Volltext Seite (XML)
T a g e b l a l l. Mr 1?Ä Dienstag, den A8. Juli 1V14 41. Jahrgang A«!n»rr 5- Das Haus am Nixensee. Original-Numan van Irene v. Hellmuth. M Fortsetzung. (Nachdruck verboten). II. Am andern Tage beschloß Grete, zu Hause zu tieilen. Frau van Bredersdorff iviirde sie walrl nicht vermissen, die hatte ja jetzt ihren Sohn und den lleineu Enkel — da war sie, Grete, gewiß entbehrlich. Lie dachte mit inne rer Angst daran, daß sie da draußen in dem Hause am Nirensee nun vielleicht überflüssig geworden sei, und die Stunde», die sie dort hatte vcrlee» dürfen, waren doch die schönsten ihres ganzen Lebens gewesen. Grübelnd saß Grete am Zensur ihres eiusachcn Zimmers. Die sonst so fleißigen Hände ruhten müßig im Schoß. lind immer wieder fragte sie fuß: Loll ich gehen oder bleiben. Sie war so unent schlossen heule. Sie schaute auf die Straße liuaus, wo sich einige Jungen balgten. Liese, die i re kräherc Munterkeit wieder erlangt balle, trar zu der Schwester und sagte in neckendem Don: „A'a, Gretetein, die Stunde Deines täglichen Ausganges hat schon lange geschlagen, weshalb sitzest Dn noch hi erb Tu kannst doch nicht leben, ohne Deinen Airensee gesehen zu hat'en, worauf warnest Tri denn eigentlich noch?" Grete ging nicht auf den scherzenden Dou cm. „Zch — seh null heute zu Hause bleiben." Liese schlug^ überrascht die Hände zusammen. „Na nu, Lchwesterlei», was hat Dir denn der Nirensee getan, daß Tu ihn nicht mehr sebcn willst? Tas ist doch seltsam." „Zch fürchte zu stören in der Familie des ^en» von Bredecsdorss," sagte Grete zögernd. ..Aeb, Unsinn, Grete," lachte Liese ausge- laßen, „Tu gehörst doch fast zur Familie; seit einem Zahre läuss, Tu tagtäglich hinaus, und nun aus einmal willst Du nicht mehr. Was soll Frau von Biedersdorfs denken?" Liese drehte sich aus dem Absatz herum, Grete betrachtete die übermütige Schwester mit forschenden Blicken. Dieselbe erschien ihr heute besonders lustig.. Sie lächelte dem Mädchen zu. „Du," begann sie dann heiter, „was ist Dir denn eigentlich begegnet, Du strahlst ja förm lich vor Vergnügen — sag mal, hat das et was zu bedeuten?" Liese nickte errötend. „Za, Gretel, Dir will ich es gestehen aber Du mußt mich nicht ansehcn, sonst lann ich eS nicht saget,, so — nun mach mal ge schwind die Angen zu - also seit gestern —" Sie stockte und schluckte ein haarmal, ehe sie lorlüchr: „Sei, gestern — bin ich Braut!" Grete zeigte sich wenig überrascht von der Nachricht, sie hatte es lange kommen sehen. Liese schlang in ausbrcchender Freude die Arme um den Hals der Schwester und schmiegte ihre glühende Wange an deren Ge sicht. Zn dieser Stellung verblieb sie, als sie rasch, hervorsprudelte: „Daß ich Otto schon lange lieb halte, das wußtet Zl r alle, nur er - er durfte es nicht ahnen. Zch mußte mich aber auch tüchtig zu sammennebmen, damit er nichts merkte, lind gestern, da sprachen wir von der Vergangen heit, von Etzarlo le Waller, und Otto versicherte mir, daß er gar nicht mehr an seine ehemalige Braut dächte, daß er sie verachte und daß dieser Abschnitt seines Lebens abgetan sei für alle Zeit, lind dann, ach Grete, dann sagte er, er habe eigentlich immer nur mich gern geba n, aber das sei il m erst viel später zum Bewußtsein gekommen, lind ob ich ihn noch haben wolle, ob ich vergessen könne, was ge schehen sei. Als ich ihm dann erzählte, daß ich fa'l gestorben wäre vor Gram, als er eine andere wählte, da doch das brauchst Du nicht zu wissen, ater iw sage Dir, ich bin einfach selig, daß alles so ge ommen ist. lind raute Lina erst. Die freute sich, als wir ihr erzählten, daß wir uns doch noch gesunde» Geweint hat sie vor Glück. Heute kommt sie her, um »iit der Mutter zu reden und mit dem Vater." Liese seufzte. „Das einzige, was mir noch >t ummer macht, ist der Vater!" Sie lief zwar den Kopf hängen, aber es dauerte nicku lange, lieber ihr Schelmengesicht huschle gleich wieder ein sonniges Lächeln. Ungestüm riß ne ßch los, setzte ihr einfaches Hütchen auf die blonden Locken und wollte zur Türe hinaus, als eben die elegante Equi page Bredersdonfs vor dem Hause hielt. „Donnerwetter," riet Liese, die einen raschen Blick auf das Gewährt geworfen hatte, „wer ist denn der schöne Mann?" Grete a'er nand unrcwcglich mitten im Zimmer, ne biel: du La d auf das Pochende >den aedruckt und sr-Stt kein Wort, keinen Gruß hervor, als der Ankömmling nun über die Dauvellc ichri:.n Er mußte sich bücken un ter der etwas niedrigen Dür. Freudig streckte Hans von Bredersdorff Grete die Hand ent oegen, indem er lacbend rief: „Aw, Fräulein, wo vleiben Tie heute so lange? Meine Mntter erwartet Sic swon seit einer Stunde mit Un geduld!" Dann wandle er sich an Liese mii en c: ariigen Verbeugung: „Zch habe wo bl dn: En:: vom Fräutein Scknvesler?" Als diese bejahte, sletlle er sich ilr v.a - ? für dann, sich wieder an Grele werbend, fort: „Zch tonnte es mir nicht versage::, re: sönlich vorzusprechen. Meine Mutter konnte üch Zhr langes Ausbleiben nicht erkln.en, sie drängte mich, Sie zu holen, und laß: Tie zu gleich bitten, den heutigen Arend rei uns zu-z»bringen. ^ie jsl rei» außer sich vor Freude. Der Kleine ist schon aan.z zutraulich geworden, er läßt geduldig alle die stürmischen Liebkosungen über sich ergeben.: meine Mutter will das Kind de» ganzen Dag nicht von sich laßen. Auch der Vater, dessen Befinden heule wieder ei» ga»z ausgezeichnetes ist, lächelt glückselig, wem» der Bengel in seine Nähe kommt. Der wird nun richtig verzogen wer den. Der Zunge, der bisher von einem Park keine Ahnung hatte, betrachtet jede Blume, jede» Schmetterling als ein Wunder. De» gan zen Vormittag tummelte er sich im Freie»; er braucht beständig jemand zur Aufsicht. Meine Mutter ist in steter Sorge, er möchte in den See fallen." Hans von Bredersdorff warf eiiieu Blick durch das Fenster, und auf die Pferde deu tend, setzte er rasch hinzu: „Sehe» Sie nur. Fr illein, die feurigen Tiere wollen gar nicht sieben, der .Hiltscher hat seine Not mit ihnen, al o ich vitte, beeile» Sie sich." Ta»» wandte er sich wieder an Liese, die nor Ungeduld brannle, fortzukommen: „Darf ich Sie einladcn, Fräulein, mil uns zu sahren?" Toch diese wehrte rasch ab: „Es ist mir leider munöglub, Herr von Bredersdorff, bitte verzeihen Sie, aber ich ich werde bereits erwartet." „Ach so," machte der Angeredeie mit hei urcm Lachen, „gewiß in dringender Ange- legcnheit?" Sie ging lachend auf den Ton ein- „Za, mein Herr, sebr dringend!" ...Hann cs mir denken." Grelc ivar rasch ins Nebenzimmer geschlupft, sich ibren Hut zu holen. Tie stellte Hans von Bredersdorff ihrer Mutter vor, er sagte in ver bindlichcin Ton: „Verzeihe» Sie, daß ich Zh»e» die Doehler für den ganzen Abend enl. führen will, aber es ist heute ein so herrlicher Tag und abends möchten wir auf dem See ruderm" Grele lclme einen Augenblick iwe Wange zärtlich an die der Mutter. „Es tut mir leid, daß Du so allein blei ben mußt, aber —" (Fortsetzung folgt).