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weich in des Jungen Händen, für den er lebte und strebte, und der seinem Herzen weit näher stand, als die schöne, ernste Wiebke." „Und wie standest Du und Ekbert mit dem Mädchen?" fragte ich, denn der Junge inter essierte mich nicht. Straubing fuhr sich über die Stirn. „Ach, weißt Du," sagte er dann, „Wiebkes Art, ihre Zurückhaltung, ließ mich über ihr Empfinden im Unklaren. Sie hatte die gleiche gelassene Freundlichkeit für Ekbert wie für mich; ich habe niemals einen wärmeren Ton gegen ihn wahrgenommen. Um so überraschen der, ja, überwältigender traf mich das, was der Zufall mich mit anhören ließ —" „So kam es also zur Entscheidung — zur Aussprache zwischen Ekbert und dem Mäd chen?" fragte ich mit steigender Spannung. „So war Ekbert also gewillt, das Heidekind zu heiraten?" „Sie sehen und nicht diesen einen einzigen Wunsch haben, ist unmöglich," bekam ich zur Erwiderung. „Ich will es kurz machen. Un ser Aufenthalt im Wendenhof näherte sich dem Ende. Ich beschloß, nach dem Grundsatz: Ein jeder ist seines Glückes Schmied ... zu handeln und Wiebke zu fragen, ob sie mein werden wolle. Ob ich Ekbert damit eine Wunde schlug, ihm ein falscher Freund wurde — ach, Bester, in jenen Tagen, als die Heide blühte und die Nähe der schönsten Erika mich berauschte, war mir dies alles gleichgültig. Mein Herz schlug heiß nach Wiebkes Besitz — willigte sie ein, was ging da die ganze übrige Welt mich an? Und sonst — Der Zufall bot mir offenbar die Hand zur ungestörten Aussprache mit Wiebke — Hans Ekbert hatte nämlich in dem benachbarten Re vierförster einen Universitätsfreund entdeckt und von diesem eine Einladung zur Rebhuhnjagd erhalten und angenommen. Während seiner Abwesenheit wollte ich mit Wiebke reden. Für den Schlingel, den Matthias, war Ekberts Beteiligung an der Jagd ein Haupt spaß. Mit Halli und Hallo gab er uns ein anschauliches Stück Jagdleben zum Besten und neckte den „Onkel Jäger", daß es eine Art hatte, bis Ekbert den Jungen gründlich zauste, um ihn schließlich lachend auf Huckepack da vonzutragen. Ueberhaupt verstanden sich die zwei vortrefflich, was mir zuweilen den Oual- gcdanken eingab: Fühlt sich der Junge zu Ekbert so hingezogen, weil dieser sein Schiva ger werden wird? Es war am Vorabend, so zwischen Däm merung und Dunkelheit — in der Frühe des nächsten Tages wollte Ekbert zur Jagd auf- brechen — als ich von -einem Gang durch die Heide heimkehrte. Es war still im Hause, dämmerig und still. Von den Weiden her drang gedämpft des Matthias munterer Jungenton, und dazwischen, Ivie ein tiefer Mollton, Klaus Wendens eherne Stimme. Die Stimmen draußen verhallten. Dagegen vernahm ich von der Küche her Flüstern, zwei Stimmen, die miteinander sprachen, leiden schaftlich und leidenschaftlicher. Zwei Stim men, die meinen Fuß und meinen Atem stok- ken machten — Und nun vernahm ich deutlich Hans Ek bert sprechen, süße, werbende Worte, Worte voll himmelstürmender Liebesleidenschast. Und dann hörte ich Wiebke sagen, und ich glaubte die Seligkeit, die sie durchbebte, aus den Worten zu hören: „Wo Du hingehst, da gehe auch ich hin, wo Du bleibst, da bleibe auch ich . . ." Ich weiß nicht, wie lange ich da im Däm mern gestanden habe. Zuletzt war es sinster um mich — und in mir. Ich konnte in der Nacht darauf nicht schla fen, stellte mich aber, als ob ich schlief, als Ekbert in der Frühe, zur Jagd gerüstet, an mein Lager trat, mir Adieu zu sagen. Ich vermied Wiebke an diesem Tage. Stundenlang streifte ich draußen umher — die Herzenswunde brannte. Auf Umwegen kehrte ich in den Wendenhof zurück, meine Reise tasche zu packen. Als ich eintrete, gellt mir ein markerschüt ternder Schrei entgegen. Das war Wiebkes Stimme! Was war geschehen!? Ich ivar zur Hintertür hereingekommen und eile nun über den Flur. Da staut sich in dem Hauseingang eine Schar Leute. An dere treten hinzu. Tuscheln — verstörte Mie nen. In den Armen der Grotzmagd lehnt ohnmächtig Wiebke. Und, gestützt von zwei starken Männern, sehe ich die eherne Gestalt des Heidebauern ragen. Aschfahl ist das Gesicht des Alten, bläulich seine Lippen. Ueber diese will sich ein Wort ringen, aber nur ein gurgelnder Laut dringt aus der rö chelnden Brust. „Was ist geschehen?" flüsterte ich dem Nächststehenden zu. Der öffnet die Zimmertür, die vorgelehnt steht, um einen Spalt. In dem Zimmer steht eine Bahre, und darauf liegt mit zerschossener Schläfe Matthias — Klaus Wendens Enkel. Das Unglück schreitet schnell. Hans Ekberts Kugel war es gewesen, welche den von ihm unbemerkten kecken kleinen Jagdzuschauer töd lich getroffen hatte. Begreifst Du nun, weshalb Ekbert sich den Gerichten gestellt hat?" schloß Straubing. Ich war tief erschüttert. „Armer Ekbert — arme Wiebke," sagte ich. „Es wird nun wohl einsam bleiben, das blonde Heidekind." Straubing erhob sich. Wieder fuhr seine Hand über die Stirn. „Ja," gab er zurück, „Wiebke wird einsam bleiben; es führt keine Brücke zu ihr. Mich wird das Leben und seine Forderungen heilen. Einmal im Jahr aber werde ich an sie denken — wenn die Heide blüht." Christentum und Kirche Tierschutz und die Heranwach sende Jugend. Gar nicht ernst und nachdrücklich genug können die Bestrebungen der Tierschutzvereine, die heute immer mehr an Boden und Verständnis gewinnen, gerade der Jugend ans Herz gelegt werden. Aufgabe aller Erwachsenen, insbesondere aber der El lern, muß es sein, von frühe an die Kinder zu lehren, in den Tieren, großen und kleinen, Geschöpfe desselben Gottes zu achten, den sie Vater nennen, und nicht Gegenstände, die sie als Spielball ihrer Launen und ihres Mut willens gebrauchen dürfen. Pflanzt in die junge Kinderseele Mitge fühl mit den Tieren! Wie leicht ist sie dafür empfänglich. Lehrt sie, dieselben an sehen als lebendige Wesen mit Gefühl für Freude und Schmerz und erzieht sie zur Teil nahme an ihren Freuden und Leiden. Vor allen« tretet streng und unnachsichtig jedem Ver suche, auch dem scheinbar harmlosen, entgegen, ein Tier mutwillig zu ärgern oder zu quä len. Die Jugend mutz es durchfühlen und verstehen, wer ein Geschöpf quält, versündigt sich am Schöpfer, und der läht sein nicht spotten. Auf diese Weise kann der Gefühl losigkeit und Roheit, welche namentlich unter unserer Jugend in erschreckendem Matze um sich greift, wirksam gesteuert und echtes Mit gefühl mit aller Kreatur gepflegt werden. Zweifach ängstlich mögen sich aber die Er- ivachsenen davor hüten, daß die Kinder nicht durch deren eigenes Verhalten gegen die Tiere lernen, hart und unbarmherzig zu werden. Wir alle, alte und junge, müssen auch der Kreatur gegenüber unser Verhalten in Ein klang mit demselben Gotteswillen bringen, der unser ganzes Leben regelt. Der Wahrsage- und Karten- lege - Unfug steht in größerer Blüte, als man gemeinhin anzunehmen pflegt. Die weni- gen Fälle, die bei uns durch Folgeerscheinun gen der bedenklichsten Art an die Oeffentlich- leit gelangen, lassen natürlich nicht im Ent ferntesten die über das ganze Deutsche Reich ausgedehnten Schwindeleien ahnen, geben kein auch nur annähernd richtiges Bild von der großen Zahl solcher Leute, die skrupellos die Unerfahrenheit und den Leichtsinn junger Mädchen und Frauen (um diese handelt es sich zumeist) ausnutzen, um sich auf bequeme Weise den Lebensunterhalt zu verdienen. Und doch scheinen wir noch von diesen „Geschäfts leuten" im Verhältnis zu Frankreich ziemlich wenig heimgesucht zu werden. Dort leben al- lein in Paris, wie das Adreßbuch ergibt, an nähernd 35 000 Somnambulen, Hellseher, Ok kultisten, Wahrsager beiderlei Geschlechts. Wenn man darüber nachdenkt, was für Unsummen diesen Schwindlern wohl so im Laufe der Zeit in die Hände fallen, so wird man sich nicht ohne weiteres ein Bild davon machen können, indes lehrt ein Blick in die Geheimnisse dieser dunklen Existenzen, daß es sich hierbei um außerordentlich hohe Einkünfte handeln mutz. Wenn nämlich eine bekannte Pariser Wahr sagerin allein für Reklame 50 000 Franks aus geben kann, dann darf man wohl mit Recht annehmen, datz sie ein ansehnliches Sümmchen „verdient". Manche Okkultisten sollen tägliche Einnahmen von 800—1000 Franks haben. Den Gesamtumsatz aller dieser unsauberen Existenzen schätzt man in Paris auf 73 Mil lionen jährlich: Ist das nicht ein erschreckender Beweis für den Tiefstand der Kultur? Nun, das ist in Frankreich, aber wir brauchen nicht mit mitleidsvollen Blicken auf dieses Land zu schauen, denn in unserm Vaterland sieht es in punkto Aberglauben wahrhaftig finster ge nug aus. Wenn man auch bei uns einmal eine Zählung aller, auch der im Verborgenen tätigen Wahrsager usw. vornehmen wollte, es würde sicherlich keine geringe Zahl dabei her anskommen. Deshalb wäre es wirklich mal an der Zeit, datz wir uns darauf besännen, welche Gefahren der Wahrsagerschwindel mit sich bringt, denn die vielen Opfer der letzten Zeit, welche die Kartenlegerei gefordert hat, ermahnen gebieterisch dazu, den Ernst der Sache endlich einmal gebührend in den Vor dergrund zu rücken. Otto knoi'i', OLvamLt»:, iru nousn Katdau8, »ui xrnU-n r. k'si-llsprsodsr 4V4V. UM- llvrvoi-i axsinle 4«l»sratil ap»rtor Xoakolwll. kriilanlvn, HM- unä Ilkrsu, 8psr.: Urrsaxnisss äor WUrttembsrx. HetiUlUvaroa t'itdrlk Üol4lia?vli-8t. trauerte um Liebseelchen. Man beschloß, ihm ein großartiges Leichenbegängnis zu geben und alle Vögel erschienen und gingen jam mernd und wehklagend in tiefer Trauer hinter der Bahre her. Die Turteltaube aber ließ es sich nicht nehmen, Liebseelchen noch einen poe tischen Nachruf zu widmen. Noch viel mitleidiger als mit den armen verlasfenen und kranken Vö geln zeigte sich Rotkehlchen, als unser Herr und Heiland am Kreuze hing, und dadurch ist es so recht derLiebling aller guten Menschen geworden. Als Jesu, mit der Dornenkrone umwunden, für uns am Kreuze litt, war niemand da, der Mitleid hatte und ihm das Blut abtrocknete. Da nahte sich dem Kreuze ein zierliches Vöglein, setzte sich auf die Dornenkrone und versuchte mit seinem kleinen Schnäblein, die Dornen aus dem Haupte des Gottessohnes zu entfernen. Aber ach! dem armen Vöglein fehlte die Kraft, das Schnäblein war zu schwach und die Dor nen waren zu scharf. Sie ritzten ihm die Brust wund, daß sie blutete. Von dem Tage an ist dem Rotkehlchen die rote Brust geblie ben zum ewigen Andenken, daß das gute Vöglein sich bemüht hat, das schuldlos fließende Blut des göttlichen Erlösers zu stillen, und die rote Brust ist des Vögleins schönster Schmuck und Ehrenzeichen. Obgleich nun Liebseelchen ganz ge wiß der liebenswürdigste, geg' n den Menschenzu traulichste aller deutschen Vögel ist, so hat es doch auch seine Fehler. Es ist ein wenig neckisch, zänkisch, und erlaubt sich zuweilen — ganz wie streitsüchtige Kinder — einen Kampf mit seinesgleichen oder andern kleinen Vögeln. Man sagt sogar, daß zwei Rotkehlchen, in der Gefangenschaft zusammengebracht, solange auf einander losgehen, bis eines getötet ist. Dies ist gewiß nicht schön von Rotkehlchen und ver trägt sich gar nicht mit dem hübschen Namen Liebseelchen. Glauben wir, daß das nicht so wörtlich zu nehmen ist, und denken wir lieber an alle guten Eigenschaften des Tieres, an seine Treue und Anhänglichkeit, an seine Milde und Barmherzigkeit, weshalb Rotkehlchen uns stets sein und bleiben soll — ein Liebseelchen. Die Mutterliebe. Glückliches Kind, dein die eigene Mutter an der Wiege saß, sich selber den Schlummer versagend, um den deinigen bewachen zu kön nen! Die zärtliche Mutter, die dich mit un endlicher Mühe und Sorgfalt mit allem ver sah, was das zarte Lebcnsfünklcin in deiner Brust zur Hellen Flamme anfachen konnte, die dich nährte und kleidete, oftmals unter eige nen Entbehrungen, die dir die ersten mensch lichen Laute entlockte und deinen schwachen Fuß stützte, bis er zu aufrechtem Gang er starkt war. Glückliches Kind, daß du selber kaum weißt, wieviel du der aufopfernden Liebe der Mutter verdankst, blicke hinein in den Haushalt der Natur und sieh, wie der Zug dec Mutterliebe das Weltall durchdringt, die sicherste Bürgschaft für das Fortbestehen der lebendigen Geschöpfe! Beispiele brauchst du nicht in der Ferne zu suchen; du findest sie in deinem eigenen Hause. Oder hättest du nie gesehen, wie auf merksam die jungen Katzen und Hunde von ihrer Mutter versorgt werden? Wie rasch die Alten auf das Geschrei der Jungen herbei eilen, um ihren Hunger zu stillen oder sie vor Gefahr zu schützen? Wie zornig ihre Augen funkeln, wenn man die Jungen aus dem Lager nimmt, und wie sorgfältig sie die- selben wieder hincintragen und unter sich ver bergen? Hörst du nicht das klägliche Brüllen der Kuh, der man das Kalb entführt, das sie auf der Weide so fröhlich umhüpste? Oder sieh auf die Gluckhenne, wie sie still und entsagend auf den Eiern brütet; wie sie selbst gegen den Iltis sich zur Wehr setzt, der ihre Eier bedroht. Und wenn die Küchlein endlich erscheinen, wie sie scharrt und lockt; wie sie zärtlich ruft und den Jungen die Körnchen zerteilt und vor das Schnäbelchen legt; wie sie die ganze Schar mit scharfem Auge überwacht und mit Hellem Warnungs rufe herbeilockt, wenn Gefahr vorhanden ist; wie sie, um alle zu schützen, die eigenen Flü gel zum sichernden Gewölbe ausbreitet, unter dem alle Raum finden und an welchem der Sperber im Fluge vergeblich anprallt. Doch wie könnte dir wohl die Mutterliebe der Gluck- Henne entgangen sein, da sie doch ebenso wohl zum Sprichwort geworden ist, als die Wachsamkeit des Hahnes, den du auf vielen Kirchtürmen als Sinnbild der christlichen Wachsamkeit prangen siehst! Konnte doch selbst dein Heiland kein treffenderes Bild für seine Menschenliebe finden, als die Liebe der Glucke zu ihren Küchlein, wie du liesest Matth. 23 V. 37 oder Luc. 13 V. 34. Nicht anders siehi's aus in der Fremde. Ist doch die Liebe der Affen so groß, daß sie die Jungen vor Zärtlichkeit erdrücken! Hast du nicht vom Grimme der Löwin und Bärin gehört, der man die Jungen geraubt? Ele fanten, Antilopen, Rinder, Pferde, — alle stellen sie, wenn sie in Herden beisammen sind, bei einem Angriffe die Jungen in die Mitte, sich fselber Preis gebend, aber ihr teuerstes schützend. Vom Strauße weißt du, daß bei Nacht das Männchen das Nest behütet und bewacht, da es stärker ist als das Weibchen, und daß es hungrige Schakale nicht selten besiegt. Zur ersten Nahrung für die Jungen legt die Henne überzählige Eier, die nicht gebrütet werden; die Taube dagegen sättigt ihre Jungen aus dem eigenen Kropfe, nachdem die Körnlein in demselben sich in einen milchartigen Brei ver wandelt haben. Wie die Liebe zu den Jun gen auch die Schwachen stark und mutig macht, das lerne an den kleinen Vögeln der neuen Welt, die selbst gegen Klapperschlangen das Nest wütend verteidigen, oft freilich den: stärkeren Feinde erliegend. Oder bleibe in der Heimat und erkundige dich bei dem Jä ger nach der Lebensweise der Rebhühner. Laß dir erzählen, wie auch hier die Henne mutig gegen kleine Raubtiere ihr Blut ver teidigt, gegen größere aber mit einer List zu Werke geht, die mit ihrer sonstigen Dummheit im Widerspruch steht. Sie stellt sich nämlich lahm, hinkt langsam davon und gibt so, wäh rend der Feind ihrer Einladung zur Verfol gung nachkommt, den Jungen Gelegenheit zu entweichen oder sich zu verbergen. Sogar den niederen Tieren kann man diese Liebe nicht absprechen. Das Krokodil der alten wie der neoen Welt bewacht nicht bloß die Eier, die im Sand und Schlamm verborgen liegen, sondern nimmt sich auch der Jungen eine Zeitlang mit großer Zärtlichkeit an. Wie mühsam schleppt nicht die Spinne den Beutel mit Eiern fort, bis sie einen sicheren Ort zum Aufbewahren gefunden zu haben glaubt, und wie sorgen nicht die Ameisen für die große Schar ihrer unbehilflichen Jungen! So hat der gütige Schöpfer und Erhalter einen Teil seiner unendlichen Liebe überall in der Natur verbreitet und eingepflanzt, hat schon im Tiere das als Knospe augedeutel, was im Menschen, der Krone der Schöpfung, zur höchsten Blüte kommt, wenn er nicht die Regungen seiner edlen Natur in sich erstickt. Mandarinenweisheit. Ein sehr hübsches Beispiel von der Weis heit eines Mandarinen erzählen chinesische Blätter. Ein blinder Musiker, die Guitarre auf dem Rücken, hatte sich mit seinem langen Stab bis an den seichten Fluß getastet, der die Kreisstadt im Halbbogen umgibt und wußte nicht, wie er das jenseitige Ufer erreichen sollte. Da kam ein wandernder Oelhändler des Wegs daher und rief ihm zu: „Komm, ich trage dich über den Fluß, halte du meinen Geldsack." Der Blinde setzte sich auf den Rücken des Mannes und hielt die schwere Tasche mit den« Kupfergeld, daß der Händler für den Berkaus seines Oelcs eingenommen hatte, Als sie das andere Ufer erreicht hatten, wollte der gut mütige Mann mit dem Dank auch sein Geld in Empfang nehmen. Da aber erklärte der Blinde, es sei sein Geld. Er erhob auch gleich ein großes Geschrei und klagte Himmel und Erde sein Leid, daß man ihn, den armen, blinde«« Mann, ber «üben wolle. Vergeblich verwahrte sich der Oelhändler dagegen. Die Menge ergriff für den Blinden Partei und prügelte den andern durch. Die Streitenden liefen zum Mandarin; da kniete«« beide nieder und jeder beteuerte, es sei sein Geld. Der Mandarin hörte sie ruhig an, tat einige Fra gen und sagte dann plötzlich: „Da wollen wir den Wassergott entscheiden lassen!" Er befahl, ein großes Gefäß mit Wasser zu bringen, ließ den Inhalt des Geldsacks hincinschütten und die Münzen ordentlich durcheinander rühren. Dan«« erhob er sich, beugte sich über das Ge fäß und schallte nachdenklich hinein. „Das Geld gehört dem Oelhändler, lmd du, blinder Musiker, erhältst hundert Bambushiebe!" sagte er kurz. Alle staunten. „Seht her," sagte er. „Auf dem Wasser schwimmt das Oel. Wenn der Mann im Oelhandel das Geld eingenom men hat, muß das Geld auch die Spuren seines Geschäftes tragen." Alis dem Wasser schwammen wirklich große Oelflecke. Das Volk pries laut die Weisheit des Mandarinen, und draußen erklang das Geschrei des blinden Mu sikers, dem der Stockmeister kräftig die Seite«« und den Rücken strich. Zum Zeitvertreib. Kuiff-Vild. Gendarm, Polizeihund und Strolch. (Erklärung in nächster Nummer.)