Volltext Seite (XML)
Tageblatt für Kohenstetn-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdors, Demsdors, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg, Falken, Langenchursdors, Meinsdorf, Küttengrund re. Der »Lohenftein-Lnistthal«' Anzeiger erschein» mb Ausnahme der Sonn» Festtag« tdglich abeads mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Kaus Mk. 1.50. bei Abholung in der Geschäftsstelle MK.IL5, durch die Posl bezogen (auber Bestellgeld) Ml». 1.50. Einzelne Nummern 10 Psg. Bestellungen nehmen di« Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämiliche Kaiser!. Postanstalten und die Landbriesträger entgegen. Als Extra beilage erhallen di- Abonnenten jeden Sonntag das .Illustriert« Sonntagsbla».. — Anzeigengebühr für die Sgespallene Korpuszeile oder deren Raum 1L Psg., für auswärts 15 Psg. , im Reklameieil die Zeile 30 Psg. Sämtliche Anzeigen finden gleichzeitig im .Oberlungwitzer Tageblatt' Ausnahme. Anzeigen-Annahme für die am Abend erscheinende Nummer bis vormittags 11 Uhr, gröbere Anzeigen werden am Abend vorher erbeten. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt, jedoch nur bei alsbaldiger Zahlung. Die Aufnahme von Anzeigen an vorgeschriebenen Tagen und Plätzen wird möglichst berücksichtigt, eine Garantie jedoch nicht übernommen. — Für Rückgabe eingesandter Manuskripte macht sich die Redaktion LiLLLiLiLlsererLlLiLerlLerSlLerlLererererLrlLerLrlLerLrtLererLLrerererLr nicht verbindlich. LersrtLiLLLereriLerseriLercrLrLtssskLiLiLercrLreLkLLkLercLeLeLkLiLerer Nr. 218. s«m,pr°ch-r N-. i». Dienstag, den 20. September 1910. »-Wt'-M- ». 37. Jahrgang. Bekanntmachung. In Gemäßheit von Z 164 des Allgemeinen Baugesetzes vom 1. Juli 1900 wird für hiesigen Gemeindebezirk Folgendes zur Nachachtung in Erinnerung gebracht: In allen zum Aufenthalte oder Verkehr von Menschen dienenden Räumen ist vom Beginne der Dunkelheit ab auf gehörige Beleuchtung zu achten. Insbesondere bezieht sich dies auf HauSflnren, Gänge und Treppe«, welche vom Ein tritte der Dunkelheit ab bis abend A Uhr, oder, dafern die Haustüren srüher geschlossen werden, bis zur Zeit des Schließen« derselben feuersicher zu beleuchte« sind. Für die Befolgung dieser Anordnung sind die Hausbesitzer beziehentlich deren Stellver treter verantwortlich. Zuwiderhandlungen werden unnachsichtlich zur Bestrafung herangezogen. Gersdorf, Bez Chtz-, am 15. September 1910. Der Gemeiudevorstand. Göhler. Dev ÄO. Septembev. Der 2. September 1870 war der rechte Ge burtstag der deutschen Einheit, mit dem die Wiedererrichtung des deutschen Reiches auch beschlossen war; zwei Tage später brach in Paris das Kaiserreich zusammen und ward die Republik ausgerufen. Ain 20. September zeitigte der deutsch-französische Krieg eine Folgewirkung in Italien: die Truppen des jungen Königreiches Italien, dessen Haupt stadt seit 1861 Florenz gewesen wär, besetzten die päpstliche Residenz Rom, und damit endete die Jahrhunderte alte weltliche Herrschaft des Oberhauptes der katholischen Kirche. Rom ward die Hauptstadt Italiens, und der Papst lebte seitdem als Herrscher ohne Land in dem Pa last des Vatikans bei Sankt Peter. Der Zwist, welcher aus diesem politischen Ereignis entstanden ist, ist bis heute nicht beglichen und der bevorstehenden vierzigjährigen Jubelfeier der Vereinigung des Kirchenstaates mit Ita lien steht der päpstliche Hof rundweg ab lehnend gegenüber. Das Königreich Italien hatte verschiedene Versuche gemacht, Rom sich einzuverleiben; aber die Belegung der ewigen Stadt mit einer französischen Garnison, welche 1867 die Frei scharen Garibaldis bei Mentana durch das Salvenseuer der Chassepots vernichtete, und die Kriegsdrohung Napoleons hatten den Erfolg vereitelt. Da kam der deutsch - französische Krieg. Nach der Schlacht bei Sedan wollte König Viktor Emanuel Frankreich zu Hilfe kommen, zum Dank für dessen Unterstützung im Kriege von 1859 gegen Oesterreich-Ungarn, aber seine Minister drangen auf die Annektion von Rom. So mußte der König nachgeben; als die neue republikanische Regierung in Paris die Division Oudinot aus Rom ab berief, überschritten die italienischen Regimen ter unter General Cialdini die Grenze des Kirchenstaates und drangen ungeachtet des Protestes und Bannstrahles des Papstes bis an die Mauern der ewigen Stadt. Am 20 September bombardierten die Italiener die Stadtmauern und schossen bei der Porta Pia eine Bresche. Da an dauernden Widerstand seiner viel schwächeren Truppen nicht zu den ken war, ließ der Papst den Kampf seiner Schweizer Garden einstellen, und die Italiener rückten in Rom ein. 33 Tote hatte es im Ganzen in diesem kurzen Feldzuge gegeben. Am 2. Oktober fand eine Volksabstimmung über den Anschluß des Kirchenstaates an Ita lien statt; 133 681 Stimmen waren für die Einverleibung, 1507 dagegen. Am 8. Oktober folgte die amtliche Bekanntgabe der Annektion und am 22. Dezember 1870 ward Rom zur Hauptstadt des Königreiches Italien erklärt. Am 2. Juli 1871 zog König Viktor Emanuel in Rom ein. Die Königsresidenz ward in dem bisherigen päpstlichen Sommerpalast auf den: Monte Ouirinale aufgeschlagen. Das bedeutende historische Ereignis ist, wie oben schon gesagt, bis heute in seinen Fol gen nicht ausgeglichen. Der Vatikan hat alle von der italienischen Regierung dargebotenen Versöhnungsversuche zurückgewiesen und, wenn sich auch die äußerlichen Beziehungen zum Königshause gemildert haben, besteht streng daraus, daß katholische Fürstlichkeiten nicht in offiziellen persönlichen Verkehr mit dem Herr scher von Italien treten, wenigstens nicht, be vor sie nicht dem Papst ihre Aufwartung ge macht haben. Das ist bekanntlich auch die Ursache, daß eine Reise des Kaisers Franz Josef zur ewigen Stadt unterblieben ist. Aus der andern Seite hat sich seitdem Italien zur modernen Großmacht entwickelt. Ohne den Gewinn von Rom wäre es vielleicht nicht in den Dreibund mit Oesterreich - Ungarn und Deutschland eingetreten. Tagesgeschichte. Der Jaqdnufenthalt des Kaisers in Bettye mar von prachtvollem, hochsommerlichem Wetter begünstigt. Vorkehrungen gegen die Cholera gefahr waren in der Weise getroffen worden, daß man das Gebiet von Bettye und Kara- pancsa durch Gendarmerie und Militär Tag und Nacht gänzlich abgcsperrt hielt. Die Alarm- meld,Ingen non einem beabsichtigten Attentat auf den kaiserlichen Hofzug bei Station Füns- kirchen mittels einer Dynanntpatrone, die auf die Schienen gelegt sein sollte, erweisen sich als erfunden. Man hat lediglich eine verbrauchte Signalpatrone auf den Schienen gefunden; darin haben ängstliche Leute eineu Attentatsversuch gesehen. — Morgen Dienstag trifft der Kaiser nun in Wien ein. Das „Dtsch. Volksblatt" in Wien entbietet dem Kaiser folgenden Will- kommensgruß: „Die Verehrung, die Kaiser Franz Joseph in Deutschland genießt, kann nicht besser und würdiger verdolmetscht werden, als durch das heurige Erscheine» Kaiser Wilhelms in Wien. Diesmal wird die Vertretung der Reichs hauptstadt zum ersten Mal die Ehre haben, den treuen Freund und Bundesgenossen unseres ge liebten Herrschers in ihren: prächtigen Heim willkommen zu heißen. Kaiser Wilhelm wird bei seinen: diesmaligen Besuch bestätigt finden, daß das deutsch-österreichische Bündnis bei uns nicht von: nüchternen Opportumtätsstcmdpmikt aus beurteilt wird, sondern daß es uns ein Herzensbedürfnis ist." Zum „Wahlprogramm" deS Reichs kanzlers. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt halbamt lich: „Angeregt durch einen Artikel der „Frkf. Ztg.", hat sich die Tagespresse vielfach mit einer Wahlparole oder einem Wahlprogramm der Regierung beschäftigt. Solche Erörtern», gen finden einen günstigen Boden in der Be sorgnis, von der die besten Kräfte der Nation im Hinblick auf die Verbitterung unter den bürgerlichen Parteien und auf die sozialdemo kratischen Erfolge bei den Nachwahlen zum Reichstage erfüllt sind. Ohne Zweifel hat jene Verbitterung bei diesen Erfolgen mitgewirkt. Was der Reichskanzler in seiner Reichstagsrede vom 9. Dezember 1909 in bezug aus ausge zeichnete Geschäfte des Radikalismus voraus gesehen hat, tritt leider mehr und mehr in die Wirklichkeit. Es ist auch richtig, daß diese Vorsicht nicht von der Pflicht entbindet, nach Möglichkeit Vorsorge dagegen zu treffen, daß nicht ein blinder Mißmut und eine ungestüme politische Verhetzung des Volkes eine gefähr liche innere Lage schaffen. Wir können aber versichern, daß an der obersten verantwortlichen Stelle nicht nach Schlagworten gesucht, noch heute schon entschieden wird, welche einzelne zum Reichstag in den Vordergrund zu rücken wäre. Mit Wahlparolen, die sich nicht aus der Natur der Dinge ergeben, mit künstlichen Schlagworten läßt sich dem Uebel, das wir beklagen, überhaupt nicht beikommen. Leistet das deutsche Volk in der praktischen Arbeit fortwährend so Großes, so wird es sich auch in seiner politischen Betätigung und Kultur der Herrschaft der Phrase entwöhnen und seine Geschicke so wenig nach übler Laune, wie nach einseitigen Klassen- oder Jnteressentenwünschen mit bestimmen müssen." Die innere Politik des Reiches beginnt sich sachte zu regen. Am morgigen Lienstag treten, wie bekannt, die Reichstags- Kommissionen zur Beratung der Reichs-Ver sicherungsordnung und der Strafprozeßordnung wieder zusammen. Wenn man auch nicht an- nimmt, daß die Beratungen über die zuerst genannte Ordnung zu einem Praktischen Er- Geerteer-. Novelle von E. Vely. « (Nachdruck verboten.) Meinst nicht, daß er Talke Möllers ihr Hans finden kann — wenn er will? Denkst recht! wiederholt Reick. Ein Mädchen mnß auf sich halten. Mcerie hat den Thürgriff in der Hand. Clas Duwe hat ihn vordem mit der Gecrtecrd gesehen. Die! macht Reick zornig blickend. Wenn sein Sinn ihr zusteht, flüstert Mcerie. Da kommt ein rauhes Lachen aus dem zahnlosen Munde der Wittwe, so schrille und scharfe Tone hat das Mädchen noch nie von ihr gehört. Mein Blut und das! ruft sie. Eh das gcschäh', soll man ihn mir bringen, wie sie seinen Vater daher getragen haben — und zum Schwur hebt sie dabei die Hand. Um Gott, schrickt Mcerie zusammen und während die Alte wie in einer Erstarrung regungslos stehen bleibt, schlüpft sie davon. Reick findet erst langsam ihre alte Haltung wieder, ihr Blick streift die Wände und bleibt endlich an einem Daguerreotyp hängen. Es ist das Bild von Jo's Vater, das er ihr geschickt hat, als er zum ersten Mal nach der Heirath auf See gegangen ist. Mit drei Kameraden ist er darauf zu sehen; von England ist's damals gekommen und gebührend von der ganzen Bevölkerung angestaunt! Mein Junge und das Blut, murmelt sie und läßt den Arm langsam sinken. Eher thät ich — Was denn? fragt sie und ein Schauder geht über sie hin. Geflucht habe ich all die Jahre — geholfen hat's nicht. Dem Maniel Hay sein Haus steht da und er sitzt davor. Geflucht hat fi« freilich genug; so oft der Maniel zur See gegangen und so ost er wieder an Land gekommen ist — bis sic cingcschen hat, daß ihr Wort ohne Kraft war, bis cS sie hat bedünken wollen, als ginge es ihm nur immer besser. Was thut sic jetzt? Sic hat Geduld. Aus der weinenden, rachcflehcnden Wittwe ist eine ergebene Matrone geworden. Nur eins kann sie erregen, der Gedanke, daß Jo an den schwarzen Augen der Geerteerd Ge fallen finden könnte. Mein Junge! ruft sic laut und gcht vor das Bild, das sich ihr bci diesem Licht doch nicht anders wie eine blanke Platte zeigt. Dazumal war der Hineck noch der Alte — wie er dann wieder gekommen ist, sing's an. Sie sinnt still vor sich hin, horcht — ja, ein Schritt kommt gegen die Thür heran. — Mein Junge — wie sein Vater, murmelt sie noch einmal, dann glättet sich ihr Gesicht, noch eh' Jo sein „guten Abend" geboten hat. Er sieht roth und heiß aus uud blickt beinah übcrmüthig drein. Das mütterliche Auge gewahrt das svsvA. Muß Dir gut gegangen sein, Jo! Ist es auch. Er setzt sich breitspurig in die Sofaccke und sieht zu, wie die Mutter ihn bedient. Es ist sein Recht, Reick möchte es auch nicht anders. Wenn die Männer und Söhne einmal an Land sind, müssen sie wissen, daß sie die Herren sind und cs gut haben. Freie Zeit und eigenen Willen haben die Weiber genug — und oft kommen ja Jene gar nicht wieder, im Hause zu gebieten — so ist jedes Heimkvmmen eine Festzcit für Alle. Als Jo seine Mahlzeit zu sich genommen hat, gicbt ihm Reick seine Pfeife. Dann bleibt sie neben ihm stehen, bis er sic angezündet hat und guckt dabei forschend in sein Gesicht. Gleichst dem Hineck wie eine Welle der andern, spricht sie. So sagen Alle; antwortet er. Auch Tein Sinn ist wie seiner. Was soll er nicht. Sic seufzt und gcht nach ihrem Platz am Fenster, llcber ihn kommt eine Unruhe, er springt empor und schreitet im Zimmer auf und ab. Wie sie dasitzt mit dem weißen Kopf und der stillen Art hat er sie immer gekannt, ist er ihr stets folgsam gewesen — als Knabe, dann als Jüngling — und hat er ihr immer sagen müssen, Ivas in seinem Sinn gewesen ist, ob er in's Ferne gestanden oder die Hcimath gestreift hat. Nun hat er etwas drin, von dem er weiß, daß es ihr Kummer bringt — aber er ist ein sorgloses Gemüth. Die Frau da hat den Mann begraben und ist auch darüber hin gekommen, dies ist leichter. Ein Ucbergang, spricht er zu sich. Reick hort das Wort und sieht scharf nach ihm. Er bleibt neben ihr stehen, der Dampf seiner Pfeife zieht ihr in's Gesicht, sie hüstelt, dabei hat sie einen so forschenden Blick. Soll cr's gleich sagen? Nein, er Hal nicht den Muth. Morgen ist noch ein Tag — der kann es sein. Aber Reick kennt ihren Sohn. Hat sic ihn nicht auf diesen Armen gewiegt uud in sein kleines Gesicht geblickt, um jeden Zng darin gewußt, ehe er ein Wort reden konnte? Hat sie ihm nicht die friesischen Lieder gesungen, die alle eine so schwcrmüthige Weise haben? Und neben seiner Wiege für den Vater gebetet, den die Wogen des Meeres auf zerbrechlichem Schiss schaukelten. Dann ist er gewachsen und hat nicht ge nug hören können vom Gespenstcrschisf und den Mccr- frauen — uud endlich ist er auch hinaus und sie hat Abschied von ihm nehmen müssen. Junge, spricht sic, wenn's Dich drückt, sag's. Was soll mich drücken? aber er wendet sich ab. Hast ein Anliegen? Nein! Er gcht nach der entgegengesetzten Seite, aber ihre Blicke folgen ihm. Was Einer am Abend redet, ist am nächsten Morgen gesagt. Keine Antwort; langsam steht die alte Frau auf und kommt auf den Sohn zu. Jo, mein Junge — Was soll's, Mutter? Tort hängt Deinem Vater Kin Bild —- Er nickt. Ja, freilich! Wie er darauf zu sehen ist, hat er einen ehrlichen Namen — Oho! tönt es von seinen Lippen und es ist ihm plötzlich, als müsse er für den Vater, den er nie ge kannt hat, einstchen. Mit dem ist er in den Tod. Traurig schüttelt die Wittwe den Kopf. Nein, mein Junge, nein! Jo läßt die Pfeife sinken. Mutter! Da tappen die runzeligen Hände, die so manchmal über sein Ge sicht gestrichen haben, nach seinem Kopfe. Groß genug bist Du jetzt. Und eine Lehre liegt drin, murmelt sie. Jo meint noch immer, er habe nicht recht gehört. Bis znr Stunde ist seines Vaters Name von den selben Lippen mit Wehmuth genannt, die ibn nun an- klagen. Er richtet sich auf, die Kampfeslust für deu Todtcn und sein Andenken ist noch rege in ihm. Sag', was war! spricht er fest. Rcick tritt hinter seinen Stuhl, ihre Hand bleibt auf der Schulter dcs Sohnes liegen. Sechs Jahre habe ich auf den Hineck gewartet, als er wiederkam, schien's wie ein Tag. Jo nickt, was es bedeutet, einander gut zu sein, weiß er ja. Rcick versenkt sich einen Augenblick in ihr lang vergangenes Liebesglück. Keiner war ihm gleich und er hat ein gutes Herz gehabt, lobt sie den Todten. Und die Leute haben gelacht, Neid ist's gewesen. (Fortsetzung folgt.)