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258, 4. November. Nichtamtlicher Theil. 4109 gesichts heranschleppcn. Hier gibt es entweder nur karge Erträge, die in gar keinem Verhältniß zur Qualität und Quantität der menschlichen Arbeitsleistung stehen, oder aber der Autor muß vol lends froh sein, wenn er nur gedruckt wird. Der deutsche Buchhandel leistet hier, was sich geschäftlich irgend rechtfertigen läßt, und mehr als jeder andere Buchhandel. Wenn nur der deutsche Staat mehr leisten wollte! Mit der Subventionirung schwieriger und groß an gelegter Unternehmungen ist man sehr zähe und mit seltenen Aus nahmen werden dem Staate bei uns doch gewöhnlich nur partielle Subventionirungen zugcmuthet. Der Verlagshandel trägt dabei noch immer sein Theil Risico. Läßt man sich dazu herbei, so ge schieht dies in der Form, daß für die bewilligte Summe so und so viele Exemplare in Anspruch genommen werden. Da diese Exem plare aber in die Hand präsumtiver Käufer wandern, so wird damit die Subventionirung theilweise natürlich wieder illusorisch. Ja, der fachwissenschastliche Verleger hat für außergewöhnliche und etwas kostspielige Unternehmungen nicht einmal an den wichtigeren öffent lichen Bibliotheken und Instituten zuverlässige Abnehmer. An In teresse fehlt es fast nie, aber gewöhnlich am Gelde, und entschließt man sich zur Abnahme eines Exemplars, so handelt man dem wich tigen Mittelgliede des literarischen Verkehrslebens, dem Sortiments handel, den Rabatt nach Möglichkeit ab oder man wendet sich auch mit Umgehung des Sortimenters direct an den Verleger, um vollen Puchhändlerrabatt zu erzielen — den Fall entschuldigend mit der schwachen Dotirung. Der bekannte Bibliothekar Petzholdt zu Dresden hat für diese Praxis der öffentlichen Bibliotheken noch jüngst ein unverfängliches Zeugniß in diesen Blättern nicder- gelegt. Um endlich noch ein geschäftlich trostreicheres Terrain zu ge winnen, erinnere ich an das große und für die allgemeine Volks bildung, wie auch für die ernste Wissenschaft so wichtige Gebiet der instructiven Literatur, der praktischen Hilfsmittel, »der Encyklopä- dien, der literarischen und artistischen Sammelwerke, der periodischen Unternehmungen jeder Gestalt und jeden Charakters u. s. w. Das ist der eigentliche Tummelplatz des selbständig combinirenden Verlagshandels, der, wie Notteck erklärte, nicht bloß der Geburts helfer, sondern der Erzeuger der Unternehmungen ist. Auf diesem Felde werden die wichtigsten Vermögensrechte geschaffen und zuweilen Erträgnisse herbeigeführt, die vom Gold regen unserer Classiker nicht verdunkelt werden. Der Natur und Tragweite dieser Thätigkeit muß man näher nachgehcn, um sich zu überzeugen, wie weit wir noch in Gesetzgebung und Doctrin von einer klaren Erkenntnis; von Wesen und Ursprung des literarischen Rechtsschutz-Bedürfnisses entfernt sind und woher die Widersprüche rühren, worin sich bei uns Gesetzgebung und Theorie verrennen. Nur auf Grundlage eines genauen Studiums der Physiologie des literarischen Verkehrs und der Bedingungen der Verlagsthätigkcit gewinnt man die Befähigung einer Revision der Grundbe griffe des literarischen und artistischen Rechtsschutzes, und eine solche Revision thut vor allem Noth. Das Jahr 1870 hat sic nicht gebracht, sondern vielleicht noch etwas mehr Verwirrung hineingetragen. Allein, um bei der Sache zu bleiben: da, wo die selbst pro ductive, nicht bloß vermittelnde Verlagsthätigkcit beginnt, ist die Autorthätigkeit bei weitem nicht am schlechtesten gestellt. Jeder Anfänger im Verlagshandel begreift, daß die Objecte der eigent lichen Buchhändlerspeculation der Regel nach ein größeres Wagniß für den Verleger nach sich ziehen müssen, als die Ausführung von Schriftsteller-Anträgen, welche fertig ins Haus getragen werden, und von denen — beiläufig bemerkt —, namentlich wenn man bei der beschränkten Anzahl derselben noch den starken Procenttheil des Nichtausführbaren und wunderbarer Schrullen in Abzug bringt, ! kein Verlagsgeschäft, oder es müßte denn ganz besonders be günstigt werden, existiren kann. Das größere Risico der selb ständig vergehenden Speculation ist zum Theil eben darin begründet, daß die Autoren, deren man für einen bestimmten Fall bedarf, nur durch entsprechend hohes Honorar zu gewinnen sind und in Ansehung der geschäftsmännisch zurechtgelegten Chancen eines Unternehmens auch besser honorirt werden können. Dabei ist denn noch immer nicht gesagt, daß dem Verleger trotzdem der Löwenantheil zufallen müsse. Hier handelt es sich vielfach um hohe Geschäftsziele, aber der Einsatz ist auch ein außergewöhnlicher, und bei manchem ge meinnützigen Unternehmen, welches unsere Literatur ungern missen möchte, jhat der Vater der Idee und die die Ausführung leitende Hand mehr „Bouillon trinken" müssen, als es mit der Behauptung einer consequent heiteren Weltanschauung verträglich ist. Schließlich habe ich noch auf eine statistische Miltheilung zu verweisen, die mir verwendbarer dünkt, als die losgerissenen Mitthei lungen einzelner hoher Honorarziffern, mit denen, wie die Neichs- tagsdebatten bewiesen, in der Verwirrung der Ansichten viel geleistet werden kann. Die Firma F. A. Brockhaus zu Leipzig veröffentliane nämlich zu Ehren ihres Gründers jüngst u. a. auch einen Ausweis über ihre Verlagsoperationen in den Jahren 1861—70. Der nackte Herstellungsetat an Satz, Druck, artistischen Zugaben, Papier, Buch binderarbeilen, Honoraren (von Vertriebsspesen sind nur die Inserate mit 36,60 l Thlrn. 29 Ngr. angeführt) betrug demnach in diesen zehn Jahren 1,675,303 Thlr. 9 Ngr. Davon entfielen auf das Honorarconto 406,188 Thlr. 3 Ngr. Dem Sachverständigen, der das complicirte Verhältniß eines solchen Etats zu der Art der Un ternehmungen zu beurtheilenvermag, wird der proportionaleAntheil des Honorars sehr rcspectabel erscheinen. Die Firma Brockhaus hat sich von jeher in großen selbständigen Verlagsunternehmungen, vor nehmlich encyklopädischer Art bewegt. Die cncyklopädische Literatur bilde! von Anfang an die Grundlage des Geschäfts. Auf dieser Grundlage hat dasselbe seine Thätigkeit über alle Gebiete der wissen schaftlichen, belletristischen und populären Literatur erstreckt, mit allen Richtungen unseres Literaturlebens ist es in Fühlung. Obige Ziffer bietet daher einen geeigneten Anhalt für die Abschätzung deutscher Honorarverhältnisse überhaupt. Wenn andere, ähnlich maßgebende Verlagshandlungen des In- und Auslandes die gleichen Mittheilungen für einen längeren Zeitraum machen wollten, so wäre damit die Grundlage gewonnen, die verschiedenen Länder durch an nähernd richtige Gesammtziffern in Vergleich zu bringen — voraus gesetzt, daß nicht eine andere Schwierigkeit erwüchse in der nach un gleichen Gesichtspunkten bearbeiteten Productionsstatistik, die für Frankreich einer wesentlichenKlärungund Sichtung bedarf. Deutsch land und England kommen sich in der Art der Behandlung eher nahe. A. Schürmann. Berichtigung. Seite 4038 in der 5. Zeile v. o. steht da, wo von gewissen Londoner Häusern die Rede ist, irrthümlich „darunter wahre Mustergeschäfte*; es soll Monftergeschäfte heißen. Der Gehilfcnverband, welcher jetzt gestiftet worden ist, must vonJedem, dem das Wohl des Buchhandels am Herze» liegt, mit Hoffnung und Freude begrüßt werden. Zu rechter Wirksamkeit wird er aber nicht eher gelangen, als bis sich überall in Deutschland landschaftliche Verbände bilden, die in ihm ihren Mittelpunkt finden. So ist es ja auch mit dem deutschen Buchdruckervereine gegangen. Mit richtigem Tacte hat man von Ernennung der Agenten für jetzt abgesehen. Solche Vereine mit ihrem Vorstande sind die besten Agenten. Württemberg mit Stuttgart, Bayern mit München-Augsburg, Franken mit Nürnberg-Erlangen, Oesterreich mit Wien, Böhmen mit Prag u. s. w. als Mittelpunkte sind dazu ganz geeignet. Es ist ganz wohl- gethan, daß mit einfachen Krankencasscn der Anfang gemacht werden