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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 22.08.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191408223
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19140822
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19140822
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-08
- Tag 1914-08-22
-
Monat
1914-08
-
Jahr
1914
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 22.08.1914
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Berlin. (Amtlich). Unter Führung Sr. Kgl. Hoheit des bayrischen Kronprinzen haben Truppen aller deutschen Stämme gestern in einer Schlacht zwischen Metz und den Vo gesen einen Sieg erkämpft. Der mit groher Starke in Lothringen eingedrungene Feind wurde auf der ganzen Linie mit schweren Verlusten znriickgeworfen. Viele Taufende von Gefangenen und zahlreiche Geschütze sind ihm abgenommen worden. Der Gefamterfolg lätzt sich noch nicht übersehen, da das Schlacht feld einen größeren Naum einnimmt als in den Kämpfen von 187V und der Kampf un- fere gesamte Armee in Anspruch nahm. Wir müssen siegen trotz der großen Zahl der Feinde rings um uns her. Das war auch der Kern der Ansprache, mit welcher der Kaiser sich in Potsdam von sei nem Leibregiment, dem Ersten Garderegiment zu Fuß, verabschiedete, bevor dieses ins Feld rückte. Der Monarch betonte, daß es jetzt gelte, Segen für die Waffen zu erbitten und den geleisteten Fahneneid bis zum letzten Blutstropfen zu be weisen. DaS ganze deutsche Volk, bis auf den letzten Mann, fo fuhr der Monarch fort, hat daS Schwert ergriffen. Und so ziehe ich denn das Schwert, das ich mit GotteS Hilfe Jahrzehnte in der Scheide gelaffen habe. (Bei diesen Wor ten zog der Kaiser das Schwert aus der Scheide und hielt es hoch über seinem Haupte.) DaS Schwert ist gezogen, daS ich, ahne siegreich zu sei«, ohne Ehre nicht wieder eiustecken lann. Ihr bürgt mir dafür, daß eS erst mit Ehren wieder eingesteckt wird, und daß ich meinen Feinden den Frieden diktieren kann. Die erste Verlustliste der Flotte. Jetzt wird die erste Verlustliste der Kaiser lichen Marine veröffentlicht. Es handelt sich um die am 12. August 1914 von einer Unter nehmung des Unterseebootes „II. 15" nicht zurückgekehrten Personen. Ls werden seither 21 vermißt, darunter Kapitänleutnant Pohle, Leut nant z. S. Zerrath und Marineoberingenieur Gründler. Die erste französische Fahne, ore tm Gefecyr oet Lunevtue in deutsche Hände fiel, ist nach der „Rhein.-Westf. Ztg." von einem Westfalen genommen worden. Der Infanterist Fischer aus Rimbeck bei Paderborn entriß sie iin verzweifelten Nahekampf dem französischen Fahnenträger. Die Sperrung eines belgischen Tunnels zwischen Nasgroue und VervierS hätte den deut schen Truppen beinahe verhängnisvoll werden können. Auf der Eisenbahnstrecke von Aachen nach Lüttich sollten unsere Truppen befördert werden, um den Fall dieser Festung herbeizu führen. Von dieser Absicht mußten die Belgier erfahren haben, denn sie ließen, um die Geleise zu sperren und nachdem sie verschiedene vergeb- liche Versuche der Sprengung mit Dynamit ge macht hatten, 17 Lokomotiven mit Volldampf in dem Innern des Tunnels aufeinanderfahren, so daß die krachenden, zersplitternden Eisenteile jede Passage unmöglich machten. Als bald darauf die Deutschen anlangten, fanden sie daS Zerstö- rungswerk bereits getan, sogleich aber wurden telegraphisch aus Aachen mit Extrazug 36 Ar beiter der Eisenbahnhauptwerkstätte mit Gerät schaften geholt und bereits nach anderthalb Ta- gen war ein Gleis wieder zur Durchfahrt frei. Neue Schienen wurden eingebaut und bald darauf fuhren zwei Transporte mit Truppen und deutschen Kanonen auf Lüttich zu, dem Siege entgegen. Aufgehobene Ausfuhrverbote. Der Oberbefehlshaber in den Marken erläßt folgende Bekanntmachung: Nachdem die Mobilmachung durchgeführt und die durch sie bedingte Störung deS Eisenbahn verkehrs im wesentlichen beendet ist, bestimme ich hiermit: Das von mir am 1. August erlassene Verbot der Ausfuhr von Mehl, Getreide, Schlacht- vieh und frischem Fleisch aus dem Gebiet des Zweckverbandes Groß-Berlin tritt sür alle ge nannten Gegenstände mit Ausnahme von Roggen, Roggenmehl, Weizen und Weizenmehl, also ins- besondere für^Haser, Gerste, Vieh und Fleisch sofort außer Kraft. Für Roggen und Roggen mehl tritt das Ausfuhrverbot mit Ablauf Sonn tag, den 23. August, außer Kraft. Für Weizen und Weizenmehl tritt das Ausfuhrverbot mit Ablauf des 28. August außer Kraft. Unter Berück sichtigung der veränderten Verhältnisse setze ich ferner von heute ab die von mir am 2. August 1914 für daS Gebiet des Zweckverbandes Groß- Berlin bestimmten Höchstpreise sür den Verkauf von Mehl und Salz in gewerblichen Verkaufsstellen folgendermaßen herab: Für ein Pfund Roggen mehl von 27 auf 20 Pfg., für ein Pfund Weizen mehl von 30 auf 24 Pfg. und chr ein Pfund Salz von 20 auf 16 Pfg. Eine großzügige Hilfsaktion für die Geschäftswelt wird zunächst in Berlin und nach dem Beispiel der Reichshaupistadt vielleicht auch in vielen anderen deutschen Orten ins Leben gerufen wer den. Es wird laut „Tägl. Rundsch." eine Hilfs bank mit 100 Millionen Mark Kapital gegründet, die dortigen Firmen durch Bürgschaft oder Pfänder gedeckten Wechselsedit gewähren wird. Die Wechsel sollen alsdann von der Hilfsbank an die Reichsbank weiter gegeben werden. Das Grundkapital soll durch Zeichnung bezw. Gewähr- leistung von Kaufleuten, Industriellen, Banken, der Berliner und Potsdamer Handelskammer und der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin aufgebracht werden. Unsere braven Postbeamten haben bei der Besetzung Eydtkuhnens durch die Russen bis zuletzt auSgehalten. Die ganze Stadt, alle Häuser und der Bahnbof waren wie aus- gestorben, nur auf dem Postamte war ein tapferes Häuflein von 24 Postbeamten zurückgeblieben, um die letzten Nachrichten mit Telegraph und Telephon nach Stallupönen zu schicken. Mitten in der Arbeit, kurz nach Mitternacht, kamen die . Russen in die Stadt. In allen Straßen wurde ; geschossen, obwohl sich außer im Postamt keine lebende Seele in der Stadt mehr aufhielt. Am Vormittag kamen abermals Kosaken und nun schienen sie bemerkt zu haben, daß im Postamt Deutsche waren. Ein russischer Rittmeister mit § mehreren Soldaten erschien in der Tür und sagte barsch: Von dem Postamt ist heute geschossen worden! Während er unten mit dem Postdirektor verhandelte, telephonierten oben die braven Post beamten die Kunde von diesen Vorgängen nach Stallupönen den dortigen Zivil- und Militär behörden. Schließlich gestattete ihnen der Ritt meister, das Postamt zu verlassen, sie mußten aber zu ihrer eigenen Sicherheit die Uniformröcke und die Mützen ablegen, um nicht für Soldaten gehalten zu werden. In dieser Verfassung zog das kleine Häufchen in die Wohnung des Post- direktorS, wo sie eine Gelegenheit abwarteten, um im Laufschritt daS nahe Stallupönen zu erreichen. Wir können stolz sein auf solche pflichttreue Beamte! Unterbringung elsässischer Familien in der Provinz Sachse«. Die Regierung kündigt an, daß zehntausend Elsässer, Männer, Frauen und Kinder, welche in Straßburg und Umgebung aus militärischen Rücksichten aus quartiert werden, in den nächsten Tagen in der Provinz Sachsen untergebracht werden sollen. Die Regierung bittet, sie gast freundlich aufzunehmen, da es sich um treue deutsche Untertanen handelt. Reichstagsabgeor-net-r Dr. Frank als Kriegsfreiwilliger. Der sozialdemokratische Parteiführer Dr.Frank- Mannheim hat sich, wie schon kurz berichtet, als Kriegsfreiwilliger gemeldet, ist angenommen worden und wird am Feldzug teilnehmen, und zwar hat sich Dr. Frank ausdrücklich zum Frei- Willigendienst auf Beförderung gemeldet, also auch den Wunsch zu erkennen gegeben, sich wo möglich die Offiziersepauletten vor dem Feinde zu verdienen. Das perfide Albion. Die „Wiener Allgemeine Zeitung" schreibt unter dem Titel „Englands Heuchelei": „Grey hat als Grund der Kriegserklärung Englands gegenüber Deutschland die Verletzung der Neutralität Belgiens durch Deutschland an gegeben. Nach Mitteilungen unseres Gewährs mannes hat im Jahre 1905 Lord Landsdowne, der damalige Minister des Aeußern, mit Delcassö den Entwurf eines Bündnis-Vertrages und einer Militär-Konvention festgestellt. In diesem Doku ment war die Verpflichtung Englands angegeben, im Kriegsfälle gegen Deutschland 200000 Mann in Belgien landen zu lassen und vereint mit einer französischen Armee, die ebenfalls nach Belgien einzurücken hätte, Deutschland von der belgischen Grenze aus anzugreifen. Es ist eine historische Tatsache, für deren Richtigkeit wir uns absolut verbürgen, daß vor neun Jahren die englische Regierung bereit war, den Vertrag abzuschlteßen, der Verpflichtungen im Falle der belgischen Neu tralitätsverletzung enthielt." Die Geschichte von geplanten Verträgen vom Jahre 1905 ist jedenfalls ein deutlicher Beweis dafür, wie „aufrichtig" die englische Politik die ganze Zett hindurch gewesen ist. Ein Bürgermeister als Franktireur - Der Bürgermeister von Jgney-Aoricourt wurde nebst einigen anderen Personen ins Saarburger Gefängnis eingeliefert, da alle drei unter dem Verdacht stehen, auf deutsches Militär geschossen zu haben. Japanisch-englische Abmachungen Der „Nieuwe Rotterdamer Kurant" veröffent licht als amtliche englische Mitteilung folgendes: Die englische und die japanische Regierung sind über die notwendigen Maßnahmen zum Schutze ihrer Interessen im fernen Osten, sowie auch betreffs d<r Integrität der chinesischen Reiches Uberein- gckommen. Japans Tätigkeit soll sich nicht über das Chinesische Meer hinaus erstrecken, außer wenn der Schutz der japanischen Schiffahrt dies erfordert. Uebergaug der Oesterreicher über die Save. Stach einer Meldung der „Reichspost" aus Semlin überschritten dsc österce.chischen Truppen gestern nachmittag bei Brogar, 23 Kilometer westlich von Semlin, die Save und nahmen dann die serbische Stadt Obrenowatsch. Gestern nacht wurde eine serbische Komitatsctibande, die auf daS ungarische Ufer bei der Insel Gigagtia zu gelangen suchte, zurückgetrieben, die Bande erlitt schwere Verluste. Verzweiflung in Serbien. „Agence de Constantinople" meldet: Die Stimmung in Serbien wird verzweifln Die Einwohner der serbischen Grenzdörfer flüchten in wilder Panik auf bulamischen Boden. Die bulgarische Regierung verfügte die Sperre der Grenze. Im östlichen Mazedonien ist eine gleiche Panik auSgebrochen. Unfälle in dev russischen Marine. Schwedische Zeitungen erfahren aus Finnland, daß zwei russische Torpedojäger zusammcngestoßen sind und mit schweren Beschädigungen von einem Dampfer in flaches Wasser gezogen wurden. Ein anderer Torpedojäger ist schon früher gestrandet, ein vierter geriet auf russische Minen und wurde in die Lust gesprengt. Der Befehlshaber des Sveaborger Kriegshafens beging Selbstmord, vermutlich wegen dieser Unfälle. „Kriegsbegeisterung" iu Rußland. Die Mobilisation im russischen Gouvernement Grodno ist so gut wie gescheitert. Fast 80 Pro zent der Reservisten weigerten sich, der Einbe rufung Folge zu leisten. Die Bevölkerung lehnt es ab, die Truppen zu verpflegen. Die SchMMW in VrW hat auch eine Familie aus unserer engeren Hei mat mitmachen müssen und zwar der Schwieger sohn der in Hohenstein-Ernstthal, Oststraße, wohnenden Frau Bäumler. All diese Verbrecher- taten des Brüsseler Pöbels, die schon genügend durch Zeitungsberichte bekannt geworden sind und den größten Abscheu bei unserer Bevölkerung erregt haben, erfahren durch die Erlebnisse dieser Familie nur eine weitere Illustrierung. Man muß all diese Einzelheiten der abscheulichen Taten des Brüsseler Pöbels an seinen Augen vorüberziehen lassen, um richtig zu erkennen, von welchem Haß gegen alles Deutsche diese Bestien, denn anders kann man sie nicht nennen, erfüllt sind. Herr Putze, aus Apolda gebürtig, war mit seiner aus Hohenstein-Er. stammenden Frau bereits seit 15 Jahren in Brüssel ansässig. Er war Mitin haber einer Textilfabrik, die jetzt bei der Flucht so wie sie lag und stand, im Stiche gelassen werden mußte. Lediglich die Geschäftsbücher konnte Herr Putze noch im Keller verbergen. Doch greifen wir nicht vor — lassen wir Herrn Putze selbst erzählen: Am Montag, den 3. August, am zweiten deutschen Mobilmachungstag, verbreiteten die Brüsseler Zei tungen Extrablätter: „Die Belgier deutsche Trup pen zurückgeschlagen, letztere 8000 Tote und 4000 Gefangene verloren." Am Abend desselben Tages begann die Deutschenhetze mit der Zer störung des Warenhauses Tietz. Fenster wurden eingeworfen, große Ziegel- und Pflastersteine flogen in die Innenräume, die großen Schau fenster gingen in Trümmer und die Einrichtungen sowie die Waren fielen der Zerstörungswut des Pöbels zum Opfer. Neben dem Warenhaus blieben auch die anderen deutschen Geschäfte nicht verschont, Bierlokale, Hotels, kurz alles, was deutsch war, wurde demoliert. Die Häuser sahen aus, als wenn sie beschossen worden wären. Die besseren Bevölkerungskreise der Stadt mochten sich an diesen „Heldentaten" wohl weniger be teiligt haben, wenn es auch merkwürdig erschien, daß die Zerstörungswlltigen selbst die Privat häuser der Deutschen fanden, die doch äußerlich nicht auf deutsche Bewohner schließen ließen. Die Nacht verlief verhältnismäßig ruhig. Am Dienstag, 4. August, ging ich zu einem deutschen Fleischer, um noch einige Besorgungen zu machen. Der Laden war jedoch geschlossen und von dem Wirt einer in der Nähe befindlichen deutschen Wirtschaft erfuhr ich dann, daß der Fleischer tags zuvor von dem Pöbel mit seinen eigenen Schlacht messern erstochen worden war. Einige halbwüchsige Burschen hatten den Fleischer, einen echten Deutschen, aufgefordert, auf seinem Hause die belgische Flagge zu hissen. Unser Landsmann lehnte das natürlich ab und beförderte die Burschen aus die Straße. Damit war jedoch das Signal zum Angriff gegeben. Schnell rottete sich eine gewaltige Menschenmenge zusammen, der Laden wurde gestürmt und der Fleischer mit seinen eigenen Schlachtmessern erstochen. Die Leiche soll nach der Aussage des Wirtes furchtbar zu gerichtet gewesen sein. Ich eilte auf diese grauen hafte Nachricht nach Hause und ließ von meiner Familie — 6 Kinder — niemand auf die Straße. Tags darauf, am Mittwoch, 5. August, kamen die Arbeiter meiner Fabrik zu mir und erklärten, nicht mehr arbeiten zu können, da ihnen sonst die Fenster eingeworfen würden (weil ich ein Deutscher war). Die Mittwoch-Nacht verlief auch ruhig. Am Donnerstag früh wollte ich zum deutschen Konsulat, um mir Anweisungen für unser Verhalten zu holen. Auf der Straßenbahn, die ich benutzen wollte, verlangte ich einen Fahr schein; an meiner Aussprache erkannte man mich als Deutschen, aus meiner Nähe kamen Schimpf worte, Flüche, es entstand ein Tumult im Wagen und nur durch schleuniges Abspringen von dem Wagen konnte ich mich vor den Angriffen der Wageninsassen retten. Auf dem Konsulat herrschte ein bewegtes Leben. Eine große Anzahl unserer Landsleute hatte dort schon Zuflucht gesucht. Das Gebäude war vom Keller bis zum Boden mit Kisten und Paketen vollgefüllt, alles nur wenige Sachen für den Einzelnen, die er bei der Hals über Kopf gehenden Flucht mitnehmen konnte. Ein Konsulatsbeamter, den ich persön lich gut kannte, riet mir, mich mit meiner Familie ebenfalls sofort nach dem Konsulat zu begeben, draußen wären wir unseres Lebens nicht mehr sicher. Ich eilte nach Hause, brachte meine Ge schäftsbücher in den Keller, schloß Türen und Fenster, und packte die nötigsten Sachen zusam men. Nach etwa einer Stunde bemerkte ich ca. 30 bis 40 Schritt von meinem Hause 5 bis 6 Personen. Kurz darauf klingelte es; da ich einen höheren Bahnbeamten sah, zu dem ich Vertrauen faßte, öffnete ich die Tür. „Sind Sie Deutscher?" — „Allerdings". — „Bringen Sie sich in Sicher heit, in fünf Minuten geht es los!" Ich hatte kaum meine Tür wieder geschlossen, als faust große Steine durch meine Fenster geflogen kamen. Es> hagelte förmlich, keine- Scheibe blieb ganz. Ein mit allerlei Glasgegenständen gefüllter großer Schrank, der in der Nähe eines Fensters stand und von der Straße aus gesehen werden konnte, wurde kurz und klein geschlagen, die Glassachen gingen alle in Scherben. Meine Familie und zwei deutsche Arbeiter, die in meinen Diensten standen, flüchteten sich in das hinter dem Wohn haus gelegene Fabrikgebäude. Kurz darauf fielen auch zwei Revolverschüsse, ein Fenster im Hausflur war durchschlagen. Anderthalb Stunden später, nach Minuten bangen Wartens, schellte die Glocke wieder — ein Offizier der Bürgerwehr will uns nach der Polizeiwache bringen. Gegen 5000 Menschen — schlecht gerechnet — umlagerten unser Haus. An ein Durchkommen war nicht zu denken. Die Bllrgerwehr mußte uns ans Befehl des Kommandeurs in die Mitte nehmen. So zogen wir — 10 Personen (wir mußten auch unsern 7jährigen kranken Sohn aus dem Bette holen und nntnehmen — nach einem Vorort bahnhof. Die Bllrgerwehr hatte das Seitenge wehr gezogen und alle Mllhe, uns gegen die Angriffe des Pöbels zu schützen. Ihr war der strenge Befehl erteilt worden, jeden niederzuschießen, der sich an uns vergriff. So kamen wir endlich nach dem Bahnhof. Auf dem Bahnsteig kniipften einige bessere Herren mit uns ein Gespräch an, doch unsere Sprache wurde uns wieder zum Ver räter. Im selben Moment wollten einige in der Nähe stehende junge Burschen über uns herfallen, wurden jedoch durch die erstgenannten Herren mit Gewalt daran gehindert. Als der Zug, der uns von dieser gefährlichen Stätte fort und über Antwerpen in die deutsche Heimat bringen sollte, endlich einlief, mußte uns die Bllrgerwehr wieder mit dem Gewehrkolben euren Weg durch den Pöbel in den Wagen bahnen. So erreichten wir glücklich Antwerpen. Dort sahen wir auch, wie aus einem Wagen 4. Klasse vier junge militär pflichtige Deutsche verhaftet wurden. In Ant werpen hatten wir glücklicherweise Anschluß nach Holland — es war der letzte Zug; sonst hätten wir 4 Stunden Weg nach der Grenze zu Fuß zurücklegen müssen. In Holland wurde uns — erleichtert atmeten wir auf — eine freundliche Auf nahme zuteil. Nach glatter Fahrt erreichten wir end lich deutschen Boden. Auf der ersten Station wurde uns, wie auch vielen anderen Flüchtlingen, Speise und Trank gewährt, wie überhaupt in jeder Weise unterstützt. In Köln trafen wir mit einem Be kannten zusammen, der ebenfalls geflüchtet war. Der Mann war von dem Pöbel derart gehetzt worden, daß er in voller Kleidung einen tiefen Bach durchschwimmen mußte, um das deutsche Konsulat erreichen zu können. Dort wurde er mit andern Kleidern versorgt, worauf er seine Flucht fortsetzen konnte. — Wie uns Herr Putze weiter mitteilte, scheint die ganze Jagd gegen die Deutschen doch von anderer Hand angestiftct worden zu sein. Sollen doch Rowdies für jeden Tag, den sie zu Zerstörungen von deutschem Eigentum und zu Mißhandlungen gegen die Deutschen verwendeten, von einer gewissen Seite zwei Franks erhalten haben. Eine belgische Sport zeitung brachte in den ersten Tagen auf ihrer Titelseite in großer Schrift: „Krieg den Deutschen in Brüssel!" Nun, unsere tapferen Soldaten sind heute in Brüssel, derselben Stadt, wo unsere Landsleute solche Kämpfe durchmachen mußten, eingezogen. Die Rechnung, die Belgien und mit ihm das Volk für die Greueltaten zu bezahlen hat, dürfte nicht zu klein ausfallcn. OertUche» L»chstsch«S. —A. Wohlgemeinte Worte für unsere Schul jugend. Wie in dieser e nsten Zeit den in einer Gemeinde zurückbleibenden Erwachsenen allerhand Pflichten erwachsen, so gibt cs auch solche für unsere Schuljugend. Zunächst gilt es jetzt mehr als früher, fleißig und aufmerksam iin Unterrichte zu sein, damit die Mutter immer recht Erfreuliche an den im Felde stehenden Vater schreiben kann, die Kinder auch selbst im Feldpostbriefe zu Michaelis nur von guten Zensuren berichten können. Wo eine Schule sich in den Kriegs-
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