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Tageblatt für Kohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdors, Bernsdorf, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg, Falken, Langenchursdors, Meinsdorf, Küttengrund rc. Der »Kohenstein-Ernstthaler' Anzeiger erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Kaus Mk. 1.50, bei Abholung in der Äeschäslsslelle Mk.1.25, durch die Post bezogen (außer Bestellgeld) Mk.1.50. Einzelne Nummern t0 Psg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanstalten und die Landbriefträger entgegen. Als Extra- beilage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das »Illustrierte Sonntogsblatt'. — Anzeigengebühr für die ttgespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12 Pfg., für auswärts 1b Psg.; im Reklameteil die Zeile 30 Psg. Sämtliche Anzeigen finden gleichzeitig im »Oberlungwitzer Tageblatt' Aufnahme. 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Gras Westarp (kons): Wenn der Reichs kanzler gestern sagte, er lehne es ab, den Liberalis mus von der Mitwirkung auszuschtießcn, so kann ich Hinzufagen: Auch meine Freunde wünschen, daß die Finanzreform zustande kommt auf der breiten Basis der Mitwirkung aller bürgerlichen Parteien. Da werden aber die Liberalen auch auf ihr völlig negatives Verhalten . . . (Große Un ruhe links. Lebhafte Rufe des Widerspruchs; Ruf: Unwahr!) Lassen Sie mich doch ausreden, ehe Sie „Unwahrheit!" rufen. Also, die Liberalen werden verzich en müssen auf ihre völlige Negation gegen über unseren Vorschlägen. (Rufe links: Aha l Heiterkeit) Wir werden auch jetzt noch Entgegen kommen zngen und aus Abänderungen eingehen, wofern uns dadurch an den Grundlagen unserer Vorschläge nichts geändert wird. Die gestrigen Verhandlungen waren nicht geeignet, unsere Hoff nung auf ein Zusammenwirken mit Ihnen zu stärken. Wenn uns der Führer einer großen Par tei vorwirft, wir handelten aus Eigennutz (Rufe linkS: Sehr richtig!), und wenn Sie diesem Vor wurf jetzt gar noch durch den Ruf: „Sehr richtig!" zustimmen, so kann das unsere Abneigung, mit solchen Parteien zusammenzugehen, nur verstärken. Die Auffassung des Reichskanzlers, als nähmen wir einen ablehnenden Standpunkt zur Finanzreform ein, als seien wir ein Hindernis der Finanzreform (Sehr richtig!), weisen wir zurück. Wenn es uns gelungen ist, 360 Millionen indirekte und 140 Millionen direkte Steuern zu beschließen, so ist dies ein Erfolg, den wir erzielt haben unter Zu rückstellung politischer und parteitaktischer Rücksichten. (Lachen links.) Die Regierung hat jetzt mit der Besitzsteuer einen neuen Begriff in das Reichsstemr- wesen eingeführt. Die Erbanfallsteuer ist eigentlich eine direkte Steuer und gehört als solche nicht dem Reich. Wir haben gegen die Erbanfallsteuer die selben schweren Bedenken, wie gegen den ersten Entwurf. Für uns ist da die Hauptsache die Be steuerung der Deszendenten und Ehegatten, und vor allem ist das eine Art Vermögenssteuer. Diese gehört den Einzelstaaten und nicht dem Reiche. Ferner sehen wir in dieser Steuer eine Prägrava- tion des Jmmobilienbesitzes gegenüber dem mobilen Kapital. Das trifft namentlich zu für die Fälle von Schenkungen zwischen Eltern und Kindern. Wertpapiere kann man jeder Schenkungsstcuer ent ziehen. Was über Steuerhinterziehung auf dem Lande gesagt worden ist, ist geradezu lächerlich. (Lauter Widerspruch links.) Ja, haben. Sie schon einmal gehört, daß jemand seine Scheunen in die Bank von England schickte? (Große Heiterkeit.) Durch die Erbanfallsteuer wird auch der Sparstnn beeinträchtigt, das Sparen von Eltern für die Kinder. (Lachen links.) Solche Betätigung des Familiensinns wird uushören. (Lachen links.) Und der Moment des Todes ist der allerungceig- netste Moment zu einer Besteuerung, die ein solches Eindringen in die Familienverhältnisse erfordert. Der Reichskanzler sagte, bringen wir jetzt diese Erbanfallsteuer zu Fall, so könnte unser jetziger Sieg uns später Niederlagen zuztchen. Nun, ge rade die jetzige Lage zeigt uns, wie recht wir hatten, als wir uns früher der Reichscrbschasts- steuer widersetzten. Jetzt ist eingetroffen, was wir schon damals befürchteten. Man hat uns politische Beweggründe nachgesagt, aber wir haben uns der Eibanfallsteuer schön längst widersetzt, noch ehe von Aenderung der Geschäftsordnung, noch ehe von Ministerverantwortlichkeitsgesetz und noch ehe von preußischer Wahlreform die Rede war. Unsere Stellung war auch längst schon festgelegt, noch ehe wir das Zentrum auf unserem Wege fanden. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Die Annahme also, daß wir uns durch parteipolitische Rücksichten hätten leiten lassen, ist durch den Gang der Ge schichte widerlegt. Es ist auch absolut nicht davon die Rede, daß wir etwa daran gedacht hätten, den Reichskanzler zum Rücktritt zu drängen. Wir meinen sogar, daß gerade wir durch unser ener gisches Eintreten für die Finanzreform dem Reichs kanzler den Boden geebnet haben. (Stürmisches, anhaltendes Gelächter auf der Linken.) Wir hoffen, daß es dem Reichskanzler bei seinem bewährten patriotischen Sinne gelingen möge, die Finanzresorm zu Ende zu führen. (Ruf links: Armer Bülow! Große Heiterkeit!) Nicht wir, sondern die Linke durch ihren beharrlichen Widerstand gegen indirekte Steuern hat daS Zustandekommen der Finanzresorm erschwert, dergestalt, daß jetzt alle meine politischen Freunde bis auf nur ganz wenige Ausnahmen die Bedenken, die wir schön stets gegen die Erbanfall steuer hatten, nicht für beseitigt ansehen können. Sollte eine Kommisstonsberatung beschlossen werden, so wollen wir uns dem nicht widersetzen mit Rück sicht auf die verbündeten Regierungen. Nun zu den anderen Steuern. Gegen die Steuer auf die Feuerversicherungspolicen haben wir schwere Bedenken. Die Umsatzsteuer auf Immobi lien liegt ja eigentlich auf dem Wege unserer Vor schläge, aber hier werden sie doch vorgeschlagen unter ganz anderen Umständen, als von demn wir ausgingen. Wir werden deshalb auch hierzu unsere Stellungnahme noch genauer prüfen müssen. Redner verbreitet sich dann eingehend über den Kotierungs oorschlag seiner Partei, um ihn dringend^zu^ em pfehlen. Von Börsenfeindschaft sei bei diesem Vorschlag absolut keine Rede, nur das mobile Ka pital würde damit getroffen werden. Darin liegt keine Feindschaft gegen die Industrie, geschweige denn gar gegev den Mittelstand. Wer letzteres behauptet, mit dem ist überhaupt nicht zu disku tieren. (Sehr richtig! rechts.) Ohne eine genügende, ausgieichende Heranziehung des mobilen Kapitals, so schließt Redner, die wir in einer Erhöhung des Effektenstempels um 10 Millionen Mark nicht er blicken können, können wir uns eine Finanzreform nicht'denken. (Beifall bei den Konservativen.) Hierauf nimmt Abg. Singer (Soz.) daS Wort, der den Widerstand der Konservativen gegen die Erbansallsteuer auf die preußischen Wahlreform pläne der Regierung znrücksührt. Der Reichs kanzler habe gestern in Worten auch dem Libera lismus Zugeständnisse gemacht. Sei denn aber auch nur ein Funken liberalen Geistes in einer Finanzreform, die 400 Mill. Mk. neuer Steuern auf den Konsum lege und nur kaum 100 Mill, auf den Besitz?! Gestern hatte der Reichskanzler sich darüber beschwert, daß er sogar vom Zentrum gesellschaftlich boykottiert worden sei, daß das Zen trum nicht mehr auf seinen Abenden erscheint. Nun, wenn unS der Reichskanzler'zu seinen Festen überhaupt nicht einladet, so können wir daS er tragen. (Heiterkeit ) Mit dem Zentrum wird er sich schon wieder einigen, wieder vertragen. Ein biffele Falschheit ist ja doch bei jeder Lieb und bei jedem biffele Treu dabei. (Heiterkeit.) Den Nationalliberalen hält Redner dann vor, daß sie sich in Versammlungen ihrer Wähler früher anders ausgesprochen hätten, als gestern Bassermann. Da hätten sie sich gegen eine solche Häufung neuer Steuern auf den Konsum geäußert, und jetzt seien sie bereit, 400 Millionen Verbrauchssteuern auf Bier, Branntwein, Tabak zu bewilligen! Die Ecbanfallsteusr von noch lange nicht einmal 100 Millionen sei nur ein Ornament, nur Stuck, weiter nichts. Diese ganze Finanzreform, sowohl die der Regierung wie die Kommisflonsbeschlüffe, seien ein Hohn auf eine vernünftige soziale Steuerpolitik. Wir^lehnen, erklärt Redner, diese Reform, sowohl die der Regierung, wie die der Kommission als Ganzes ab. Der schamlosen steuerlichen Drücke, bergerei ländlicher Grundbesitzer, wie sie Professor Delbrück nachgewiesen hat, müsse ein Ende gemacht werden. Die neuliche Versammlung des Hansa- bundes sei nichts weniger als eine Vertretung von VolkSintercssen gewesen, wie das Auftreten von Männern, wie Kirdorf gezeigt habe. Der Erb- anfallsteuerentwurf sei nur eine Kapitulation vor den, Agrariern. Eine Finanzresorm, die seine Freunde mitzumachen geneigt wären, habe zur Voraussetzung eine Einschränkung der Militär- und Flottenlasten, weil nur damit die Quellen der Finanznot verstopft würden. Aufhören müsse auch die einseitige steuerliche Bevorzugung der trag fähigsten Schichten des Grundbesitzes. Dieser, daS Junkertum, sei die Quelle aller Rückständigkeit in Preußen und die Quelle allen Widerstandes gegen Reform auch im Reiche. Finanzreform und Wahl reform in .Preußen müßten eigentlich gleichzeitig in den Hafen gebracht werden. Diese Finanzresorm, schließt Singer, ist eine Politik der Niedertracht, der Ausraubung. (Große Unruhe. Vizepräsident Kaempf ruft den Redner zur Ordnung.) Abg. Späh» (Zentr.) erinnert an die bekannten Neuerungen des Reichskanzlers und deS Ministers von Rheinbaben von 1906 gegen die Besteuerung der Erbansäll» an Deszendenten und Ehegatten. Auch auf den Familiensinn habe sich der Finanz. Minister damals berufen. (Große Heiterkeit. Leb hafter Beifall rechts und im Zentrum.) Richtig sei ja, daß auch von den eigenen Freunden ver schiedene damals für die Deszendenten- und Ehe- qattensteuer waren, sie hätten sich aber überzeugt, daß daS nicht das richtige sei. (Heiterkeit.) Durch Einblick in die Bücher eines Landwirtes habe er sich überzeugt, daß dieser 34 Prozent seines Ein. kommens an Steuern bezahlt. (Rufe linkS: Zu niedrig eingeschätzt!) Nein, der Mann gehört nicht zu den Delbrückschen Eingeschätzten. Wenn daS Zentrum diese Erbanfallsteuer auS DeSzen- deuten und Ehegatten ablehne, so tue eS nur, was der BundeSrat früher selber getan habe. (Rufe links: Aber die veränderte Finanzlage!) Ja, wenn es andere Steuern nicht gäbe, dann müßte man ja vielleicht notgedrungen dieser Steuern zu- stimmen, aber es gibt doch andere Steuerquellen, so die Kotierungssteuer, die Redner dann eingehend empfiehlt. Weiter äußert er Bedenken gegen die vorgeschlagene Besteuerung der FeuerversicherungS- policm. Ein Tcheckstempel möge ja vielleicht an- nehmbar sein bet Beschränkung aus größere Schecks. Im Gegensätze zu Bassermann meine er, bei dieser Finanzresorm handle eS sich um «eiter nicht-, als ob man die 500 Millionen so oder so beschafft. Und wenn man sagt: Das Ansehen Deutschlands im Auslande stehe in Frage, so ist zu erwidern: Was wird das Ausland sich darum kümmern, ob wir unsere Steuern so oder so aufbringen. (Sehr richtig! im Zentrum.) Und waS soll eS heißen, daß dir Nationalliberalen absolut dabei sein müssen, fordert doch Herr Bassermann sogar den Reichskanzler auf, den Reichstag aufzulösen, wenn die Finanzreform gegen und ohne die National- Der Rattenfänger. Roman von M. Kn esch k e-S chön a u. 27. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Weich' große Freude, Sie einmal bei uns be grüßen zu dürfen, mein bester Baron!" rief die Hausfrau, dem Paare entgegeneilend, wobei ihre klugen Augen, prüfend und bewundernd zugleich, über die eigenartige Erscheinung der jungen Frau glitten. Diese sah aber auch in dem weißen Tuch kleide, das, tadellos sitzend, ihre wundervolle Figur zur Geltung brachte, berückend schön und vornehm aus. Das tiefschwarze Haar umgab in duftigen Wellen das feingeschnittene, jetzt wieder rosig überhauchte Gesicht. Schüchtern blickten die dunklen Augen zu der Dame des Hauses herab, die sie in liebenswürdigster Weise begrüßte und nun den anderen Gästen vorstellte. Tief wie vor einer Königin verneigte sich GiSkra vor Marie-Agnes und als sie die Augen zu ihm aufschlug, traf sie sein Blick mit versengender Glut. Mucki war ganz hingerissen vom Anblick der jungen, schönen Frau und als der Ruf „zu Tische" ertönte, vergaß er total seines Amtes und so ge schah es, daß Giskra, rasch vortretend, Marie- AgneS mit einer Verbeugung den Arm bot und sie zur Tafel führte. Hella war sprachlos und schoß, einen Wutblick auf den unglücklichen Mucki, der, selber paff über die Initiative deS Künstlers, ein paar unverständliche Worte murmelte und ver legen an seinem Bärtchen zupfte. Mit einer heftigen Bewegung erfaßte nun Hella seinen Arm und folgte mit dem konsternierten Mucki dem Paare, ihm dabei ins Ohr zischelnd, daß er wenigstens bei Anordnung der Tischplätze ihren Wunsch beachten möge. Das tat er denn auch, und Giskra mußte wohl oder übel neben Hella Platz nehmen, während Marie-Agnes zwischen dem Hofrat und Mucki, ihm gegenüber zu sitzen kam.. Die Stimmung wurde bald eine sehr animierte. Der alte Baron Normann war köstlich in seinem trocknen Humor und der Hofrat ließ auch alle Minen springen, um seine schöne Patientin gut zu unterhalten. Marie-Agnes amüsierte sich famos und lachte und plauderte so harmlos und unge zwungen, daß Herr von Normann wiederholt seiner Tochter einen bedeutsamen Blick zuwarf, den diese mit schelmischem Achselzucken erwiderte. Sie war ebenfalls erstaunt über die sonst so stille Freundin, aber sie hatte Besseres zu tun, als lange über diese Veränderung nachzudenken. Sie mußte ihren Schwarm unterhalten, und daS war gar nicht so einfach. Sie hatte sich das Zusam mensein mit ihm anders vorgestellt und war etwas enttäuscht. Er war ziemlich wortkarg und sie hatte bereits die verschiedensten Themata ange- schlagen, ohne daß es ihr gelungen wäre, ihn für eines zu erwärmen. Jetzt quälte sie sich mit einem Speech über Orchestermustk ab. O, wenn sie nur geahnt hätte, wie er innerlich über ihr Laienurteil spottete, wie er wütend war über das seichte Ge plapper, daS ihn hinderte, den Gegenstand seines Interesses so ausschließlich zu beobachten, wie er e- wünschte. Daß Muckt ihn von ihrer Seite ver bannt hatte, daS vergab er ihm nie, und weil er instinktiv fühlte, daß es auf Hellas Anstiften ge schehen, so ließ er dieser seine ganze Gleichgültig keit fühlen. Den erlesenen Tafelgenüssen sprach er fleißig zu, ja, er vertiefte sich derartig hinein, daß er wiederholt seiner Nachbarin die Antwort schuldig blieb. Das erboste die reizbare Frau nicht wenig. Tie gab es endlich auf, daS LiS seiner Unnahbar keit zu durchbrechen und wandte sich ihrem rechten Nachbar, Herrn von Sentheim, zu. Doch auch da hatte sie wenig Glück, denn dieser war gerade in ein Gespräch mit ihrem Vater über neuerliche Münzenfunde vertieft und wenn er auch daS ihn ungemein interessierende Thema sofort aufgab, so ließen seine zerstreuten Antworten doch genugsam darauf schließen, daß seine Gedanken noch dabei verweilten. Giskra hatte indessen die ihm gegönnte Pause benützt, um Marie-Agnes unverwandt anzustarren, was dieser natürlich nicht entging und ihr ab wechselnd eine intensive Röte und Bläffe über das Antlitz jagte. Ohne hinüberzusehen, fühlte sie seinen durchdringenden Blick und willenlos mußte sie endlich der stummen Aufforderung, ihn anzu sehen, gehorchen. Dasselbe sinnverwirrende Augen spiel wie gestern morgen! Sie bebte wie im Fieber und immer lebhafter, forcierter wurde ihre Unterhaltung mit dem Hofrat. Sie sah nicht die indignierten Blicke seiner Gattin, nicht die fragen den des BaronS, auch Hellas Spottlächrln entging ihr. Sie sah nur zwei blaue Augen voll faszi nierenden Glanzes und hätte in alle Ewigkeit so sitzen und schauen können. — Jetzt hob die Hausfrau die Tafel auf. Die Gesellschaft begab sich in den Salon zurück, wo der Kaffee in zierlichen chinesischen Täßchen serviert wurde. Mucki kam mit Zigaretten herbeigestürzt und war untröstlich darüber, daß Marie-AgneS refüsierte. Ec hatte sich sterblich in die schöne Frau verliebt und folgte ihr auf Schritt und Tritt, um ja einen etwaigen Wunsch derselben sofort er- füllen zu können. Hella sah mit schlecht verhehltem Mißmut aus die Triumphe der Freundin. DaS hätte sie nun und nimmer gedacht, daß dieses stille, schüchterne Geschöpf jemals die ihrigen schmälern könnte. WaS in aller Welt fanden denn die Herren der Schöpfung an ihr so besonders anziehend? Vom alten Baron hinab bis zum blutjungen Mucki schwärmten sie für die schöne Steinhausen und dieser Giskra war der schlimmsten einer. Unbegreif lich, ganz unbegreiflich! Da stand er schon wieder neben ihr und jetzt — zornig trat ihr Fuß den Teppich — jetzt konnte er reden wie ein Wasserfall, während er vorhin ihr gegenüber von einer nahezu beleidigenden Zugeknöpftheit war. — „Meine gnädigste Frau, ich bin entzückt, zu hören, daß Sie musikalisch sind und mir die Gunst erweisen wollen, mich zu begleiten. Darf ich bitten, sich in daS Musikzimmer zu bemühen, damit wir eine Auswahl unter meinen Noten treffen können?" Es war doch nur eine ganz banale, gesell schaftliche Phrase, aber wie sie gesprochen wurde, weich, eindringlich, flehend, dazu der Blick — Marie-Agnes schlug das Hrrz bi- an den Hals hinauf. Unbehilfllch wie ein Schulmädel stotterte sie etwas von: Nachsicht haben «üsten, ganz auS der Uebung sein, um dann ausstehend ihre Linke in den gebotenen Arm zu legen und sich zum Flügel führen zu lasten. (Fortsetzung folgt.)