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242, 17. Oktober 1899. Amtlicher Teil. 7613 zu finden, um eine Prüfung in seinem Kreise abhalten lassen zu können. Die Schwierigkeiten in den einzelnen Kreisen sind aber dgch größer, als Herr Pape vorhin anzunehmen schien. Wenn in Stuttgart jemand sich nicht prüfen lassen könnte, sagt man, so könnte er es in München thun. Das ist bald gesagt, aber nicht so leicht ausgeführt. Unser sächsisch thüringischer Verband ist ziemlich weit verstreut. Von einer Grenze bis an die andere die Gehilfen herumzuschicken, nach Magdeburg oder Halle, das würde eine Menge Geld kosten. Es sind in unserem Verbände mindestens 100 Zöglinge alle Jahre zu prüfen. Wenn gesagt wird, es sollen dazu zehn Mark von dem Lehrlinge oder dem Vater des Lehrlings ge zahlt werden, so ist das eine geringe Summe; aber die Schwierigkeiten sind bedeutend. Wir werden vielleicht noch dazu kommen, auf diese Schwierigkeiten näher einzugehen. Es ist bei den Verbänden, namens deren drei Herren sich hier dagegen erklärt haben, nicht böser Wille, wenn sie nicht ohne weiteres sagen: wir treten unter allen Umständen für eine Prüfung ein, und unser Verband wird sie annehmen. Ich habe keinen Auftrag, dagegen zu stimmen; ich würde überhaupt nur für mich persönlich meine Stimme abgeben, nicht für meinen Verband. Wir haben die Sache zweimal auf unserer Tagesordnung gehabt, einmal als Verleger und Sortimenter, das andere Mal als reiner Sortimenter. Im Prinzip haben sich beide Herren dafür ausgesprochen; aber die Theorie und die Praxis widersprechen sich leider im Leben sehr oft, und wir haben die Schwierigkeiten so enorm gefunden, daß wir uns vorläufig sagten: wir können darauf nicht ein- gehen. Nicht nur ich persönlich bin im Prinzip für diese Prüfung, sondern auch die meisten Herren sind dafür, und ich glaube, daß wir einen großen Schritt vorwärts kämen in der Ausbildung der Lehrlinge und Gehilfen, wenn wir eine solche Prüfung einführten. Können wir Nachweisen, daß sie auch bei unserem Verbände möglich ist, so wird ohne Zweifel auch unser Verband dafür sein; aber ich glaube nicht, daß sie obligatorisch von uns empfohlen und von dem Börsenverein beschlossen werden kann. Für eine obligatorische Einführung der Prüfung hat vorläufig der Börsenverein nach meiner Meinung kein Mittel in der Hand. Siegismund-Berlin: Ich bin doch nicht der Meinung des Herrn Kollegen Wunschmann, vielmehr der Ansicht, wenn die nächste Hauptversammlung beschließt, es solle in jedem Orts- und Kreisvereine eine Prüfungskommission errichtet werden, haben die Orts- und Kreisvereine als Organe des Börsenvereins die Pflicht, dieses Gesetz, das die Hauptversammlung gegeben hat, zu erfüllen. Ich kann mir nicht denken, daß die Sache anders sein kann. Die Hauptversammlung beschließt etwas, und die Orts- und Kreis vereine haben diesen Beschluß der Hauptversammlung aus zuführen, da die Orts- und Kreisvereine anerkannte Vereine und Organe des Börsenvereins sind, der Börsenverein aber in seiner Hauptversammlung souverän ist. Römer-Wiesbaden: Ich glaube, daß diese Auffassung nicht richtig ist. Der Börsenverein kann unseren Kreis- und Ortsvereinen keine Vorschriften in Bezug auf die Prüfung machen. Außerdem vergessen Sie eines: wir, die wir hier die Kreis- und Ortsvereine vertreten, sind kaum die Hälfte; von den 22 Vereinen sind nur zehn hier vertreten. Wir müssen auch die anderen Stimmen hören. Kone gen-Wien: Ich werde auch gegen die Prüfung stimmen, wenn ich auch nicht verhehle, daß ich mich den Ausführungen, die hier zu Tage getreten sind, sehr sympathisch gegenüberstelle. Ich kann es aber schon aus dem Grunde nicht thun, weil wir Oesterreicher zunächst keine Handhabe besitzen, um eine derartige offizielle Prüfung durchzuführen; ein Zwang würde dem Gesetze widersprechen. Der zweite Grund ist der, daß wir, wie ich schon 8«LSu»bkL,iasier Iabraa«». anfangs der Sitzung ausführte, einen Ausweg dahin ge funden haben, daß wir das ganze Gewicht auf die Vorbildung gelegt haben, infolgedessen eine spätere Prüfung überflüssig würde. Deshalb werde ich gegen die Prüfung stimmen und glaube nicht, daß der Börsenverein uns das auferlegen kann. Es giebt auch andere Schwierigkeiten. Sollen wir z. B. eine Kommission in Wien errichten, und die Kandidaten aus Triest oder Budapest oder Innsbruck herbeiholen? Das geht doch nicht. Die Kreisvereine in Oesterreich-Ungarn sind viel zu weitläufig; ein staatlicher Zwang wird nicht zu erreichen sein, und die Kosten bringt niemand bei. Hartmann-Elberfeld: Sie werden sich erinnern, daß ich mit dem Herrn Kollegen Varbeck einverstanden war und nur noch näher präzisierte, daß die Prüfung fakultativ sein sollte, aber für die Kreisvereine obligatorisch. Ich bin aller dings der Meinung gewesen, daß das vom Börsenverein durchgeführt werden könnte. Von anderen Kollegen ist dem widersprochen worden; ich habe mir die Satzungen des Börsenvereins angesehen und gefunden, daß allerdings die obligatorische Einführung der Prüfungen eine Aenderung der Börsenvereinssatzungen erfordern würde. Daß gerade jetzt eine solche Aenderung vorgenommen werde, können wir aus Gründen, die ich nicht zu erörtern brauche, unmöglich wünschen. Herr Kollege Siegismund meinte, die Hauptversammlung sei souverän. Gewiß, soweit sie nicht durch den Wortlaut der Satzungen gebunden ist. Z 1 der Satzungen sagt: »Zweck des Vereins ist die Schaffung und Unterhaltung von Anstalten und Einrichtungen« — da könnte man denken, hier paßte es hinein; aber es heißt nur: »behufs Erleichterung des gegen seitigen Verkehrs und der Abrechnung«. Das Folgende paßt auch nicht: Pflege des Unterstützungswesens, Belebung des gemeinschaftlichen Geistes in Orts- und Kreisvereineu u. s. w. Die Satzungen der Orts- und Kreisvereine haben nun der Genehmigung des Börsenvereins zu unterliegen, und hier könnte allenfalls ein Hebel gefunden werden, um einzusetzen; aber daß die Genehmigung versagt werden solle, weil nicht darin steht, daß die Prüfung abgehalten werden soll, das kann ich mir nicht denken. Denn mit einem solchen Eingriff würden den Kreisvereinen große Ausgaben auferlegt, und ich glaube nicht, daß der Börsenverein dazu das Recht hat. So leid es mir thut, ich glaube doch, dieser Weg ist nicht gangbar, und Kollege Barbeck und ich waren etwas übereilt, indem wir dem zustimmten. Wir haben beide die Entschuldigung, daß in dem Entwürfe der Prüfungsordnung die Sache so schön auseinandergesetzt ist, und da haben wir das einfach angenommen. Ich bin also jetzt der Meinung, daß der Börsenverein nicht beschließen kann, daß die Kreisvereine diese Prüfungen einrichten müssen, sondern es wird den Kreis vereinen nur anheimgegebeu werdeu können. Ich glaube aber, das wird auch nicht so schlimm sein; Kollege Pape hat da wohl das Richtige getroffen: wenn ein Kreisverein sich sperrt, so können die Prüflinge anderswohin gehen. Es ist unbequem, aber es ist doch zu machen, und es ist ja niemand zu dem damit verbundenen Opfer gezwungen. Der Vorteil einer gut bestandenen Prüfung ist so groß, daß die Unkosten einer solchen Reise und des Aufenthalts in einer fremden Stadt keine Rolle spielen. Da nun alles auf eine Prüfung hindrängt, so meine ich, wir sollten sie nicht ablehnen und eine ernsthafte Probe machen. Bewährt sich die Einrichtung nicht, so ist der Börsen verein immer in der Lage, sie wieder aufzuheben. Fuendeling-Hameln: Wir sind bei der Frage 6 an gekommen und auf 7 übergegangen; wollen wir nicht erst 6 erledigen? Ob die Sache nachher von dem Börsenvereine auf gegriffen werden soll — was ich nach den Satzungen des Börsenvereins überhaupt für ausgeschlossen halte —, das muß bei Frage 7 beantwortet werden. Jetzt handelt es sich darunq 1013