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15914 Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 301, 28. Dezember 1909. illustration entsprang. Achtzehn Jahre lang arbeiteten sie zu sammen; 1520 hatte Vostre mehr als 103 Ausgaben von 1.ivrss ä'bsureg für die verschiedensten Städte veröffentlicht. Neben Simon Vostre verschaffte ein anderer Pariser Verleger, Antoine Verard, dank seiner außerordentlichen Tatkraft, seinem sicheren Geschmack, dank der Mithilfe erstklassiger Künstler dem Buche eine mächtige Förderung. Verard, der berühmteste der alten französischen Buchhändler, war zugleich Kalligraph, Drucker, Miniaturist und Geschäftsmann und begann um 1485 die Reihe seiner Luxusdrucke mit einem Decameron des Boccaccio in fran zösischer Übersetzung. Seine Verlagswerke waren (nach Bouchot, 1.6 livro) anfangs keineswegs ausgezeichnet; die Bilder dazu waren häufig ungeschickt, wahrscheinlich von anderen entliehen oder gekauft und nur skizziert, um von den Miniaturisten ausgeführt zierungen versehen wurden. Es dürfte heute nicht ohne Interesse sein, zu erfahren, was irgendeinem Grandseigneur vom Hofe Karls VIII. einer dieser Sonderdrucke kostete und wie es im Be triebe eines großen französischen Buchhändlers des fünfzehnten Jahrhunderts zuweilen herging. Charles de Valois-Angouleme, der Vater Franz' I., hatte Verard beauftragt, ihm von dem illuminierten Tafeln und gebunden zu liefern. In seiner Rech nung setzt Verard das Blatt Pergament mit 3 Sous 4 Deniers an, die gemalten und illuminierten Bilder kosteten 1 Ecu die großen und 5 Sols die kleinen. Die Einbände waren in dunklem Samt mit zwei das Wappen des Herzogs tragenden Schließen. Mit den fertigen Exemplaren begab sich Verard nach Cognac, wo der Herzog damals residierte. An Reisekosten bewilligte man ihm 20 Livres, so daß er als Gesamtpreis der kostbaren Werke 207 Livres 10 Sous oder ungefähr 5—6000 Francs nach heutigem Gelde empfing. Antoine Verard war Simon Vostre in der Veröffentlichung von biv,68 ck'beures vorangegangen, hatte aber mit seinem ersten derartigen Werke keinen Erfolg gehabt. Dasselbe enthielt weder Frontispize noch Nandeinfassungen, außerdem waren ihm grobe^ zur Illuminierung bestimmte Umrißfiguren beigegeben, die allem andern, nur keinen Vignetten ähnlich sahen. In demselben Jahre, in dem Simon Vostre seine Publikationen begann, stellte Verard »auf Befehl des Königs, unseres Herrn« die sogenannten »t-rrmckes Heures. her, 4°., gotisch, nicht chiffriert, 20 Zeilen die Seite. Diese »Oranäes IIeure8« enthalten 14 Bilder, große vierteilige Bordüren, kleinere Darstellungen und mit der Hand rubrizierte Initialen. Von 1487—1513 brachte Verard mehr als 200 Werke heraus, darunter das »Geheimnis der Passion« mit 80 Bildern, die »Großen Chroniken« in drei Foliobänden, von Jean Maurand gedruckt, die »Geschichte des jüdischen Krieges« von Josephus, »Die goldene Legende« von Jakob de Voragine, sämtlich Bücher, für die er die Mithilfe der Rubrikatoren, Illuminatoren und Miniaturisten in Anspruch nahm. Die Herstellung von 1-ivre3 ä'll6ure3 wurde außer von Verard, Vostre und Pigouchet auch von anderen betrieben, so von dem Drucker und Buchhändler Jean du Pre, der 1481 in Paris ein Missale erscheinen ließ und Heures für Rechnung von Provinzial verlegern druckte, ohne daran zu denken, daß er sich damit selber Konkurrenz machte. Thielmann Kerver aus Koblenz sing 1497 an, ebenfalls Heures auf den Markt zu bringen; er schmückte sie mit Bordüren und Holzschnitten und stattete sie ganz wie Simon Vostre aus. Obwohl er jedoch Vostre nachgeahmt hatte, assoziierte er sich mit ihm im Hinblick auf den Verlag des Pariser Missales. Offenbar gab es bei diesen Leuten keine unlautere Konkurrenz, oder der Verkauf von Andachtsbüchern war groß genug, daß alle davon leben konnten. Kerver hatte sein Geschäft auf dem Pont Saint - Michel zum »Einhorn« und verkaufte seinen Verlag gegen Anfang des sechzehnten Jahrhunderts an Gilles Remacle. Während sich Thielmann Kerver in seinen selbst eigenen Werken als Nebenbuhler Vostres gezeigt hatte, ahmten die Hardouins, wenn man vielleicht die 1503 von Gilles Hardouin herausgegebenen »Heure8 ä l'usaAs cls lloroe« ausnimmt, ihre Vorgänger ziemlich sklavisch nach, scheinen aber nicht deren Erfolg gehabt zu haben. Auch der Hofbuchhändler Gullaume Eustache benutzte Pigouchet, Kerver und andere Drucker am Schlüsse des Verleger von 1-ivre3 ä'deur68 genannt. Eine ganze Anzahl von Verlegern suchte es den Vostre und Verard nachzumachen und durch Herausgabe von 1üvr63 ck'beur68 und anderen illustrierten Werken ähnliche Erfolge zu erringen. In welchem Umfange die Herausgabe von 1,ivr63 ck'bsuisZ dazumal betrieben wurde, läßt sich leicht aus der kürzlich erschienenen: Liblio^rapdie cker 1,ivr63 ä'lleurea (llora.6 ö. Ick. V.), Lodatta. (VII, 77 8.) V/Ien 1909, Verlag von Oildokor L Vorwort. 8r. 12 ^ ersehen, vr. Bohatta weist in seiner mit bewundernswertem Fleiße und Spürsinn zusammengestellten Bibliographie 1447 ver schiedene 1.ivr68 ck'b6ure8 nach, von denen 153 für Paris, 828 für Rom bestimmt sind. Für die Orden der Augustiner, Benediktiner, Carmeliter, Cartäuser, Cistercienser, Dominicaner, Poeniten- tiarier, Praemonstratenser führt Bohatta 27 Ausgaben an, außer dem in deutscher Sprache 1, in griechischer 32, in italienischer 2, in holländischer und vlämischer 38, in spanischer 24 Ausgaben. Als notwendige Ergänzung zu den Invi-68 ä'Ü6ure8 ver zeichnet Bohatta noch 218 Olüoia, 110 Lortuli, 12 6o- loone, 43 Uo8aria und 19 6ur8U8 L. Ll. V. Für die englischen Ü6ur68 verweist vr. Bohatta auf das Werk von Hopkins: »llorao öoatao Ickarirro Vir^ini8 or Srrruln anck Voclc ?riw6>-8«, 1-onäon 1901. Gut erhaltene, vollständige 1.ivr68 ck'b6ul63 sind selten, werden von Liebhabern sehr gesucht und entsprechend bezahlt. Auch defekte Exemplare, besonders solche auf Pergament, finden willige Abnehmer. Gelegentlich begegnet man auch einem ergänzten Exemplar, bei dem fehlende Blätter mit der Hand oder durch irgendein photomechanisches Verfahren täuschend ähnlich faksimiliert beigefügt worden sind. So fand ich vor etwa drei Jahren in einem Katalog bei einem derartig ergänzten lüvra ck'beures die Notiz: »2 ff. (a. et e) kg.e8iw. par Io proeeckä ?ilin8ki«. Für denjenigen, der: »Eudel, 1.6 ti-uquaxe« nicht kennen sollte (vor kurzem neu erschienen als: »Fälscherkünste«, Hrsg, von A. Roeßler. Fr. Wilh. Grunow, Leipzig), sei bemerkt, daß Adam Pilinski ein ungemein gewandter Kalligraph und Restaurator der Pariser National bibliothek war, der in der Nachbildung fehlender Blätter mit der Feder eine wundervolle Meisterschaft besaß. Im Britischen Museum soll es vorgekommen sein, daß ein ebenso gewandter Lücken- schließer fehlende Blätter (wie in Eudel, Fälscherkünste S. 149 von A. Roeßler berichtet wird) so gewandt faksimilierte, daß sowohl er selbst wie der betreffende Abteilungsvorstand nach einiger Zeit nicht mehr wußten, welches Blatt faksimiliert worden war. Seitdem werden im Britischen Museum derartig ergänzte Blätter unauffällig bezeichnet. Die Abbildungen der 1.ivre8 ck'Ii6ur63 haben in der Regel Bezug auf irgendein Ereignis aus dem Leben Jesu Christi, der Jungfrau Maria, biblischer Personen und der Heiligen. Toten tanzbilder kommen ebenfalls vor. Der Text enthält gewöhnlich außer den eigentlichen Betstunden (bora.6 intomoratae beatae Ickariao Virxini8) einen Kalender, Gebete, die sieben Bußpsalmen, die Litanei der Heiligen, die Stationen der Leiden Jesu und die Vigilien des Todes. Der Pariser Buchdruck und die Pariser Jllustrationskunst, die für zahlreiche Städte l.ivi-63 ä'beure3 lieferten, nahmen durch diese Gebetbücherfabrikation einen großen Aufschwung. Die nachstehenden, aus verschiedenen in- und ausländischen Katalogen zusammengesuchten Titel, von denen der eine oder andere vielleicht bei Bohatta fehlen dürfte, sollen einige Beispiele Fr. I. Klee meier. 36ur68. Vu^t8eb6 Abet^äsn. (ä. ls. üo:) dbeprint. lant- werp6(n), >,i 6v Ueerpoorte ^ckk-iaeu V3.n 1,ie8V6lt. 1495, uo. 839.