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öMMHoWkiii SuWM Kiiügn Nr. SS. Sonntag, den S« April 1S14 41. Jahrgang S^WMlWW»»W«WMW«»W>«« - — ... 7- "" 71 WM» >, „WgglWgM Vor hindert Jahren. Ei» Drama ganz besonderer Art war es, das sich vor hundert Jahren in der zweiten Hälfte des April in Südfrankreich «''spielte, ei» unerquickliches Schauspiel, in dem der ge- stürzte Cäsar die schlimmste Rolle zu spielen hatte. Auch nach seinem erneuten Sturz im Sommer 1815 hat Napoleon nicht wieder solche Demütigungen erlitten, als es die wa- ren, denen er zum Ausgang des April 1814 ausgesetzt war. Die Tage seiner Reise von Fontainebleau nach der Küste des Mittelmee res, wo ein englisches Schiff zur Fahrt »ach der Insel Elba bestiegen wurde, sind wahre Leidenstage für den einst so stolzen Korsen gewesen. Am 21. April 1814 l-atte Napoleon nach seiner Abdankung im Schloßhofe von Fon tainebleau Abschied von seinen Garden ge nommen; er ward dann vier Kommissaren der gegen ihn verbündeten Mächte übergeben, die Unter militärischer Eskore den einstigen Herr scher der Welt nach der kleinen Insel Elba bringen sollten, die ihm als „Reich" überwie sen worden war. Die vier Kommissare waren Oberst Graf Truchseß-Waldburg für Preußen, General von Koller für Oesterreich, Gras Schn walow für Rußland, Oberst Sir Neil Camp- i bell für England. Der Letztere blieb unter- I Wegs zurück und ebenso in Lyon die franzö- I fische Gardekavallerie, die als Eskorte diente, sodaß später die drei erstgenannten Kommis sare und ihre Diener mit dem Kaiser allein waren. Als sie sich bei Napoleon meldeten, sab dieser vollständig verwahrlost aus. Nicht einmal seine Uniform und seine Stiefel wa ren gereinigt; es hielt eben kein Mensch mehr der Mühe für wert, sich um den entthronten Weltenherrscher zu bekümmern. Das zeigte sich auch unterwegs, wenn inan auf Truppen stieß. Die höheren Offiziere be- nnesen ihrem einstigen Kriegsherrn unverhohlen ihre Geringschätzung. Nur die gemeinen Sol daten und die Subaltern-Offiziere begeisterten sich noch für ibn und taten durch ihre Zu rufe kund, daß sie in ihm noch immer den Kaiser sahen. Als aber diese letzten Geweuen vorüber waren, brach der Spektakel los, der Mann, den die Bevölkerung früher "vergöttert batte, ward jetzt beschimpft und geschmäht, als ob er ein Mordbrenner wäre. Es wird sogar behauptet, daß Vorbereitungen getroffen wor den seien, um Napoleon au^ dieser Fahrt zu ermorden. Die Beschimpfungen des Kaisers gingen so weit, daß man Puppen, die in seine histo rische Uniform gekleidet waren, an Galgen, an denen der Wagen vorüber mußte, baumeln ließ. Schlimmer fast wie die Männer waren die Frauen, die den Wagenschlag aufzureißen versuchten und dem Gegangenen die gemeinsten Schimpfworte ins Gesicht schrien. Ain schlimm sten war es in dem Dorfe Organ, wo die Menge wirklich die Wagentüren mit Gewalt öffnete. Die Kommissare der Mächte tvarfen sich mit ihren Dienern der Menge entgegen und wurden in der Verteidigung des Kaisers selbst von der Bevölkerung gemißt andelt. Tie Gefahr schien so groß, das Napoleon auf den Rai seiner Begleiter den Wagen verließ und mit einem Diener auf Sei cnwcgen vorausritt, um neuen, stärkeren Angriffe» zu entgehen. Er wartete aus seine Begleiter in einem Wirtshause hinter der Stadt SamtEamLu, wo die Wirtin über Napoleon mit den stärksten Ausdrücken herfiel und ihm einen baldigen Tod wünschte, damit die Welt endlich von ihm befreit würde. In diesem Hause zog der Kaiser, um sich unkenntlich zu machen, eine Uniform des österreichischen Generals von Koller an, setzte die preußische Militärmütze des Grafen Waldburg auf den Kopf und hüllte sich in den Mantel des russischen Grasen Schu walow. So fuhr man weiter, meist um die Ortschaften herum, um den Verhöhnungen zu entgehen. Am 28. April kam der Wagen in der klei nen Hafenstadt Saint-Raphacl an, nachdem zuletzt österreichische Husaren die Eskorte ge bildet hatten. Hier begab sich Napoleon an Bord des englischen Kriegsschiffes „The Um darmted", das in der kommenden Nacht in See ging«. An Bord sand der Kaiser seine Fassung wieder, die er während der vösen Szenen unterwegs wiederholt verloren hafte. Hier hatte der Mann ohne Mitleid gemerkt, daß auch er Nerven besaß. Er Ivar vor sei ner Abdankung nicht so zusammengebrochen wie in diesen Reisetagen in denen er Furcht um sein Leben gezeigt hatte, wie nie in einer Schlacht. Das Wutgeheul der Volksmasse war ihr» entsetzlicher, als der Kanonendonner der Walstatt. Während Napoleon Elba rntgegen- fuhr, zog der Bourbonenkönig Louis XVIll. in Paris ein und wurde der erste Pariser Friede unterzeichnet. Vom Deutsches Reichstag, der am Dienstag seine am 27. März unter brochenen- Beratungen nach der Osterpause wieder ausnimmt, erwartet man trotz der Kürze des bevorstehenden Tagungsavschnittes manche wichtige Aufklärung. Die dritte Etats lesung, die noch aussteht, gibt zu einer Er örterung der gesamten inneren und auswärti gen Politik Gelegenheit, und es ist vorauszu- sehen, daß diese Gelegenheit gründlich ausge nutzt werden wird. Von den verschiedensten Seiten ist bereits erklärt worden, daß über die Gründe und Ziele des jüngsten Wechsels auf dem elsaß-lothringischen Statthalterposten und auf dem des preußischen Ministers des Innern noch Ungewißheit bestehe, und daß der Reichs kanzler bei Beratung seines Etats um Aufklä rung ersucht werden würde. Aus dem Chaos der Preßerörterungen über den preußischen Ministerwechsel springt namentlich die Frage hervor, ob der neue Minister des Innern die konservativ liberale Politik der Bülowschen Blockära wieder ausnehmen und eine neue Wahlreformvorlage einbringen solle. An Aus einandersetzungen mit dem Kanzler und preu ßischen Ministerpräsidenten wird es hier so wenig fehlen wie bei der Besprechung der neuen Verordnung über den militärischen Waf fengebrauch, durch die die wichtigste B-estim- numg der viel erwähnten Kabinettsorder vom Jahre 1820 beseitigt wurde. Bei der Erörterung der vorstehenden und mancher anderer Fragen wird es nicht an mehr oder minder heftigen Angriffen auf den Reichs kanzler fehlen. Ob es jedoch zu einer neuen Kanzlerkrise kommen wird, wie sie nach Za- lern bestand, ohne daß Einzelheiten darüber in die Oeffentlichkeit gelangten, ist doch un wahrscheinlich. Herr von Bethmann Hollweg bat mit der Empfehlung seiner Kandidaten m' den -Statthalter- und preußischen Minister« po'wn einen vollen Erfolg gehabt und erfreut sich des unveränderten Vertrauens seines kai serlichen Herrn. Das geht unter anderem auch daraus hervor, daß Herr von Bethmann Holl weg, der nur fünf Tage auf Korfu bleiben wollte, einer Einladung des Kaisers zufolge feinen Aufenthalt daselbst bis zum Ende die ser Woche verlängerte und erst kurz vor der Wiederaufnahme der Reichstagsverhandlungen in Berlin wieder einwisft. An der Leitung- der auswärtigen Politik wird der kritische Reichstag wenig auszusetzen finden. Ueber das Ergebnis der Konferenz von Abbazia zwischen den Leitern der aus wärtigen Politik Oesterreich-Ungarns und Ita liens, das sich- in allen Punkten genau mit der Auffassung der maßgebenden Berliner Stellten deckt, wird der Kanzler vielleicht noch Einzelheiten milteilen, da die amtliche Publi kation darüber nur ein volles Einvernehmen in allen schwebenden Fragen feststellte, aus die einzelnen Beratungsgegenstände jedoch nicht einging. Im amerikanisch-mexikanischen Kon flikt hat Deutschland seine Schuldigkeit getan, indem es nicht nur den Kreuzer „Dresden" in den mexikanischen Golf entsandte, sondern Der falsche Bürgermeister sau Köslin. Den falschen Bürgermeister von Köslin, Alexander aii»s Thormann, der gegenwärtig die Oeffentlichkeit in weitgehendstem Maße beschäftigt, zeigt unser heutiges Bild. Ein Wintertraum. Roman von Anny W o t h «. 22. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) (OopyriAftt 1stl2 VVotftv, l^oiprijx) „Ich habe Dich heute schon den ganzen Tag zurückerwartct, Leo," murmelte Jngelid. Graf v. d- Decken küßte seiner Braut innig die Hand. In seinen Augen glühte es zärt lich auf, während er Jngelids Arm durch den seinen zog, um sie zurück in die Halle zu führen. An derselben Stelle, wo sie vorhin mit Mister Wood geweilt, blieb er stehen und zwang sie in einen Sessel. „Gönne mir ein paar Minuten, Jngelid, bevor ich Tante Bella und die übrigen be grüße. Es ist so stimmungslos drin in deni Saal. Hast Du Dich gut unterhalten, hast Du getanzt?" „Nicht besonders viel," gab sie etwas ver- wirrt zurück, „aber ich l>abc Verpflichtungen. Hätte ich gewußt, daß Du kommst, hätte ich keine Engagements angenommen." Er lächelte nachsichtig. „Aber ich bitte Dich, Jngelid, wenn es Dir Spaß macht? Na, von Deinen Siegen Hare ich ja schon gehört. Also wieder den 1. Preis beim Skier-Damenwettlauf? Macht es Dir Freude?" „Nein, garnicht, Leo. Es war diesmal wirklich ganz unverdient, der reine Zufall." „Schade, daß ich Dich nicht sel)eu konnte. Wie mir Ott vorhin erzählte, soll Dein Sprung lauf geradezu großartig gewesen sein." „Ott übertreibt. Die Schneevcrhältnissc am großen Sprunghügel waren gerade günstig, sonst wäre ich vielleicht mit meinen Skier» nicht so glücklich gelandet. Aber erzähle doch. War es wirklich so notwendig, daß Du nach Wolssau zurück mußtest?" „Ja, Jngelid, sehr sogar. Jetzt aber bin ich froh, daß ich wieder bei Dir bin- Wollen wir nicht tanzen? Hör nur, wie die Musik lockt." Jngelid strich sich mit der schlanken .Hand über die blasse Stirn. „Gern, Leo, aber willst Du nicht erst Tante Bella und den Onkel begrüßen?" Graf v. d. Deckeir seufzte komisch auf. „Du l)ast ganz recht, Liebling. Wir wol len eilen, dann gehört »ns bis aus Deine Pflichttänze der Abend allein." Wie eine Königin schritt Jngelid an ihres Verlobten Seite durch de» Saal, auf den Tisch zu, an dem Tante Bella, umringt von alt und jung, thronte, und halb vergnügt, halb bissig ihre Weisheiten zum Besten gab. „Das habe ich ja gewußt, Leo, daß Du ein ganzer Kerl l ist," lolte sie, als der Graf ihr die Hand küßte. „Du und nicht kommen, wenn Du es versprochen hast. Na, quetsch Dich man 'n bißchen hier zu mir in meine Ecke, ich will Dich mal verschiedenes fragen." „Danke, Tante Bella," lachte der Graf zu rück. „Wir wollen jetzt tanzen. Nachher stehe ich gern zur Verfügung." Und schon schwebte Jngelid in seinem Ann durch den Saal. Tante Bella seufzte. „So werden wir Allen in die Ecke gescho ben," klagte sie. Onkel Gerwin aber lachte. „Du sitzest ja schon drin, Bella. Jugend will zu Jugend. Ist es nicht hübsch, daß wir so gut zugucken können?" Ein halb verächtlicher, halb gerührter Blick traf den Bruder, der Riete Vossen mit alter tümlicher Galanterie die Kur schnitt. Er war immer ein genügsamer Mensch ge wesen, der arme Gerwin, darum hatte er es auch zu nichts im Leben gebracht. Und während Tante Bella Prinz Günther von Schwarzeneck, der nicht von Irmengards Seite wich, gnädig zulächelte und über Köp pings Frau hochm tig hinwcgsah, wen» Eve lyn in ihrer ungenierten Art aus sie einsprach, dachte sie im innersten Herzen: „Was hat nur der Leo? Sein« Augen lachen, und doch liegt es wie ein Drohen da hinter verborgen. Mein Gott, er wird doch nicht etwa eifersüchtig auf diese» Luftikus sein, der sich, wie es scheint, glücklicherweise zurück gezogen hat?" Tante Bella spähte mit weit ausgerissenen Augen umher. Da stand Leo, während Jnge lid jetzt mit dem Prinzen tanzte, und unter hielt sich mit Riele Bossen, für die er ja im mer merkwürdig viel über hotte. Und jetzt, wahrhaftig, er tanzte sogar mit ihr. Und Ott war auch wie besessen hinter der Vossen her. Na, sie sollte» ja was habe», die Possens. Aber Familie? Nicht auszudenken. Frischgebackener Adel. Alter batte Kohlenwerkc, und so was. Das war ja für Ott ausge schlossen. Und die Krabbe, die kleine Oertze», machte sich auch so niedlich, und Ott hatte nicht nur ei», sondern zwei Augen auf sie geworfen. Jetzt stürzte er schon wieder auf das freche Ding zu, und sie knixte und lachte ihm seelen vergnügt ins Gesicht, und dabei war der Balg arm wie 'ne Kirchenmaus. Tante Bella ver stand garnicht, wie man so lachen konnte, wenn man garnichts hatte, wie die Oertzens. Die Frau Regierungsrat, Kerlchens Mut ier, saß da drüben auch so verloren an der Wand und lächelte, wenn jemand mit ihr sprach, während sie im Geiste gewiß über- schlug, wie man sich zu Hause den Oberhofer Aufenthalt, der doch ziemlich kostspielig war, aohnngern konnte. Und die Köpping erst, was war das für eine Person. Wie rasend tanzte sie. Vorhin mit Ott, der ja ganz begeistert schien — der Junge war nur zu leicht immer begeistert — dann mit Sutheim, der sie reich-- lich fest an sich gedrückt hielt, und jetzt mit dem Lassen, dem Baron Torres. Alt und Jung bezauberte diese Kokette. Wen» sie, Tante Bella, nicht so gesteuert, Gerwin hätte wirklich vorhin aus seine alten Tage noch mit dieser Köpping das Tanzbein geschwungen. Tante Bella seufzte ganz laut. Nicht genug, daß sie die leichtfertigen. Mä del und den Sausewind Ott hüten mußte, jetzt fing Gerwin auch »och an, ihr Sorge zu machen, und der war doch wahrhaftig aus den Sause- und Brausejahren heraus. Was war denn aber das? Köpping, der sich bis dahin fast immer im Nebensaal aufgehalten, trat jetzt plötzlich auf Irmengard zu, die einen Augen blick, erhitzt vom Tanze, da drüben an der Tür gelehnt, um sic aufzufordern. „Sie wird doch nicht annehmen," dachte Tante Bella erschreckt. Einen Augenblick sah sie Irmengards Augen dunkel, fast feindselig auflodern. „Allbarmherziger Gott," betete das zitternde Herz der Tante, „nur das nicht, nur das nicht." Die Widerstandskraft des Körpers sucht jedermann zu heben und zu erhalten. Viel wird zu diesem Zwecke angepriesen, allein man findet wenig, was wirklich allen dazu nützen könnte Zu diesen Ausnahmen gehört Scotts Emulsion. Hergestellt aus dem feinsten Lofoten-Lebertran in Verbindung mit Kalk- und Natronsalzen, läßt sie sich auch von Erwachsenen ohne Schwierig keiten nehmen, ist leicht verdaulich und wird daher voll ausgenutzt. Wer bei Witterungswechsel zu Erkältungen ge neigt ist oder sich bei Eintritt rauhen Wetters in Acht nehmen muß, der greife ohne Vorurteil zu Scotts Emulsion als einem ganz vorzüglichen Vor- beugungSmittel. Keine Unchatzmnng «nr Krott» Gnmlsto«! Aber ihr Gebet mußte keine Kraft haben, denn sie sah, wie Irmengards stolzes Köpf, chen sich ein klein wenig und sehr hochmütig neigte, dann schwebte i re schlanke Gestalt in Köppings Armen durch de» Saal. — — „Ich danke Jhnei> Komtesse," sagte Köp ping, indem sie die verschiedenen Figuren des „Two step" mechanisch ausführten, „daß Sie mW gerade diesen Tanz gewährten. Er er innert mich an alte, glücklich« Zeiten." „Die ich längst vergessen habe, Herr von Köpping. Die Zeit eilt so rasch, und die Bil der wechseln, daß man nur zu schnell ver gißt." „Ich habe nichts vergessen, Komtesse, auch nicht die Melodie dieser alten japanischen Ro- manze, nach der wir tanzen." (Fortsetzung folgt.) Lrskslssi'LSiÄEttksus Otismnilr, Leks?08t- LLÄL