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tersbuvgs. Die Ausständigen, 55 000 Arbei ter, versuchten demonstrative Umzüge, wobei es zu Zusammenstößen mit der Polizei kam. Besonders erregt zeigte sich die Menge bei der Putilow brücke, wo die Arbeiter viele Polizei- beamte durch Steinwürfe und Stockschläge ver letzten. Die Polizei mußte von den Feuer waffen Gebrauch machen. Zwei Arbeiter wur den schwer, zwei leicht verletzt. I« Albanien ist eine Besserung der Lage noch nicht erkennbar. Den dummdreisten Aufständischen von Schink, die zunächst erklärt hatten, sie wollten mit den Ver tretern der Großmächte bis auf diejenigen Deutsch lands und Oesterreichs verhandeln, wurde erwi dert, daß Verhandlungen nur mit den Diplomaten aller sechs Großmächte möglich seien. Darauf er klärten sie ihr Einverständnis. Unter den Re bellen sollen Streitigkeiten ausgebrochen und Mord und Totschlag an der Tagesordnung sein. — Von Valona aus ist Hauptmann Ghirardi mit 800 Freiwilligen und zwei Maschinengewehren ausgebrochen, um gegen die Aufständischen zu marschieren, die jenseits des Wojutza ein Lager bezogen haben. Aus dem Innern des Landes treffen beständig Flüchtlinge ein. Die Stadt ist ruhig. — In Durazzo überreichte der holländische HauptmannFabiusalSKommandantderFestungs- artillerie seine Demission. I« Mexiko begrüßte daS diplomatische Korps den neuen pro visorischen Präsidenten Carvajal, der erwiderte, er werde keine Mühe scheuen, um Mexiko den Frieden wiederzugeben und alle Mexikaner zu vereinen. Unter den verschiedenen Gruppen der Rebellen herrschen Zwistigkeiten. Die Komman danten deS deutschen Kriegsschiffes „Dresden" und des englischen „Bristol" stellten dem Exprä sidenten Huerta ihre Schiffe zur Fahrt nach Frank reich zur Verfügung. Sie Oberlungwitzer SchiiM- geselWft leitete Sonnabend abend mit einem Zapfen- streich durch den Ort die ans Anlaß ihres 40 jährigen Bestehens und diesjährigen Preis- und Königsscheibenschießens getroffenen Fest lichreiten ein. Unter munteren Marschwcisen der Hohenstein-Ernstthaler Stadtkapelle gings dann zum Festlotal Gasthof „zum Lamin" zurück, woselbst ein K ommers stattfand, der seitens der Mitglieder etwas besser hätte besucht sein können. Nach einigen Musikstücken der Kapelle, die dem leisesten Wink ihres Leiters, Musikdirektor Schäffer, folgte und ein vortreffliches Können zeigte, nahm der Bercinsvorsteher, Ge meindeältester Fabrikant Alban Siegert, das Wort zur Begrüßung: Wenn die Schützen gesellfchaft zu Oberlungwitz, die seit jeher im „Lamm" ihren Sih hat, bei der Eröffnung ihrer diesjährigen Hauptfcstlichkeiten ihr Pro gramm erweitert hat, so wohl nicht ohne Grund. Glaubten wir doch, das 40jährigc Bestehen nicht ohne eine schlichte Feier vor übergehen lassen zu dürfen. Im Jahre 1874 wurde der Grund zu der heutigen Gesellschaft gelegt, damals schufen wackere Männer die Stätte, an der wir heute noch zu edler Betätigung zu sammenkommen. Reges Leben herrscht dort zu Schießzeiten und regen Geist schafft die Aus übung des Schützenlebens', unsere Tätigkeit »oll dazu mithelfen, in Stunden der Gefahr mit der Waffe in der Hand für des Vaterlandes Sicherheit einzutreten; daneben beseelt kamerad schaftlichen Geist den Schützen, der die Grund jähe der Gesellschaft hegt und Pflegt. Ein 40 jähriges Leben hat die Schühengcscllschaft Ober lungwitz, in deren Namen ich die Erschienenen terzlich begrüße und willkommen heiße, nun inter sich; mag sie auch ferner blühen und gedeihen unter dem Schutze unseres allergnä- digslcn Königs, des Protektors der sächsischen Schützen, dessen auch wir bei dieser Feier gern und freudig gedenken: Sc. Majestät der König, Inara, Hurra, Hurra! Lebhaft stimmte man in das Hoch ein und sang darauf stehend: Den König segne Gott. Nach weiteren dankbar aufgenommcnen Kon zertstücken der Kapelle erfolgte zwischendurch die Auszahlung von 1799 Mk. Spargeldern durch Fabrikant August Härtel und die Dar ic- tung einiger wohlgelnngener Gesangsvortrege des unter Fabrikant Emil Opper in a n n stehendcu sangesfrohen DoPPelquar te t t s , die wohlverdienten Beifall ernteien. Dann folgte die tres liehe Festrede unseres geschätzten Ortsgcistlichen, Pfarrer v o n Doskp, der sich immer wieder bercitfindcn läßt, bei Pereinsjubiläcn und bei sonstigen Anlässen nach Kräften an der Verschönerung solcher Feste mitzuarbeiten. Er führte u. a. aus: Die Schützcngesellschaft Oberlungwitz darf ihr lOjährigcs Bestehen feiern. Aus diesem Grunde haben wir uns hier vereint, um mit unseren besten Wünschen für ihr ferneres Wach sen, Blühen und Gedeihen unsere herzliche An teilnahme an diesem frohen Tage kundzuma chen. Wie wir mtt den führenden Persönlich- ketten der Gesellschaft voll guter Hoffnung in die Zukunft schauen, in der Gewißheit, daß das edle Sweben, sich zum Wohle des Vater landes im Wasfengebrauche zu üben, auch in kommenden Tagen lebensfähig bleiben, ja noch mehr erstarken wird, so dürfen wir heute mit besonderer Genugtuung und Freude aus die Geschichte der Gesellschaft zurückblicken. Die Anfänge der Schützengesellschaft Ober- lungwch liegen in der Zeil nach den großen Kriegen. Auf Frankreichs Boden war das blu tige Ringen beendet und die gewaltigen Schlach ten geschlagen worden Mit dem Siegeslor beer geschmückt, war unsere waffenfähige Mann schaft heimgekehrt. Das deutsche Volk wußte wieder, daß es zum Waffendienst geboren sei, und daß es, wenn es der Väter Tugenden treu bewahre, immer ein Meister darin bleiben müsse. Auch die Köpfe derer, die nicht mit auszogen zum Kampfe wider den Feind, be wegten solche Gedanken. In ihren Herzen glühte auch vaterländische Begeisterung auf und Liebe zu dem Waffenhandwerk. So entstanden vielfach damals im deutschen Vaterlande Schieß-- und Schützengesellschaften, welche als Wahl spruch auf ihre Fahnen das Wort schrieben: Heb Aug und Hand fürs Vaterland! Auch unsere Schützenyesellschaft trat in dieser Zeit ins Leben. Es hatte in unserm Orte schon im Anfänge des vorigen Jahrhunderts eine blühende Schützengesellschast gegeben, aber diese war am Ausgang der' 50er Jahre aus irgend^ welchen Gründen aufgelöst worden. Nun regte im Jahre 1874 der damalige Guts- und Gast- hossbesitzer Rüger an, ob nicht der Zeitpunkt gekommen sei, die alte Schützengesellschaft in einer Neugründung wieder aufleben zu lassen. Er fand einen begeisterten Helfer in dem Va ter des derzeitigen Vorstebers, in dem Hand- schuhsabrikanlen Karl Friedrich' Siegert, wie wir überhaupt beobachten müssen, daß die Fa milien Siegert wie in manchem Dienste für die Gemeinde ebenso Erhebliches wie hier für die Sache des Schützenwesens geleistet haben und noch leisten. Von all den Gründern aus jenen Tagen haben wir zu unserer Freude noch einen unter uns, den derzeitigen Vorsteher Alban Siegert. Damals Ivar er der Schrift führer der Gesellschaft der er als solcher bis 1896 gedient hat. Ihn, verdankt die Gesell schaft neben vielem anderen die Bearbeitung ihrer Satzungen, welche bis heute in Geltung geblieben. Im Anfang benutzte die neugegrün dete Gesellschaft bei den Schießübungen Vor- dcrladergewehre mit starkem Kaliber. Es war eine umständliche Sache, mit dem Ladestock die Kugel in den Laus zu schieben und festzuram men. Wars geschehen', so wurde das Zünd hütchen ausgesetzt und der Hahn gespannt. 10 Jahre lang hat man diese Gewehre benutzt, bis man am 18. Mai 1884 Hinterlader in Gebrauch nahm. An diesem Tage nämlich wurde das neue, jetzt noch bestehende Schieß- Haus cingeweiht, nachdem man auch den Schicßstand auf 150 Meter verlängert batte. Von- der alten Schützengesellschast hatte man als Erbe ein alles Zi'elcrhäuschen und eine alte Schießmauer übernommen, welche 120 Ellen voin Tanzsaalc des allen Lammgasthofs entfernt im Felde lag. Damals schossen die Schütze» aus dein Tanzsaal heraus, der Pa rallel zum Wege lag- Während des Schießens war dieser Weg gesichert uud seine Begehung nicht statthaft. Redner gedachte dann des frohen Lebens in der Schießhalle, um sich sodann den Frauen zuzuwenden: Die Schützenfraucn haben der Gesellschaft immer ihre Liebe und Anteilnahme bezeugt. 1895 beschenkten sie die Gesellfchaft mit einer prächtigen Fahne und 1898 stifteten sie eine Kette als Auszeichnung für den jewei ligen Schützenkönig. In den ersten Jahren waren Vorsteher: Earl Tippmar, Franz Rit ter, Hermann Ehrhardt, von 1880—1891 Earl Friedrich Siegert, von 1895—1896 Anton Sid gert und von da an bis heute Alban Siegert. Was diese Männer aus dem Gebiete des Schützenwescns geleistet, ist allseitig und dank bar anerkannt. Sie haben vaterländischen Geist und deutsche Begeisterung in ihre Reihen ge tragen, darinnen bewahrt und gestärkt. Sie haben geholfen, daß der Sinn für das Waf- senbandwerk nnter den Männern unserer Ge meinde zuna! m und dieses selber fröhlich Ja' r für Jahr geübt ward. Diese Diensts, welche wir wohl zu- schätzen wissen, bleiben ihnen unvergessen. Mit diesen Diensten reihen sie sich würdig der Zahl derer an, welche in weit zurückliegender Zeit das Schützenwesen schirm ten und zu bedeutungsvoller Entwicklung brachten. Schützengesellfchaften kennt man in Deutsch land seit etwa 1500. Die Chemnitzer Schüt- zengesellfchaft kennt eine feste Satzung seit 1489, bat a'er wohl schon vorher ohne eine solche bestanden. Die Schützenfeste selbst bat en um 1500 herum ihre Blütezeit, sind ch er dann, Ivie so vieles Treffliche des deutschen Volks- le ms, in dem Elend des 50jährigen Krieges »ntergcgangcn. Redner verbreitete sich sodann einge'end über die Schützenfeste früherer Jahr hunderte, dis Einladungen hierzu', die sonstigen Vor ereitungcn, die Gastfreundschaft, die Schieß bedingungen, die Herrichtung und Ausschmiik- lung des Schießplatzes, der Ziel- und Trink stätten, der Sicherheit des Festortes und Auf rechterhaltung der Ordnung. Einige Tage vor dem Fest wurde unter entsprechender Feierlich leit der Vogel aufgezogen in Gegenwart von zwei Schießmarfchällen und der vier ältesten Schntzmbrüdcr. I» humorvoller Weise gedachte Redner des Pritschenmcistcrs, der sich zumeist in seiner Doppelrolle als Aufsichtsführcnder und strenger Kampfrichter und als Spaßmacher in der Kappe und mil der Pritsche recht gut gefiel. Vor Eintritt in das Fest wurden zu ¬ nächst die Schützengcsehc verlesen, in denen es ». a. heißt: Wenn ein Armbrustschütze seine Wa se angelegt hat, soll ihn keiner stören, bei s Pfennige Buße. Keiner soll ohne besonde ren Grund 3mal nacheinander schießen. Wer beim Wettschießen seine Armbrust wegen Un brauchbarkeit nicht weiter benutzen konnte, soll seine Einlage zurllckerhaltm. Strafe wurde je dem angedroht, der während des Festes mit Fluchen, Schwören, Schelten, Schmähen, Schimpfen oder sonst unanständigem, der bür gerlichen Ordnung oder den Gesetzen der Hös- lichkeit und dem Herkommen zuwiderlaufendes Benehmen oder gar durch unmäßige Trunken heit sich verging!. Ein fesselndes Bild entwarf der Redner von dem Loben und Treiben aus den alten Schützenfesten mit ihren oft pomp haften Umzügen, ihren Einrichtungen und Gebräuchen. Beim Schießen ward die Sand uhr, eingestellt, und ehe sie abgelaufen, d. h. in 3 Minuten, mußte der Schuß gefallen sein. Die Festwiese mit ihren Glückstöpfen, die mit Seife und Oel bestrichenen Kletterstangen, das Wafserstechen, Gänftrennen, Wettlauf, Kegel schieben, Ehrentanz, Festtafel ufw. erfuhren eine eingehende Beleuchtung. Was bei einer Festtafel z. B. im Jahre 1536 in dem da mals noch kleinen Chemnitz verzehrt wurde, geht aus- folgender Auffüllung hervor: 3 Schöpse, 12 Schweine, 9 Kälber, 8 Zentner Rindfleisch, 26 Ochsenzungen, 5 westfälische Schinken, 5 Hasen, 2 Auerhähne, 14 Hasel hühner, 146 junge und 120 alte Hühner, 26 Gänse, 37 Kapaunen, mehrere Schock grober Vögel, 127sH Pfund Hechte, 2 Zentner Karp fen, 6 Schock Krebse, dazu 70 Pfund Speck, Butter und sonstiges. Bei diesem Mahle brauchte man als Getränk 24 Eimer Meißner Wein, 8 Faß Freiberger und 4 Faß Chem nitzer Bier. — Nach tagelangem Anhalten des Festes trennte man sich schließlich in dem schönen Bewußtsein, nicht törichtes Spiel und närrische Dinge getrieben, sondern Auge und Hand für das Vaterland geübt zu haben, um die Waffen dann in der Stunde der Not und Gefahr zum Schutze von Haus und Herd, von Thron uud Altar, von Landesfürst und Vater land zu gebrauchen. Darin lag der Wert uud die große Bedeutung, welche die Schützengesell- schasten und ihre Schießfeste in sich trugen. Nach einer kurzen Betrachtung über die unheil vollen Wirkungen des 30jährigen Krieges schloß der Redner: Wenn auch die Bedeutung des Schützenwesens durch die allgemeine Militär pflicht in etwas verloren geht, Schützengesell schaften haben ein geschichtliches Recht. Und wir werden und müssen alle Vcrmistal ungm mit dankbarer Freude begrüßen, deren Haupt zweck nicht Vergnüge» und Lust, sondern die Betätigung eines edle» Gedankens ist, wie hier: Hebung im Wasfenhandwcrk, Liebe zum Vatcrlandc. Solange unsere Schützengesellschaft an diesen Bestrebungen fcfthält, wird sie sich der Unterstützung und des Wohlwollens aller wackeren Männer im Orte ersrcuen dürfen- Mag sic auf ihrer Bahn rüstig vorwärts schrei te»! Wir wünsche» ihr von ganzem Herzen eine schöne, reiche Zukunft! Der dankbar auf genommenen Festrede folgten weiterhin einige Musikstücke. ^m weiteren Verlauf des Abends gedachte der Schießmeister, Fabrikant Mar Siegert, des einzigen Gründers, des Vorstehers Al an Siegert, der sich nicht als einfacher Mitläufer, sondern in den ersten 20 Jabren als L>chrift- führcr und den letzten als Vorsteher treu und zuverlässig bewährt habe. Für die gewiß sel tene Anteilnahme sprach- Redner im Namen der Gesellschaft seinen herzlichen Dank aus, zu gleich mit der Bitte, auch fernerhin mit seiner ganzen Persönlichkeit und seinem ungeteilten Interesse zum Woble und Segen der Gesell schaft zu wirken. Die Ansprache klang in ein Hoch auf den Gründer und hochverdienten Vorsteher aus. Der Vorsteher Fabrikant Alban Siegert dankte für die wohlgemeinte» Worte, zugleich betonend, jederzeit gern für den Verein aus eigener Initiative eingetrete» zu sein. Auch in Zukunft werde er 1 ach Möglichkeit den Jnteres sen der Gesellschaft dienen. Redner davkte dann für die hervorragenden Ausführungen des Fest redners, die lebenswahre Schilderung des Schützenwesens bis zum heutigen Tag. Zu einer Schützengesellschaft gehöre der Tradition gemäß auch ein König; vom jetzigen König, Louis Pfefferkorn, lasse sich sagen, daß er seit Jahren der Gesellschaft in Standhaftigkeit und Treue angehöre. Altem Brauche gemäß überreichte Redner dem- König sodann ein gro ßes gerahmtes Bild, den Beschenkten in seiner Köniaswürde zeigend. Mit einem dreifachen Hoch auf Se. Majestät den Schützenkönig schloß die Ansprache. Eines verdienten Mitgliedes, der jederzeit die Jedale und Bestrebungen der Gesellschaft hochgebalten habe, gedachte Major Mar L ö - b e l und stellte als solches das Mitglied August Härtel vor, der 25 Jahre getreulich seine Pflicht getan und dem der Redner die hierfür gestiftete Vereinsauszcichnung überreichte. Gerade in der Jetztzeit sei es Bcd''rfms, einem Verein an zugehören, wo Geselligkeit, Vaterlandsliebe und Patriotismus gepflegt werden; alles dies ver eine die Schützengesellschaft in sich, auf die der Sprechende sodann ein Hoch ausbrachte. Weiter ließen noch Schützenmcister Mar Siegert die Schützenkönigin, Frau Major Lödel, und Fabrikant August Härtel, der zugleich versprach, auch in Zukunft treu zur Stange zu halten, und für die Auszeichnung dankte, die Kameradschaft hochleben. Ein Vor trag des Doppelquartetts, zu dem Lehrer Richard Löbel Dresden eine angemessene Kla vierbegleitung boft beschloß nach Mitternacht den offiziellen Teil des Eröffnungsabends, zu dessen Ausschmückung die Kapelle lebhaft bei trug. Das eigentliche Preisschießen nahm gestern seinen Anfang, um heute und in den nächsten Tagen fortgesetzt zu werden. Wliihrigts MMm des Turn vereins „Lurouia" Oberlungwitz. Nachdem am Sonnabend abend Vereinskneipe in Hähnels Restaurant stattgefunden hatte, hier bei die Gründer Rich. Riedel und Otts Wendler zu Ehrenmitgliedern ernannt worden waren und der Vorsitzende Ahnert, der die Ansprache hielt, ihnen Urkunden ausgehändigt hatte, fand die eigentliche Feier am gestrigen Sonntag statt. Schon am frühen Morgen hatten sich die Mit glieder des Vereins auf dem Turnplätze einge funden, um sich in ehrlichem Wettstreit zu messen. Gewertet wurden Dreisprung, Gewichtheben und 100 Meterlauf. Hierbei erzielten Emil Tippmar 60, Otto Degenhardt 59, Rich. Richter 58, Kurt Friedrich 58, Kurl Tippmar 55, Max Scheffler 55, Max Georgi 54, Willy Müller 52 und Otto Hennig 52 Punkte; die Zöglinge Franz Scheib ner 59, Max Heinig 54, Kurt Bandelmann 50, Kurt Wiesemann 44, Rudolf Jeworutzki 39, Kurt Mießler 39, Walter Ehlnig 38, Paul Kretzsch mar 37, Fritz Semper 35 und Kurt Richter 34 Punkte. Von 11 Uhr vormittags ab begann der Empfang der auswärtigen Vereine, der sich bis gegen 2 Uhr nachmittags hinzog und große Scharen der freien Turner herbeiführte. Es waren erschienen die Turnvereine der freien Turncrschaft aus Hohenstein-Ernstthal, Gersdorf, Wüstenbrand, Niederfrohna, Altenhain, Stangen dorf, Neukirchen, Stollberg, Lugau, Stelzcndorf, Neichenbrand, Röblitz, Grüna, Kändler, Pleißa, Callnberg, sowie die Ortsoercine Nadfahrerklub, Mundharmonikaklub, Arbeiter-Gesangverein und Gesellenverein. Die Aufstellung deS Festzuges begann '/z3 Uhr, dem sich der Festaktus anschloß. EingeleitSt wurde dieser mit der Begrüßung der Ecjchienenen durch den Vorsitzenden Ahnert und dem Begrüßungsgesang des Arbeiter-Gesang vereins „Ein Gruß euch allen aus treuer Brust". Hierauf ergriff der Festredner Riedel daS Wort, etwa folgendes ausführend: „Wiederum sind Sie heute zu uns gekommen, um gemeinschaft lich ein Fest mitzufeiern. Es ist nicht daS erste Mal, daß wir die Turngcnossen znsammengcrufen haben. Heute wollen wir ein Jubelfest feiern: das Fest des 25jährigen Bestehens. Was dies innerhalb eines Arbeiterturnvereins zu bedeuten hat, weiß jeder selbst. Aus diesen Gründen sind die Herzen aller, die zu uns gehören, von großer Freude erfüllt, daran teilnehmen zu kön nen. Es ist notwendig, daß wir einen kurzen Rückblick auf die Vereinsgeschichte werfen. Es war 1889, als ein kleines Häuflein junger Männer den Drang in sich fühlte, das Turnen zu pflegen. Obwohl zwei Turnvereine im hie sigen Ort bestanden, drängte es sie doch, inner halb ihres Kreises einen Verein zu bilden. Es gelang ihnen dies im Oktober 1889. Seit dieser Zeit ist er aber nicht mehr an der Stätte seiner Gründung. Es war zu einer Zeit, in der sich innerhalb des deutschen Turncrbundcs eine Be wegung bemerkbar machte, die eine Spaltung hcrbeiricf, die nicht aufzuhalten war. Bereits 1892 fand in Berlin der erste Arbeitcr-Turner- bundestag statt. Unser sächsischer Kreis bildete den 4 des Bundes und 1894 fand der erste Kreisturntag auf der „Zeche" statt. Sämtliche Vereine mußten s. Zt. aufgelöst werden. Doch hat Polizciwillkür die stete Entwicklung nicht hemmen können. Die Tnrnbewegung ist immer vorwärts marschiert. 1903 war cs möglich, uns selbständig zu machen, und vor 5 Jahren konn ten wir auf unserem Grund nnd Boden eine stattliche Turnhalle erbauen. 17 Turnhallen besitzt nunmehr unser 3. Bezirk und eine große Anzahl gewaltiger Plätze sind Eigentum unserer Vereine. Jetzt scheint wiederum eine Zeit wie im Jahre 1894 am Horizont aufzusteigen. Man ist bemüht, uns mit Hilfe der Gesetze niedcr- zuwcrfcn. Man sucht »nS die Jugend zu neh men, und darum müssen mir uns alle geloben, der Arbeitcrtnrnbewcgung treu zu bleiben, um nntzuhelfen am großen Werke. Unsere Organi sation ist eine, die keiner anderen Nachsicht. Stehen wir fest und arbeiten mir für unsere freie Turnsachc!" Mit einem dreifachen „Frei Heil" auf den Turnverein „Saxonia" und den Arbciterturncrbund schloß der Redner die mit Begeisterung anfgenommene Festrede. Anschließend wurden dem Jubclverein von den Vorstehern der Bruder- und Ortsvereine Geldgeschenke über reicht, die die stattliche Höhe von 180 Mk. er reichten. Außerdem wurde 1 Fahnennagel ge stiftet und von sämtlichen Abteilungen des Jubcl- vercuis eine dreifache Neckanlage im Werte von 500 Mark übergeben. Hierauf begann der etwa 900 Teilnehmer umfassende Festzug, der sich vom Fcstplatz »ach der Herrmannstraße, alsdann bis zur Poststraße und zurück auf den Platz bewegte. Hier wurde nach einer längeren Pause mit dem Schauiurnen begonnen, bei dem sehr straffe und auf dem Höhepunkte stehende Leistungen gezeigt wurden. Freiübungen der Mitglieder, Turnerin nen und Zöglinge, Geräteturnen, Turnen der Vorturner an Reck und Barren, Reigen der Turnerinnen, Allgemeines Kürturnen umfaßten das Programm. Ein Fußball-Wettspiel der 1. Mannschaft „Saxonia"-Oberlungwitz und der 1. Mannschaft „Freie Turnerschafl"-Reichenbrand, das mit 2 : 0 zugunsten „Saxonia" entschieden wurde, beendete die Veranstaltungen des Nach mittags. Am Abend fand Ball im Gasthof „Deutscher Kaiser" statt. TmMMd-MMfeier in Hohenstein-Ernstthal. Eines sehr guten Besuches erfreute sich die Jubilarfeier des Turnerbundes am Sonnabend in der Pfaffenbcrgturnhallc. Mit dem Liede der Sängerabtcilung „Gott grüße dich" wurde der Ehrenabend eröffnet, worauf stellvertretender Vor sitzender Schmidt die Erschienenen, insbesondere die Vertreter des Stadtrates, der Stadtverord neten und des Vrudervereins von 1856 begrüßte und allen einige fröhliche, genußreiche Stunden wünschte. Nach dem gemeinsam gesungenen Liede „Turner, auf zum Streite" boten Vorturner und die Damenturnabteilung Flaggen- und Keulen schwingen, dessen einzelne Gruppe« sehr interes-