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Wenn der Wald sich färbt. Novelle von M. K n e s ch k e - S ch ö n a u. 3. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Nun?" fragte er interessiert, als sie stockte. „Wenn ich nicht meiner Sachen wegen zu rück gemußt hätte — wer weiß, ob ich nicht gleich dort geblieben wäre!" Sie blickte ihn bei diesen Worten mit schel mischem Lächeln an, doch er sah rasch weg und meinte, mit einem leisen Grollen in der Stimme: „Ja so, die Sachen! Aber die hätte Ihnen der Wirt doch nachschicken können!" Das war unartig, er wußte es wohl, doch ihr! heitere Stimmung, das Schelmenlächeln, das ihrem sonst so ernsten Gesicht wunderbar gut stand, vergrößerte nur seine Oual und seinen Groll. Sie lächelte wieder und balan zierte das Dessertmesser aus dem Zeigefinger. Seine Verstimmung amüsierte sie, und weil sie diese noch immer seiner verletzten Eitelkeit zu schrieb, reizte es sie, ihn noch mehr zu ärger». Nein, wirklich, zu schön ist dieses Binz! Dieser herrliche Seestrand! Wie köstlich muß es sein, im Seesande zu ruhen, ius Blaue zu starren und zu träumen! Es Ivar auch noch Leben da drüben, rind an der Table d'hote im Strandhotel lernte ich ein paar Ausländer kennen, wirklich scharmante Leute." Hui, das saß! Eine dunkle Röte stieg ihm bis zur Stirn hinauf, und zornig platzte er los: „Aber da würde ich doch an Ihrer Stelle sofort die Koffer packen." „Jedenfalls werde ich mir die Sache reif lich überlegen," erwiderte Ilka aufstehend. Auch er erhob sich, und seine Erregung niederkämpfend, bemühte er sich, möglichst hastig und gleichgültig zu sagen: „Dann ge statten Sie vielleicht, daß ich mich gleich jetzt von Ihnen verabschiede. Ich beabsichtige, morgen nach Stubbenkammer und Lohme zu wandern und finde Sie am Ende meiner Rück kehr nicht mehr wir." Sie erschrak und fühlte, daß sie mit ihrer Neckerei wohl dock, ein wenig zu weit gegan gen. Deshalb meinte sie einlenkend: „Na, na, so schnell geht die Sache denn doch nicht." „Bei Ihren unberechenbaren Einfällen?" warf er zweifelnd ein. Ilka fand das etwas stark und wußte nicht, sollte sie darüber lachen oder zürnen. „Mit Ihnen ist hente nichts anzufangen, Herr — Brummbär. Schlafen Sie Wohl und zeigen Sie mir morgen, bitte, ein anderes, freundlicheres Gesicht!" „Geruhsame Nacht!" wünschte er steif und öffnete ihr mit einer Verbeugung die Tür. Dann faß er noch lange über eine Zeitung gebeugt, las aber kein Wort, sondern dachte nur immer dasselbe: „Ist sie eine Kokette und will sie mit dir spielen? Wes Geistes Kind ist sie überhaupt?" Seufzend kam er zu dem Schluß, daß sie ihm ein Rätsel war, aber ein schönes, inter essantes, dessen Lösung nicht nur sein Ver stand, sondern auch — ja, ja, so war es — sein Herz erstrebte. Am anderen Morgen saß Ilka beim Kaffee in der kleinen Loggia, die zu ibrem Zimmer gehörte, als das Stubenmädchen ibr ein gro ßes, gelbes Kuvert überreichte und eine Emp fehlung von Herrn Vrollius bestellte. Peinlich überrasche betrachtete Ilka das selbe, um es nach einigem Zögern zu erbre chen. Keine Zeile, kein Wort enthielt es, nur die Skizze, an der er gestern gearbeitet und dl? er ihr so hartnäckig verweigert harte. Mit lebhaftem Interesse betrachtete sie die Zeich nung, die mit flotten, kühnen Strichen die ferne Küste, die Brandung am felsigen User, WOwErWckrAnMr Tageblatt für Kohenstein-Emstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Küttengrund re. Der .Lohenstcln-LrnsNhaler- Anzeiger erscheint mb Ausnahme der Sonn- un< Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung Ins Kaus Mk. 1.50, bei Abholung in der Geschäftsstelle Mk.l .25 durch die Post bezogen (auher Bestellgeld) Mk.l.50. Einzelne Nummern 10 Psg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Auslräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanslalten und die Landbrlesträger entgegen. Als Extra beilage erhallen die Abonnenten jeden Sonntag das .Illustrierte Sonntagsklatt". — Anzeigengebühr für die «gespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12 Psg., für auswärts 15 Psg.: im Reklameteil die Zeile 30 Psg. Sämtliche Anzeigen finden gleichzeitig im .Oberlungwiher Tageblatt- Aufnahme. Anzeigen-Annahme für die am Abend erscheinende Nummer bis vormittags 11 Uhr, grbhere Anzeigen werden am Abend vorher erbeten. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt, jedoch nur bei alsbaldiger Zahlung. Die Aufnahme von Anzeigen an vorgeschriebencn Tagen und Plätzen wird möglichst berücksichtigt, eine Garantie jedoch nicht übernommen. — Für Rückgabe eingesandter Manuskripte macht sich die Redaktion LserereLiLiLersiLiLiLerLLLiLsiLiLiLLeriLeriLiLcriLiSkrlLLrLLLeristL nicht verbindlich. LLeriLiLeiiLiLLerseriLiLereriLeLLererLLrLriLeLeriLLeriLiLiLkLerererLer Nr. 203. Fn»ip--ch-- Ar Freilag, dm 2. September 1310. »MW«- «M»--. s. 37. Jahrgang. Manövereinquartierung. Nach einer amtlichen Bekanntmachung der König!. Amtshauptmannschaft Glauchau wird die Stadt Hohenstein-Ernstthal in der Zeit vom 7. bis 21. September dieses Jahres wiederholt mit Ein quartierungen und zwar in der Gesamtstärke von 99 Offizieren, 2313 Unteroffizieren und Mannschaften und 416 Pferden belegt werden. Den Einquartierungspflichtigcn werden die ihnen zukommenden Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, sowie den Besitzern von Stallungen die Zahl der unterzubringenden Pferde unter Bekannt gabe der in Frage kommenden Zeiten, soweit es noch nicht geschehen, demnächst angesagt werden. An die Offiziere ist nur Morgenkost zu verabreichen, während Unteroffiziere (vom Feldwebel abwärts) und Mannschaften auf die Dauer der Einquartierung volle Verpflegung zu beanspruchen haben. Für Pferde ist Fouragr nicht zu gewähren. An die Quartiergeber wird als Entschädigung für die Gewährung von Quartier und Verpflegung der vom Staate festgesetzte Vergütungssatz — für die Morgenkost der Offiziere täglich 50 Psg. und die an Unteroffiziere und Mannschaften gewährte volle Verpflegung 1.20 Mk. für den Tag — »ach der Einquartierung an einem noch bekannt zu gebenden Tage gegen Rückgabe der Quartierzettel zur Auszahlung gelangen. Hoheustein Ernstthal, am 1 September 1910. Der Stadtrat. Das Königliche Ministerium des Innern hat die Genehmigung der WertzuwachSsteucrordnung für Hohenstein-Ernstthal bis auf weiteres verlängert. Stadtrat Hoheustein-Erustthal, am 31. August 1910. Privatbrunnen. Nach einer Ministerialverordnung unterliegen Privatbrunnen, auch wenn sie nur für die Familien angehörigen oder die Mieter des Grundeigentümers mit bestimmt find, der gesundheitspolizeilichen Be aufsichtigung, da sie den Ausgangspunkt ansteckender Krankheiten bilden können. Es wird daher bestimmt, daß von den Brunneneigcntümern an die Brunnen, deren Wasser zum menschlichen Genüsse untauglich ist, bis zum 30. September 1N1V eine Warnungstafel mit der Aufschrift „Kein Trinkwasser" anzubringen ist. Der Aufdruck aus die Tafel muß deutlich leserlich, die Buchstaben dürfen nicht verwischbar sein. Der Stadtrat erklärt sich zur Vermittelung der Schilder erneut bereit. Bestellungen hieraus werden bis zum 10. September 1010 an RatSstelle, Zimmer Nr. 9, cntgegengenommen. Hoheustein-Erustthal, an, 31. August 1910. Der Stadtrat. Städtische Sparkasse Hohenstein-Ernstthal. Verkehr im Monat August 1910. 1367 Einzahlungen in Höhe von 155 300 M. 52 Pf 543 Rückzahlungen in Höhe von 117 402 - 57 - Mehr-Einzahlungen 37 897 M. 95 Ps Das Einlagen-Guthaben betrug Ende Juli 9 202 9I4 M 64 Pi. Ende August 9240812'M. 59P, Der Gesamtumsatz betrug 441913 M. 58 Ps Eröffnet wurden 103 und erloschen sind 70 Konten Der Reservefonds beträgt 496 505 M. 94 Ps. Der Zinsfuß für Einlagen beträgt 3'/, "/<> Die bolle Verzinsung wird gewährt bei Einlagen, welche bis zum 4. und bei Rück zahlungen, welche an de« beide« letzten Tage« eines Monats bewirkt werden. Die Sparkaffe gewährt Hypotheken und Lombard-Darlehe« ohne Berechnung von Pro vision, besorgt auch den Giro-Verkehr des Sächs Gemeindeverbandes. Sie befindet sich im Ttadthanse am Ro«- markt und ist an jedem Werktage vorm. 8—12 Uhr und nachm. 2—5 Uhr geöffnet. Sedan. Wir feiern an, heutigen 2. September die 40. Wiederkehr des Tages, an welche», »ach dem blutigen Kampfe vor der kleinen Festung Seda», unweit der belgischen Grenze, Kaiser Napoleon und die französische Armee unter Marschall Mac Mahon, im ganzen 104 000 Man» mit drei Fahne», 419 Feld- und 139 Festrmgsgeschützen, 66 000 Gewehre» und 6000 »och brauchbaren Pferden gefangen wurden. Endloser Jubel durchbrauste damals Deutsch land, jeder sah das Kriegsende vor der Tür; aber noch harte Monate mußten durchfochten werden, bis die Tapferkeit des Feindes sich besiegt erklärte. Das Gedenken an diesen Tag ist uns eine Ehrenpflicht; längst sieht uns aber die an diesem Tage auch errungene deutsche Einheit obenan, und wir halten uns von allem Chauvinismus fern. Wir bedauern, daß die Franzosen sich nach 40 Jahren von den, Revanchegedanken noch nicht haben befreien können und haben keinen größeren Wunsch, als daß dies bald geschehen möchte. So feiern die Veteranen nnd die junge Generation Sedan! Es ist eigen, daß der Mann, welcher am meisten zn der großen Wasfentat beigetragen hat, Generalfeldmarschall Gras Moltke, ein Gegner der Feier am 2. September war. Er wollte den Tag der Schlacht, nicht den der Kapitulation gefeiert wissen. In seinem Werk über den Nationalkrieg sagt der große Stratege wörtlich: „Schwer zu verstehen ist, weshalb wir Deutschen den 2. September feiern, an welchem nichts Denkwürdiges geschah, als was unausbleibliche Folge war des wirkliche» Riihmestages der Armee, des 1. September." Unsere Volksanschauung wird sich freilich von der bisherigen Ueberlieferung nicht zu trenne» veimöge». Sie hängt an den, vollen Bilde, an der Tatsache des Erfolges, und das ist menschlich begreiflich. Nach der Einschließung von Metz mar schierten die deutschen Armeen unter dem nach maligen König Albert von Sachsen und dem späteren Kaiser Friedrich nach Westen, wo man die französische Waffenmacht in der Gegend von Chalons vermutete. Die Franzosen rück ten, im großen Bogen ausholend, nach Oste» vor, ui» dei» in Metz eingeschlossenen Mar schall Bazaine die Hand zu reichen. Schon am 24. August aber brachte die deutsche Ka vallerie die ersten Meldungen von dieser Be wegung ins deutsche Hauptquartier und in den folgenden Tagen bestätigte sich die Richtigkeit. Außerdem konnten die Pariser Politiker und Zeitungen den Mund nicht halten. Londoner Blätter meldeten von der Seine, Mac Mahon siehe bei Reims und suche die Vereinigung mit Bazaine in Metz zu gewinnen. Den, deutschen Generalstabschef erschien die ser Marsch Mac Mahons — von einer An Wesenheit des Kaisers Napoleon bei seiner Armee wußte man nichts — zuerst befremd lich, ja fast abenteuerlich, weil damit Paris vollständig von einer Deckung entblößt wurde. Aber Moltke arbeitete sofort eine neue Marsch ordnung aus, und 150 000 Deutsche mar schierten vorwärts, der letzten französischen Feldarmee das Verhängnis zu bereiten, ohne daß der Feind eine Ahnung von der drohen den Gefahr hatte. Erst am 27. August wurde dein französischen Oberbefehlshaber die Situa tion bedenklich, er wollte den Rückzug auf Paris autreten. Aber von dort erhielt er die Antwort: „Wenn Sie Bazaine im Stich lassen, bricht die Revolution ans!" So wurde das verzweifelte Unternehmen denn fortgesetzt. An, 30. August wurde das 5. französische Korps bei Beaumont angegriffen und geschla- mit dem bewußten Fischerboote im Vorder gründe, in Prägnantester, naturgetreuester Weise zeigte. Das war allerdings kein Dilettantenmach- wcrk, und nun begriff sie seine Gereiztheit. Aber was sollte das bedeuten, daß er ihr die Skizze schickte? Versöhnung oder — ihr ! Herz begann plötzlich ängstlich zu schlagen Abschied? Nun, mochte es bedeuten, was es wolle. § Sie, Ilka Falk, würde ihn nicht zurückhalten, j Dazu war sie viel zu stolz. Und dann, für j ihcen Roman war es viel besser, daß der Stö renfried giiu;. Sie war jetzt wenig genug vor wärts gekommen und mußte ihre Stimmungs- losigkeit entschieden energischer bekämpfen, sollte nicht das Geld für den hiesigen Aufenthalt un nütz fortgeworfen sein. Mit diesem guten Vorsatz suchte sie ihren Platz unter der Buche auf und begann eifrig zu arbeiten. Auf einmal stand Prollius vor ihr. Schon wollte sie ihm bedeuten, daß sie nicht gestört zu sein wünschte, da fiel ihr zum Glück noch die Skizze ein, und freundlich mit dem Kopfe nickend, rief sie scherzend: „Guten Morgen, Herr Brummbär!" „Aber mein gnädiges Fräulein, dieje An rede habe ich doch heute gewiß nicht ver dient," erwiderte er vorwurfsvoll und nah», »eben ihr auf der Bank Platz. „Sie haben recht, heute nicht, es war nur noch ein Nachhall von gestern. Heute waren Sie ja schon sehr nett, und ich habe Ihnen zu danken und wohl auch ein wenig Abbitte zu leisten." „Weil Sie mich gestern gar so schlecht be handelten?" fragte er forschend. „Nein! Das heißt, wenn ich das wirklich mir selbst unbewußt, getan, dann auch da für." Er drohte ihr lächelnd mit dem Finger. „Tatsächlich unbewußt!" wiederholte sie. „Und da ich zu den Menschen gehöre, die gern ihr Unrecht einsehen, so bitte ich Ihnen vor allem mein Mißtraue» gegen Ihr Zeichentalent ab. Ihre Skizze, mit der Sie mich übrigens sehr erfreut haben, bewies mir ja meinen Irr ium auf den ersten Blick, und ich weiß jetzt, daß ich es mit einem echte» und rechte» „Malmanderl" zu tu,, habe." Er lachte belustigt auf. „So, wisse» Sie das wirklich?" „Ganz sicher, denn die Skizze ist ein klei nes Meisterwerk. So viel verstehe ich dein, doch von der Sache. Nnd nm, kam, ich mir auch manches erklären." „Und das wäre zum Beispiel?" „Nun, erstens Ihren Aufenthalt hier zu so später Jahreszeit." „Glauben Sie nicht, daß gewöhnliche Sterbliche auch den Herbst und die Einsamkeit lieben können?" fragte er neckend. „Schwerlich! Nur aus der Menschheit Höhen Wandelnde Pflegen diesen Einsamkeits hunger zu spüren und über solche schmale Börsen zu verfügen, daß sie die Segnungen der Nachsaison höchst angenehm empfinden." Einen Moment sah er verblüfft an sich herunter. Sah er denn so schäbig aus, daß sic ihn mit solcher Sicherheit zu dieser Sorte Menschen zählte? Aber mochte sic doch ruhig bei dieser Annahme verharren, das gab ihren, Verhältnis zu einander einen neuen, sehr aparten Reiz, der ihn außerordentlich ange nehm berührte, denn es war ja stets sein Wunsch gewesen, einmal nur seiner Person und nicht seines Vermögens willen geliebt Himmel! Wohin verirrten sich seine Gedanken! (Fortsetzung folgt.)