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Redaktioneller Teil. ^ 122, 29. Mai 1914. aufgefllhrt werden. Wir hoffen und wünschen aufrichtig, daß trotz der Schwierigkeiten, die in der außerordentlich prächtigen Ausstattung, in den koniplizierten Tänzen und überhaupt in der kostspieligen Einrichtung dieses Balletts bestehen, auch den deut- scheu Bühnen ein lebhafter Erfolg beschiedcn sein möge und damit die z. Zt. leider an zahlreichen Theatern bestehenden miß lichen Verhältnisse gebessert werden. In einem früheren Artikel hatte ich die »Nöte« der Konzert geber erwähnt, deren Einnahmen meist so gering sind, daß sie neun Zehntel aller Kosten selbst zu tragen haben. Nach den Be richten der letzten Monate, die aus allen Teilen des Reiches ein liefen, scheinen sich bei den Opernbühnen ähnliche Schwierigkeiten eingestellt zu haben. Man liest, daß überall die Direktoren er höhte Zuschüsse verlangen und erhalten, und daß trotzdem noch sehr oft starke Krisen ausbrechen, infolge des rapide steigenden Defizits. Mittelstädte sind so gezwungen, Zuschüsse von 2- bis 309 000 ^ für ihre Bühnen zu opfern. In Frankfurt am Main soll der Zuschuß die Höhe einer halben Million, in Leipzig das Defizit sogar annähernd eine Million erreichen. Und dies bei Bühnen, die früher bekanntermaßen Überschüsse ergaben. Es drängt sich die Frage auf, wie diese Erscheinung zu er klären ist, und ob ihr begegnet werden kann? Es besteht kein Zwei fel, daß die übermäßigen Kosten an den Stadttheatern sozusagen ausschließlich durch die Oper verursacht werden. An einer Bühne, wo Oper und Schauspiel getrennte Kassenführung ausweisen, bei spielsweise in den Berliner Hostheatern, weiß man, daß das Schauspielhaus noch einen Überschuß ergibt, der zumeist zu dem Zuschuß für die Oper hinzugenommen wird. Es ist also eine un bestrittene Tatsache, daß die Kolossalausgaben in der Regel für die Opern zu leisten sind. Man hatte sich von dem Freiwerden der Wagnerschen Werke unerhörte Erfolge, außerordentliche Anteil nahme, außerordentlichen Besuch versprochen. Viele Bühnen er höhten schon im Hinblick darauf die Preise und glaubten, nun mit einem Schlage aller Sorgen enthoben zu werden. Nichts der gleichen ist eingetreten. Im Gegenteil, die Sorgen sind größer geworden. Es hat also den Anschein, als ob Wagner die auf ihn gesetzten Hoffnungen enttäuschen sollte. Jedenfalls hat er zunächst viele Operndirektoren zu erhöhten Ausgaben gezwungen. Die Büh nen, die bisher keine Wagnerstücke gaben, mußten ein Wagner- Personal engagieren, das teuerste Personal, das es gibt. Andere Bühnen, die zwar schon früher Wagner gaben, jetzt aber, da sie so besondere Hoffnungen aus ihn setzten und keine Tantieme mehr zu zahlen Hatten, ihr Publikum doppelt oder dreimal so stark mit Wagner zu füttern suchten, mußten ein doppeltes Personal für Wagner anschaffen. Die Wagner-Kräfte wurden immer seltener und infolgedessen immer teurer. Darauf ist es zurückzuführen, daß z. B. ein Parsifal-Sänger zum Wander-Parsifal wurde, von Bühne zu Bühne ziehen mußte, um überall den Gralshelden zu verkörpern. Ja, der Parsifal! Er ist der stärkste Trumpf der Wagner-Kampagne, und hier hat fürs erste gewiß schon die Neu heit der Sache eine große Anziehung ausgeiibt und starke Ein nahmen gebracht. Trotzdem sind die Ansprüche auf Subvention bei den Direktoren immer größer geworden. Auch dürfte Parsifal in den kommenden Jahren den Direktoren bei weitem nicht mehr die gleichen Einnahmen zuführen, so daß sich also die Schwierig keit der Geschäftsführung noch vermehren wird. Es ist an der Zeit, diese Fragen zu erörtern und nach Mitteln und Wegen zu suchen, dem bedrohlichen übelstand zu begegnen, um der Gefahr zu entgehen, daß, wie cs schon einzelne Bühnen beschlossen haben, in Zukunft viele Theater ihre Opern abschaffen und sich auf das rentablere Schauspiel beschränken. Das wäre sehr zu beklagen und würde den Ruf Deutschlands als des musikfreundlichsten aller Länder bedeutend schädigen. Unsere Komponisten werden immer moderner: die Opern- Autoren haben eine Neuerung veranlaßt, die zu Diskussionen Gelegenheit bietet. In Klavierauszügen moderner Opern oder besser gesagt musikalischer Bühnenwerke finden sich zahlreiche Stellen, wo die Klavierbegleitung nicht auf die üblichen zwei Liniensysteme beschränkt bleibt, sondern sich über drei, vier, fünf und mehr Systeme ausbreitet. Meist steht dann der eigentliche 870 Klaviersatz auf zwei fettgedruckten Liniensystemen, während die anderen, dünner gedruckten die Ergänzungen (Andeutungen her- vortretendcr Instrumente, Angabe von Mittel- und Gegenstimmen im Orchester) bringen. Diese Sitte, deren Berechtigung für beson dere Ausnahmefälle ganz gewiß zugegeben werden kann, droht in eine Unsitte auszuarten, so daß zu überlegen ist, ob nicht in der Mehrzahl der Fälle tatsächlich mit zwei Linienshstemen auszukom men wäre. Ich habe unlängst sogar bei dem Klavierauszug einer Oper der guten alten Romantik (a la Marschner) drei und vier Systeme gefunden. Geradezu ein Hohn auf die Durchsichtigkeit und Verständlichkeit des Orchestersatzes, der durch diese äußer liche Maßnahme verdunkelt, nicht geklärt wird. Richard Wagner ist in seinen Meistersingern, in seiner Göt terdämmerung fast überall mit zwei Linienshstemen ausgekommen. Und diese jungen Hünmclsstllrmer glauben so viel Wichtigeres, Ununterdrückbares im Klaviersatz sagen zu müssen! Bei Richard Strauß ist die Hinzunahme eines dritten Systems manchmal be gründet. Zugegeben. Wenn aber jeder neuzeitliche Opernkompo nist glaubt, ohne drei, vier, fünf Systeme im Klavierauszug nicht auskommen zu können, so beweist das oft eine Selbstüberschät zung der Gedanken, deren Neben- und Beiwerk meist ohne tiefe Bedeutung ist, oft auch ein Verlieren in Einzelheiten und Kleinlichkeiten, die der Bedeutung des Hauptkernes ganz gewiß nicht immer förderlich sind. Die Komponisten sollten es sich also schon reiflich überlegen, bevor sie die Klavierauszüge durch solche überladene, komplizierte Ausführung den Musikfreunden und -liebhabern immer mehr entfremden. Robert Lienau. Berühmte Autoren des Verlags F. A. Brock- haus, Leipzig. Erschienen bei F. A. Brockhaus in Leipzig 1914. Im Jahre der Internationalen Aus stellung für Buchgewerbe und Graphik. 8<>. 113 S. Preis broschiert 50 H ord. Wie kann der moderne Verleger das Publikum für seine Autoren interessieren? Zu den großen Verlagskatalogen mit ihren endlosen, trockenen Bllchertiteln greift der Laie selten; sie finden Interesse meist nur in Fachkreisen, beim Buchhändler, beim Bibliothekar, beim Ge lehrten. So versucht es der eine Verleger in ausführlichen Prospekten mit erschöpfenden Inhaltsangaben, ja mit Text- und Bilderproben, ein anderer bringt monatliche, ein dritter vierteljährliche Verlagsmil teilungen. Einen neuen, originellen Weg hat F. A. Brockhaus mit einer kleinen Verlagspublikation beschritten, die zugleich als Festgabe für die Bngra und als Erläuterungs- und Propagandaschrift für die Verlagsausstellung (Gruppe XII, 981) anzusprechen ist; und auf diesem Weg werden Bücherfreunde, Laien wie Gelehrte, gern folgen. Der Verlag erteilt einigen der bekanntesten und berühmtesten aus dem großen Kreis seiner Autoren selbst das Wort. Wir erhalten Ein blick in das Entstehen eines Buches, wir können verfolgen, wie die Idee dazu konzipiert und geboren wird, wie sie allmählich Gestaltung annimmt, sei es, daß der Autor selbst dem Verleger naht, sei es, daß dieser jenen zur Produktion anrcgt; und der bald rege, dann wieder stockende, hier hoffnungsfrohe, dort leise dämpfende Briefwechsel, der sich ergibt, läßt Einblicke in die Psychologie der Verlegertätigkeit tun, die manchem Verlagsbuchhändler willkommen sein werden. Wo der Briefwechsel versagt, geben Verlagsakten, Tagebücher, persönliche Er innerungen Auskunft. Alle diese Fäden, die sich herüber- und hinttber- spinnen, sind geschickt zu anschaulichen Bildern verknüpft. Da lebt Schopenhauer vor uns auf mit all seinen Eigenheiten und mit dem Selbstbewußtsein des großen Mannes. Wenn heute der Autor meist der Meinung ist, daß der Verleger für Empfehlung und Verbreitung gerade seines Buches zu wenig tue, verbat sich der Verfasser der »Welt als Wille und Vorstellung« wie bei den Verhandlungen über die erste Auflage 1818, so bei den Neuauflagen 1843 und 1858 jede Re klame: »Also ich nehme an, daß Sie, meinem ausdrücklichen Wunsch ge mäß, mich ohne Empfehlung in die Welt setzen, werde mich schon selbst empfehlen«. H. H. Houben plaudert über das Geheimnis des Er folgs des meistgelesenen Buches über Goethe, von Eckcrmanns 1836 bei Brockhans erschienenen »Gesprächen mit Goethe«: ihr tiefster Wert und unvergänglichster Reiz liegt in dem Menschen Goethe, den Eckermann wie kein anderer uns nahegebracht hat; ferner schildert er anschau lich, mit welchen Schmierigkeiten der Verlag und der Redakteur Karl Gutzkow bei der Herausgabe der »Unterhaltungen am häuslichen Herd« in der Reaktionszeit zu kämpfen hatten. Und auf dieselbe unmittelbare ' Weise erhalten wir Einblick in das Schaffen Ferdinand Gregorovius',