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Kugelregen die Verwundeten zum sicheren Ver- bandsplatz. Es pfiffen auch Kugeln vom Rücken her über uns. Aha, da gewahrten wir in einem herrlichen Garten ein villenartiges Landhaus, aus dem die hinterlistigen Schüsse knallten. Hinein gings — die Türen und Fen ster mit dem Gewehrkolben eingeschlagen, die Bewohner, Mann und Frau, aus dem Keller hervorgeholt, diese Verbrecher niedergeknallt und das Haus in Brand gesteckt. So ist es dem ganzen Ort Barcelare bei Upern ergangen, wo die zurückgebliebenen Bewohner auf ein bestimmtes Glockenzeichen vom Kirchturm her den Kamps auf uns eröffneten. Ein furchtba rer Straßenkampf und ein Blutbad sonderglei- chen wurde in der Dämmerung angerichtet, wobei sämtliche Franktireurs sielen oder in den Flammen umkamen. Wir hatten im Bataillon aber auch 150 Tote zu beklagen. Es gings abends aus dem Schützengraben heraus und weiter vor bis an die Landstra ße, im Sturm wieder über die Straße weg und noch 50 Schritte vor. Hier war Schluß und jeder Kamerad mutzte sich schnell in dem nahen Rübenfelde Deckung suchen. Die Dek- kung war aber dem mörderischen Feuer des bei weitem überlegenen Gegners nicht gut genug, beinahe schlecht zu nennen. Es siel hier durch Bauchschuß unser 2. Zugführer Vizefeldwebel Köhler und der 3. Zugführer Leutnant Hin zemann wurde durch Handschutz verwundet. Außerdem wurde die 4. Kompagnie noch durch den Verlust manches treuen und tapferen Ka ineraden arg in Mitleidenschaft gezogen. Wir versuchten mit den Händen rasch ein kleines Loch zu graben, in das wir wenigstens den Kopf hineinstecken konnten. So lagen wir bei nahe 1 Stunde in heißem Kampfe und unter gräßlichem Schrapnell- und Granatfeuer, das vernichtend wirkte und wogegen es hier keinen Schutz gab. Es summte und heulte Ssss— uns um die Ohren, daß einem der Verstand bald verging. Es half nichts, wir muhten zu rück in den nahen Wald, um dort gesammelt einen neuen Vorstoß zu beginnen. Ehe der Abend herankam, wurde die alte Stellung nahe bei Barceloua auch wieder mit vereinten Kräf ten genommen. Die Regimenter, Sachsen und Schwaben, alles war bunt durcheinander ge würfelt. Ich war mit 2 Lungwitzern und ei nem Vogtländer in das schwäbische Regiment . . . geraten. Es drohte Nacht zu werden und wir warfen uns einen Schützengraben aus, lrotzdem noch ab und zu feindliche Kugeln her- überpfifsen. Auf Armeekorpsbefehl wurden abends die Schützengräben wieder geräumt, die Regimenter zogen sich zurück, um sich möglichst zu sammeln. Unter freiem Himmel etwas geschlafen, wurden früh in einer ganz anderen Stellung wieder Schützengräben ausgeworfen. Soweit war der Kamps gediehen vom 18. bis 22. Oktober, wo wir nur wenige Kilometer vorwärts gekommen sind. Wir kommen erst an und müssen uns meistens während der Nacht gut verschanzen, während das ganze feindliche Gesindel: Belgier, Franzosen, Zuaven, Indier und nicht zuletzt englische Eliteicuppen sich schon seit Wochen außerordentlich gut und lief verschanzt babcn und obendrüber Pfosten und Bretter gegen unsere Schrapnells schlitzend ge legt Haden. Die furchtbar blutigen Kämpfe um shpern- und Aser-Kanal, die wir ost schwer bezahlen müssen, weil wir stets die Angreiser sind, werden ja auch jetzt mit Erfolg gekrönt und bringen dem Feinde noch viel härtere Schläge bei. Unsere frischen Truppen, die, zu meist bis zur Hälfte aus Kriegsfreiwilligen be- slchend, auf dem blutgetränkten Boden ron Upern kämpfen, sind von einem Heldenmut und einer todesverachtenden Tapferkeit, die un beschreiblich sind, und die auch vor unmöglich scheinenden Aufgaben nicht Halt machen. Der Kampf um Upern wütet so furchtbar, daß die Wirklichkeit alles, was sich die Phantasie aus malen kann, weit übertrifft. Man darf nicht vergessen, daß gerade die Bayern es in den dort stehenden englischen Regimentern mit ei nem Gegner zu tun haben, der an zähem Wi derstand das denkbar Mögliche leistet und ei nen erbitterten Verzweiflungskampf führt. Trotz der starken Verluste, unter denen übrigens mich unsere Gegner zu leiden haben, ist der Kamp- fesmut und die Begeisterung unserer Truppen nach wie vor unvergleichlich. Ich sprach mit einer bayrischen Gesechtsordonnanz, die mir er klärte, daß 2 bayrische Bataillone tagszuvor mit aufgepflanztem Seitengewehr einen Sturm angriff gemacht haben, ihn aber unter schweren Verlusten wieder ausgeben mußten. Alle, die sicher in der Heimat sitzen, kön nen sich kein Bild machen von den übermensch lichen Anforderungen, die an unsere wackeren Krieger dort gestellt werden. Sie haben alle Ursache, aus tiefstein Herzen unseren Wackeren im Felde durch stete Opfersreude dankbar zu sein. Würfelzucker, Kaffee, Schokolade oder harte Wurst können die wackeren Kameraden im Schützengraben sehr gut gebrauche»!, ebenfalls wollene Decken und Unterkleider, sonst »nuß man dort bald erfrieren. Bei Gelegenheit folgt Bries 2. Unterossizier Paul Braun. Verwundet im November bei Apern durch Futzschuß rechts, z. Z. im Lazarett Rheinberg (Rheinland). Briefe ans dem Felde. (Zur Veröffentlichung zugelasfen von der Prrsse- abteilung des stellvertretenden Generalkommandos des 19. Armeekorps.) Vl. Vom östlichen Kriegsschauplatz wird uns von einem Freunde unseres Blattes geschrieben: Nach einem wahren Schlemmerleben in Nowe-Miasto, das wir als Elappenkvmpagnie 14 Tage lang führten, rückten wir am 22. Oktober nach Rawa ab, wo tags darauf heftige Kämpfe entbrannten. UnS Landwehrleuten vom Regiment Nr. . . . waren indessen noch zwei ruhige Tage vergönnt, dann trafen wir bei Motlao ein, wo es gleich an die Herstellung von Verschanzungen ging. Tiefe Schützengräben mit sicheren Unterständen, an denen von nachmittags bis nachts 12 Uhr emsig gearbeitet wurde, nahmen uns für 3 Tage und Nächte auf. Tagsüber gabs nichts zu essen, erst abends brachten uns Kameraden von der Bagage unser Essen, das uns hervorragend mundete. Feüh an» 25. Oktober war noch alles ruhig, aber nachmittags setzte eine heftigeKanonade ein, die am nächsten Morgen in verstärktein Maße von sich hören machte. Bald zischten die Schrapnells und Granaten über uns hinweg, begleitet vor» den Gewehrschüssen der Rusten. Aber auch unsere Artillerie war auf dem Posten. In aller Ruhe wurden die eisernen Grüße dein Feinde entgegengefandt. Ratterndes Maschincn- gewehrfeucr und lebhaftes Kleingewehrfeucr unsererseits ließcn manchen Russen ins Gras beißen. Die Russen wehrten sich tapfer, schossen aber entweder zu kurz oder zu weit. Unsere Verluste waren sehr gering, die des Feindes groß; wir nahmen zahlreiche Russen gefangen, die nach D utschland abgeschoben wurden. Aus taktischen Erwägungen heraus wurde ein uns gegenüber liegendes Dorf vollkommen in Brand gesetzt, sodaß es in kurzer Zeit dem Erdboden glich. Gegen Abend des 26. Oktober versuchten die Allsten durchzubrechen, sie wurden aber mit blutigen Köpfen heimgeschickt. Unheimlich klang in die dunkle Nacht hinein das wütende Klein- gewehrseuer, untermischt von Salven. Gegen Morgen trat einige Stille ein, die beruhigend auf die aufgeregten Nerven, soweit man von solchen überhaupt noch sprechen kann, wirkte. Doch bald geht« erneut los, ein regeS Artillerie- Duell kommt zustande, wobei die Rusten unsere Bagage beschoffen, die schleunigst nach Jeshow zu entwischte. Unsere eigene Sicherheit war uns teilweise nicht so wertvoll, wie die der Bagage, denn bei letzterer befand sich der von Kamerad Emil Werner geführte Postwagen mit der ganzen seit 3 Wochen nicht empfangenen Post aus der Heimat I Der Wagen geriet in heftiges Feuer, konnte sich jedoch glücklicherweise in Sicherheit bringen. Aus Gründen strategischer Art wurden abends 8,30 Uhr die Schützengräben geräumt und fort gings, in die dunkle Nacht hinein, in der Richtung Tomaschow-Petrikau. Von der schlechten Beschaffenheit der russischen „Staats"- straßen habe ich Ihnen ja schon einmal geschrieben. Die Wege sind hier wirklich unter aller Kanone: fußhoher Schlamm, meterhoher Sand und ebenso tiefe Löcher wechseln einträchtig miteinander ab. War es schon sür uns Landwehrleute mit dem wohlgefüllten Tornister, zu deutsch „Affe", eine Qual, hindurchzukommen, so umsomehr noch für die braven Pferdchen der Artillerie und Bagage. Viele von ihnen, die vor Mattigkeit umfielen, wurden durch einen gutgezielten Schuß getötet, denn sie konnten oft tatsächlich nicht mehr vor wärts. Sobald es anging, wurden neue Pferde requiriert, d. h. irgend einem Bauern, der unS entgegenkam, wurden die eigenen Pferde kurzer hand ausgespannt oder aus dem Stall geführt, natürlich gegen Schein. Unser Küchenwagen, den wir bei Neidenburg von der russischen Armee „requiriert" hatten, kam hierbei in eine „schiefe" Lage, d. h. er »nachte es wie müde Pferde und legte sich auf die Seite. Der Wagen war bis oben hinan für 3 Tage mit Lebensmitteln für die Kompagnie beladen, er blieb jedoch in einem Sandberg stecken und alles Anziehen derRuffen- pserdchen blieb erfolglos. In der stockdunklen Nacht fuhr der Vierspänner zu allem Unglück auch noch gegen einen Stein an, sodaß er um stürzte. In wetiem Bogen flogen Brote, Fleisch porttonen, Gänse, Tornister und Decken heraus, ein wüstes Tohuwabohu bildend. Währendem zogen die Truppen an dem Wagen vorbei, der bald „allein auf weiter Flur" dalag, nicht zum Ergötzen der Begleitmannschaften, von denen Gotthilf Bauer auS Oberlungwitz und Bruno Müller aus Hohenstein-Ernstthal weidlich schimpf ten, denn man muhte mit der Möglichkeit rechnen, Sie BernichtW der englischen Srendnnnght „MaciW". Durch den Untergang dieses Dreadnoughts ist die englische Marine von einem schweicu Schlage getroffen worden. Die „Audacious" (unser Bild) gehörte zu den neuesten und stärksten Linienschiffen, die die Engländer gebaut haben. Sie stammt aus dem Jahre 1912 und hatte eine Wasserverdrängung von 23370 Tonnen und eine Besatzung von 1000 Mann. Die Armierung bestand aus zehn 34,3-om-, sechszehn 10,2-om° und vier 4,7-om-Geschützen, fünf Maschinenkanonen usw., drei Torpedolai cierrohren. Die Ge schwindigkeit betrug 21/22,1 Knoten. daß russische Kavalleriepatrouillen folgten. Um '/,2 Uhr nachts machte man sich unter Führung des Unteroffiziers Häußler auS Lößnitz auf die Suche nach neuen Wagen, deren man zwei nach '/,stündigem Suchen in einem seitwärts liegenden Dorfe fand. Die an der „Unfallstelle" zurück- gebliebenen Mannschaften brachten inzwischen Ordnung in das wüste Durcheinander, daS dann so gut eS ging wieder auf die beiden requirierten Wagen aufgeladen wurde. Was zuviel war, blieb liegen, so u. a. die bereits ausgeschlachteten Gänse, die uns Kamerad Bergner, ein gebürtigcr Ernstthaler, jetzt in Zwickau wohnhaft, zubcreiten sollte. B. ist nämlich auf diesem Gebiet eine anerkannte Größe. Um '/,3 Uhr ging die Fahre weiter, durch aufgeweichte Wege und Moräste, deren Schlamm den Pferden fast bis an den Bauch reichte. Wieder mußte gehalten werden, denn vor Erschöpfung konnten die Tiere nicht weiter. In einem Dorfe wurde»! Lichter gefaßt und dann hieß es „Pfadfinder herausI" Vonden Truppen war nichts mehr zu sehen und zu hören. Da hieß e« die Straßen untersuchen nach den Fnß- und Wagenspuren der Truppe. Nach langem Suchen fand mar» auch solche und fort gings über Gräben und Ackerfelder. Um das Maß voll zu machen, warf unser „Spitzenreiter", „Schröder-Wilhelm" aus Leipzig-Lößnig, uin '/z4 Uhr einen der neuen Wagen um, worauf sich ein Donnerwetter des Korporals Häußler entlud, untermischt von den sanften Flötentönen des „Bauer-'Hilf". Einträchtig wurde wieder aufgeladen, wobei Bruno Müllers weiße Weste, die er seit Soldau als Obermeister der Fleischer innung der Kompagnie trägt, in das Dunkel der Nacht leuchtete. Ein weiterer Fleischer, „Bauer- miehl" (Emil Bauer aus Glauchau), hatte sich vorher beim Postwagen in Sicherheit gebracht und kam so um die verschiedenen Genüsse der nächtlichen Fahrt. Um 4 Uhr mußte gehalten werden, denn Menschen und Tiere konnten nicht weiter. Im nahen Wald schlief man einige Stunden und dann gings mit frischen Kräften weiter. Endlich, um 12 Uhr mittags, traf der Küchenwagen, jubelnd begrüßt von der hungrigen Kompagnie, wieder beirn Bataillon ein. WirLand- wehrleute hatten den anstrengendeu Nachlmarsch um 8 Uhr früh überstanden, d. h. von den ca. 200 Mann der Kompagnie waren 88 bis zum Schluß mitmarschiert, darunter auch ich. Der Rest folgte allmählich, doch gelang die Loslösung vom Feind vortrefflich. Wir werden diese Nacht nicht so schnell wieder vergessen! — Jetzt liegen wir seit einigen Tagen, etwa 40 Kilometer von der deutschen Grenze, in den Schützengräben bei WegeSglasz in Erwartung der Russen, die uns leider aber noch nicht folgten. Wir alle hoffen, recht bald wieder nach Deutschland zurückkehren zu können, wenigstens etwas Ruhe erhoffen wir nach den Strapazen der letzten Zett. Mit dem Wunsche, daß der endgültige Sieg sich an unsere Fahnen heften möge, begrüßen Sie viele Landwehrleute aus Hohenstein-Ernstthal, Ober- lungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Langen berg, Meinsdorf, Falken, Langenchursdorf und Kuhschnappel. Oertliches rrnd Sächsisches * — Dank für die Liebesgaben des Zweigvereins vom Roten Kreuz Glauchau und Umgegend. Bon einem der bedachten Truppenteile, dem 2. Bataillon des Reserve Regiments 106, traf jetzt das erste Dankschrei- ben für die Ende Oktober abgesandten Liebes- gäbe»» ein. Datiert vom 19. November 1914: „Heute hatte das 2. Bataillon das Glück, eine Umnasse von Liebesgaben aus Glauchau in Empfang nehmen zu können. Jede Kompagnie des Bataillons wurde reichlich mit allerhand Sachen beschenkt. Wir fühlen uns zu ganz besonders heißem Dank verpflichtet. Nie wer den die tapferen Krieger diese Wohltaten der Glauchauer Bürger vergessen." Dieser Daut gilt allen denen, welche zu den Liebesgaben bcigetragen haben. Es ist zu hoffen, daß in zwischen auch die übrigen bedachten Truppen teile, insbesondere auch das Landsturm-Batail lon Glauchau, in» Besitz der für sie gleichfalls abgegangenen Liebesgabeusenduugen gelangt sind. * — Ausfuhrverbot v o n S t r i ck- m aschinen und - Nadetn. Die Han- Kill tilles zramleden. Roman von K. Deutsch. 88 Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Was sind alle Entschlüsse und Vorsätze? Eine Zeit lang werden die heißen Empfin dungen niedergehalten, wie die rebellischen Was ser durch eine äußere stärkere Kraft, dann ein Moment, die Wasser steigen und die Dämine sind zerrissen. Tief war Geza von den» Bewußtsein durch drungen, daß er ihrer nicht wert, daß sie ihn nicht lieben könne, jetzt, da er sie vom sicheren Tode gerettet, sie in den Armen hielt, wußte er nur das Eine, daß er ohne sie nicht leben könne, daß sie sein werden müsse. War sie zu schwach, ihm Einhalt zu ge bieten, als er in heißen Worten sein Liebcs- »verben aufs neue begann? Oder ließen sie ähnliche Empfindungen verstummen? Ihr Ge sicht hatte nichts Abweisendes in diesem Au genblicke, es lag im Gegenteil ein Ausdruck stillen, süßen Glücks darin. Und verstand ein Herz die Sprache des andern? Es kain wie eine Verheißung über ihn. „Elisabeth, willst Du mein werden?" Sie machte sich sanft von ihm los und setzte sich, er aber hielt ihre Hände fest und wieder holte leidenschaftlich flehend seine Worte. „Ich ... ich will erst mit Ihrer Mutter sprechen, bevor ich Ihnen antworte," sagte sie nach langem Schweigen. Sie hatte die Au gen gesenkt, und er fühlte das leise Beben ihrer Hände. „O, bitte, machen Sie mich nicht irre, es muß sein," fuhr sie fort, als er ihr etwas stürmisch erwidern wollte. „Das eine sollen Sie wissen ... zu Ihrer Beruhigung, ich . . . ich zürne Ihnen nicht, wie in jener Nacht aus der Landstraße . . . Jetzt bitte, gehen Sie ins Schloß und schicken Sie mir Datka mit trockenen Kleidern. Man wird mich suchen." Er war schor» bei der Tür und blieb wie der stehen. „Elisabeth, eine Bitte," sagte er und wies auf ihr Haar, das aufgelöst wie ein goldener Mantel sie umfloß. „Elisabeth, eine Locke zum Andenken an diese Stunde!" Sie sah nicht auf, aber sie nickte leise Be jahung. Sein Zigarrenetui barg eine kleine goldene Schere. Als er in die weiche, glänzende Fülle griff, zitterten seine Hände. Er schnitt die Locke ab, aber die Versuchung war größer als sein Wille. Ihr Gesicht, ihr Atem war so nahe dein seinen . . . Ehe er selber wußte, wie cs geschah, hatte er ihren Kopf an sich gedrückt, und seine Lippen berührten ihre Augen, dann stürmte er hinaus. VXÜ. Da kam die Nacht. Tisza war zu Bett wohl der Schreck, der sich da festgesetzt hat." „O, gnädige Gräfin, es sitzt hier wie ein Stein," sie Ivies nach den» Herzen. „Es ist gebracht worden und verfiel in einen ruhigen, festen Schlaf. Es hatte lange gedauert, bis man ihn ins Leben zurückaerusen, aber der Arzt gab trotzdem die bernhigendsten Hoff nungen. Ein ungestörter Lchlaf und einige Tage Ruhe würden wieder alles bei dem Kin de ins Geleise bringen. Die Gräfin hatte während der ganzen Zeit Elisabeth weder gesehen noch gesprochen, das Entsetze»» beim Anblick des toten Knaben hat te jedes andere Empfinden und Interesse in ihr ausgelöscht, da harte sie erst empfunden, was ihrem Herzen die Kinder ihrer verstorbe nen Tochter waren. Sie hatte sich nach der mutigen Retterin erkundigt und erfahre»», der Graf habe sie ins Schloß gebracht, wo sie sich erholt habe. Als der Arzt kam, und bei Tis za nichts mehr zu tun war, schickte sie ihn zu Elisabeth hinauf, auch er beruhigte sie: das Fräulein sei noch etwas matt, aber voltstän dig erholt. Jetzt, da sie der ruhige, feste Schlaf des Knaben b«uhtgte, beschloß sie, selbst nach ihrer Gesellschafterin zu sehen, um ihr für die Ret tung Tiszas zu danken. Eben wollte sie leise das Zimmer verlassen, als sich die Tür öffnete und die Datka hereintrat. „Hast Du geschlafen, Sanna, und ist Dir leichter?" Das Gesicht der treuen Alten sah ebenfalls so angegriffen aus, wie das der Nächstbeteilig ten. Daß ihr auch das passieren mutzte, der Treuen, Vorsorglichen! Sie hatte nach dem Unfälle zu den Füßen der Gräfin gelegen und sic angeflcht, sie mit Schimpf und Schande aus den» Schlosse zu jagen, sie war so außer sich gewesen, daß sie die Gräfin beruhigen und ihr mit tröstenden Worten zusprechen mutzte, so sagte sie auch jetzt: „Bleib' hier, ich schicke dir durch Janko ein Glas Wein. Bleib' hier bei Tisza, bis ich zurückkomme, ich will zu Fräulein Werner hinaus." „Das Fräulein hat mich eben mit einem Auftrag an die Hochwohlgeborene geschickt, sie ließe die Hochwohlgeborene um eine Unterre düng bitten." „Mich?" fragte die Gräfin befremdet, „und zu dieser Stunde?" „Ja, die Kisaszony ließe die Gnädige sehr darum bitten, eS müßte noch heute sein." Was soll das bedeuten? Was konnte die Gesellschafterin Wichtiges mitzuteilen haben? „Als sie vom Arzt erfuhr, daß Tisza schlief," fuhr Tanna fort, „und nichts für ihn zu be suchten sei, schickte sie mich gleich mit dein Auf trag an die Gnädige." „Bescheide sie nach meinem Salon, ich wer de mich gleich hin verfügen," sagte die Gräfin. (Fortsetzung folgt.)