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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 21.05.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191405216
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19140521
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19140521
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-21
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 21.05.1914
- Autor
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größere Wanderung in Gotte« schöner, weiter Natur und zwar außerhalb der schwarz-weiß- roten Gemarkung auSguführen und zum andern außersächsische Turner in ihrer Turnweise, ihren Bräuchen und Sitten zu studieren und dann noch, den Kampf der Deutschen in Oesterreich um die Erhaltung des Deutschtums kennen zu lernen. Nicht groß war leider die Zahl der Turner, die die Zweckmäßigkeit der Turnfahrt erkannt hatten, obwohl seit Monaten darum geworben worden war. Immerhin fanden sich am Sonnabend mittag auf dem Bahnhof 26 Turner und ein Gast ein, um die Turnfahrt unter Führung des Unterzeichneten anzutreten. Nachdem die Fahr karten bis nach OelSnitz i V. gelöst, bestieg man den von der Bahnverwaltung bereitwilligst ge stellten neuen Sonderwagen 4. Klasse des 12,57 Uhr abführenden Personenzugcs nach Zwickau. Mit frohem Sang schied man von den Zurück bleibenden. In Zwickau mußte umgestiegen werden und obwohl nur Minuten zur Verfügung standen, wurden doch mehrere Turnfahrer von Zwickauer jungen Damen mit dem Zeichen des Rotcn-Kreuz-TageS geschmückt. In Oelsnitz war erste größere Pause und um 6 Uhr langte man in Voitersreuth (dem ersten böhmischen Dorfe) an, wo der Zug verlassen wurde. Die öster reichischen Zollbeamten ließen unsere Turner mit den Worten: „Die Han nix Verzollbares" freund lichst durch die Kontrollstation und dann begann der Marsch nach Eger. Eine fast schnurgerade 6 Kilometer lange Straße führte erst nach Ober- lshma, dann durch den herrlichen Kurort Fran zensbad und um '/,9 Uhr marschierten die Tur ner in der alten Reichsstadt Eger ein, wo sie in der Nähe des Marktes von der Vorturnerschaft und dem Turnwart des Turnvereins Eger, der nicht der deutschen Turnerschaft, sondern dem deutschen Turnerbund angehört, liebenswürdig empfangen wurden. In großen Plakaten stand an den Reklametafeln der Stadt: „Turnverein Eger: Empfangsabend im Etablissement Franken thal."^ Uns Turnfahrern wars ganz weich zu Mute, als wir den herrlich geschmückten Saal betraten, wo eine festlich geschmückte Schar, voran ein schöner Damenflor, unserer wartete. An der weißgedeckten Ehrentafel war unser Platz. Um 9 Uhr eröffnete ein schneidiger Marsch von der eigens dazu engagierten Künstlerkapellc den Kommers. Nach Verklingen desselben hieß Herr Weingeschäftsinhaber Max Künzel, der 1. Sprech- wart des Vereins, die Hohenstein-Ernstthaler sehr herzlich willkommen. Ganz besonders be tonte er, daß wir als Reichsdeutsche zu ihnen gekommen wären und er sich wie auch die an deren Anwesendrn doppelt freuten, uns in ihrer Mitte weilen zu sehen. Ein stürmisch ausge brachtes „Heil!" auf uns Gäste bestätigte Vie Aufrichtigkeit der Worte des Redners. Nach kurzer Pause dankte Herr Br. Hofmann vom Turnerbund für den gebotenen Gruß und brachte in kernigen Worten seinen wie der Turnfahrer wärmsten Dank für die einzigartige Aufnahme zum Ausdruck. Mitglieder der Sängerriege des Turnerbundes unterstützten den Dank durch das Sillgen eines Turnerspruches. Ein Musikstück folgte und ergriff hiernach der Gaudietwart des Egergaves Vas Wort zu einer feierlichen An sprache an die Turnfahrer, die wegen ihres all gemein interessierenden Inhalts nicht nur diese, sondern die ganze Eorona fesselte und stürmischen Beifall auslöste. Dann schloß sich der allgemeine Gesang des Liedes „Ein Ruf ist erklungen" an. Darnach traten 6 Turnerinnen des Egerer Vereins zm einem Turnen am Barren auf die Bühne. Hebungen wurden gezeigt, über die mancher staunte: Stützkippen, Schulterstehen, Rolle mit Abgrätschen, Hocke, Grätsche usw. Die Festversammlung kargte nicht mit Beifall. Hierauf trat unsere Sängerriege auf (der Diri gent war leider verhindert, mitzufahren) und sie sang so wacker und schön, daß sie sich zu einer Zugabe verstehen mußte. Mit stürmischen Heil rufen begrüßt, nahm darauf Herr Zeidler-Eger, Schriftleiter der „Egerer Neuesten Nachrichten", das Wort zu einer Rede, die durchglüht war von hoher Begeisterung für Volk und Vaterland und Mißachtung alles Nichtdeutschen. Die Heil rufe am Schluffe wollten schier kein Ende neh men. Der „Weinwalzer" leitete dann über zur ech'ten Geselligkeit. Nachdem turnten, in schönes Weiß gekleidet, 6 Vorturner des Turnerbundes eine Gruppe Kunstfreiübungen, die tadellos ge langen und stürmischen Beifall fanden. Nachdem dann noch das gemeinsame Lied „O Deutschland hoch in Ehren" verklungen war, sprach auch Unterzeichneter einige Worte, indem er auf das Zustandekommen der Turnfahrt zurückkam, eben- falls seinen herzlichsten Dank für die schöne Aufnahme ausdrückte und dem Egerer Verein ein „Heil" brachte. Inzwischen waren auf der Bühne Egerer Vorturner lind unsere Vorturner aufgestellt, die gemeinsam ein Kürturnen am Barren zeigten, wobei unsere Turner neben den Egerern sehr gut abschnitten. Nunmehr gings zur „Geselligln" über. Ein Humorist und Liedersänger wartete mit hübschen Sachen auf, die Sängerriege ebenfalls und nicht lange dauerte es, war sogar ein Tänzchen arrangiert; leider konnten unsere Turner, da andere Tanzweise, nicht so recht mit. Nach Mitternacht wurde auf gebrochen, um sich schlafen zu legen, da für den anderen Tag noch ein großes Programm zu erledigen war. Die Turnfahrer waren in Hotels verquartiert und samt und sonders des Lobes voll über die gute Bewirtung. Früh '/,8 Uhr fand man sich in der städtischen Turnhalle wieder zusammen; hur wurden die Bundesfahne und Bereinsfahnen sowie die Vereinsreliquien besich tigt, was alles hochinteressant war. Dann be suchte man den Turnplatz des Vereins und schritt hernach zum Jahnmalhügel hinauf. Auf dem 12 Meter hohen Hügel sind auf Betonunterbau drei gewaltige (3 Meter hohe) Steinadler und der roh behauene Denkstein an Jahn angebracht. Unterhalb der Abler am obersten Ringe des Hügels befinden sich die Denksteine der großen Männer unseres Volkes (Arnim, Luther, Schiller, Fichte, Körner, Arndt, Joses ll. und Bismarck), am untern Ringe die Sieine der 13 Gaue des Bundes. Jeder der Gedenksteine an die Großen unseres Volkes wiegt ca. 50 Zentner, jeder Adler 100 Zentner, die ganze Bekrönung etwa 3000 Zentner. Vor diesem Male deutscher Treue hielt Dietwart Oertel eine so formvollendete Rede, die den herrlichen Idealismus, der die deutschvölki schen Turner beseelt, in den schönsten Farben erstrahlen ließ und eine so weihevolle Stimmung hinterließ, daß uns diese Stunde unvergeßlich bleiben wird. Ein Rundgang um den Hügel schloß sich an und dann ging« in- Egertal: ein wundervoller Wandergang. Von der Egerwarte sangen unsere Turner „Dort, wo im Tale das Kirchlein steht", was den Egerern sehr gefiel. Nun wieder stadtwärtS auf die alte Kaiserburg. Hier sowie im Stadthaus, wo im Wallenstein. Zimmer der Feldherr ermordet worden ist. gabs so viel Interessantes zu schauen, daß man nur ungern schied. Um 11 Uhr war wieder das Mittagessen im Restaurant Sternkopf angrsrtzt. Hier gab der Fahrtleiter das Programm für den Nachmittag bekannt und nahm Gelegenheit, den Turnern Egers nochmals innig zu danken für all das Gute und Schöne, was sie den Hohen- stein-Ernstthalern erwiesen. Mittags 12,26 Uhr erfolgte Abfahrt nach Wunsiedel in Begleitung des Herrn Säckelwart Fr. Heinrich-Eger, dem Führer für die Louisenburg. Auch diese Besich tigung war so schön, daß sie die Krone der Turnfahrt bildete. Obwohl sehr anstrengend, haben doch unsere Turner so viel Herrliches und Interessantes geschaut, daß nie der Frohsinn wich. Der Abstieg von der Louisenburg geschah nach der Seite Alexanderbad zu, wo ein Auto mobil für 18 Personen unserer wartete, um uns zum Schnellzug nach Marktredwitz (Bayern) zu bringen. Das heißt, das war allerdings eine Fahrt auf Leben und Tod: in 35 Minuten zwei mal nach Marktredwitz (erst mit 12 und dann mit 18 Mann) hin- und zurückzufahren! Man dachte jeden Augenblick auf der 8 Kilometer langen Strecke: fitzt „gehts ab". Aber glücklich brachte uns der Chauffeur an den Bahnhof und unter nochmaligen DankeSworten an den lieben Führer (ihm ein besonderes Wacker!) fuhren wir ab und der Heimat zu, in der man froh gelaunt und unversehrt nachts 12.45 Uhr anlangte. Un sere Turner hielten sich sehr brav, und das hat ihnen nur genütz», dadurch ist ihnen diese Turn- fahrt so schön gelungen. Und lange wird sie in angenehmer Erinnerung bleiben. Heil, Heil, Heil! Krauße, Fahrtlciter. Zweite Quartals - Versammlung des Bezirks Chemnitz im ESchs. Ttcnogr-- Vunde Einigungs-System Stolze-Schrey. Unter dem Vorsitz seines ersten Vorfreu den Herrn K. Neumann, Chemnitz-Gablenz, hielt der Bezirk Chemnitz im Sachs. Stenogr. Bunde Stolze-Schrey vor einigen Tagen zu H ohenste i n - Er ns ithal im Hotel Gewerbehaus seine diesjährige 2. Quartalsversammlung ab, zu welcher sich sämtliche Vertreter der Bezirks- Vereine eingefunden hatten. Zu Punkt 1 der Tagesordnung erstattete der Vorsitzende Herr Neumann ausführlich Be- richc über die Tätigkeit des Gesamtvorstandes des verflossenen Quartals. Hieraus ergab sich, daß die unermüdliche Arbeitsleistung nicht ohne Erfolg geblieben ist; ganz besonders wurde das Augenmerk auf die Verbreitung des Systems und auf die Errichtung neuer Pflegestätten gerichtet; so Ist es gelungen, das Bezirksgebiet im vergangenen Vierteljahr um nicht weniger als 3 Vereine zu erweitern, und zwar wurden neu ins Leben gerufen die Ver eine Chemnitz-Süd (Zweigverein des Kaufm. Stenogr. Vereins von 1857), Verein zu Glau chau und der Verein zu Au« i. Erzg.; weitere dürsten in kurzer Zeit folgen. Verluste waren nicht zu verzeichnen, im Gegenteil, nach Punkt 2 der Tagesordnung: Berichterstattung der ein zelnen Vereinsvorsitzenden, gab Aufklärung, daß in allen Vereinen trotz der großen Kon kurrenz eines weit älteren und schwerer zu er- lernenden Systems, allenthalben schöne Erfolge erzielt worden sind. Bei einigen Vereinen wurde festgestellt, daß die Zahl der Mitglieder sich doppelt vermehrt hatte. Der nächste Punkt der Tagesordnung, welcher sich mit der Be sprechung des diesjährigen Bundestages zu Wurzen befaßte, nahm sehr geraume Zeit in Anspruch und verdient hieraus hervorgehoben zu werden, daß man dahin überein kam, bei Wahl des Ortes für die nächstjährig« Tagung das Bezirksgebiet Chemnitz in Vorschlag zu bringen und, falls dieser Vorschlag Annahme finden sollte, die Wahl des Ortes dann aber auf einer der nächsten Versammlungen Vorzug nehmen. Die folgenden Punkte der Tagesord nung befaßten sich mit internen Angelegenhei ten und mit zu ergreifenden weiteren Werbe- maßnahmen. Bei dieser Gelegenheit gestatteten sich die Vertreter des Vereins zu Aue i- Erzg. die Anwesenden nebst weiteren Angehörigen und Vereinsmitglieder für den 14. Juni zum Besuch ihrer Stadt mit anschließender Wande rung in die nähere Umgebung einzuladen, und nahm man von dieser Einladung mit großer Begeisterung und Freude allenthalben Kennt nis, auch wurde Aue als Ort der Herbstver- sammlung einstimmig gewählt. Der Schlußpunkt der Tagung befaßte sich mit der Besprechung des diesjährigen Bezirks tages; hierbei stellte sich heraus, daß der Ver ein zu Lunzenau, infolge schwerer Erkrankung seines ersten Vorsitzenden, nicht in der Lage ist, den Beschluß der Versammlung vom 18. Januar zu Chemnitz, wonach der Bezirkstag, welcher zugleich ein Jubiläumstag ist, in Lun zenau abgehalten werden sollte, nicht ausfüh ren kann. Man beschloß, denselben nunmehr am Sonntag, den 12. Juli, in Mittelbach bei Chemnitz abzuhalten. Derselbe wird mit einenr Wettschreiben und Lesen sowie einer Festver sammlung verbanden sein. Zu dem hier in begriffenen Festvortrag soll einer der erstklassi gen Redner, den die Schule Stolze-Schreyauf zuweisen hat, geworben werden. Konzert mit Ball soll die Tagung beschließen. Mit den besten Wünschen für weiteres Ge deihen der schönen Kunst Stolze-Schrey auch im bartbedrängten Sachsenland«, schloß der Vorsitzende die in sehr anregender Weise ver laufene, mehrere Stunden in Anspruch ge nommene Versammlung. Im Anschluß hieran beteiligte man sich an der Feier des 11. Stiftungsfestes des Vereins zu Hohenstein-Ernstthal, hierbei zeigte e8 sich, daß dieser Verein unter der tatkräftigen Lei- Himmelfahrtsglocken. Novellette von A. B e r n e l l. (Nachdruck verboten.) Stromauf glitt das weiße Schiff den Rhein. Wie Feiertagsstimmung lag es über den grün-goldenen Wassern, lag es über dein fröhlichen Menschenschwarm, der den Dampfer füllte. In die klare Luft reckten sich am Ufer hochstre.ende Berge, malerische Ruinen, Kir chen und Kapellen. Schieferblaue Dächer hin ter rebenbepflanztcn Höh«n, waldige Schluchten und saftiggrüne, lachende Täler. Und über der immer wechselnden Szenerie von bezau berndem Reiz ein fttahlend blauer Himmel und goldener Sonnenschein. Ernste, feierliche Glockenklänge trug der Windhauch über den Strom hin. Himmelfahrt! verkündeten sie. Unter den plaudernden Gruppen auf dem Dampfer flüstert« ein« Dame ihrer Nach barin zu: „Sehen Sie doch nur, da promeniert die schöne Brünette schon wieder bei dem Herrn auf dem einsamen Plätzchen an der Spitze des Decks vorbei, und er hat wieder keinen Blick für sie. Solch ein Eiszapfen!" „Hm — di« Landschaft interessiert in sicht lich mehr als die schöne Unbekannte. Sie wird ihre Erobrrungsgelüste einstellen müssen. Uebri- qens ein stattlicher Mann; die Säbelschmarre ans der Wange kleidet ihn vorzüglich. Wer mag er sein?" „Ein Norddeutscher, wie seine Aussprache verrät. Einen Trauring trägt er nicht, wie ich bemerkte. Sein Blick verrät eigentlich eine „Geschichte". Vielleicht spielt die „Schmarre" darin eine Rolle- „Möglich. Vielleicht auch der Rhein, und er hat ihn darum wieder ausgesucht- Mir fal len da Scheffels Worte ein: „Jenseits der Alpen liegt ein Grab, Gegraben am grünen Rheine, Drei wilde Röslein blühen daraus: Seine Liebe lieg: dareine." „Sie sind eine ideale Natur, Liebste, und verstehen zu fabulieren. Vergesseir wir darüber die Himmelfahrtsglocken nicht! Wie wunder voll feierlich das klingt angesichts dieses Land- scha isbildes! Sehen Sie nur, St. Goar mit der mächtigen Ruine Rheinfels kommt in Sicht! Welch eine Pracht! Bold wird der Loreley- felsen auftauchen!" So war es. Inmitten der Uferkrümmungeu, die hier enger ung enger den Vater Rhein einhegen, tauchte geheimnisvoll der kantige Loreleyselsen aus der Flut. Die Schisfskapelle, die wegen der Kirchen glocken bisher geschwiegen, intonierte jetzt: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten . . ." In Schauen versunken stand der Nord deutsche. Von den trutzigen Felsen, von dem Blüten'ranz der Städtchen, aus dem grünen, dem goldigen Strom schien es zu rufen: Ju gend, du ferne, ich grüße dich! Und dich, Feinsliebchen mein, unterm Nebendach! Zehn Jahre waren es her — war denn die alte Wunde noch nicht vernarbt? Er hatte es gewähnt, halte sich stark genUg geglaubt, den Zauber des Rhcinlandes wieder einmal auf sich wirken zu lassen und das Grab seiner jungen Liebe zu besuchen, heute — am Him melfahrtstage. Studentenliebe! Ein träumerischer Glanz trat in die ernsten Männeraugen. Traumhaft, in ewiger Schöne, flieg sie vor seinem Geiste auf, die überspru delnde Jugendzeit mit ihrem idealen Streben, und die Zeit süßer Minne! Ein Jungbrunnen für die Seele ist solch ein Ausruhen bei teuren Erinnerungen. Lebendig wurden sie angesichts der Stätten, wo er, der übermütigsten einer der Alma inater, aus voller Brust die alten Burschenlieder mitgesungen. Wo beim golde nen Wein hochfliegende Zukunftspläne die er hitzten Zecher begeistert und schlanke Mädchen das Herz warm gemacht hatten. Die eine — die seine .... Wie Werthers Lotte unter ihren Geschwi stern, lvar sie ihm erschienen, als er sie zuerst rrblickt, Brot austeilend den Kleinen. Gold braune Löckchen fielen ihr in das holde Ge sicht und Lenzwind und Sonnenschein um kosten die liebe Gestalt im weißen Kleide- Ueber den Gartenzaun hatte von der Ltraße her ein schlanker Student geblickt, alle Geister des Nebermutes in den blitzenden Augen. Eine Heckenrose als Wurfgeschoß - - - Just an der Stell«, wo er sie haben wollte, an der Brust des Mädchens, war die Rose hingen geblieben an dem Kleidgewebe. „Die Rose der Rose!" Das altbekannt Wort wirkte aus dem Munde des kecken Studenten, zesprochen mit dem Unterton der Bewunderung, auf das junge Mädchenherz zündend. Was sich in den Laubengängen des Gar tens, die so heimlichen Schatten warfen, was sich auf fröhlichen Streifereien in die Berge, oder im schwebenden Boot auf dein glitzern den Strom zwischen den zwei jungen Herzen entspann — vom Fuchsmajor bis herab zum neuimmatrilulierten Studenten, wußten es alle, daß der Norddeutsche und das schönste Mädel des Rheingaues, die Gritl>a Scholz, Liebes leute waren. Das paßte den meisten schlecht, denn sie waren alle hinter der Gritha her. Einer aber war falsch. Während der Norddeutsche und sein Lieb Luftschlösser bauten, von ihrer Zukunft im eigenen Nest schwärmten, hinterbrach:« der schlaue Fuchs dem Mädchen, daß sein Liebster ein treuloser Fant sei, und dem begünstigten Rivalen wiederum wußte er zu erzähl«», daß SchömGritha einen anderen lieber habe als ihn .... Der Schlag ins Gesicht, niit dem der Stu dent den Verleumder züchtigte, hatte ein Duell zwischen beiden zur Folge. Der Angreifer erhielt hierbei einen Denk zettel fürs Leben — der Norddeutsche die Säbelschmarre auf der Wange. Gritha Scholz rang währenddes mit wilden Fieberphantasien — die Folge jener falschen Anklage über den Geliebten. Verzweifelt eilte dieser an ihr Lager, das die Eltern und Geschwister unter Tränen um standen. Allein die Kranke erkannte ihn nicht. Ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu Ha ven, verschied sie am Himmelfahrtstage in den Armen des verzweifelten Studenten. Die Jahre wandern mit dem Wind . . . Das schwere Schicksal, das er so jung erfah ren, hatte tiefe Schalten auf seine Jugendjahre gewor'en, hatte den einst so Uebermlltigen früh zum ernsten Manne gereift. Ganz allmählich nur hatte er überwinden gelernt; ganz all mählich waren aus dem umflorten Jugend- lranze die Blüten wieder hell und leuchtend ervorgetreten, hatten die Bilder von Liebes- und Jugendlust die Schauer der Erinnerung verdrängt. Und jetzt? Uebertönend die Stimme der Vergangen heit, schien es aus der Herrlichkeit der Land- scha't, aus den Glockenklängen, die wie Ton wellen über den glitzernden Strom hinschweb ten, ihm zuzurufen: Wirf «ö, was vergangen/! Genese zu neuem Dasein! Du stehst in voller Manneskraft — strecke deine Hand aus nach der Blume des Glückes, wenn sie auf deinem Wege blüht .... * * * Die Sonne sank zu Tal, als der Nord deutsche den kleinen Friedhof des Städtchens betrat, wo seine einstig« Liebe schlief. Fern der Widerhall des Lebens — auf dem Strome — auf den Hügeln. Hier Len- zesschönheit auf stillen Gräbern; halb ver- träumtes Vogelzwitschern in rauschenden Bäu men; über Grabmälern, über eingesunkenen Kreuzen verglimmende Sonnenstreifen — und Schweigen, ein Schweigen, das mehr erzählte als Worte .... „Wo das Grab der Gritha Scholz ist? Gleich hier rechts ab bei den Cypressen, Herr — das zweite in der Reihe ist's . . ." beant wortete der Kirchhofswörter die Frag« des Fremden. Gedankenvoll folgte dieser der Weisung. Das zweit« in der Reihe —. Der Fuß des Wanderers stockte jäh —. Wie ein Griff ins Herzfleisch packte es ihn. Vor seinen Augen begann es zu verschwim men. Was war das!? War die Tote auser standen? Die Jungmädchengestalt im Weißen Kleide dort aw Grabe — war das nicht Zug für Zug Gritha — sein Sonnenkiird, seine Jugendliebe!? Jetzt sah sie auf, sah den Fremden und das Erschrecken — oder war es seliges Er staunen? — auf seinem Gesichte und stand unschlüssig, zögernd. „Ich bin die Schwester von Gritha Scholz," sagte sie, erratend, was in ihm vorging, und sah fragend zu ihm auf. „Es ist gut, daß Sie das sagen — ich glaubte, Gritha sei: st stehe hier . . ." stam mel« er, gewaltsam sich beherrschend, und die Ge'chwisterschar kam ihm ins Gedächtnis, die damals die Liebste umspielt. „Professor Kurt scheid aus Norddeutschland," stellte er sich vor. Sie reichte ihm die Hand: „Ihr Name ist wohlbekannt in unserem Hause, Herr Profes sor. Knüpft sich auch Schmerzliches daran, so wissen wir es jetzt doch alle, daß Sie schuld los daran sind und — Ihr Weg hierher ver rät mir, daß Sie auch gut sind — gut und treu." Er entsann sich später dunkel nur, wie lange er an Grithas Grabe geweilt. Wie im Traum schritt er dann an der Seite ihres Ebenbildes dem Hause der Eltern zu, dahin ihn das junge Mädchen geladen. Und mit ihm schritt zärtliches Gedenken und mischte sich mit einem Glücksahnen, einem traumhaf ten Ge ühl von Seligkeit .... Von Koblenz her aber trug der Westwind abermals Glockenklänge. In tiefen, feierlichen Tönen verkündeten sie das Himmelfahrtsevan gelium: Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen . . .
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