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i Mch," > Nr. 98. 80. Jahrgang. Leipzig, Mittwoch den 30. April I9lZ. Des Himmelfahrtstages wegen erscheint die nächste Nummer Freitag, den 2. Mai. Redaktion Die Volksbuchhandlung. Ein Verhaudlungsbericht, erstattet von Hans Brunckhorst, Vors, des Hamb. Jugendschriften-Ausschusses, und Heinrich Boysen, Vors, des Hamb.-Altonaer Buchhändler-Vereins. tFortsetzung und Schluß.) <Vgl. Nr. 87.) Für die zweite Sitzung der gemeinsamen Kommission der Buchhändler und Lehrer in Hamburg waren zwei Berichte über die Volksbuchhandlung vorbereitet worden. Ein Vertreter des Buchhandels berichtete über die Frage »Welche geschäftlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Volksbuchhändler bestehen kann?«, und ein Vertreter des Jugendschrifteu-Aus- schusses sprach darüber: »Welche Verkaufsmöglichkeiten bieten sich einem Volksbuchhäudler in einer Vorstadt?« Von dem Buchhändler wurden etwa folgende Ausführungen gemacht, die sich auf praktische Erfahrungen stützen. Es sind erforderlich als Anlage- und Betriebskapital für Ladeneinrichtung und Beschaffung eines Bücherlagcrs 3000 an Zuschüssen für die beiden ersten Jahre 3000 die jährliche Ausgabe für Miete, Lebensunterhalt des Unternehmers, eine Hilfskraft, Inserate usw. 6000 Wenn die Volksbuchhandlung als Filiale einer Citybuchhandlung betrieben werden kann, so würden sich die jährlichen Ausgaben auf etwa 5000 ^ ermäßigen können) wenn die Volksbuchhandlung als Nebenbetrieb neben einer Druckerei oder einem Papiergeschäft oder einem ähnlichen Unternehmen betrieben würde, so würden sich die jährlichen Aus gaben aus etwa 3000 ^ ermäßigen können. Da die beiden letztgenannten Arten des Betriebes aber natürlich nicht dasselbe leisten wie eine Volksbuchhandlung als Hauptbetrieb, so ist die erste Art vorzuziehen. Der Mindestumsatz für eine Volksbuchhandlung der oben gekennzeichneten Art müßte pro Jahr 18 000 oder pro Tag 60 betragen. Wenn dieser Umsatz durch die Volksbuchhandlung erzielt werden soll, so müßten täglich 600 10 H-Hefte oder 300 20 H-Hefte oder 120 50 ^-Büchlein verkauft werden. Wenn die Volksbuchhandlung als Großbetrieb mit 6 Filialen eingerichtet würde, dann wären als Anlagekapital etwa 50000 „O erforderlich. Die jährlichen Ausgaben würden etwa 45 000 ^ betragen, und cs müßte ein jährlicher Umsatz von 135 000 ^ erzielt werden oder ein täglicher von 450 ^ Um diesen Umsatz zu erreichen, müßten täglich 4500 10 -t.-Hefte oder 2250 20 H-Hefte oder 900 50 ^-Büchlein verkauft werden. eller Teil. Ein solcher Großbetrieb kann natürlich intensiver arbeiten; die verschiedenen Filialen könnten einander stützen, und die Zentrale könnte zugleich ein Auslieferungslager für Sorti- mentsbuchhändler der Stadt sein. Ein solch großer Absatz werde sich mit den billigen Serien schwerlich erzielen lassen. Deswegen fordere die Praxis wohl die Verbindung der Volksbuchhandlung mit einem Neben betrieb, einem Papierhandel, einer Zeitungsexpedition, einer Zeitschristenhandlung oder etwas Ähnlichem. Von größter Wichtigkeit für die Entwicklung der Volksbuchhandlung sei die Person des Leiters. Er müsse 1. den buchhändlerischcn Be trieb im allgemeinen gründlich kennen, 2. das Spezialgebiet der Volksbuchhandlung beherrschen und 3. mit dem Volke um zugehen verstehen. Vorläufig fehlt dem Sortiment in seinem Nachwuchs eine solche Persönlichkeit, da ja das Problem an sich neu sei. Doch dürfte die Lösung der Aufgabe nicht an diesem Mangel scheitern, wenn ein solches Unternehmen im übrigen als lebensfähig betrachtet werden könnte. Der Vertreter des Jugendschriften-Ausschusses wies dann an einem bestimmten Beispiel nach, welche Möglichkeiten der Volksbuchhändler als Geschäftsmann ausnutzen könnte und ausnutzen müßte, um sein Geschäft in die Höhe zu bringen und es in einer günstigen Lage zu erhalten. Der in Betracht gezogene Arbeilerstadtteil Hamburgs hat eine Schicht geistig interessierter Arbeiter. Er zeigt eine gewisse Geschlossenheit, sodaß sich ein gesunder Lokalpatriotismus entwickelt hat. Allerdings ist er nicht allzu groß, hat nur etwa 40 000 Ein wohner und ist zudem ziemlich langgestreckt. Aber es ist die Möglichkeit vorhanden, Anschlußgebiete zu gewinnen in den benachbarten Stadtteilen und über die Stadtgrenze hinaus im Landgebiet. — In diesem Stadtteil besteht eine Nieder lassung des Volksheims, einer Gesellschaft gebildeter und sozial interessierter Menschen, die bezweckt, durch persönlichen Verkehr und Gedankenaustausch unter Gliedern aller Stände gegenseitiges Verständnis zu fördern und gegenseitige Achtung zu erwirken. Es herrscht in den dieser Gemeinschaft ange schlossenen Kreisen ein reges geistiges Leben. Das muß der Volksbuchhändler ausnutzen: Die belehrenden Vorträge an einem Wochentage, die künstlerischen Sonntagsunterhaltungen, die wissenschaftlichen Klubs, die Jugendvereine, die Rechts auskunftsstelle, die Frauenvereine bieten zahlreiche An knüpfungspunkte und Agitationsmöglichkeiten für den Buch händler. Für die besonderen Interessen der verschiedenen Gruppen lassen sich leicht besondere Zusammenstellungen von Büchern Herrichten und an verschiedenen Stellen bekanntgeben. — Ein anderes Arbeitsgebiet für den Volksbuchhändler bilden die Volksschulen. Eine Schwierigkeit ergibt sich dabei aller dings durch den Umstand, daß kaum ein Volksschullehrer in diesem Stadtteile wohnt. Aber es läßt sich trotzdem ständig eine Verbindung mit den Schulen schaffen, indem die Lehrer kollegien, die an sich für die Sache interessiert sind, immer wieder auf das Unternehmen hingewiesen werden. In den Schulen können die Lehrer Bücherbestellzettcl auslegen und Bestellungen vermitteln. An den Elternabenden der Schulen kann auf das Unternehmen nachdrücklich aufmerksam gemacht und Propaganda für die Schaffung von Hausbibliothcken ge-