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Tageblati für Hohenstein-Ernstthal, Oberlunnn>ttz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Wüstendrand, Mittelbach, Ucfprun«, Kirchberg, Erlbach, Rüsdorf, Lugau, Langenberg, Falken, Langcnchursdorf, Meinsdorf rc. Der.Hahtnstein-Lrnstthaler Anzeiger" erscheint mit Ausnainne der Sonn« und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Haus Mk. 1.50, bei Abholung in den Geschäft» stellen Mk. 1.25, durch die Post bezogen (nutzer Bestellgeld) Mk. !.50. Einzelne Nummern 10 Pfg. Bestellungen n°hmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanstalten und die Landbriesträger entgegen. A. eilage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das „Illustrierte Sonntagsblatt-. — Anzeigengebllhr für die «gespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12Psg., sür auswärts 15 Pfg.; im Reklameteil die Zeile SOPsg. Di» -gespaltene Zeile im amtlichen Teil . 0 Pfg. 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Die Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden bleiben in ihren Stellungen, haben aber meinen Anordnungen und Aufträgen Folge zn leisten. Chemnitz, nm 3t. Jnli 1M4. Götz o. Olenhusen, Generalleutnant. Der europäische Krieg im Anmarsch. MWands „Zustand drohender Kriegsgefahr". Entweder ein böses Verhängnis oder eine schwere Verschuldung. Der Zar steht unter dem Vorwnrf, die gefährliche Wendung ver schuldet zu haben. Zum mindesten hat er, ge linde betont, einem verhängnisvollen Zusam mentreffen nicht rechtzeitig vorgebeugt. Nach allem aber darf wohl angenommen werden, das; Ruhland den Krieg wünscht! Run gut, geben wir ihm, was ihm gebührt! Die Art, Ivie der „Verl. Lok.-Anz." den in Frage kom menden Vorgang berichtet, läßt eine mildernde Annahme allerdings kaum noch zu. Hiernach Hal der Zar Kaiser Wilhelm um eine Ver mittlung durch eine Depesche ersucht und der Kaiser Hal zustimmend geantwortet. Es soll sich, Ivie wir schon gestern mitteilten, dabei um einen Vorschlag gehandelt haben, der dem ersten, von Sir Edward Grey in Aussicht ge nommenen Schritte, also dem Plane zu einer Botschasterkonferenz, nähergekommen sei. Wie erinnerlich, hatte Grey seine Absichten im Uu- Icrhause am letzten Montag offen mitgeteilt und selbstverständlich den Mächten unterbreitet. Die deutsche Regierung lehnte jedoch ab mit der Begründung, daß sie das Verfahren einer Botschafterkonferenz zurzeit nicht für zweck- mäßig halte und ein Verhandeln von Haupt stadt zu Hauptstadt vorziehe. Nun muf; ge stern schier Unbegreifliches geschehen sein. Während der Kaiser mit dem Reichskanzler den etwa vorzuschlagenden Weg beriet, wurde die allgemeine Mobilmachung Ruhlands ge meldet. Der Kaiser muhte das nicht nur als eine Aufsage des Vertrauens zu seinem Vor haben, sondern als einen Gegenschlag, als eine persönlich verletzende Zurücknahme des Ersuchens um eine Vermittlung empfinden. Wenn man nicht das Allcrschlimmste, eine ge wollte Herausforderung annchmcn will, so steht man vor einem jener rätselhaften Zwi schenfälle, Ivie sie in der Vorgeschichte von Kriegen häufig waren. Das genannte Ber liner Blatt, zn dem, wie bekannt, die Regie rung Beziehungen unterhält, nimmt bcmcr- kenswertcrwcise keinerlei Bezug auf die Mög lichkeit einer Aufklärung, sondern spricht rück haltlos von einer Herausforderung schärfster Art. Und zum Schluß hciht cs: „Dieses Vertrauen unseres Kaisers i st von Ruhland schmählich ge täuscht worden nnd die ga n z e Wucht der Verantwortung die ses jeder Loyalität ins Gesicht schlagenden Verhaltens R u h - lands fällt auf diese Seite ; u - r ü ck." Das ist nicht mehr die Sprache die irgendwelche Hoffnung nähren könnte. Das ij! eine furchtbare Anklage vor aller Welt. Auf diese von Ruhland verschuldete uner hörte Wendung ist sofort die Antwort ersolgt: die Anordnung ocs Kaisers zn den Mahnah men des drohenden Kriegszustandes. Es ist dies nichts anderes als die Einleitung zur Mobilmachung, die, nachdem die allgemeine russische Mobilmachung anbefohlen wurde, ganz selbstverständlich geworden war. Die allge meine Mobilmachung Oesterreichs folgte ans dem Fuße, und die Frankreichs wird kaum aus sich warten lassen. In allen europäischen Hauptstädten haben unter dem Vorsitz der Staatsoberhäupter sorg same Erwägungen über die Lage und über bie für die Zukunft zu treffenden Maßnah men stattgefunden, die zum Teil schon erkenn bare militärische Schritte gezeitigt haben, aber doch immer noch erkennen lassen, wie schwer die letzte Entscheidung zu finden ist. Wenn, Ivas Gott verhüten möge, ein europäischer Krieg kommeu sollte, so wäre es nicht der erste. Vor hundert Jahren setzte der Vernich- umgskrieg gegen Napoleon den Erdteil in Flammen; der siebenjährige Krieg (175-6 bis 1766), der spanische Erbsolgekricg zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, der dreißigjäh rige Krieg (1618—1648) und andere waren Weltkriege, aber nie ist mit solcher Verant wortlichkeit und mit solchen Streitkräften wie beute für alle Interessenten zu rechnen gewe sen. Auch für die gewinnenden Teile wird der Sieg teuer. Verwüstungen wie im drei ßigjährigen Kriege 'ind heute nicht möglich, aber, denken wir an Bismarcks Wort im Reichstage 1887: „Wer den Krieg vom Zaune bricht, dem kostet es das Mark in den Knochen." Kaiser Wilhelm hat in dem innigen Wun sche, Deutschland den Frieden zu erhalten, und im Vertrauen auf die Unüberwindlichkeit der deutschen Streitmacht den russischen Drohun gen gegenüber eine bis an die Grenze des Möglichen gehende Langmut bewiesen. Auch mit' der Verhängung des Kriegszustandes hat der Monarch noch nicht die letzte Brücke zwi schen dem Deutschen Reiche und Rußland ab gebrochen, sondern die Regierung des Zaren noch einmal in zwölfter Stunde in nachdrück lichster Weise auf die ungeheure Verantwor tung hingcwicsen, die sie mit der Entfesselung eines europäischen Krieges aus sich nimmt. Nach der Verhängung des Kriegszustandes kann in Rußland auch der Verblendetste nicht mehr im Zweifel über den furchtbaren Ernst der deutschen Entschließung sein. Die Anord nnng des deutschen Kaisers ist auch der Aus druck der Hoffnung, daß sich unter Aufbie tung ^er äußersten Mittel am Ende doch noch das schlimmste abwcnden läßt. Deutschland tat das Menschenmögliche zur Verhütung eines Weltkrieges. Wird dieser dem alten Europa dennoch anfgczwungen, so trägt Rußland da- fnr die Verantwortung vor Gott nnd Men schen. Das Vertrauen des deutschen Kaisers ist von russischer Seite bisher in schmählichster Weise betrogen worden, und die ganze Wucht der Verantwortung für dieses, jeder Loyalität ins Gesicht schlagende Verhalten der russischen Tie russische Friedensliebe. Krone fällt auf diese selbst zurück. Kaiser Wil helm hat bisher gezeigt, daß er ein Friedens fürst ist. Nun soll Rußland auch erfahren, daß dieser Abkomme Friedrichs des Großen ein Kriegsfürst sein kann, wenn es sein muß: Wir sind bereit! Daß die deutsche Reichsregierung keine Mittel unversucht läßt, den Frieden zu erhal ten, geht aus folgendem, uns heute früh aus Berlin zugegangenen Telegramm hervor: Die deutsche Regierung kündigte der Petersburger Regierung die Mobilma chung an, falls Rußland nicht binnen 12 Stunden die Kriegsvorbereitungen einstellt und hierüber bestimmte Er klärungen abgibt. Gleichzeitig ist an die französische Regierung eine Anfrage über ihre Haltung im Falle eines deutsch-russischeu Krieges gerichtet wor den. Ser KriegrzOmd. Am Freitag in der zweiten Nachmittags- slunde traf aus Petersburg die Nachricht des deutschen Botschafters, Grafen v. Pourtales, ein, daß die allgemeine Mobilmachung der russischen Armee und Flotte befohlen worden ist. Darauf hat Kaiser Wilhelm, wie schon in der gestrigen Zeitung bekauntgegeben, den Zu stand der drohenden Kriegsge fahr befohlen, der noch nicht die Mobilisierung s e l b st, wohl aber deren unmittelbarer Vorläufer i st. Diese schicksalsschweren Anordnungen wurden als Antwort auf die Bedrohung Deutschlands durch die Maßnahmen des Za ren getroffen und in einem Kriegsrat be schlossen, der im Palais des Reichskanzlers getagt und seine Sitzung kurz nach 1 Uhr be endigt hatte. 8 68 der Rcich-Verfassang, auf Grund dessen der Kaiser die getroffenen Maßnahmen anordnete, lautet: Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiet bedroht ist, einen jeden Teil des selben in Kriegszustand erklären. Die Wirluugen dcS KriegSzustaudeS. Außer Maßnahmen zum Schutze der Gren zen und Eisenbahnen, den Verkehrsbeschrän kungen der Post, des Telegraphen, der Eisen bahn usw. zugunsten des militärischen Bedarfs ist mit der Erklärung des Kriegszustandes für das gesamte Reichsgebiet auch das Verbot der Veröffentlichung von Truppenbewegungen und Bereitstin ist Ms! über Verteidigungsmittel verbunden. Der Kriegszustand ist gleichbedeutend mit dem Be lagerungszustand in Preußen. Die vollziehende Gewalt geht an die Militärbefehlshaber über, deren Anordnungen die Zivil- und Kommu nalbehörden Folge zu leisten haben. Gleichzei tig können auch das freie Vereins- und Ver- sammlungsrecht, das Recht, daß niemand sei nem ordentlichen Richter entzogen werden darf, die Freiheit der Presse, die Rechte, die sich auf die Unverletzlichkeit der Wohnung nnd die persönliche Freiheit beziehen, für die Dauer des Ausnahmezustandes suspendiert werden. Es hängt lediglich von dem Ermessen des kommandierenden MilitärbefehlshaberS ab, welche Beschränkungen er an die Stelle der sonst geltenden Bestimmungen treten lassen will. Hält es das Staatsministerium für not wendig, die ordentlichen Gerichte zu suspen- dieren, so treten an deren Stelle die Kriegs gerichte. Diese werden aus Offizieren und Zivilrichtern zusammengesetzt: in eingeschloisc neu Festungen können im Notfall an Swlle der Zivilrichter Kommunalbeamte genommen werden. Das Verfahren ist sehr summarisch, das sogenannte standrechtliche. Gegen den Ur teilsspruch ist kein Rechtsmittel zulässig: nur die auf Todesstrafe lautenden Erkenntni'sc uu terliegen in Friedenszeiten der Bestätigung des Kommandierenden Generals der Provinz. Alle Strafen werden binnen 24 Stunden nach Ver kündigung des Urteils vollzogen. Ser Kaiser in Berlin. Wer am Freitag den Einzug des Kaisers in Berlin miterlebt hatte, war um eine große patriotische Erhebung reicher. Als die Extra blätter der Berliner Bevölkerung den Kriegs zustand bekannt gegeben hatten, ging ein dump fes Brausen durch die Straßen: „Nach den Linden! Zum Schloß!" Im Nu hatte sich die breite Straße mit Hunderttausenden ge füllt, nur die rechte Fahrgasse, vom Branden burger Tor aus, bleibt frei. Berittene Schutz leute tauchten auf, den Sturm der Massen in Bahnen und Regeln zu halten, aber die Menge hielt von selber musterhafte Ordnung. Es herrschte Schweigen, nur mit gedämpfter Stim me unterhielt man sich, jeder war sich des großen Ernstes der Stunde bewußt. Plötzlich geht eine Bewegung durch die Masse: Der Kaiser kommt! Nicht zu schnell fährt das Auto. Tiefernst sieht der Herrscher aus, au- dauernd hat er die Hand am Helm, manch mal beugt er sich leicht vor. Neben ihm sitzt in dunkelrotem Kleid die Kaiserin. Sie ver neigt sich unausgesetzt nach allen Seiten. Ein brausendes Hoch, aus tiefstem Herzen kommend, empfing den Kaiser und seine Gc- mahlin, und alles, was die deutschen Herzen an dem Gefühl unwandelbarer Treue und furchtloser Liebe durch alle Gefahr aufbringen