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Sonntag, de« S. J«N 1814 41 Jahrgang Nr. 1SS Kknaye MM HohkLßtM-AilMM APeiger Tageblatt. Franzöfisch Blut. Novellette von W. v. N e h n a. Nachdruck verboten. Es Ivar in einem am Aermelkanal idyllisch gelegenen, Badeort in der Normandie. In de» gleich am Meer gelegenen Bahnhof war so- e en der von Paris kommende Personenzug cingefahren und hatte eine größere Schar Bade- gnste gevracht. Eine buntzusaminengelvürfeltc Gesellschaft aus aller Herren Länder, welche die goldenen Tage, die der Herbst Heuer ge bracht, als Abschluß der Sommerfrische hier zu verleben gedack)te. llnter den Ankommenden fiel besonders eine junge, ausfallend schöne Frau aus, die einen reizenden vierjährigen Knaben an der Hand führte. Ihr Gesicht, von goldblonden Haaren umrahmt, wies mit seinen weichen Linien, dem ein pikantes Näschen einen besonderen Reiz verlieh, den von schwarzen Wimpern um säumten Blauaugen, keinen bestimmten Typus auf. Ihr Begleiter dagegen, ein elegant ge kleideter Herr von einigen 30 Jahren, vevriet in Miene und Wesensart sofort den Franzosen. Er sprach französisch und lebhaft gestikulie rend auf die junge Frau ein- Wiederholt senkte er den Blick tief und bedeutsam in ihre Augen, dem jedesmal ein Erröten ihrerseits folgte. „Madame von Bockhoven glauben nicht daran, daß Nornen das Los der Menschen spinnen?" flüsterte er, nur ihr verständlich, jetzt: „Aber ich, Madame, ich glaube daran! Und daß eine gütige Göttin es war, die uns zu>- sammeusührte! Die fünfstündige gemeinsame Fahrt von Paris hischer hat über mein Schick sal entschieden . . . Madame brauchen nnr zu sagen, ob sie die heißgeliebte Gattin des rei chen Henry Levevre werden will." Leidenschaftdurchbebt klangen die Worte «,n das Ohr der jungen Witwe. Und daß es der Sprecher ehrlich meinte mit seiner Werbung, mit der er es so eilig hatte, das las man i mi vom Gesicht nb! Obgleich die Bestürmte ähnliches vorausge- a',w, erschrak sie bei den Worten heftig. Sie batte ihren Gatten, einen Holländer von Ge burt, vor zwei Jahren durch den Tckd verloren- Während ihrer Ehe hatte sie mit ihrem Mann in dessen Geburtsstadt Haag gewohnt. Paris aber war ihr sehr ans Herz gewachsen, denn sie hatte einst ein Pariser Töchterpensionat be sucht, und ihre ehemalige Pensionsmutter, die gute Madame Dupoit, einmal wiederzusehen, war längst ihr Wunsch gewesen. Als nun die Zeit den Schmerz um den so früh dahinge gangenen Gatten gemildert, war sie ihrem Her zenswunsch gefolgt und war mit ihrem einzigen Kinde, dem kleinen Ado, nach Paris gekommen und hatte hier mit ihrer lieben Madame Du- poir ein fröhliches Wiedersehen gefeiert. Den Schluß der Reise sollte ein Aufenthalt am Aermelkanal bilden, von dessen köstlich reiner Luch sie Kräftigung für ihren etwas zarten Ado gehofft. Nun hatte der Zufall sie mit dem Franzosen zusammengeführt. Seine gewinnende Persönlichkeit und chevalereskes Wesen hatten sie sofort für ihn eingenommen. Das Anden ken an den von ihr geliebten Gatten aber war noch zn frisch, als daß sie nicht mit Beklem mung die Annäherungsversuche des Franzosen ! wahrgenommen hätte. Er wollte sie im Sturm l erobern und ihr Frauenherz war dafür nicht unempfänglich. Aber der Gedanke an eine neue Ehe Ivar ihr noch so unvertraut, und über haupt — Erlösend für ihre schwankenden Gefühle, er klang jetzt die Stimme des kleinen Ado: „Ma ma, sieh nur das große Wasser! Und blau ist's, gerade wie der Himmel, und die Sonne hüpft darauf herum!" Die kindlichen Worte entbehrten der Wahr heit nicht. Azurblau dehnte sich die schier end los erscheinende Wasserfläche, darauf die Sonne schwebende Funken wob. Den Strand belebten riesengroße, zeltartige Leinwandschirme, dahin ter Plaudern und Lachen scholl. Kleine Buben und Mädchen in Trikots wateten bis zur Knie hose im Wasser herum; ihr Jauchzen mischte sich in das Plaudern der Großen. Von jen seits des Strandes grüßte von steiler Höhe ein Schloß, während von dem Felsplateau eine Blumenflor« leuchtete. „Lassen Sie mir Zeit, Herr Levevre, es kommt mir zu unvermittelt. Wir müssen uns noch erst kennen lernen . . ." gab Frau Marie von Bockhoven leise zurück. „Ich ehre Ihren Einwand, Madame," sagte der Franzose liebenswürdig. „Nur bitte ich, mir noch die Frage zu beantworten: Sind meine Chancen bei Ihnen nicht hoffnungslos?" Es lag so viel Ehrerbietung und Verehrung in der Art, wie er dies sprach, daß sie, be zwungen hiervon, zurllckgab: „Hoffnungslos nicht, Herr Levevre. Aber die Entscheidung belaste ich mir vor." „Dank," flüsterte er. Daraus scherzte er mit dem kleinen Ado, der munter darauf einging. Zwischendurch fragte er Frau Marie: „Wo ge denken Madame Wohnung zu nehmen? Im „Hotel International", im „Bonaparte" oder im „Strandhotel"?" Sie entschied sich für letzteres. „Dann werde auch ich dort absteigen," meinte der Franzose. „Damit wird uns die beste Gelegenheit, einander kennen zu lernen." Der Zufall schien dies erschweren zu wol len. Beim Eintritt in das Strandhotel tönte der jungen Witwe der Rus: „Marie — bist Du's!? Hier sehen »vir uns wieder nach zehn Jahren? Das ist doch zu reizend!" entgegen, und eine elegant gekleidete, jugendliche Dame fiel Frau Marie uni den Halls. Die Wiedersehensfreude war auf beiden Seiten gleich herzlich. Die Dame war eine Pensionsfreundin der jungen Witwe, verheira tet, und hatte sich, wie sie lachend erzählte, mit ihrem Gatten die Welt angesehen. „Wir kommen aus der Schweiz, liebes Herz! Bevor wir an die Heimreise gehen, aber lat ich meinen Mann, Paris uüd Umgegend zu besuchen: St. Cloud, St. Germain, Fon tainebleau — die Stätten, weißt Du, wohin wir damals mit Madame Dupoit Ausflüge machten! Schließlich kamen wir auch hierher — obgleich mein Mann weidlich aus Frank reich schilt, mußte er doch eingestehen, daß es hier herrlich ist. Und jetzt wird's noch schöner werden! Nun können wir zusammen Ausflüge machen!" sprudelte die Freundin, und Frau Marie mußte wohl oder übel mittun. Zum sorglosen Genießen in der großen, freien Natur war sie hergekommen. Nun stürmte so vieles auf sie ein, daß sie garnicht zu stil- örauvdsn Nis nosd siusn vIvLanlv» 8ommvr- oäer Lvkodut? Osn srßaltsu Nis dei um» im 8si80ll«usv«nlrsuf V«LL bis über ü»e Hülkte, LnrüeüxesetLl. » * Allerlei Kurzweil. » » Denkspritche. „Zum Lernen sei niemals noch jemand zu alt!" Kind, lasse dir raten und lerne alsbald. In späteren Jahren wird's Lernen recht schwer; Was Hänschen nicht wollte, das kann Hans nicht mehr. * * * Du sehnst dich, weit hinaus zu wandern, Bereitest dich zu raschem Flug, Dir selbst sei treu und treu den andern, Dann ist die Enge weit genug. viltzer-N-tsel. Rätselecke. Rätsel (dreisilbig). Die ersten drücken einen Jeden, Den einen schwer, den andern leicht; Dem geben Anlaß sie zum Reden, Dieweil ein andrer lieber schweigt; Die drille ist der Eltern Freude, Nie völlig von den ersten frei, Doch wandelt Freude sich zum Leide, Wenn stets das Ganze ist die drei. Scharade. Ich kam bei einer Bergpartie Mit meinem Ersten zu Schaden. Nun mit dem Zweiten ist's vorbei, Zu. dem man mich geladen. Und nächste Woche sollt' ich gar Beim Ganzen zeigen mein Können. Mir will ein neidisches Geschick Das Championat nicht gönnen. Trtunuugrrätsel. Vereint stürmt auf der Rennbahn es dahin, Schon hofft der Reiter Ehren und Gewinn, Da strauchelt es und stürzt zu Boden schwer Und zeigt kaum eine Spur vou Leben mehr, EL ist — getrennt sprich nun das Rätselwort — Ein Gnadenschuß, und tot schafft man es fort. KüllrStsel. Mein Freund befindet sich in — wo — eingehenden Studien obliegt, um die Doktor würde zu —. Scherz-Rätsel. Es geht ein Manu im Grase, Hat eine lange Nase, Hat rote Stiefel an Und dreht sich Ivie ein Edelmann. »erierbil». Wenn nur unser Bruder käme, der uns bei dem Regen und Sturm nach Hause brächte. (Auflösungen in nächster Nummer.) anS Stummer 26. Der Rätsel: 1. Nagel — leg an. 2. Rest au ration. Des Gleichklang-Rätsels: Blei. Der Scharade: Standhaft. Des Kapsel-Rätsels: 1. Kern. 2. Esau. 3. Ahn. 4. Nora. Kean. DeS Bilder-Rätsels: Heringssalat. DeS^Vexierbildes: Quer unten an der Pforte. Kopf links. LiLder-Zcitssg Nr. 27. 1914. Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. Mieze und die kluge« Böglein. Mieze hält behaglich Ruh Zwischen Aestlein, Zweig und Blatt, Macht die runden Augen zu; Miezekatz' ist voll und satt. — Kommt nur: Meislein, Finklein, Spatzen! Will gewiß heut keinem schaden, Keinen Haschen, beißen, kratzen; War ja heute eingeladen. Speiste vornehm mit am Tisch, Gretchen hielt mich auf dem Schoß, Gab vom Braten mir und Fisch. Die Gesellschaft war sehr groß; Aeußerst vornehm, die da kamen, Wenn auch meist nur kleine Leute, Lauter feine Herr'n und Damen, Die zum Fest geladen heute. Jetzt beginnt Musik und Ball; Doch ich bleibe lieber fern Dem betäubend lauten Schall — Und ich tanze auch nicht gern. Lieber als Klavier und Geigen Höre ich die Meislein singen: Schau, verborgen in den Zweigen, Wie die Finklein flattern, springen. Vöglein, bleibt mir nicht so fern, Blickt mich nicht so zaghaft an! Hab' euch ja von Herzen gern, Kommt getrost zu mir heran!" „Mieze, schönste aller Katzen —" Neckend klingt's aus allen Hecken „Kennen deine sanften Tatzen, Wollen lieber uns verstecken. Such' uns Mieze, Frau Miau, Bist ein rechter Herzensdieb, Hast — wir wissen eS genau, Uns fürwahr — zum Fressen lieb. Wirst uns solches auch beweisen, Ohne lange erst zu fragen," Zwitschern Spatzen, Finklein, Meisen — „Ist nur wieder leer dein Magen." -o— Das tägliche Best. —> Ein Gommermärchen von Lanthilt Germa. Es ist Sonntag, und es ist ein Sonnentag. Breit und voll fluten die Lichtstrahlen über die sommerlichen Kornfelder hin. Schon schim mert gelb das kaum bewegte Meer der Aehren; roter Mohn, blaue Kornblumen leuchten zwi schen den Hellen Halmen.^ Feiernde Menschen wandeln auf den Feld- wegen und pflücken die bunten Blumen. Aber hart am Rande des Kornschlags, hinter einem großen Feldstein, blühen eine Kornblume und eine Rade. Die haben sie noch nicht entdeckt. „Ost schalt ich über den ungefügen, großen Steinblock," raunt die Rade der Kornblume zu, „weil er uns so viel Sonne nahm; aber heut macht er sich doch einmal nützlich." „Nützlich?" gibt die Blaue ebenso leise zu rück. Sie lacht ein kicherndes Blumenlachen, das nur Manzen vernehmen können. „Erst einmal weißt Du nicht, ob wir nicht auch noch gefunden werden. Aber dann —" „Nun, Frau Kornblume?" „Wäre eS denn so schlimm? Die Men schen pflücken unS doch nur, weil sie uns schön finden. Dann nehmen sie die Blüten mit in ihre Häuser, sicherlich tun sie das; ich denke eS mir herrlich in den Mcnschenhäusern. Viel-