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Nr. 168. Donnerstag, den 23. Juli LV14 Das Haus am Nixensee. Original-Noman von Irene v. Hellmuth. 3!> Fortsetzung. (Nachdruck verbo.en). Als Grete den Kopf hob, bemerkte sie erst, daß jemand hinter ihr stand und sie beobachtete. Sie wandte sich rasch um. Mit jähem Aufschrei fuhr sie empor, als sic in das Gesicht des Maunes sah, der un ¬ verwandt auf sie niedcrschaute. Sie zitterte so heftig, das; sie unfähig war, sich zu erheben. Kraftlos saut sie auf das Bänkchen zurück. Dann presste sie die Hand auf das wild- klopfende Herz und Tränen traten in ihre Augen — sie war ganz fassungslos. Einige male versuchte sie zu sprechen, aber kein Ton kam über ibre Rippen. Sie glaubte zu träu-- men. Wie war es möglich, das; derjenige, dessen Bild sie bei Tag und stacht verfolgte, leit sie es zum erstenmal gesehen, nun plötz lick; leibhaftig- vor ihr stand. Der hochgewachsene schlanke Mann blickte erstaunt ans das Mädchen, das sichtlich mit einer grosien Verwirrung und Erregung l mpfte. Er fand natürlich keine Erklärung für ibr merkwürdiges Benehmen. Er nahm den 'öm ab und fuhr sich wie in Berlegenleit einigemale durch die dichten, blonden Losten. Grete suchte sich gewaltsam zu fassen. „Mein Fräulein," begann der fremde end lich zögernd, „verzeihen Sie, wenn ick; Sie erschreckt habe, es war meine Absicht, vorübcr- zugebeu, aber — ich — ich möchte Sie um Auskunft bitten: Gehören Sie vielleicht zu den Bewohnern dieses Hauses dort, oder können Die mir vielleicht sagen, wie der gegenwärtige Besitzer heisst? Ich war lange Zeit fort — und — ich kannte den früheren Eigentümer gnt — aber, jetzt bin ich fremd geworden." „Mein Herr verzeihen Sie,, ich weis', gar nicht, wie ich beginnen soll, Lie sehen mich in einer grenzenlosen Verwirrung," begann Grete endlich stockend. Nöle und Blässe wechselten auf ihrem Ge sicht, als sie fortfuhr: „Ich kenne die Bewohner jenes Hauses dort ganz genau. Seit einem Jahre ver ehre ich täglich mit ihnen und ich Habs dabei eine Frau, von- seliener Herzensgüte kennen gelernt. Sie ist meine Freundin, meine Gönnerin ge worden, ich habe sie sehr, sehr lieb gewonnen; leider musste sie den Kelch des Leides bis zur Neige leeren. Ach, mein Herr, lassen Sie mich Ihnen sagen, das; ich Sie auf den ersten Mick erkannt habe, denn wohl hundertmal bin ich schon vor Ihrem Bild gestanden, das in dem Schlafzimmer Ihrer Mutier sich befindet, und das so ähnlich ist, das: eine Verwechslung aus geschlossen erscheint! Sie sind Hans von Bre- dersdorff!" Der Angeredete zuckte zusammen. „Und Sie kennen auch meine Geschichte?" „Ja, Ihre Mutter hat mir alles erzählt!" Er sas; plötzlich neben dem jungen Möd chen und fasste die Hände desselben mit festem Druck. Er wurde nicht müde, zuzuhören. Grew berichtete alles, was sie wusste, er senkte den Kopf bei der traurigen Lchildernug. „Ich habe vieles gut zu machen, ich weih cs," kam es leise von seinen Lippen. „Meine arme Mutter, was mag sie gelitten haben! Welch furchtbares Schicksal! Die reizende Annemarie — tot — der Vater in geistige Nacht gesunken — und es bestell keine Aus sjcht, das; er wieder geheilt werden kann?" Grete zuckte die Achseln. „Möglich wäre es wohl. Manchmal weis; er alles, was er tut - und er spricht dann ganz vernünftig. Das sind dann natürlich frohe Tage, di ' Ihre arme Muster da verlebt " „Das kam; ich mir denken," nickte er. So sahen die beiden lange Zeit aus dem kleinen Bänkchen und blickten hinans aus das Wasser, auf dem die Sonne flimmernd lag, jedes mit sein.'n eigenen Gedanken beschäftigt. Grete warf von Zeit zu Zeit einen forschenden Seitenblick auf den Mann an ihrer Seite. Er haste den Hut abgenommen, und der leichte, warme Sommerwind spielte mit seinen tlon- den Locken. Wie schön er war. Was nur Frau, von Bredersdorsf sagen wird, wenn plötz lich ihr Einziger, ihr Heitz beweinter Sohn vor ihr stehen würde! Grete überlegte, ob es nickst besser wäre, sie vorzubereilen, und sprach die sen Gedanken sofort aus „Ich will vorausgehen und Ihrer Muster angsam die freudige Botschaft bei.ringen," be- ganu sie estrig. „Ich fürchte, es könnte ihr irgendwie Schaden bringen, wenn Sie so un vermutet erscheinen. Darf ich?" .Wie gut und freundlich Sic sind, mein Fräulein," lächelie er, „ich nehme Ihren Vor schlag mit Dank an. Glauben Sie, das; meine Mutter mir verzeihen wird?" „O, ich zweifle keine;; Augenblick daran, und ich denke, es ist schade um jede Minute, die wir zögern. Nur eines möchte ich gern wissen. —" Grete stockte. Sie wusste nicht recht, wie sie es anfavgen sollte, ihn nach seiner Frau zu fragen, ohne neugierig zu erscheinen. „Nun?" ermunterte er das Mädchen, das errötend den Blick zu Boden senkte und sich unendlich kindisch und mwebolsen vorkau;; end lich kau; die Frage von den roten Lippen: „Kommen Die allein? Wo ist — Ihre Frau?" lieber seine Stirn zog eine finstere Wolke. „Meine Frau ist tot!" Dann folgte wieder eine Pause. Grete wag e nickst, weiter zu fragen. Endlich begann .Kwns von Bredersdorsf zu erzählen. „Auch ich habe viel gelitten. Ich musste er ahrcn, was es heisst, des Vaters Fluch mit Herunischleppen. Ich konnte nirgends Nutze iinden, denn das Heimweh guälle mich ent setzlich und der Liebestaumel war bald aus, der Nausitz verflogen. Wer vermöchte eins Fran, zu lieben, die er nickst achten kann! Das >var meine härteste Strafe, das; ich diejenige verachten musste, um derentwillen ich alles ver lies;, was meinem Herzen lieb nnd teuer war. Meine Ebe war ein tranriger Irrtum, von dem erhofften Glück blieb nichts, rein gar nichts übrig. Man hatte mich gewarnt vor einer solchen Ehe, ich aber wollte nicht hören. 4t. Jahr«»«« Ach, lassen Lie mich schweigen über mein lln- glück! Man soll die Toten nicht schmähen. Auch sie siit ja unsäglich. Sie hatte aus mein Geld, auf meinen Neichtun; spekuliert, und als ich, mit den bittersten Nahrungssorgen kämp- send, bei ihr Trost suchte, da lachte sie mich aus und schall mich einen ''Narren, einen To ren. Lie forderst' Geld, immer Geld, und als ich ihre Forderung nicht befriedigen konnte, da zeigte sie sich in ihrer wahren, tzässtichen Ge- sialt. Ich schrieb aus ihr Drängen mehrere Male an meine Eltern, obwohl es meinen Ltolz aist das Tiefste verletzte, ich demütigte miw um i relwillen - allein die Briefe ka men alle zurück — cs wurde keiner angenom men! Ich lief nur die Füste wund, um eine Llelle zu bekommen. Ich fand ja hier und da Verdienst, aber es war immer nnr snr kurze Zeil, und d e Bezahlung war furcht ar schleckt. Wenn ich dann am Abend todmüde Heimtam, dann empfing mich meine Fran mit einer Flur von Vorwürfen und Schimpfereien. Ich Hane sic in dieses Elend hineingclockt, schrie sie, und verlangte immer wieder, das; ick; mit ihr naw Deutschland zurückkehren solle. Ich batte aber leine Mittel dazu. Was ick; besessen halte, war anfgezehrl. Stumps und gleichgültig liest ich zuletzt alles über mutz er geben. Das; meine Frau nicht lrauszuhalten verstand, wer wollte ihr daraus einen Vor- wurs mack;.';,? Lie laue es nie gelernt. (Fortsetzung folgt). Srlwnkest verleibt ein rarste« reine» Oaiickt, roairE«», ju^en6kri»cke» ^uiiekell orn bleo6ev6 »ckooer lemt. — Xllei cli«» erreu^t rk» eckt» (6ie Zerrte I.ilievrnilciiseik^). voo ^er^ra»»» Lo.. RaZekeul« A -'-0 Werner rnaetZ 6er drenm (^lllealNljca» LreaM) rnte un6 5nru6e ltüut weiü uo6 »smLtvtneicd. Udr öO rstH