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OrrtUcheS und Sächsisches. - — Di- Milt- de» Monat» O k- tob er wird mit Recht als Scheidegrenze der sommerlichen und winterlichen Jahreshälfte an genommen. Bon Landwirten und Gärtnern müssen nunmehr alle empfindlichen Pflanzen vor Frösten und Witterungsunbilden geborgen werden. Zwar prangen dieses Jahr die Bäume noch im Herbstschmuck, Ahorn und Birken glü hen und zeigen ihr Blattgold, aber nach alter Bauernpraktik ist dies nur eine Mahnung, das Haus ftir den Winter zu bestellen; denn sitzt Mitte Oktober das Laub an den Bäumen noch fest, strenger Winter sich bald erwarten läßt. Der Gallustag, der 16. Oktober, gilt tatsäch lich bei den Landleuten als Wetterscheide. Die Neubestellung der Felder mit Saatgut hat nunmehr ungesäumt zu erfolgen und auch die Blumenbeete können jetzt für das kommende Frühjahr mit Blumenzwiebeln belegt werden. Die jetzigen schönen Herbsttage dürfen uns nicht auf später vertrösten, denn im Handum drehen ändert sich im Herbste das Wetter, und der Winter überrascht gern. * — Wetteraussicht für Sonntag, den 16. Oktober: Keine Witterungsveränderung. * — Der Gesundheitszustand in den über 15 000 Einwohner zählenden Or ten des Königreichs Sachsen war im Monat August d. I. recht günstig. Obwohl die täg- liche Durchschnittssterblichkeit erheblich größer war als in den beiden Vormonaten, blieb sie doch wesentlich niedriger, als in jedem der früheren Augustmonate des neuen Jahrhun derts und entsprach dabei der mittleren Sterb lichkeit aller gleichartigen deutschen Orte. Nach der Höhe der Sterbeziffer (aus tausend Ein wohner und aus das Jahr berechnet) ergibt sich nachstehende Reihenfolge der sächsischen Orte: Hohenstein-Ernstthal 23,5, Pirna 18,2, Glauchau 18,0. Chemnitz 17,5, Meißen 17,4, Werdau 16,2, Crimmitschau 15,8, Plauen i. V. 15,4, Wurzen 15,3, Zwik- kau 14,7, Freiberg 14,5, Mittweida 14,4, Leipzig 14,3, Reichenbach i. V. 13,8, Meerane 13,5, Dresden 12,5, Aue 11,8, Zittau 11,4, Annaberg 11,3, Bautzen 11,2, Döbeln 8,8. * — Das Königreich Sachsen hat nach dem Statistischen Jahrbuche einen Flächeninhalt von 14 992 94 Quadratkilome- tern. Hiervon sind nach der Erhebung von 1900 landwirtschaftlich 10 281,43 Quadratkilo meter genutzt. Die größte Ausdehnung des Landes beträgt von Ost nach West 210 Kilo meter, von Nord nach Süd 150 Kilometer. Die Gesamtlänge der Grenzen beträgt 1226 Kilometer, wovon 424 Kilometer auf die Grenz linien nach Preußen, 285 Kilometer nach den thüringischen Staaten, 30 Kilometer nach Bay ern und 487 Kilometer nach Böhmen ent fallen. * Hohenstein-Ernstthal, 15. Okt. Für die am 2. November im Saale des Altstädter Schützenhauses stattfindende Aufführung von Haydns Jahreszeiten hat bekanntlich die Chemnitzer Konzert- und Oratoriensängerin Fräulein Helene Schmidt-Röder die Partie der „Hanne" übernommen. Die reichbegabte junge Sängerin ist auch in hiesigen Sänger- kreisen keine Unbekannte mehr. Gelegentlich des am 20. Juni 1909 in Frankenberg stattgefun denen Konzertes des Erzgebirgischen Sänger bundes, dem auch die beiden hiesigen Gesang vereine „Sängerverein" und „Arion" beiwohn ten, sang die Künstlerin die Partie der Wo danpriesterin. Das „Chemn. Tgbl." schrieb seinerzeit hierüber: „Den Part der Priesterin verwaltete Fräulein Helene Schmidt aus Chem nitz. Und ist sie schon in der kurzen Zeit ih res öffentlichen Wirkens eine liebe Erscheinung im Konzerlokal geworden, die mit ihrer Stimme von einem eigenen, wohl eigentlich dramati schen Klangcharakter und ihrer sauberen und bis ins Letzte vornehmen, sich gänzlich mühe- lind absichtslos gebenden Technik uns unver geßliche Genüsse vermittelt hat. Ihrer Prie sterin hat es vielleicht gerade in den Momen ten der dramatischen Höhe an der wilden Kraft gefehlt, die wir uns als einen richtigen We senszug dieser Barbarin denken — in Bezug auf künstlerische Durchdringung ihrer Aufgabe hat sie zweifellos im ganzen Konzert das Beste geboten." * — Ein seltener Fall. Zu der gestern von uns unter dieser Spitzmarke ge brachten Nachricht, wonach ein junger Mann, der bereits in Deutschland gedient, nunmehr auch noch in Oesterreich seiner Militärpflicht ge nügen muß, erfahren wir von zuständiger Stelle: Die irrtümliche Eintragung in die Re krutenstammrolle geschah nicht beim Meldeamt Hohenstein-Ernstthal, sondern, da der betr. junge Mann im Hüttengrund wohnt, bei der seinerzeit (vor der Eingemeindung) zuständi gen Stelle. — Fälle, in denen ein junger Mann zu Unrecht dient, passieren übrigens häufiger als allgemein angenommen wird. * — Theater im Hotel „Drei Schwane n". Morgen Sonntag werden nachmittags als Kindervorstellung „Die Kö nigskinder" und abends „Der Stabstrompeter", Passe mit Gesang und Tanz in 4 Akten, ge geben. In der Abendvorstellung wirkt außer dem auch die Stadtkapelle mit. Die Montag vorstellung bringt das hier noch nicht gesehene Lustspiel „Das kluge Elschen". * * Kino-Salon. Die wöchentlich wechselnden Vorführungen des .Kinosalons er- freuen sich unausgesetzt des größten Zuspruchs. An den kommenden Tagen werden daselbst wieder Bilder gezeigt, die allseitig das größte Interesse erregen werden. Neben den sonsti gen Films sei besonders auf das tiefergrei fende Drama „Die Zerstörung Roms" aufmerk sam gemacht, das seine Wirkung nicht verseh- len und bei Groß und Klein einen tiefen Ein druck hinterlassen wird. — Für die Kinder welt sind im Kino-Salon schon eine Unmenge von Bildern gezeigt worden, die nach jeder Richtung hin der Auffassungsgabe der Kleinen Rechnung trugen, zu denen nicht allein Natur aufnahmen fremder Staaten und Gegenden, sondern auch die Lebensweise fremder Völker wie allerlei interessante Trickfilms und Dra men, in denen Kindern die führenden Rollen zufallen. Für Groß und Klein sind deshalb die Kinobesuche nur zu empfehlen. )( Elekßro-BKograph. Ein erst klassiges Programm wird daselbst wieder ge boten: „Die Nordlandreise des Kaisers" zeigt uns die nordischen Gefilde in ihrer wunderba ren Schönheit; zwei herrliche Dramen: „Amor und die Zeit," ein mythologisches Gemälde in schönster Farbenpracht und unerreichten Phan tasien, „Die Stiefmutter", ein tiefergreisendes Bild aus dem Leben (nicht zu verwechseln mit dem, was schon gezeigt worden ist); die neu esten Weltereignisse des Pathe-Journals und das erste lenkbare Luftschiff in Chemnitz „Par- seval 5" (eigene Aufnahme der Leihsirma), das Tonbild, eine reizende Phantasie im Walde der Götter mit berauschender Musik, und zwei tolle humoristische Bilder. Also ein ausge wähltes Programm, das niemand versäumen sollte, sich anzusehen. * Oberlungwitz, 15. Okt. Der Sama riterverein hält seine diesjährige Geländeübung am morgigen Sonntag nachmittags 3 Uhr in der Nähe der Kupfermühle in Ursprung ab. Bei ungünstiger Witterung findet die Uebung in den Räumlichkeiten der Kupfermühle statt. Freunde des Samariterwesens sind zu der Uebung eingeladen. — Der König!. Sächs. Militärverein „Albertbund" begeht seinen dies jährigen Herbstball am 13. November im Saale des Postrestaurants. * Chemnitz, 15. Ott. Von einem Teil nehmer der Fahrt des Ballons „Elbe", die be kanntlich nach Rußland und zur Verhaftung der beiden Balloninsassen führte, ist folgender Bericht eingegangen: Der Ballon „Elbe" stieg am Sonntag abend von dem Füllplatz Weißig an der Elbe mit Wasserstoffüllung zu einer Fernfahrt auf. Während der Nacht wurde in ruhiger, schöner Fahrt der Osten Deutschlands überflogen. Montag früh 8 Uhr wurde Glei- witz und das gesamte oberschlesische Industrie gebiet passiert. Gegen 11 Uhr kam der Bal lon bei Myslowicz an und erreichte am Drei kaisereck die russisch-österreichische Grenze, die im weiteren Verlaufe der Fahrt mehrfach über schritten wurde. Um 2 Uhr stand der Ballon südlich von Olkusz. Nichtsahnend waren die Fahrer, um möglichst Ballast zu sparen, ziem lich tief zur Erde niedergegangen, al» plötzlich mehrere russische Grenzsoldaten ein heftiges Ge wehrfeuer auf den Ballon eröffneten. Neun Kugeln Pfiffen den Insassen um den Kopf, so daß diese es vorzogen, schnell Ballast abzuge ben, um höhere Luftschichten zu erreichen. Der Ballon stieg sofort um mehrere tausend Meter und befand sich alsbald außerhalb des Gefah renbereiches. Späterhin setzte man die Fahrt in geringerer Höhe fort. Als man sich um sah, befand man sich in einer Höhe von 40 Metern bei dem russischen Grenzfort Szyte. Bald erschien eine Abteilung Infanterie und Kosaken und drohten zu feuern. Die Deutschen beschlossen zu landen. Die russischen Soldaten zogen an den Tauen den Ballou zur Erde. Dem Führer des Militärs wurden sofort die Pässe präsentiert; dieser ließ die Herren ver haften und nach dem nächsten Fort abführcn, wo sie 48 Stunden in Haft verblieben. Die Aufnahme seitens des Kommandanten war eine sehr liebenswürdige. Es wurde ihnen ein gut ausgestattetes Zimmer und ein deutsch sprechender Soldat als Dolmetscher beigegeben. Am Dienstag morgen gelang es durch einen österreichischen Grenzaufseher, ein Telegramm in die Heimat befördern zu lassen, desgleichen eine Depesche an die deutsche Botschaft in Pe tersburg. Am Donnerstag morgen kamen die Herren unter Bedeckung nach Olkusz, wo ihre Freilassung verfügt wurde. Die Fahrt hätte noch 24 Stunden fortgesetzt werden können, da noch genügend Ballast vorhanden war. * Dresden, 14. Okt. Auf allerhöchsten Befehl findet die Rekrutenvereidigung der Gar nison Dresden am 2. Dezember in Gegenwart des Königs statt. Der König wird am 5. De zember der Rekrutenvereidigung der Garnison Großenhain um 11 Uhr vormittags und der Garnison Riesa um 1 Uhr nachmittags am selben Tage beiwohnen. * Leipzig, 14. Okt. In den Verhand lungen gegen die Brüder Koppius spielte ein mysteriöser Mensch, namens „Rudolph" eine große Rolle insofern, als er den Angaben des Karl Koppius zufolge der Urheber und Ver fasser der Erpresserbriefe gegen die Firma I. I. Weber sein sollte. Fritz Koppius hat von diesern Dritten nie etwas bemerkt, und Gericht und Staatsanwaltschaft standen dieser ver schleierten Persönlichkeit sehr ungläubig gegenüber. Um so überraschender war ein in der „Leipz. Allg. Ztg." veröffentlichter Brief des Leipziger Polizeiwachtmeisters a. D. Mor Rudolph, in welchem letzterer behauptete, daß der geheimnisvolle „Rudolph" tatsächlich exi stiere und ihn, Rudolph, „durch Mißbrauch sei nes Namens nur in falschen Verdacht bringen" wolle. Er heiße Georg Braunstein, sei etwa 32 Jahre alt, habe blondes Haar und kleinen Schnurrbart, schmales Gesicht, sei 1,70 Meter groß, stamme aus Brunzelwaldau und habe vor einigen Jahren in Leipzig-Thonberg ein Zigarrengeschäft gehabt. Zur Zeit der Droh briefe sei er in schwindlerischer Weise als Häu ser- und Geschäftsvermittler gereist. Durch die ses Schreiben wurde die Angelegenheit schein bar noch mysteriöser, da diese Personalien der Behörde noch nicht bekannt zu sein schienen. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, daß der genannte Braunstein der Polizei wohl bekannt ist, mit der Erpresser-Affäre des Koppius aber nicht das geringste zu tun gehabt hat. Uebri- gens ist das Urteil gegen die Leipziger Mör der und Erpresser Brüder Koppius nach Ab lauf von nunmehr acht Tagen rechtskräftig ge worden. Da somit die Frist abgelaufen ist, ohne daß von den Verurteilten das Urteil an gefochten wurde, bedarf es zu seiner Vollstrek- kung nur noch der Genehmigung des Königs, dessen Gnade von dein zum Tode verurteilten Brüderpaar nicht angerufen worden ist. — Ge stern wurden hier ein aus Ronneburg zugezo gener Gastwirt und ein bei ihm wohnhafter Schuhmacher verhaftet, weil sie in dem Ver dacht stehen, in Ronneburg die Wirtschaft des Gastwirts in Brand gesteckt zu haben. * Borna b. Leipzig, 14. Okt. Das über aus seltene Glück, die Geburt eines Ururenkels zu erleben, und noch dazu eines Sonntags jungen, war der verwitweten Frau Christiane Brand in Altstadt-Borna beschieden. * Frohburg bei Borna, 14. Ott. Im Stalle des Gutsbesitzers Köber in Greifenhain spielte gestern abend ein Knecht mit einem ge ladenen Revolver, der sich plötzlich entlud. Da bei wurde der 15jährige Knecht Richter an der linken Brustseite getroffen und so schwer ver letzt, daß er in das Leipziger Stadtkranken- Haus übergesührt werden mußte. * Potschappel, 14. Okt. Von vier in einem hiesigen Restaurant anwesenden Gästen behauptete jeder, der Schwerste zu sein. Zur Austragung einer eingegangenen Wette wurde eine Wage herbeigeschafft, die das Körperge wicht der vier Stammtischbrüder feststellen sollte. Das Resultat ging dahin, daß einer der Her ren 226 Pfund und alle vier zusammen 844 Pfund wogen. — Und das bei den teuren Zeiten. * Zwickau, 14. Okt. Vor der hiesigen Strafkammer hatte sich gestern die 21jährige Artistin und Arbeiterin Liddy Frida Stöckigt aus Zwickau zu verantworten. Das Mädchen hatte ihrer in Niederplanitz wohnhaften Tante ein Sparkassenbuch mit 2900 Mark Einlage ge- stöhlen, war dann nach Leipzig gefahren und hatte dort mit einem Begleiter einen Teil des abgehobenen Geldes verjubelt. Das Buch ver setzte die Diebin dann in Leipzig für 100 Mk. Bei ihrer Verhaftung trug die Angeklagte Her renkleider, wodurch ein Kriminalbeamter auf sie aufmerksam geworden war. Das Gericht verurteilte die Leichtsinnige zu 6^ Monaten Gefängnis. * Hartmannsdorf b. Zwickau, 14. Okt. Das gesamte Gutsgehöst: Wohnhaus, Schup pen, Scheune usw., des Landwirts Drötzsch, hier, ist vorgestern niedergebrannt. Drei Kühe kamen in den Flammen um. Es wird ver mutet, daß Selbstentzündung des Grummets die Ursache ist. * Annaberg, 14. Okt. Gestern nachmit tag stürzte das zweijährige Söhnchen des Nacht wächters Schiefer in Frohnau hier in ein Wasserloch und ertrank darin. * Netzschkau, 14. Okt. Im sog. „Dun- gersgrün" hieß ein junger Mann, der sich dort eingemietet hatte, ein Sparkassenbuch eines jun gen Mädchens mitgehen, von dem er 150 Mk. abhob. Der Polizei gelang es jedoch bald, den Mann festzunehmen, wobei sich heraus stellte, daß er den Betrag bereits verjubelt hatte. In seinem Besitze wurde noch ein an deres Sparkassenbuch gefunden, das er eben falls gestohlen hatte. Der Dieb wurde dem König!. Amtsgericht Elsterberg zugesührt. Depeschen vom IS. Oktober. Berlin. Bei dem Großfeuer in der Neuen Friedrichstraße (siehe „Kleine Chronik") waren die Notansgängc nicht zu benutzen, die Schlüssel zu ihneu hingen vorschriftsmäßig in Schränken neben den Nottüren. Die Zugänge zu diesen Schränken waren aber durch Kisten und Säcke verbarrikadiert. Man befürchtet, daß unter den Trümmern noch mehr Leichen, man spricht von 3 bis 5, liegen. Zahlreichen Personen war durch das Feuer der Weg ins Freie abgeschnitten, so daß sie ans den Hof oder auf die Straße hiuab- sprangen, wobei viele, darunter sieben schwer, verletzt würden. Mehrere Feuerwehrleute er krankten an Rauchvergiftung, vcrschiedentliche zogen sich Verletzungen durch hcrabfallende Holz teile usw. zu. Der Schaden beträgt eine Million Mark. Berlin. (Pr i v at - T e le g ra m m.) Die Vrandkatastrophe in der Ncnen Friedrichstraße hat noch mehr Opfer an Menschenleben gefordert, als inan ursprünglich festgestellt hatte. Die Feuerwehr hat bei den Aufräumungsarbeiten in der 3. Etage des Brandgrundstückes noch 5 weibliche Leichen aus dem Schutt hervvrgezogen. Damit steigt die Gesamtzahl der auf so furcht bare Weise ums Leben gekommenen Personen auf sieben. Berlin. (Priv at-Tclegr.) Infolge dichten Nebels stießen heute früh bei Spandau zwei Straßenbahnwagen zusammen. Drei Per sonen wurden tödlich, drei andere leichter verletzt. Berlin. (P r iv at - T e le g r a mm.) Anders lautenden Meldungen gegenüber erfährt „Louis Hirschs Telegraphisches Bureau" über den Wiener Aufenthalt des Herrn von Kiderlen-Wächtcr, daß dessen Unterredung mit dem Grafen Aehrenthal einen völlig privaten Charakter getragen hat. Zu einer politischen Aussprache lag augenblicklich nach den eingehenden Besprechungen der beiden Staa^Mmnner in Marienbad keinerlei Verau- j lasstu^ vor. Berlin Der frühere Präsident der Reichs bank, Exzellenz Koch, ist heute früh in Tharlotten- burg gestorben. Hamburg. In der gestrigen Sitzung der Vcrhandlungskommission der Werftindustriellen sind über die Wiedereinstellung der Arbeiter und Aufnahme der Arbeit befriedigende Ergebnisse erhielt worden. Die Verhandlungskommission wird heute nochmals zusammentreten, um die Beschlüsse der Wcrstbesitzer auzunehmen. Bremen. Bei der Norddeutschen Arma turenfabrik haben gestern sämtliche, etwa 700 Arbeiter, die Arbeit wieder ausgenommen. Da gegen sind zwischen den Vertretern der Werft arbeiter und der Aktiengesellschaft „Weser", die etwa 3000 Arbeiter beschäftigt, nene Differenzen ausaebrochen. Bremen. (Priv at-Te lcgramnr) Sämt liche Straßenbahn-Angestellte sind heute stütz in den Ausstand getreten. Der Straßenbahnver kehr ist völlig lahmgelegt. Saarbrücken. Das hiesige Schwurgericht verurteilte deu Kellner Ulrich Mß wegen Er mordung der Kellnerin Rheinstank znm Tode. Paris. Aus Saint Nazaire wird gemeldet» In der gestrigen Nacht verließ der Dampfer „Pevcril" den hiesigen Hafen. Kurz nach der Ausfahrt brach ein furchtbarer Sturm los, wo durch der „Peveril" gegen den Dampfer „Ville de Rochefort" geworfen wurde. Der Anprall war so heftig, daß der „Ville de Rochefort" bin nen einer Minute sank. Der Steuermann und 22 Matrosen sind ertrunken. Newyork. (Priv at-Tele g ra mm.) Auf der Bahnlinie von St. Louis nach St. Franzisko ereignete sich ein schreckliches Unglück. Ein Bahnzug stürzte bei Compton über eine Brücke, deren Stützbalken morsch geworden waren. 5 Wagen türmten sich übereinander. Man zog bis jetzt 43 Verletzte unter den Trüm mern hervor. Zum französischen Eisenbahner-Streik. Paris. Der Elektrikerstreik hat ein rasches Ende gesunden. Die Regierung hatte die strei kenden Elektriker durch Geniesoldaten ersetzt. Die Folge war, daß viele Elektriker sogleich zu ihren Elektrizitätswerken zurückgekehrt sind und die Arbeit wieder ausgenommen haben. Die Nordbahngesellschast verspricht für heute die fahrplanmäßige Aufnahme aller Züge auf den großen Linien. Paris. Im Telegraphen- und Telephon verkehr sind keine neuen Störungen zu verzeich nen. Ueberall sind die durchschnittenen Drähte wieder hergestellt worden. Das Meeting, in welchem Jaures sprach, verlies ohne besondere Zwischenfälle. Nachträglich wird noch berich tet, daß mehrere Revolverschüsse abgefeuert wurden, wobei ein Polizist verletzt worden istl Fünf Verhaftungen erfolgten. Um Unruhen vorzubeugen, sind während der ganzen Nacht eine vollständige Brigade Polizisten und eine Schwadron berittener Schutzleute in der Prä fektur zurückbehalten worden. Auch in der Stadt machen sich größere Truppenbewegungen bemerkbar. Sämtliche Brücken sind heute mi litärisch besetzt worden. Die Angestellten der Metropolitainbahn haben ihre Posten nicht ver lassen. Die Versuche, sie zum Streiken zu ver anlassen, blieben ergebnislos. Paris. Gestern abend fand unter außer ordentlich großem Andrange eine Versammlung der Eisenbahner zum Protest gegen ihre Ein berufung zum Militärdienst statt. Um Zwi schenfällen vorzubeugen, waren von den Ver anstaltern Flugblätter verteilt worden, in wel chen die Teilnehmer aufgefordert wurden, nach Schluß der Versammlung ruhig auseinander zu gehen Die Polizei hatte umfassende Maß nahmen getroffen. Nach Schluß der Versamm lung herrschte im Viertel St. Antoine große Erregung. Die Polizei zerstreute mehrere Grup pen, welche die Internationale sangen. In der Dunkelheit wurden zwei Revolverschüsse ab- geseuert, welche niemanden trafen. Um Mit ternacht war die Ruhe wieder hergestellt. Paris. Die Streiklage hat sich nach dem um 2 Uhr morgens ausgegebenen Kommunique folgendermaßen gestaltet: Auf der Nordbahn sind gestern in Paris 161 Züge angekommen und abgegangen, gegen 115 am Tage vorher. Die internationale Zugverbindung ist beinahe normal. Das befriedigende Resultat wurde da durch erzielt, daß 100 Lokomotivführer des Depots La Chapelle den Dienst wieder ausge nommen haben. 80 Arbeiter von 300 sind ge stern im Depot La Chapelle, wo seinerzeit der Streik begann, wieder zur Arbeit zurückgekehrt. Mit Ausnahme des Gebietes von Lens war gestern überall ein Rückgang der Zahl der strei kenden Arbeiter bemerkbar. Auch auf der west lichen Staatsbahn konnte sich gestern der Ver kehr in befriedigender Weise abwickeln, wenn auch noch eine Anzahl der Angestellten im Streik verblieben ist. Mit Ausnahme der Ge biete von Rennes und Votteville, wo es zu einigen Tumulten kam, verhält sich das strei kende Personal in der Provinz vollständig ru hig. Die Paris-Lyoner Mittelmeerbahn, die Orleansbahn und die Ostbahn haben ihren Dienst mit absolut normalen Bedingungen durchgeführt. Aus dem Kommunique der Ost- bahn ist noch hervorzuheben, daß die Aus standsbewegung als beendet angesehen werden kann, da der größte Teil des Personals zur Arbeit zurückgekehrt ist. Im Gebiete der Ost bahn, wo zu Anfang des Streikes die meisten Unruhen befürchtet wurden, ist alles ruhig ge blieben. Die Gesellschaft hat nur 7 Entlas sungen vorgenommen. Auf der Orleansbahn sind von 781 Beamten, die die Arbeit einge stellt haben, nur 574 auf ihren Posten zurück gekehrt. Die Gesellschaft hat 3 Beamte ent lassen.