so schnell, denn vor ihm stand eine zarte kleine Elfin von unaussprechlicher Schönheit. Dat lustige Helle Gewand war mit einer Anzahl schillernder Libellen, bunter Käfer und buntfarbiger Schmetterlinge bedeckt, dar lange goldige Haar umfloß sie gleich einem goldenen Mantel und war geziert mit duftenden Blumen. DaS Anlitz war so licht, so überaus licht, daß der erschrockene und wie betäubte David dessen Glanz nicht ertragen konnte und die Hand vor die Augen hielt Endlich nahm das Slfenkind das Wort mit einer Stimme, die wie die süßeste Musik erklang: „Sterblicher, warum erschrakst du? Ich tue dir nichts zu Leide; du hast mich noch eben her gewünscht, deine düstere Wohnung zu erhellen, und um der guten Eigenschaften willen, die du doch besitzest, bin ich hergekommen, dich zu lehren, wie du mich für immer scsseln kannst, wenn du cs nur willst. Meiner und meiner glänzenden Schwestern gibt eS eine große Anzahl und wir führen ein fröhliche», munteres Leben; denn aus der weiten Erde gibt eS nichrS, da» uns nicht liebte und sich unseres Kommen» erfreute —: die kleinen Insekten flattern liebend um unS her, die Blumen sehen glänzender und lustiger aus, wenn wir darauf auSruhen; daS Wasser tanzt und glitzert fröhlicher unter dem Lächeln unseres LichteS; die Tiere selbst lieben un» und schlummern fester, wenn wir über sie Wache halten; kurzum allerwegen sind wir willkommen, — wir suchen uns die leichten Pfade im Laube der Bäume, und in der Stille der Wälder ruhen wir und schlummern süß aus den duftenden Veilchen; ja auch hier in den geschäftigen Straßen sind wir herzlich willkommen, und obwohl wir^die Blumen und daS offene Feld am meisten lieben, kommen wir doch auch in daS Dunkel der dumpfen Straßen, um diese zu erhellen und zu erheitern." „Auch in die öden, düsteren Kerker schleichen wir ein, kein schwerer Riegel vermag uns aoszu- schließen, und wissen wir nur etwa ein armes Wesen dort eingeschlossen, da» sein Verbrechen bereut, da kommen wir zu ihm, ihn zu trösten nnk auszurichten. Bei den Kranken und Trau rigen schlagen wir unsern Sitz auf und kehren bei allen ein, die darnach trachten, unS auszu- finden; — mit allen verkehren wir, die ihre Augen von der Erde, von der Welt und ihren niedrigen Sorgen erheben und uns da aufsuchen, wo wir allein zu finden sind — in unserem eigenen heimatlichen lichthellen Himmel. Wenn auch Wolken eine Zeitlang unS verdüstern mögen, immer doch «eilen wir dort, und brechen auS der vorübergehenden Verhüllung nur um so Heller und fröhlicher hcrvor." „Allein e» ist wahr, es hält etwa- schwer, un» einzusangen, David; einigen fällt's schwerer noch als andern Ihr seid auch einer von denen, für die es recht schwer hält. Ihr sagt: weder Sommers noch WinterS werde eure Behausung durch unser Licht erheitert; allein habt ihr uns auch eingeladen? David Kolb! Wir lieben saubere Orte und mutige Herzen, David, und vor allem fromme, getreue und dankbare Herzen, die jenes erhabene Wesen, das uns, sie und alles geschaffen hat, lieben und anbetcn. In diesen Herzen, David, da wohnt immer ein Sonnenstrahl; kein Ort ist dunkel und freudlos, wie arm und elend er auch sei, für Herzen wie diese." „Nun denn wohlauf! versucht es einmal und bemüht euch, eins von uns einzufangen, um euer Herz und eure Wohnung zu erheitern; ich will euch lehren, wie die Falle, mit welcher ihr uns sangen könnt, beschaffen sein muß " „Sie muß sauber und glänzend sein; die Lockspeise drin besteht auS Tatkraft, Ausdauer, Fleiß, christlicher Liebe. Glaube, Hoffnung, Selbst verleugnung und Zufriedenheit. Richtet die Falle so ein, David Kolb, und ihr werdet nimmer wieder klagen, daß kein Sonnenstrahl eure Woh nung vergolde, noch den Abend eures Lebens erheitere Bis dahin — lebet wohl!" Die Stimme verklang, David nahm die Hand von seinen Augen hinweg; — nichts war mehr zu erblicken, als ein schmaler Streifen Lichts, der allmählich dahin starb; David war allein in seinem Dunkel zurückgeblieben. „Gewiß, ich habe geträumt, und jene Dreh orgel draußen ist die liebliche Stimme, die ich zu vernehmen glaubte; — ein kurioser Traum bei dem allen! Der Sonne eine Falle stellen, he? Tatkraft? — nun ja, wer kann Tatkraft in einer Welt beweisen, wo jetzt alle» durch Dampf 3 getrieben wird? — damit ist'S vorbei. Ausdauer? — nun, ich denke, Ausdauer hab' ich genug be wiesen; flicke ich nicht schon seit zwanzig Jahren Stiesel und Schuhe? Das ist Ausdauer, mein' ich, und Fleiß dazu. Christliche Liebe? — nun ich weiß nicht ganz genau, was das für ein Ding ist; Almosen geben, denk' ich doch; — ach du lieber Gott! hab' ich denn jemals Geld dazu gehabt? Glaube, Hoffnung? — nun ich habe immer geglaubt und gehofft, aber es hat zu nicht- gefruchtet, wie ich gemerkt habe. Selbstverleug nung, Zufriedenheit? — Zufriedenheit? womit denn? mit diesem alten, traurigen Loche? — o du mein Herr Gott!" — Und der arme David stand noch verwirrter und ratloser da, als zuvor, legte sich auf seinen Strohsack nieder und ver suchte zu schlafen; allein seine Gedanken waren so erfüllt von dem seltsamen Gesicht, daß er nicht einzuschlafcn vermochte; die liebliche Stimme er klang noch immer in sein Ohr, daS lichthelle Wesen schwankte noch immer vor seinen Augen. Endlich fiel eS ihm ein, daß er doch wohl den einen Teil der ihm gegebenen Weisung be folgen könne: er konnte sein Kämmerlein reinigen oder doch reinigen lassen. Frühmorgens also war David darüber mit sich einig geworden, daß er eS wagen wolle, hinaus zur Hausbesitzerin zu gehen, von der er seine Kammer i» Miete hatte, und sie zu bitten, sie möge ihm Hilse dazu ver schaffen Obgleich seit vielen Jahren Mieter der Frau Wille, hatte er doch nie ihre Wohnung betreten, noch irgend eine Art von Verbindung mit ihr gepflogen, ausgenommen, wenn er ihr die wöchentliche Miete zahlte; und sie, wie die andern Mitbewohner des HauseS, welche seine mürrische, abstoßende Gemütsart kannten, hatten ihrerseits niemals den Versuch gewagt, mit ihm in Verkehr zu treten, weil sie wohl wußten, daß sie nichts bei ihm ausrichten würden. ES schien ihm eine gewisse Anstrengung zu kosten, ehe er sich entschließen konnte, die Treppe hinaufzugehen; endlich, wie mit einem gewalt samen Entschlusse öffnete er die Türe, und mit raschem Tritt stieg er die Stiegen hinan, bis er dicht vor Frau WilleS Borstube dastand. Er klopfte leise an die Tür; eine saubere, hciterblickende Frau öffnete ihm, die mit Erstaunen bei seinem Anblicke zurückfuhr. „Je, meine Güte, Meister Kolb! wer hätte je gedacht, Euch zu sehen — ist etwa» vorgesallen? kann ich Euch dienen? Kommt doch herein, Meister, setzt Euch!" Und sie bot dem Schuhflicker einen Stuhl am Herd, auf dem ein Kaffeetopf über dem lustigen Feuer sprudelte, und vor dem ein zum Frühstück gedeckter Tisch bereit stand. Im Fenster sah man einige Blumen in hellroten Töpfen, und überall war Sauberkeit, Heiterkeit und Behagen in dem kleinen Gemache. Ein von Gesundheit strotzender Bube saß am Boden, durch sein vergnügliches Lallen auf seine eigene liebliche Weise seine Freude an dem Spiel zeug kund gebend, mit dem er sich beschäftigte — auf sein FlachSköpschen fiel ein Sonnenstrahl! „Wahrhastig," dachte David, „wer hätte nun wohl daran gedacht, daß solch ein kleiner Wicht eine Falle stellen könnte — aber er hat wirk lich einen jener Sonnenstrahlen eingefangen; — welch' seltsamer Traum I Ich dars hier aber nichts davon merken lassen, man möchte sonst glauben, eS spuke bei mir im Oberstübchen." „Und darf ich nun fragen, Meister Kolb, was mir das Vergnügen verschafft, Sie bei mir zu sehen?" — fragte Frau Wille. „Nun, Madame, ich möchte Sie ersucht haben, Ihrer Tochter zu erlauben, daß sie komme und mir mein Kämmerchen ein bischen reinigen helfe." Welches Staunen gab sich bei diesen Worten aus Frau Willes Gesicht kund! ES nahm ihr fast die Sprache. Meister Kolbs Wohnung ein bischen rein machen! Wie lange und wie sehnsüch tig hatte sie daS gewünscht. Sie fühlte, daß sein Gemach ein Flecken ihres HmjeS sei, und dankte dem Himmel, daß es nur die Küche war, und daß Freunde, die sie besuchten, eS nicht zu sehen bekamen. „Die Stube ein wenig rein machen — o ge wiß soll sie das, Herr Kolb," antwortete sie end lich, „sie soll hinunter zu Ihnen kommen, sobald sie nur gefrühstückt hat. Wollen Sie nicht auch etwas bei "uns genießen? „Ich danke Ihnen," war Davids Antwort, „aber — nun wohl, da Sie so gütig sind, will ich ein Täßchen nicht verschmähen." „Da ist ja Betty!" — fuhr sie sort, indem sie eine schmucke Dirne anrcdete, die eben herein trat; — spute Dich ein bischen, Meister Kolb wünscht, daß Du mit ihm hinabgehst, um ein bischen bei ihm aufzuräumen." Und Frau Wille hat genug zu tun, um mit ausdrucksvollem Blick ihre Tochter zu beruhigen, die mit Erstaunen aus den Besucher starrte bei dem unerwarteten An sinnen desselben. „So spute Dich doch, Betty, und bringe hier alles in Ordnung, damit Du dann zu Herrn Kolb hinunter gehen kannst." „Ja, Mutter, sogleich." Schnell war der Kaffee bereitet; Frau Wille legte Brot vor und reichte eS Kolb, der es schüchtern annahm, da er den auffallenden Gegen satz zwischen seinen schwarzen Fingern und der zwar rot gearbeiteten, aber durchaus säubern Hand seiner Wirtin empfand. Während de- Frühstückes fühlte David sich behaglicher, und das sonderbare Gefühl von Behagen, daS er nun seit Jahren wieder zum ersten Male emp fand, verließ ihn ferner nicht. (Fortsetzung folgt).
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