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WWMOHalerAnMr Tageblatt für Kohenstein-Ernstthal. Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg, Falken, Langenchursdors, Meinsdorf, Küttengrund rc. Der .Kobenlteln-Ernstthaler" Anzeiger erlchetnl mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Kous MK.I.50, bei Abholung in der Keschästsstelle MK.1.L5, durch die Poft bezogen (außer Befleltgeld) Mk. 1.50. Einzelne Nummern 10 Psg. Bestellungen nehmen die Geschäfts und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiserl. Poslanslalten und die Landbrieslräger entgegen. Als Extra- betlage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das »Illustrierte Eonntogsblatt". — Anzeigengebühr für die «gespaltene Korpuszelle oder deren Raum 12 Psg., sür auswärts 15 Psg.: im Reklameleil die Zeile V Psg Sämtliche Anzeigen finden gleichzeitig im »Oberlungwitzer Tageblatt' Ausnahme. Anzcigen-Annahme sür die am Abend erscheinende Nummer bis vormittags 1l Uhr, größere Anzeigen werden am Abend vorher erbet n. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt, jedoch nur bei alsbaldiger Zahlung. Die Ausnahme von Anzeigen an vorgeschricbenen Tagen und Plätzen wird möglichsi berücksichtigt, eine Garantie jedoch nicht übernommen. Für Rückgabe eingesandter Manuskripte macht sich die Redaktion eLLtLkrLeriLertLlSküiLLLi-LkLcrtLiLlLLrertLl-LlseriiSkrercLkLcrertrrskrtLkLiLer nicht verbindlich. tLereriirlLLlSkrksorcrkriskrlLcrncLkrsvLcrcrcrncrl-riLiLiLcrtLNLSkrsks Nr. 206. Fm.,pr-ch-r Nr. isl. Freitag, den 4. September 1908. ÄNchDOM Bahns,r. -I. 35. Jahrgang. Gemeinde-Sparkaffe Oberlungwitz — im Gemeindeamt, Fernsprecher No. 161 Amt Hohensten-Er. — ist täglich norm, von 8—12, nachm. von 2—5 Uhr geöffnet, expediert auch schriftlich und verzinst alle Einlagen — die bi» zum 3. de» Monat» geleisteten für den vollen Monat — mit 3'/,'/, Die große Rechnung. Wenn der französische Ministerpräsident, Herr Georg Clemenceau, in den nächsten Tagen nach Beendigung seiner Sommerkur in Karlsbad wieder in Paris eintrifft, so wird er ein gutes Stück enttäuscht sein. Es ist ihm bisher so ziemlich alles in der Erledigung der politischen Angelegen heiten nach Wunsch gegangen, aber nun will es nicht niehr. In der Unterredung zu Marienbad mit König Eduard und dem russischen Minister Iswolski hat er sich so ziemlich Herumkriegen lassen, dem Zarenreiche die Unterbringung seiner neuen großen Anleihe in Frankreich zu versprechen, »ttd nun erkennt er in Paris, daß der Republik in Sachen Marokkos eine Rechnung ausgemacht wird, die weit über das erwartete Maß hinaus geht. Gewiß, Frankreich ist ein reiches Land, es braucht trotz seiner schweren Schulden auf eine Handvoll Millionen bei seinen Ausgaben nicht zu achten, aber auch die französischen Volksvertreter meinen, wenn wir Geld ausgeben, wollen wir etwa» dafür haben. ES wird doch nicht zu dem Zweck tn den afrikanischen Gefilden ausgegcben, damit ein anderer den Nutzen davon hat Und wenn es Herr Clemenceau auch vor aller Ocffcnt- lichkeit nicht eingestehen wird, «m stillen Kämmer lein muß er bekennen: „Georg, mit deiner Rech nung über Marokko und deiner ganzen Marokko- Politik bist du tüchtig hmeingesallcn, da wird die Elle viel länger wie der Kram. Und du kannst nicht einmal sagen, daß du fremden Iutriguen diesen Reinsull verdankst, du Haft selbst Schuld!" Frankreich hat seil der Algeciras-Konferenz wieder und immer wieder seine tadellose Uneigen nützigkeit in allen marokkanischen Dingen versichert, aber ganz selbstverständlich hat eS sich bei dem schwachen Sultan Abdul Aziz, der heute niit seinem Harenr von einem Dutzend Frauen aus einem Bauernhöfe unweit Casablanca sitzt, einen starken Einfluß und wohl auch noch mehr sichern wollen. Abdul hat ja auS Paris sich so viel Geld sür seine Verhältnisse vorschießen lasse», daß er sich überhnupt nicht mehr rühren konnte. Soweit war alles sein eingcsädelt, aber nun kam der große Fehler, der sich bitter gerächt hat: Des Sultans sicher, glaubten die Pariser Diplomaten und die französischen Generäle, in Afrika alles so einrichten zu können, daß die Okkupation kein Ende nahm. Um die Ermordung von französischen StaatS-An- gehörigen durch die Marokkaner zu ahnden, brauchte weder Casablanca bombardiert noch in das Innere des Landes vorgedrungen zu werden. Erst nach diesem Abenteuer, und weil der Sultan gegen diese Handlungsweise seiner Geldgeber keinerlei Einsprache erhob, wurde sein Stiefbruder Mulay HafiS zum Gegen-Sultan ausgeruseu und cs kam zu einem förmlichen Kriege, in dem sich die Fran zosen, und das war der zweite Fehler, parteiisch auf die Seite ihres Schuldners Abdul stellten. Sie glaubten felsenfest an dessen Sieg, bis nun ein freilich nicht recht aufgeklärter Verrat Abdul Aziz in dle Tiefe gestürzt und Mulay Hasid oben auf gebracht hat. Bei strenger Neutralität der Franzosen konnten sie längst mit Mulay ver- handeln und würden sich auch mit diesem ver- ständigt haben. Heute fühlt sich der siegreiche Gegensultan und hat nicht im geringsten Lust, alle die französischen Wünsche zu ersüllrn. Ja, ja, Georg Clemenceau, reibe deine Stirn! Die französische Politik steckt in der Klemme. Im Orient sind ja viel Uekcrraschuugcn möglich, abc, daß in Marokko Abdul Aziz wieder seinen Bruder Mulay Hafid beim Schopfe nimmt, ist doch recht wenig wahrscheinlich. Mit seiner Person kann man also in Paris nicht viel ansangcn, wenn man sich auch stell«, als sei noch nicht alles für die Zukunft aus. Nun hofft man Mulay Hafids Geldnot ausbeuten zu können. Aber der hat m dem Fanatismus seines Volkes einen Verbündeten und wird seinen Kops nicht m die französische Schlinge stecken, damit seine Marokkaner auch ibn sorijagen, weil er mit den verhaßte» Fremden schön tut. DaS Klügste sür die Franzosen wäre, auch sie ließen nuv Marokko machen, was es wollte. Aber die große Rechnung kneift! Es können noch pntzige Dinge da unten passieren. Tagesgeschichte Der Kaiser, der am Tage zuvor die Parade über das preußische GardekorpS abnahm, Hal am Mittwoch abend Berlin wieder verlassen und sich von neuem zu den großen Manöver» nach Straßburg begeben. Die Schulde» Deutschland» Die Schwierigkeiten, welche die Lösung der Reichsfinanzreform allen maßgebenden Behörden bereitet, werde«, noch nicht so schnell gehoben wer den. Angesichts dieser Tatsache wird auch für weite Kreise deS Publikums eine Darstellung der Schuldeuwirtschast des Deutschen Reiches nicht ohne Interesse sein. Aus einer Ausstellung, die von Professor Dr. Georg Schanz (Würzburg) ge macht wurde, läßt sich erkennen, daß die Schulden deS Deutschen Reiches in den 26 Jahren vom Jahre 1880 bis 1906 beinahe um daS Fünszehn- fache gestiegen sind. Es läßt sich in den einzelnen Zeitabschnitten ein ganz bedeutsamer Unterschied in der Hähe der anwachsenden Schuld sestftellen. Die verzinslichen Schulden betrugen im Jahre 1880 218,1 Millionen. Zehn Jahre später hat daS Deutsche Reich schon mehr als daS Fünffache dieser Summe an Schulden auszuweisen. Sie betragen nämlich im Jahre 1890 1118 Millionen Mark. In, Jahre 189b ist trotz der kurzen Spanne Zeit von 5 Jahren veinahr eine Verdoppelung dir ver- zinsttchen Schuldsumme zu konstatieren. Sie be trägt 2081,2 Millionen Mark. Dagegen ist sie erst in, Jahre 1900 nm die verhältnismäßig geringe Summe von 216,7 Millionen Mark angewachsen, da sie um die Wende des Jahrhunderts 2298,5 Millionen Marl beträgt. 6 Jahre später ist wieder ei» uvgehemeS Anwachsen der Reichsschnlden sest- zustell.:». Dieser Abschnitt von 1900 bis 1906 hat überhaupt das relativ größte Wachstum der R'ichöjchnlden zu verzeichnen. Sic betragen uäm- lich »n Jahre 1906 3543,5 Millionen Mark, also gegen das Jahr 1900 ein Plus non 1245 Mil lionen Mark. In de, Zeit vom Jahre 1877 bis 1906 haben die Zinse«, und Verwaltungs- koste«, der Reichschulden die ungeheure Summe von 1455 Millionen verschlungen. Wenn man diese Summe vou der Summe der gesamten Schul den nbzieht, so erhält man 2088 Millionen Mark Die Summe der verzinslichen Schulden Deutschland? ist also tatsächlich nur 2088 Millionen Mark, die durch sich selbst um die oben angeführten 1455 Millionen Marl zu der Höhe von 3545 Millionen Mark angcwachsen sind. Es wird jeden, anfsallen, in welchem schreienden Mißverhältnis die Schuld summe selbst zu der Summe der Zinsen und Ver- waltungSkosten steht. Das Reich hat tatsächlich beinahe ebensoviel sür Zinsen und Verwaltung der Schuld zahlen müssen, als es Schulden gemacht hat. Der Unlerschicd zwischen den Verwaltungskosten der Tchulaen und den Schulden selbst beträgt nur 633 Millionen Mark, also eine verhältnismäßig sehr geringe Summe. Wen» man berechnet, waS das Reich in jedem Jahr sür Bedürfnisse gehabt bat, so kommt man zu einem höchst überraschenden Ergebnis. Nach Abzug der VsrwaltungSkosten rc. der Schulde», die natürlich nicht erwachsen wären, wenn die Schulden nicht vorhanden wären, ist fest zustellen, daß die jährlichen Bedürfnisse deS Reiche- ungefähr 68 Millionen im Durchschnitt betragen, da sich die Summe von 2088 Millionen über 30 Jahre erstreckt. Diesem Bedürfnis von durchschnitt lich 68 Millionen Mark jährlich steht eine Ausgabe von ungefähr 50 Millionen Mark gegenüber, die ganz nutzlos nur dadurch vertan ist, daß man die 68 Millionen Mark jährlich schuldete. Zur MkichSfiuanzreform. Staatssekretär Sydow ist am Montag vom Urlaub zu'.ückgekehrt. Inzwischen ist die Ausarbeitung der neuen Steuervorlagen, wie die „Berliner Universal- Korrespondenz" erfährt, so weit gediehen, daß sie schon zi« Anfang der nächsten Woche an den Bun- desrnt gelest-t werden können. Die Eniwürie liegen dem Staatssekretär schon fertig vor und werden von ihm gemeinsam mit den, Unterstaats- sckrctäc und den zuständigen Räten noch einmal einzeln durchberaten. Nennenswerte Abänderungen find kaum mehr zu erwarten. Nur die endgültige Rediglerung der Entwürfe will der Schatzkanzler persönlich vornehmen. — Die geplanten Steuern sollen annähernd 400 Millionen Mark dringen. Doch erwartet man, daß sich im ersten Jahre, eventuell auch im zweiten und dritten Jahre die Kinderkrankheiten aller neuen Steuern: Verminderung des Umsatzes der mit den Steuern belegten Gegen stände, Erhebungsschwierigkeitcn usw. geltens machen werden. Der volle Tteucrerlrag ist erst für das vierte Jahr vorgesehen. Denkmal für Vie in Siidwestafrika Gefallenen. Bei den, Reichskolonialamte sind bereits mehr als 32 000 Mk. Beiträge zu dem Denkmal sür die in Dcutsch-Südwestafnka Gefallenen eingegangen Aufhebung de» Urteil» gegen den Mörder de» Statthalter» von Galizien Der oberste Gerichtshof in Wien erkannte auf Das Opfer. Novelle von P. Otlivcrio. (Nachdruck verboten.) 1. Zu der Zett, als Holm von Ilgen aus der Jlgenburg stark, zählte sein Sohn Werner aus erste' Ehe schon ungefähr vinzig Jahre. Ihm vk-machte er fast sein ganzes großes Vermögen, während Konstanze, das Kind seiner zweiten Ehe, kann, genug erbte, um sich ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Werners Liebe zu seiner Halbschwester entschädigte diese indessen reichlich sür die Spar samkeit, welche ihr Vater ihr gegenüber bewiesen hatte. Nicht- schien ihm so großes Vergnügen zu bereiten, als ihr jeden ihrer Wünsche zu erfüllen, und zwar tat er das in einer Art und Weise, die seiner Güte erst den rechten Wert verlieh. Konstanze zählte kaum siebzehn Jahre, als sie der Fürsorge ihres Halbbruders überlassen blieb Schon damals war sie groß und schlank und von tadel losen, Ebenmaß. Ihre großen grauen Augen blickten froh und glücklich in die Welt, ihre weichen Mangen färbte ein mildeS Rot und die seidenen Flechten ihres braunen Haares fielen ihr schwer über Nacken und Schulter herab. Sie war wie c«n lachender Sonnenstrahl in der einsamen Ilgen- bürg, der Glück und Wärme um sich verbreitete und trübe Schatten verscheuchte. Wenn das Glück seine Gaben an Reichtum mit verschwenderischer Hand über Werner von Ilgen auSgcstreut hatte, so war die Natur desto spür- Iiche» und zurückhaltender in bezug auf körperliche Vorzüge mit ihm verfahren. Seine Gestalt war im Wachstum zurückgeblieben, so daß der Kopf ganz unverhältnismäßig groß erschien, die Arme war.,, laug und dürr uv.d an seinem Rücke» er hob sich rin häßlicher Buckel. Werners Züge in dessen besaßen den cigntümlichen Reiz, den zart- fühlende Naturen meist besitzen, und seine kleinen, klugen Augen strahlten so viel Milde und Güte aus, daß ihn, jedermann gern in das bleiche, schmale Gesicht schaute ES schic«, ihn wenig zu kümmcrn, was die Welt von seiner abstoßenden Gestalt dachte, wenn er nur fest und unerschütter lich in Konstanzens Liebe und Achtung stand; freundliche Worte von ihr zu hören und sic glück lich ihn, zulächcln zu sehen, war alles, waS seine uneigennützige Liebe begehrte. Freilich vor den, Tode deS alten Herr«, von Ilgen war Werners Benehmen gegen seine junge, schöne Stiefschwester ganz anders gewesen. Fast mit Haß hatte er sie behandelt. Der häßliche Werner hatte gefürchtet, daß ihn, den kränklichen, alternd n Junggesellen, der gar nicht heirate«, zu wollen schien, der Vater aus et«, Legat setzen und der schönen jungen Tochter Konstanze den Hanpt- te,k seines Vermögens hinterlassen würde, um aus dem Lieblinge des HauseS eine vieldsgehrte reiche Erbin zu machen. Aber die Testamentseröffnnng hatte gezeigt, daß Werners Befürchtung grundlos gewesen, er war der Universalerbe, und nun be handelte er Konstanze um so liebcvober, saft wie seine Tochter. Ungefähr zwei Jahre nach dem Tode deS alten Herrn von Ilgen kehrte Graf Arwed von Kirn dorf von einer langen Reise, die er durch ganz Europa und Amerika gemacht hatte, in seine väter- liche Besitzung Oberstein zurück- Die beiden Güter Jlgenburg und Oberstein grenzten aneinander, und während Arweds Abwesenheit war letzteres der Obhut des Verwalters allein überlassen worden. DaS WohuhauS war ein altes, stattliches Gebäude, zu dessen Eingang von dem Torwärterhäuschen aus eine brette schattige Allee führte, während sich nor de«« tiefgehenden Bogenfenstern des Hauses grüne« Rasen ausbre«lete, der von Unkraut und wilden Blumen durchwuchert war. In den stei nernen Verzierungen über der Tür und den Fenstern hatten die Schwalben ihre Nester gekaut und an dem verwitterten Steinwcrk hatte sich allenthalben Moos angesetzt; die Wege deckte Gras und Un kraut und einige Bäume standen tot und entblättert da. Arweds Heimkehr gab indessen dem allen bald ein anderes Ansehen. Das Unkraut wurde ent fernt, der Rasen durch Beete mit schönen Blumen und Pflanzen hier und da unterbrochen, um dem Hause seine einstige Pracht und Frische wiederzu geben. Die schweren, unbequemen Möbel, welche sich mit den Gemälden und den« Silberzeug von Generation zu Generation fortgcerbt hotten, ver schwanden von ihrem lange behaupteten Platz, verdrängt durch die geschmackvolleren Erzeugnisse der neuesten Periode. Kostbare Gemälde zierten die Wände und merivoll-' Statuen und Spiegel vollendeten das elegante Gepräge, welches die ganze Einrichtung trug. Arwed von Kirndors gehörte einem der ältesten AdclSgeschlechier an, und obgleich ihn, nur ein Teil des väterlichen ErbcS zugefallen war, belief sich sein Einkommen doch aus eine ganz bclrächt- liehe Summe. Fünf Jahre war er von der Heimat fern ge wesen, halte die Prairie» Nordamerikas durch wandert, mit den wilden Stämmen der „Rocky MountainS" gelebt, mit ihnen Bisons gejagt und an ihren derben Titten teilgenommen. Dte Lust an Abenteuern allein war es gewesen, die ihn nach jenen wilden Regionen gezogen halte, und als er nach Europa zurücktehrte, ließ er sich e,st wegen des KlimaS für einige Zeit in Italien nieder. Während seines Aufenthaltes in Rom hatte er die Bekanntschaft eines arm-n, aber talentvollen MalcrS Namens Theodor Lindner gemacht. Die bedrängte Lage des jungen Künstlers und seine beinahe mädchenhafte Zurückhaltung und Bescheidenheit hatten Arweds Mitleid erweckt. Sonst wollte Gras Arwed aber auch der Kunst dienen. Er nahm sich also deS jungen Künstlers an, brachte ihn mit nach Oberstein, wo er ihn, ein Atelier einrichtete und Kot ihn, in jeder Weise seine Freundes hand. Und doch waren die beiden Männer gänz lich verschieden, nicht nur äußerlich, sondern auch in all ihren Neigungen und Ansichten. Graf Arwed war groß, kräftig, kernig, seine Züge klar und offen, seine schwarzen Augen glänzend und furchtlos, sein Mund freundlich und angenehm. Der Stempel echter, rechter Männlichkeit war jeder Linie seines Gesichts, jeder Bewegung seiner schönen, stattlichen Gestalt ausgedrückt. Theodor Lindner dagegen, obwohl er die Jünglingsjahre gleichfalls hinter sich liegen hatte, sah bedeutend jünger auS, als er war. Er war blond und von Gestalt klein und unbedeutend. Ein paar sanfte blaue Augen gaben seinem blaffen Gesicht einen ungewöhnlich weichen, milden Ausdruck, und in seinem Lächeln und in jeder Bewegung, jedem Wort, jedem Blick verriet sich eine saft mädchen hafte Schüchternheit. Der Knall einer Flinte, der Anblick eines verwundeten Hasen trieb ihm ein Frösteln durch alle Glieder. Seine Kunst betete er aber an, und durch sie Ruhm und Ehre zu er- ringen, schien der einzige Zweck seines Lebens zu sein. (Fortsetzung folgt.)