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§tUM DU WeWMWaler AuDiger Tagrblatk. Nr. 2tt0 Lounabend, de« 7. November 1814 41 Jahrgang Internatiomle Interessen. Jin Perlaufe des Weltkrieges haben wir von den Schlachtfeldern viele erfreuliche Mit teilungen erhalten, die uns von einer günsti gen Zukunft felsenfest überzeugt haben. Nun haben sich die Dinge aber auch auf dem Ge biete von Handel und Wandel, im großen Reiche der Arbeitstätigtert so weit geklärt, daß wir hier ebenfalls gute Tatsachen feststel len können. Es ist bekannt, wie die Zeitun gen in neutralen Ländern unter dem Einfluß der französischen und englischen Lügen man cherlei Falschmeldungen über Deutschland ge bracht haben, aber darum ist doch noch lange nicht die deutsche Warenausfuhr in Mißkredit geraten. Die Marke „Made in Germany" ist trotz aller Verleumdungen in ihrem Ansehen nicht im mindesten angetastet worden, die eng lischen Kaufleute haben eingestehen müssen, daß es ihnen nicht gelungen ist, den deutschen Han del nach London zu ziehen, obwohl die eng lische Kriegsflotte unsere Schiffahrtsverbindun- gen unterbrochen hat. Deutschlands Weltmarkt stellung hat nicht gelitten, diejenigen Ausland staaten, die heute nicht von uns beziehen kön nen, werden sich nach dem Kriege wie der als Kunden einstellen. So gibt es, wie wir sehen, internationale Interessen, die auch von einein Kriege nicht angetastet werden können; das sind diejenigen der Solidität im Weltmarktverkehr. Gute und solide Jndustrieprodukte sind überall eine Not sache, das Publikum, welches sich daran ge- wöhnt und dieselben aus eigener Kenntnis würdigen gelernt hat, will dieselben ebenso wenig entbehren, wie die Kaufmannschaft Lust hat, sich durch Abgabe von minderwertiger Ware das Geschäft zu verderben. Auf die sem Gebiete gibt es für die neutralen Staa ten keine Aenderung der Gesinnung durch sranzösische und englische Lügen, denn die Völker haben in den vortrefflichen deutschen Fabrikaten den Gegenbeweis in den Händen. Ja, wir dürfen getrost abwarten, ob in den künftigen Friedenszeitcn das kaufende Publi kum in den uns heute feindlichen Ländern sich so fanatisiert zeigen wird, daß es nun in alle Ewigkeu keine deutschen Waren mehr kaufen wnt. Wir stehen heute obenan in allen Indu strien, die eine wissenschaftliche Arbeit zur Voraussetzung haben, namentlich in der Che mie, Elektrizität usw. und sodann in der Spe zialisierung, die gleichfalls geistige Tätigkeit erfordert. Engländer 4md Franzosen haben be kanntlich die deutschen Patente sür ausgehoben erklärt; es sind Kommissionen eingesetzt wor den, die untersuchen sollen, wie die patentier ten Artikel hergestellt werden, um dieselben im eigenen Lande nachahmen zu können. Die Schädigung der deutschen Industrie, welche durch diesen schnöden Vertragsbruch erzielt worden ist, wird natürlich auch einen Posten, und keinen unerheblichen in unserer Kriegs- rcchnung bilden. Aber wenn inan nun in Lon don und Paris die unberechtigte Fabrikation unserer Artikel herausbckommt, was ist dann erreicht? Höchstens die stümperhafte Nachah mung dessen, was unsere Industrie bereits ge leistet hat. Wir schreiten dann aber schon weiter vorwärts, und werden bald wieder ei nen Vorsprung haben. Denn konnten wir bisher nicht eingeholt werden, so wird das auch fernerhin ausgeschlossen sein. Die Spezialisierung der Waren ist so recht eine der deutschen Liebe zur Sache entsprin gende Leistung. In der Waffentechnil ist mit den 42-Zentimeter-Mörsern das Höchste er reicht worden, aber mit nicht geringerer Sorg falt Prüft unsere Industrie die Verbesserung ir gend eines Eisenartikels. Das macht den Eng ländern zu viel Umstände, ebenso wie sie keine Lust haben, sich der Auffassung ihres fremd ländischen Publikums anzubequemen, die Sprache anderer Völker zu lernen. Alles das schätzen die neutralen Länder am deutschen Handel, wie die Briten und Genossen es fürch ten. Darum überstehen diese internationa len Interessen auch alle Anfechtungen. MW md SstmeichW TruMmeserm. Die „Kölnische Zeitung" hat eine Ausstel lung über die in Deutschland und Oesterreich vorhandenen Truppenreserven gebracht und insgesamt 4^ Millionen Mann herausgerech net: 1. Freiwillige: In Deutschland 2 Mil lionen, in Oesterreich-Ungarn 1^ Millionen; 2. Rekruten, Jahrgang 1914: Deutschland und Oesterreich 1 Million, zusammen sür Deutsch land und Oesterreich-Ungarn 4)^ Millionen Mann. Dazu wird dem Blatte be richtigend geschrieben: „Diese Aufstellung ist durchaus unvollständig; sie läßt außer acht, daß in Deutschland sowohl wie in Oesterreich- Ungarn der ungediente Landsturm überhaupt noch nicht oder nur in ganz verschwindendem Maße zu den Waffen eingezogen ist. Wenn auch in den Freiwilligen sich eine große An zahl von Männern des ungedienten Land sturms befindet, so ist doch zu berücksichtigen, daß nach zuverlässigen Schätzungen die Zahl der ungedienten Landsturmmänner im Alter von 20 bis 45 Jahren in Deutschland aus mindestens 7 Millionen Mann zu beziffern ift. Der weitaus größte Teil dieser Männer ist bei der Ausmusterung dem „Landsturm mit Masst" überschrieben worden, so daß er also ohne weiteres als dienstfähig anzusehen ist. Der kleinere Teil, der als „Landsturm ohne Waffe" ausgemustert worden ist, kann zur Etap- pensicherung und sonstigen militärischen Dienst- leistungen herbeigezogen werden. Für Oester reich-Ungarn wird die Ziffer der noch nicht eingezogenen Landsturmpflichtigen auf 5 Mil- lionen Mann geschätzt. Für beide Länder zu- sammen ergibt dies eine Ziffer von 12 Mil lionen Mann ausbildungsfähiger Soldaten. Zieht man hiervon einen Teil der Ziffer der noch nicht eingestellten „Freiwilligen", die zu dem Landsturm gehören, mit etwa 2 Millio nen Mann für Deutschland und Oesterreich zu sammen ab, so ergibt sich zu der Ziffer von 4X Millionen Mann, welche die „Kölnische Zeitung" nennt, noch eine weitere Truppenre serve sür Deutschland und Oesterreich-Ungarn von 10 Millionen Mann, d. h. es stehen von der dienstfähigen männlichen Bevölkerung im Alter von 20 bis 45 Jahren, einschließlich der Kriegsfreiwilligen, noch 14^ Millionen Mann in Deutschland und Oesterreich-Ungarn nicht unter Waffen. Diese Zahl erhöht sich noch weiter um schätzungsweise 3^ Mill. Mann, falls die Höchstaltergrenze von 45 auf 50 Jahre hinauf und die Mindestaltecgrenze vcn 20 auf 18 Jahre herabgesetzt wird. Alles in allem ist mithin die Truppenreserve Deutsch lands und Oesterreich-Ungarns an kriegsfähi- ger Mannschaft auf 18 Millionen zu schätzen." Acht deutsche Ager nshme« 1029 Russen gesaugt«! Ein überaus verwegenes Jägerstückchen be richtet Hauprmann Witte der „Tgl. Rdsch." zufolge aus dem Osten. In dem Dorfe Mall- wischken hatten fünf Jäger, die von ihrem Truppenteil abhanden gekommen waren, von einem Gendarmeriewachtmeister die Kunde bekommen, daß in dem Dorfe Smeilen noch etwa 150 Russen versteckt seien. Sofort be MZ-mMmpfm au -er Wne-Liaie. --------- ' - Die „Wohnung" eines Artillerie-Kommandeur? in einem Schützengraben der Feuerlinie zeigt vorstehende photographische Aufnahme. schlossen die kühnen Reiter, diese gefangen zu nehmen. Sie holten sich noch zwei Gendar men herbei und drangen nun, 8 Mann stark, mit je 10 Schritt Zwischenräumen, von bei- den Seiten gegen das erste von Russen be- setzte Gehöft vor. Als sie aus Hörweite herangekommen wa ren, forderten sie die Russen auf, die Wassen niederzulegen, mit dem Hinweis darauf, daß hinter ihnen mehrere Regimenter Infanterie und Artillerie in Stellung lägen, die bei dem ersten Schutz das Dors in Brand schiehen wür- den. Ein russischer Hauptmann forderte nun seine Leute auf, die Waffen abzulegen, was diese auch sofort taten. Jetzt stellte sich her aus, datz in dem einen Gehöft nicht, wie er wartet, 150 Russen, sondern 400 Mann lagen. Inzwischen trafen von den anderen Gehöften unausgesetzt große Scharen Russen ein, sodaß die paar deutschen Jäger ihre Verblüffung kaum verbergen konnten. Sie standen mit dem Gewehr im Anschlag vor der immer größer werdenden Russenabteilung, während der rus sische Hauptmann jeden neuankommenden Trupp zum Waffenniederlegen aufforderte. Es waren bereits über 1000 Russen zusammen, als Plötzlich ein Trupp von etwa 30 Mann sich weigerte, die Waffen niederzulegen und den Kamps mit den deutschen „Regimen tern" aufnehmen wollte. Nun wurde die Sache gefährlich. Auch die übrigen russischen Solda- ten fingen allmählich an, ihre Waffen wieder aufzunehmen. Da rafften fich die verwegenen Jäger zu einem letzten Versuch auf und gin gen mit Kolbenstößen und Ohrseigen gegen die 30 kampflustigen Russen vor, bis diese schließ lich kleinlaut die Waffen ablegten. Auch meh rere Maschinengewehre waren zum Vorschein gekommen. Jetzt mußten sich die Russen in Gruppen- kolonnen auf den Weg nach Mallwischken aus machen; die genaue Zählung ergab: 10berst leutnant, 21 andere Offiziere, 1019 Mann und 7 Maschinengewehre! Der Transport dieser großen Schar mußte ohne Verstärkung 6 Ki lometer weit allein ausgeführt werden. Einer der Jäger ritt mit gezogenem Degen, welchen er dem Oberstleutnant abgenommen hatte, zur Sicherung des Transportes mit den Gendar men fortwährend um die Gefangenen herum, während die anderen mit großer Mühe die Seiten des Zuges zusammenhielten. Die Ge fangenen mußten die ganze Strecke im Lauf schritt zurücklegen, damit sie nicht zur Be sinnung kamen. Durch das furchtlose und grobe Auftreten der paar Deutschen glaubten die Russen wirklich, daß noch irgendwo eine große deutsche Abteilung im Hinterhalt liegen müsse, und als ein Offizier zu fragen wagte, wann sie denn hervorkommen würden, be kam er für seine „naseweise Frage" eine Ohr feige. So liefen denn die Russen eingeschüch- tcrt weiter, bis das 6 Kilometer entfernte Dorf Mallwischken erreicht war, wo endlich 40 bis 50 Mann der dort stationierten Bagage vom Landsturm den Transport verstärkten. Nun ging es noch 35 Kilometer nach Gum binnen, wo die Russen endlich in die Ulanen- kaserne gebracht wurden. Hier erst gingen dem russischen Hauptmann die Augen auf und er bemerkte zähneknirschend, daß er bei der Kenntnis der geringen Stärke der Deutschen sie durch ein Maschinengewehr hätte vernichten lassen. So geschehen am 13. September 1914! Kl» M Fmtnltbtn. Roman von K. Deutsch. 21. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Herr Graf," versetzte sie, „Sie sagten mir vor einiger Zeit, ich hätte kein größeres Ver trauen zu ihrem besseren Selbst. Ich habe cs bewiesen, indem ich Ihre Begleitung an nahm, beweisen Sie, daß ich mich nicht geirrt." Ruhig und leicht stieg sie die Treppe hin ab und er folgte ihr stumm. Ihr schien es, als schwanke die Treppe unter seinen schwe ren, unsicheren Tritten. Endlich waren sie un ten und durch eine Tür, die er aufschloß, im Freien. Sie hatten ein kleines Stückchen Park zu durchschreiten. Er sprach kein Wort, auch nicht, als sie durch den Schloßhof gingen, nur als sie vor der Freitreppe anlangten, blieb er wie der stehen. „Fräulein Werner," sagte er plötzlich, „darf ich hoffen, daß . . . daß Sie die Kränkung vergessen haben, die. . . ich ihnen damals in Prcßburg zugefügt?" „Ich habe es vergessen," versetzte ße. Dann glitt ein feines Lächeln über ihr Gesicht, als sie zu ihm aufblickte. „Wir haben zusammen einen Genuß geteilt, und Sie kennen gewiß den alten Spruch: Gleiches Leid und gleiche Freude versöhnt die Menschen." Als die Gräfin am Abend erfuhr, wer dcr Begleiter Elisabeths gewesen, war sie über rascht und zwar nicht angenehm. Sie sagte zwar kein Wort, aber sie ließ es Elisabeth fühlen. Als sie dann mit ihrem Sohne allein war, äußerte sie es unverhohlen. Sie wunderte sich sehr, daß das Mädchen seine Begleitung angenommen, das hätte sie doch nicht vermu tet. Wie er überhaupt dazu gekommen sei, sie ihr anzubieten. „Mich wundert mehr, wie du Fräulein Werner einen Gang ohne meine oder deine Begleitung Vorschlägen konntest," versetzte der Graf, der innerlich zornig war, sich aber Mü he gab, so unbefangen als möglich zu schei nen. „Welches Interesse könnten für sie feuchte, modrige Gänge und Kämmern haben! Abgerechnet die Gefährlichkeit des Weges." „Ich dachte, Sanna sollte sie begleiten, ich halte sie auch zu diesem Zweck um die Mit tagsstunde zu ihr geschickt, denn die kennt jeden Winkel im Kastell." „Das konnte doch nicht dein Ernst sein, Mutter! Kennt die Alte die Sagen und Er zählungen, die sich daran knüpfen? Und die feuchten, toten Steine hätten ihr ebenfalls nichts erzählt. Sie schickte Sanna um die Schlüssel zu mir. Da sie in der Bibliothek wartete, so ging ich selber hin und erbot mich, sie zu begleiten. Sie wollte anfangs nichts davon wissen, bis ich ihr das Gefahr volle des Weges vorstellte, und daß sie un möglich sich allein in dem alten Gemäuer zu recht finden könnte. Ich wundere mich über- Haupt, daß du so viel Aufhebens über eine Sache machst, die sich doch von selbst versteht. Was paßt dir nicht daran? Daß wir allein gingen? Daß ich mich vielleicht leichtfertig hätte betragen können? ... Du hast es selber bemerkt, Mutter, Fräulein Werners Leben ist nicht dazu angetan, daß der Zudringlichste den Mut dazu fände und du — weißt ja," fügte er mit einem Lächeln hinzu, „ich fange an, solide Grundsätze zu bekommen." Er hatte dies alles in kurzen Unterbrechun gen gesagt, indem er leichte Rauchwolken vor sich her wirbelte, weniger aus ruhiger Sorg losigkeit, wie es die Gräfin dachte, als sich Zeit zu lassen, um — den richtigen Ausdruck zu finden, damit ihn sein übervolles Herz der Mutter gegenüber nicht verrate. Xl. Es war einige Wochen später. Den gan zen Tag war es trübe gewesen, es regnete und schneite ununterbrochen, und obwohl es schnei dend kalt war, denn von den Bergen fuhr ein heftiger Wind, der die Wipfel der Bäu me neigte, lagen doch dichte Nebel aus dem Schloß und der Umgegend, die alle Linien und Conturen verwischten und ein halbes Dämmerlicht verbreiteten. Wer an diesem Tage nichts Wichtiges außer dem Hause vorhatte, der verließ die schützenden Mauern nicht, — und doch war der Graf am Morgen schon fortgeritten, zur frühen Stunde in die grauen Nebel hinaus. Es herrschte überhaupt eine Stimmung im Schlosse, die mit der trüben grauen Luft draußen im vollständigsten Einklänge war. . . Die Gräfin war den ganzen Tag für Jeden unsichtbar, selbst für ihre Enkel, die Diener schaft schlich trübe umher, ging auf den Ze hen und wagte kein lautes Wort, als sei ein Schwerkranker im Hause. Elisabeth vergingen die Stunden in der Beschäftigung mit den Kindern; als sie abends zur Ruhe gebracht waren, ging sie auf ihr Zimmer, und die Alte brachte ihr den Tee. Es war das zweite Mal seit ihrem Weilen im Schlosse, daß sie ihn allein in ihrem Zimmer trank, doch war die erste Veranlassung eine heitere gewesen! Heute schien auf allen ein trüber, schwerer Geist zu liegen . . . Der Graf war noch nicht zurück, die Gräfin noch immer unsichtbar, und das Gesicht der treuen Alten, die Elisabeth den ganzen Tag nicht gesehen, zeigte Spuren von vielen vergossenen Tränen. Elisabeth erkundigte sich nach dem Befin den der Gräfin, ob sie krank sei. Sanna sah betroffen zu ihr aus. „Es ist heut' ein trauriger, trauriger Tag, liebe Kisalzony," fuhr die Alte fort. „Der Gedenktag für den seligen Herrn, und.... auch für die gnädige Komtesfe." „Starben sie denn an einem Tage?" fragte Elisabeth. „Heut' vor vier und heut' vor neunzehn Jahren hat die Hochwohlgeborene das schwere Unglück getroffen, ein Unglück, das ihr Haar gebleicht und ihren Körper gebrochen hat, und das sie nie und nimmer vergessen wird." Elisabeth sah, daß die Alte in der Stim mung war, ihr kummerbeladenes Herz zu ent lasten, aber sie bestärkte sie nicht darin, im Gegenteil sagte sie: „Schweigt lieber, Sanna, so sehr es Euch auch Bedürfnis sein mag: es ist das Geheimnis Eurer Herrschaft." (Fortsetzung folgt.)