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VMM DM MtMiMuMn AykM Tageblatt. Sonnabend, den 17. Oktober 1814 Nr. 243 41 Jahrgang An -er Selgislhen We. Den englischen und belgischen Truppen der Antwerpener Bffatz'MgSarmee ist die Flucht nach Ostende, van wo es nach England gehen sollte, w.techt bekommen. Trotz des Vorsprunges, den sie litten, waren die Deutschen wie die Teusel hinter ihnen her, stellten sie und zwangen die Flüchtigen zum Kampf. Ueber den Ausgang dieser Gefechte kann kein Zweifel bestehen. Haager Blätter berichten, daß zwischen Gent und Brügge heftige Kämpfe der Deutschen mit Belgiern und Engländern stattfanden. Die Brücke zwischen Gent und Brügge wurde bei Balgerhoehe in die Luft gcsp engt. Bei Brügge wurden die Aus reißer eingeholt. Von dort ist es nur noch zehn Kilometer bis Ostende. Für unsere Feinde handelte cs sich in diesem Kampfe um Sein oder Nicht sein. Deshalb wehrten sie sich mit aller Kraft, so daß die Kämpfe sich längere Zeit hinzogen und einen ungemein heftigen Charakter annahmen. Durch den Besitz von Gent, das kampflos genommen wurde, ist unseren Truppen der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt in die Hände gefallen. Auch das nördlich von Gent, unmittel bar an der holländischen Grenze befindliche Selzaete wird von den Unserigen genommen. Auf dem Bahnhofsplatz in St. Nicolas, das unmittelbar nach dem Falle Antwerpens besetzt wurde, stellten deutsche Trnppenableilungen Kanonen und Maschinengewehre auf. Während den englischen und belgischen Trnppen dank der schnellen Verfolgung das Einkommen nach Eng land mißlang, wurde ihnen auch der Versuch, sich mit den verbündeten Armeen in Frankreich zu vereinigen, vereitelt, obwohl dieser Versuch durch englische und französische Marinesoldaten unterstützt wurde. Die Umzmgelungsaktion voll zieht sich Amsterdamer Meldungen zufolge auto matisch. Ihr Erfolg ist bombenfest. Es ist ein historischer Boden, auf dem die Kämpfe mit der zerstreuten Antwerpener Be- satzungLarmee ausgefochlen werden. Brabant und Flandern standen im Mittelalter in höchster Blüte, an Gent und Brügge knüpft sich eine Fülle historischer Erinnerungen. Im 14. Jahr hundert war Brügge Mittelpunkt des Welthandels, im 16 Jahrhundert Residenz der Herzöge von Burgund. In Brügge wurde 1488 Kaiser Maxi milian I., der „letzte Ritter", der mit Errichtung desReichskainmergerichtsden„ewigenLandfrieden" erlassen hatte, gefangen gehalten. Bis auf den heutigen Tag ist Brügge Sitz einer blühenden Spitzen-, Leinwand- und Baumwvllindustcie. Die Antwerpener Diamanten erhalten geblieben. Aus Antwerpen, das die größten Diamanteu- Schleifereien der Welt besitzt, waren zahlreiche österreichische Diamantenhändler zu Beginn des Krieges geflohen. Die Sorge, daß sie um ihren kostbaren Besitz kommen würden, den sie auf der eiligen Flucht nicht hatten mitnehmen können, hat sich erfreulicherweise als grundlos herausge stellt. Nach der Mitteilung eines Antwerpener Großhändlers an eine Wiener Juwelierfirma sind die Sichcrheitsfächer in dec Diamantenbörse unberührt und die Millioncnwerte völlig unver sehrt geblieben. Sie Wirkung unserer 42-Zentinleter-MSrser hat ein deutscher Offizier auf seltsame Weise am eigenen Leibe erfahren müssen. Er lag vor dem Fort Lonzin, das sich nach der Einnahme Lüttichs noch einige Zeit hielt, als ihm d c Idee zu einem Gemaltstreich kam. In dem Glauben, daß sich das Fort doch nicht mehr lange halten könne, oerferllgte er sich aus einem weißen Tuch und einer langen Stange eine Parlamentärfahne und ging auf das Fort los, um es zur Uebergabe aufzufordcrn. Er kam bis dicht ans Fort, ein belgischer Offizier und nn paar Soldaten liefen ihm entgegen, um ihn nach seinem Begehr zu fragen. Der deutsche Offizier fordert ihn gerade zur Uebergabe des Forts auf, als plötzlich die 42-Zentimeter-Mörser zu krachen anfangen. „Sie haben mit der weißen Fahne Ihrer Artillerie nur ein Ziel geben wollen I" schreit der Belgier erregt, und im nächsten Augenblick hat der wag halsige Deutsche eine Kugel im Kopf. In schwerverwundetem Zustand zerrt man ihn ins Fort, verbindet ihn notdürftig und bringt ihn in die unterste Kasematte. Und in diesem Verließ ist er nun Zeuge der furchtbaren Wir kung der 42-Zentimeter-Geschssfe. Er sieht, wie Soldaten durch den Lärm und den ganzen Ein druck wahnsinnig werden und von ihren eigenen Kameraden erschossen werden müssen, er sieht, wie in die dicke Doppelmauer seines Verließes ein Geschoß saust, ihn mit Steinen und Granat splittern überschüttet und ein paar Belgier in seiner Näge in schwarze, unkenntliche Fleisch klumpen verbrennt, er verliert allmählich das Gehör und sitzt nur noch, aus zahlreichen Wunden blutend, abgestumpft in s.uicr Ecke. Da plötzlich hört er unter sich aus der Erde furchtbare Donner schläge kommen, die dicken Eisenbetanwände öffnen sich und dicker Qualm hüllt ihn ein. Die deutschen Geschosse haben die belgischen Kammern, die noch bis zum Rand mit Granaten gefüllt sind, getroffen und in dem um sich greifenden Brande kommen diese zur Explosion. Die Hölle aus Erden! Die grauenhafte Gefahr gibt dem Schwerverwundeten noch einmal Kräfte und in dem allgemeinen Wirrwarr kann er schließlich lebend entkommen. Jie Verlustliste Rr. 33 der MWen Armee. (Schluß aus voriger Nummer.) Infanterie-Regiment Nr. 134. 1. Kompagnie: 2 Mann ft, 6 verw. — 2. Kompagnie: 7 Mann verw. — 3. Kompagnie: 5 Mann -s-, 1 Leutnant und 4 Mann verw. — 4. Kompagnie: 1 Mann ft, 15 verw. Infanterie-Regiment Nr. 179. Stab des 2. Bataillons: 1 Mann ft, 1 Haupt mann und 3 Mann verw. — 6. Kompagnie: 4 Mann verw. — 7. Kompagnie: 2 Mann ft, 6 verw. — 8. Kompagnie: 3 Mann ft, 3 verw., 21 vermißt. — 9. Kompagnie: 9 Mann verw. — 10. Kompagnie: 1 Leutnant und 5 Mann ft, 17 verw. — 11. Kompagnie: 2 Mann ft, 12 verw. — 12. Kompagnie: 1 Mann 1-, 7 verw. — Maschinengewehr-Kompagnie: 1 Mann verw. Jofauterie-Reßimeat Nr. 181. 5. Kompagnie: 7 Mann verw., 13 vermißt. — 7. Kompagnie: 3 Mann ft. — 8. Kompagnie: 2 Mann verw. Jnsanterie-Regimemt Nr. 182. 1. Kompagnie: 7 Mann ft, 1 Hauptmann und 20 Mann verw. — 2. Kompagnie: 2 Mann ft, 12 verw. — 3. Kompagnie: 2 Mann ft, 1 Leut nant und 9 Mann verw. — 4. Kompagnie: 1 Oberleutnant und 2 Mann ft, 10 verw. — 6. Kompagnie: 9 Mann ft, 1 Leutnant und 30 Mann verw., 13 vermißt. — 6. Kompagnie: 10 Mann ft, 16 verw., 9 vermißt. — 7. Kompagnie: 5 Mann ft, 9 verw., 5 vermißt. — 8. Kompa gnie: 9 Mann -j-, 1 Leutnant und 24 Mann verw., 15 vermißt. — 9. Kompagnie: 9 Mann ft, 16 verw., 3 vermißt. — 11. Kompagnie: 7 Mann ft, 43 verw., 37 vermißt. — 12. Kompagnie: 8 Mann 1-, 54 verw., 45 vermißt. — Maschinen gewehr-Kompagnie: 1 Oberleutnant und 1 Mann verw. RZc:vl-ZSger-Bata>llon Nr. 12. Stab: 1 Stabsarzt verw. — 1. Kompagnie: 22 Mann ft, 1 H.nip mann und 21 Mann verw. — 2. Kompagnie: 8 Mann ft, 1 Oberleutnant, 1 Leutnant und 19 Mann verw. — 3. Kompagnie: 10 Mann ft, 34 verw. — 4. Kompagnie: 1 Mann ft, 6 verw. Jäger-Bütaillon Rr. 13. 4. Kompagnie: 1 Leutnant verw. Ersatz-Akteiluug LcS Jäger-BataillonS Nr. 13. Radfahrer-Kompagnie: 12 Mann ft, 2 Leut nants und 27 Mann verw., 12 vermißt. Kavallerie-Ersatz-Abteiluug Nr. 12. 1 Mann verw. Reserve-Feldartillerit-Regiment Nr. 23. Stab der 1. Abteilung: 1 Mann verwundet. — 1. Batterie: 3 Mann ft, 1 Oberleutnant und 18 Mann verwundet, 1 vermißt. — 2. Batterie: 3 Mann verwundet. — Stab der 2. Abteilung: 1 Stabsarzt verw. — 4 Batterie: 1 Hauptmann und 14 Mann verw. — 5 Batterie: 1 Mann ft, 13 verw. — 6. Batterie: 2 Mann ft, 1 Ober leutnant und Batterieführer und 13 Mann verw., 1 vermißt. — Leichte Munitions-Kolonne der 2. Abteilung: 3 Mann verw. — 7. Batterie: 3 Mann ft, 1 Leutnant und 3 Mann verwundet. — 8. Batterie: 2 Mann ft, 9 verw. — 9. Bat terie: 1 Mann ft, 1 verw., 1 vermißt. — Leichte Munitions-Kolonne: 1 Mann verw. Keldartillerie-Regimeut Nr. 32. 4. Batterie: 3 Mann ft, 14 verw. — 5. Bat terie: 1 Mann ft, 6 verwundet. — 6. Batterie: 1 Mann ft, 13 verw. — Leichte Munitions- Kolonne der 2. Abteilung: 1 Mann verw. ' Fel-artlllerie-Reziment Nr. 68. 3. Batterie: 1 Mann ft, 2 Leutnants und 13 Mann verw. — 1. leichte Munitions-Kolonne: 6 Mann verw., 3 vermißt. Mörser-Regimeut Nr. 12. 1 Mann -ft Kuhartillerie-Regiment Nr. 19. 1. Batterie: 1 Leutnant und 2 Mann ft, 2 verwundet. Pionier-Bataillon Nr. 12. 2. Feldkompagnie: 5 Mann -st 25 verw., 3 vermißt. Pionier-Bataillon Rr. 22. 2. Feldkompagnie: 1 Mann ft. — 3. Feld kompagnie: 1 Mann verwundet. Oertliches und Sächsisches» * — Zollaufhebung für verdorbene oder mit Mängeln behaftete, zu Viehsutter be stimmte Waren. Bei der Handelskammer Chemnitz kann von einem auf Grund des tz3 des Ermächtigungsgesetzes vom 4. August 1914 gefaßten Bundesratsbeschlusses über die zollfreie Einfuhr von verdorbenen oder mit Mängeln behafteten Waren, die deshalb als Viehsutter verwandt werden sollen, Einsicht genommen werden. * — Achtung, Rekruten! Alle zum Heeresdienst Ausgehobenen, die in Kürze bei ihren Truppenteilen einzutresfen haben, mögen nicht unterlassen, sich vor der Abreise bei den Ortsbehörden abzumelden. * — Die DeutscheTurnerschaft im Kriege. Mehr als eine halbe Million Turner stehen im Dienst des Vaterlandes un ter Waffen. Seit dem Jahre 1902 stellt die Deutsche Turnerschaft, von der 1913 allein 50 000 Rekruten ins Heer eintraten, in ihrer alljährlichen Bestandeserhebung die Zahl der Turner, die jährlich zum Militär einberufen wurden, fest. Sie beträgt für diese 12 Jahre etwa 360 000. Der Dienst in der Reserve und Landwehr dauert aber 19 Jahre. Bei sehr niedriger Schätzung kommen für die fehlenden 7 Jahre nochmals an 200 000 Turner hinzu, sodaß es insgesamt — die Abgänge mit 60 000 berechnet — etwa 500 000 Turner find, die als aktive Soldaten, Reservisten oder Land wehrleute unter den Fahnen stehen. Hierzu kommen noch die mit 100 000 nicht zu hoch veranschlagt sind, sodaß die Deutsche Turner- schast zu dem Volk in Waffen an 600 000 körperlich und geistig durch das Turnen ge schulte Mitglieder gestellt hat. *— Für den F a h r k a r t e n v e r - kauf bestehen im Binnenverkehrs der Säch sischen Staatsbahnen besondere Einrichtungen, deren Beachtung für den Ausflugverkehr und namentlich auch für Besucher von Lazaretten empfehlenswert ist. Es werden nämlich die am Schalter aufliegcnden Fahrkarten auf Ver langen auch zur Fahrt in umgekehrter Rich tung verabfolgt und diesfalls durch den Stem pelaufdruck „Rückf." gekennzeichnet. Die gleich zeitige Lösung einer Fahrkarte zur Hinfahrt ist nicht nötig. Die Karten zur Rückfahrt kön nen außerdem auch zur Benutzung von einer anderen Station, für eine andere Klasse, für eine andere Zuggattung, über einen anderen Weg oder in größerer Anzahl gelöst werden als zur Hinfahrt. Zur Vermeidung von Ver zögerungen bei der Fahrkartenprüfung emp fiehlt es sich, die mit dem Stempel „Rücks." versehenen Karten bei der Hinfahrt überhaupt nicht mit vorzuzeigen. Außerdem werden aus einer größeren Anzahl von Stationen mit stär kerem Personenverkehre sogenannte Doppel karten verabfolgt, die für Hin- und Rückfahrt gelten. Die Doppelkarte besteht aus 2 trenn baren Teilen; nach Beendigung der Hinreise wird der für die Hinfahrt dienende untere weiße Teil abgetrennt, der obere farbige Teil Kist M Wuenlebkn. Roman von K. Deutsch. 4. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Sie sollen von jetzt an die Aufsicht über die kleine Irma und den Tisza haben und sic unterrichten; Sie sind ja deshalb den wei ten Weg hierhergekommen. Ich habe mich mit den Kleinen viel zu lang geplagt; sie waren ein und zwei Jahre alt, als sie nach dem Schlosse gebracht wurden, und jetzt sind sie fünf und sechs Jahre. Die Kinder sind mir ans Herz gewachsen . . . machen Kisaszony es nicht, daß sie ihre Datka ganz vergessen." Tränen standen in den Augen der alten Frau. „Das haben Sie nicht zu befürchten," ver setzte Elisabeth gerührt und legte die Hand aus die Schulter der Alten, „Sie sollen im Gegenteil von nun an ihre Pflegerin noch mehr lieben und ehren." Sie durchschritten mehrere große Zimmer, dann blieb die Datka vor zwei mächtigen Flü geltüren stehen. „Die Hochwohlgeborene er wartet Sie in ihrem Salon; der gnädige Herr Gras ist bei ihr." Das brauchte die Alte gar nicht zu sagen, sie erkannte die tiefe Baßstimme des Rittmei sters, der eben sprach. Das Blut stieg ihr heiß ins Gesicht und das Herz pochte hörbar, dann aber klopfte sie und trat ein. R. Es war ein hohes, getäfeltes Zimmer, sechsfensterig und mit dem feinsten Geschmack ausgestattet, großartiger aber noch wie die innere Einrichtung war die äußere Umge bung, die von allen Seiten durch die Fenster blickte; riesenhaftä Gebirgsmassen, himmelan stürmend und mit ewigem Schnee bedeckt. Am obersten Ende des Zimmers befand sich eine große Nische, die mit blühenden Topfgewäch sen ausgesüllt war, und in der Nähe dersel ben saß an einem mit Rechnungen und Brie fen bedeckten Tische eine Dame, neben ihr der Rittmeister. Die Dame, Gräfin Helene Csil- lagi, war eine hohe, imponierende Erschei nung. Das Haar war schneeweiß, obwohl das Gesicht einen viel jüngeren Ausdruck trug. Die Züge desselben waren stolz, kalt, saft strenge, ihr ganzes Wesen hatte etwas Abge schlossenes, Einförmiges, und das Strenge und Herbe ihrer Erscheinung wurde noch durch dis tiefe Trauer, in die sie gekleidet, erhöht. Nichts Lichtes und Freundliches an ihr. . . als die schneeweißen Locken, die unter der schwarzen Haube Hervorguolien. Beim Eintritt des Mädchens erhob sich Graf Geza und trat mit kaum merklichem Gruße an eines der Fenster. Elisabeth durch schritt den Rauin und stand mit einer stum men Verbeugung vor der Gräfin. Ein Ausdruck tiefster, lebhafter Ueber- raschung trat in das Gesicht der Schloßherrin. Beim Hellen Tageslichte zeigte sich erst die seltene Schönheit des Mädchens, der ganze reine, keusche Adel, der in ihrer Erscheinung lag. Sie hatte offenbar eine viel ältere Dame erwartet und war fast bestürzt beim Anblicke des Mädchens. „Sie sind Elisabeth Werner?" fragte die Dame nach einer Pause, in der sie unabläs sig ihr Gegenüber betrachtete. Stumm bejahte es diese. „Bitte, nehmen Sie Platz!" Die Gräfin wies auf einen Stuhl in einiger Entfernung. „Fräulein Schmidt, eine alte Bekannte von mir, mit der ich unterhandelte, schrieb, daß Sie sieben Jahre als Lehrerin in ihrer An stalt wirkten." „So ist es, Exzellenz." „Ich kann es kaum glauben, Sie sind zu jung für ein solch' langjähriges öffentliches Wirken." „Ich bin fünfundzwanzig Jahre, Frau Gräfin," versetzte Elisabeth mit schlichter Of fenheit, „und nach den Begriffen Ihres Lan des nennt man das gewiß ein altes Mäd chen." — Ein leises Lächeln glitt über das stolze Gesicht der Schloßherrin, das es aus eine merkwürdige Weise verschönte. „Auch in unserem Lande ändern sich schon diese Begriffe," sagte sie dann, „und Ihnen sieht man Ihre fünfundzwanzig Jahre, die Sie so sehr herausgestrichen, durchaus nicht an. Doch das läßt sich nun einmal nicht än dern. So ernst Sie scheinen, so wünschen Sie sich doch nicht, Ihrer Stellung zuliebe, Run zeln." Es war ein Scherz, der über die Lippen der Gräfin glitt und doch schien es Elisabeth, als streife ein ernster, rasch verstohlener Blick den Sohn. „Wie war Ihre Reise? Doch gut?" fragte sie dann, plötzlich ablenkend. „In dieser strengen Jahreszeit und bei ei ner solch weiten Reise kann man keine großen Ansprüche machen." „Sie scheinen sich nach den Verhältnissen zu richten und das zeigt meistens einen klu gen, bescheidenen Sinn," versetzte die Gräfin, und obwohl dies ein Kompliment war, so war weder der Ausdruck ihres Gesichtes, noch der Ton ihrer Stimme wärmer und lebhafter. „Ich denke, Sie werden sich hier gefallen," fuhr die Dame fort. „Im Winter ist es ein förmig, da man auf sich selbst angewiesen ist. Der Sommer entschädigt aber vollständig durch die Großartigkeit einer Natur, die ihresglei chen zu suchen hat; ein beliebter Badeort ist in der Nähe. . . . Die Bedingungen kennen Sie, zu denen Sie sich verpflichtet haben, Sie sind Erzieherin, aber zugleich auch Gesellschaf terin. Bei meinen Enkeln übernehmen Sie nur den Unterricht, Ihre übrige Zeit gehört mir. Ich kann mich nicht viel allein beschäf tigen, da meine Augen etwas angegriffen sind; Ihre Aufgabe soll sein, mich zu zerstreuen und aufzuheitern." „Ich werde mein Möglichstes tun, das Vertrauen der Frau Gräfin zu rechtfertigen." In diesem Augenblicke ertönte vor der Türe draußen Lärm, lachende Kindcrstim- men und die sanfte, zurechtweisende Stimme der Datka ließen sich hören. „Das sind meine Enkel," sagte die Gräfin, „sie Pflegen sich immer so stürmisch anzumel- den, das heißt, nur der Tisza, die Irma ist ein stilles, ruhiges Kind." Die Tür wurde aufgerissen und herein stürmte ein Knabe, etwas langsamer folgte ein kleines Mädchen; die Datka stand an der Tür, und ihr altes treues Gesicht schien zu sagen, ich kann nicht dafür, daß er wieder so wild ist. (Fortsetzung folgt.)