Volltext Seite (XML)
öMM DM DihMüi-EniMliln Amrigu Tageblatt. «r. 184. DienStag, den 7. Juli U»14 41. Jahrgang Erstes Halbjahr lM. Am 13. Januar nahm der Deutsche Reichs tag seine Arbeiten Mieder auf, die außer der Erledigung des Etats Aussprachen über den militärischen Waffengebrauch und die Verschön jung der Duellstrafen brachten. Die meisten Vortagen verfielen dein Papierlorb, da die Zession ain 20. Mai geschlossen wurde. Die Sozialdemokraten blieben beim Kaisevhoch sitzen. Am 24. Januar nahm der mecklenbur gische Minister Graf Bassewitz, mit dessen Toch ter sich Prinz Oskar von Preußen am 25. Mai verlobte, seinen Abschied- Am 31. Ja nuar fand der Ministerwechsel in der elsas> lothringischen Negierung statt, an Stelle des Herrn Zorn v. Bulach wurde Oberpräsidialrat Graf Roedern Staatssekretär der Reichslande Der Wechsel auf dem Statthalterpoften, Gras Wedel, der zum Fürsten erhoben wurde, er hielt den Preußischen Minister des Innern von Dallwitz zum Nachfolger, sand erst am 18. April statt. Der neue Minister des Innern v. Loebell erklärte, daß er eine Wahlresorm nicht beabsichtige. Der Februar brachte die landwirtschaftliche Woche, die Paraphierung des Abkommens mit der Türkei über die asiatischen Eisenbahnen, die Ablehnung aller weftcrgelen- dcn Anträge über den militärischen Waffenge- brauch in der Zabernkommission des Reichs- tages. Am 4. März starb Kardinal-Fürstbischof von Kopp-Breslau, am 27. Mai wurde Bi schof Bertram-Hildesheim zu seinem Nolß'l- aer gewählt. Am 18. März wurde dem braun schweigischen Herzogspaar ein Sohn geboren. Am 26. März kündigte Finanzminister Lentze im preußischen Abgeordnetenhause eine Ermä ßigung der Steuerzuschläge für den Fall an, daß der Wehrbeitrag einen Ueberschuß ergäbe. Am 23. März begrüßte Kaiser Wilhelm auf der Fahrt nach Korfu in Wien den Kaiser Franz Joseph und empfing den Besuch des Herzogs von Cumberland, am 27. hatte der Monarch in Miramare eine Besprechung mit dem Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und vorher eine Begegnung mit dem König von Italien in Venedig. Nach Ostern begab sich der Reichskanzler zum Kaiser nach Korfu Am 11. Mai starb Frau von Bethmann Holl weg. Am 14. sprach Staatssekretär v- Jagow, der sich im Juni vermählte, im Reichstag! über di- Entspannung der europäischen Lage. Am 11. Juni starb Großherzog Adolf Friedrich von Mecklenburg-Strelitz, am 25. Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen. Am 12. Juni war Kaiser Wilhelm zusammen mit dem dem Staatssekretär von Tirpitz Gast des Err Herzog-Thromolgers in Konopischt, am 14. Juni fand der Besuch der Zarenfamilie am rumänischen Königs! ofe in Constanza statt, und. am 28 Juni wurden der österreichische Thron folger und seine Gemahlin in Serajewo er- »wrdet. Was das Ausland angeht, so wurde das österreichische Abgeordnetenhaus am 21. Mär; vertagt und die verlangte Erhöhung des Rc- lrutenkontingents von der Regierung unter Auftebung der Verfassung angeordnet. In Italien trat am 9. März der Ministerpräsident Gioätü zurück, Salandra wurde sein Nachfol-M ger. In Frankreich starb der „große Nationa list" Deroulede am 30. Januar. Am 16. März erschoß die Frau des Finanzministers Cail laux den Figaro-Direktor Calmette, Cail laux und Monis schieden aus dem Amte, die Rochette-Kommission trat in Aktion. Am 10. Mai fanden die Neuwahlen statt, die die ra dikale und sozialdemokratische Partei der Karn iner stärkten, am 1. Juni trat das Ministerium Doumergue zurück und nach vielen Schwierig keiten sowie dem Sturz des Eintagsministeriums Ni'wt folgte am 13. das Kabinett Viviani. In England übernahm Premierminister As quith nach den Verdrießlichkeiten mit den eng lischen Offizieren Irlands am 30. Mürz das Krisgsministerium. Prinz Wilhelm zu Wied empfing »ach seinen Reisen an die europäischen Höft am 27. Februar in Neuwied die al banische Kommission unter Essad Pascha, die ihm die Fürstenkrone antrug, am 7. März lan dete er in Durazzo, am 28. März wendete er sich wegen der griechischen Umtriebe in Nord epirus zum ersten Male an die Mächte, am 19. Mai wurde Essad Pascha entlarvt und am 23. war angesichts des drohenden Angriffs der Aufständischen Fürst Wilhelm mit Familie auf den italienischen Kreuzer „Misurata" geflüchtet. Seit der Rückkehr hatte er in Durazzo vor den Rebellen keine ruhige Stunde. Im mexika nischen Wirrwarr, der das ganze Halbjahr an dauerte, was das wichtigste Ereignis die Be setzung von Veracruz durch die Amerikaner am 22. April. An großen Streiks brachte der Januar zu nächst den Transportarbeiterausstand in Süd- afrikal der zur Deportation der Arbeiter-Ver treter führte, der Februar den Lehrerstreik in Hcrfordshire in England; anfangs Juni fand in der unruhigen Romagna Italiens ein revo lutionärer Streik statt, der Streik der Pariser Briefträger am 23. Juni war schnell beigelegt. Besonders reich war das verflossene Halbjahr an bemerkenswerten Prozessen. Am 10. Ja nuar wurden in Straßburg Oberst Reuter und Leutnant Forstner wegen Zaberner Krawalle Keigelprochen. Einen Freispruch erzielte auch der frühere Reichstagsabgeordnete Graf Miel- czyns i, der am 21. Februar seine ungetreue Gemahlin und seinen Neffen erschossen hatte. Lebhafte Erörterungen knüpften sich an den im Juni erfolgten Freispruch der Brunhilde Wilden in Elberfeld, die ihren früheren Ver lobten Nettelbeck erschossen Hütte. Die Sozial- demokratin Rosa Luxemburg erhielt am 20. Februar 1 Jabr Gefängnis wegen Aufforde rung zum militärischen Ungehorsam, ein zwei ter Prozeß gegen sie, der einen ungeheuren Zeugenapparat entfaltete, begann am 29. Juni. Unalücksfälle waren überreichlich. Am 16. Ja nuar ging das englische Torpedoboot „A 7" mit 16 Mann unter; durch eine Schlagwct- tererplosion auf der deutschen Zeche „Achen- lach" am 30. Januar fanden 30 Bergleute den Tod; am selben Tage vernichtete eine rie sige Ueberschwemmung in Brasilien 2000 Menschenleben; am 19. März sank im Hafen von Venedig rin Bergnügungsdampfer mit 50 Menschen, die Matrosen vom deutschen Ge schwader zeichneten sich hierbei ebenso aus wie beim Brande des Konstantinopeler Taschlischla- .Kaserne, wobei 3 deutsche Matrosen ums Le ben kamen; am 8. Mai forderte ein schweres Erdbeben in Catania über 100 Menschenleben, das schwerste Unglück war jedoch der Unter gang der „Empreß of Ireland" im St. Lv- renzstrom, bei dem 1032 Menschen ertranken. Glänzende Erfolge sowohl wie schwere Un- Me zeigten sich bei der Lustschifsahrt. Das 25. Zeppelin-Luftschiss ist da, der Dauer-Re kord ini Aeroplan von 22 Stunden ist in Händen des Deutschen Landmann. Den Welt rekord im Freiballon mußten drei deutsche Luftschifser jedoch am 30. April in Perm niit je 6 Monaten Gefängnis bezahlen. Am 13. Juni verloren wir den Metzer „Z 1", der im Gewittersturm geknickt wurde. Oesterreich hatte am 20. Juni die Explosion des „Körting"- Luftschiffes nach einem Zusammenstoß mit einem Aeroplan, die Katastrophe forderte 9 Menschenleben. An Merksteinen deutscher wirt schaftlicher Entwicklung verzeichnen wir die drahtlose Verbindung Nauen—Windhuk (9750 Kilometer) am 14. März, die Einweihung des Hohenzollern-Kanals Berlin—Stettin in Gegen wart des Kaisers am 17. Juni, die Einwei- hung des erweiterten Kaiser-Wilhelnckanals bald daraus, den Stapellauf des Ozeanriesen „Bismarck". An weiteren wichtigen Vorfällen müssen erwähnt werden: das Höllenmaschinen attentat auf Bischof Miclossh von Debreczin am 23. Februgr; der Straßenräuberüberfäll aus die Töchter des deutschen Generals Li man-Pascha in Konstantinopel, die Täter, drei türkische Soldaten, wurden hingerichtet; die vielfachen Suffragetten-Schandtaten, deren wich tigste die Zerstörung berühmter Gemälde im März und das Bombenattentat auf den Kro- imngsstuhl in der Westminsterabtei am 11. Juni waren. Ende März trat das Prinzenpaal Heinrich von Preußen seine Südamerikafahrt an. Gestorben sind am 2. April der Dichter Paul Heyse in München, am 10. Mai der Generalmusikdirektor Schuch in Dresden, am 29. Mai der Eründer des Mauser-Gewehres, Geheimrat Mauser, in Oberndorf. Die Kieler Woche im Juni brachte den Besuch eines eng lischen Geschwaders. Ser SchsentW in Sresde». * Dresden, 5. Juli. Der Sachsentag drückte bereits in den gestrigen Morgenstunden der Stadt ein festliches Gepräge auf. Die öffentlichen Gebäude sowie zahlreiche Privat häuser hatten festlichen Fahnenschmuck angelegt und auch vor dem alten und dem neuen Rat hause wehten Fahnen in den sächsischen und den deutschen Farben. Eine große Anzahl von Geschäften, sowie die Standquartiere der ein zelnen Landsmannschaßen sind festlich ge schmückt und mit entsprechenden Aufschriften, sowie den Wappen der betreffenden Städte und und Staaten versehen. Einen recht gefälligen Eindruck macht die große Ehrenpforte am Ein gänge der Prager Straße mit ihren zahlreichen Fahnen, Wimpeln und Erntekränzen. Auf den Bahnhöfen fand bereits in den Vormittags stunden der Empfang zahlreicher von auswärts eintreffender Festteilnehmer und Landsmann schaften statt. Aus diesem Anlasse liefen auch niehrere Sonderzüge auf dem Hauptbahnhofe ' aus Hamburg, aus dem Rheinlands, aus Mühlhausen i. Th., aus Plauen, aus Zittau usw. ein. Abends 8 Uhr wurde der Sachsen tag durch eine Festtafel mit Kommers in der Fürstenhalle auf der Dresdner Vogelwiese feier lich eröffnet. Unter den zahlreich Erschienenen bemerkte man die Vertreter der Dresdner Lands mannschaften, Delegierte von anderen deutschen Städten und ausländische Sachsenvereine, fer ner die Vorsitzenden der Ausschüsse und die Spitzen der Behörden, darunter die beiden Ehreirvorsitzenden Staatsminister Gras Vitzthum v- Eckstädt und Oberbürgermeister Dr. Beutler. Auch der Schirmherr des Sachsentages, Kron prinz Georg, war zum Kommers erschienen. Begrüßungsansprachen hielt?» die beiden Ehren vorsitzenden, sowie der Präsident General z. D. von Seydlitz, der den Dank der Ausschüsse aussprach, insbesondere dem Kronprinzen für die Uebernahme des Protektorats. Gleichzeitig nahmen auch die Festlichkeiten in den anderen 26 Hallen mit Konzert und Kommers der Landsmannschaften, mundartigen Vorträgen und sonstigen Darbietungen ihren Anfang. In seiner Begrüßungsansprache machte Gras Vitz thum v- Eckstädt darauf aufmerksam, daß der Sachsentag den Landsmannschaften Gelegenheit geben solle, sich kennen zu lernen und in ihnen den Entschluß stärken solle, sich als gute Sach sen und als gute Deutsche zu bekennen und zu betätigen. Der Minister streifte sodann die großen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegensätze innerhalb des Volkes, die wohl nie aus der Welt geschaßt werden könnten, und bezeichnete das Deutsche Reich als einen Bun-« desstaaf, bei dem die einzelnen Staaten, den Zellen eines Zellenstaates vergleichbar, ieder sein eigenes Leben und seine eigenen Aufga en habe. Das Reich werde am besten dann ge deihen, wenn jeder Staat die ihm übertragenen Aufgaben in möglichster Vollkommenheit zu lösen« suchte. Mit freudigem Stolze könne man auf die Entwicklung des sächsischen Vaterlandes blicken, hoch« entwickelt und leistungsfähig seien seine Landwirtschaft, Handwerk und Industrie, mustergültig seine Schulen. Schon in früheren Zeiten waren es Sachsen, schloß der Minister, die den stärksten nationalen Einfluß auf deut sches Denken und Fühlen ausübten. Ich nenne die Dichter Lessing und Körner, den Philoso- phen Fichte, die Tondichter Bach, Weber und Wagner, den Maler Ludwig Richter und den Architekten Semper. So soll und wird es auch ferner unser Stolz sein, unsere besten Söhne im Dienste des großen Vaterlandes stehen und wirken zu sehen. Nur die Liebe zu unserer Heimat gibt uns Kraft zum Wirken, vor allem aber die Liebe zu unserem Königshause, das seit mehr als 800 Jahren mit dem sächsischen Volke durch die Bande gemeinsamer Schicksale verbunden ist, die Liebe zu unseren, Königs hause, dem zu huldigen der Glanzpunkt unseres Festes sein wird. Der zweite Festtag des Sachsentages, der Sonntag, wurde mit fünf Festgottesdienslen eingeleitet, die in der Kreuzkirche, in der evan gelischen Hof- und Sophienkirche, in der Frauenkirche, in der Annenkirche und in der Dreikönigskirche stattfanden. Vormittags 11 Uhr fand im Saale des Hotels zum Palmengarten eine Festsitzung unter dem Vorsitze des Buch- Das Haus am Nixensee.j Original-Roman von Irene v. Hellmuth. 21. Fortsetzung. (Nachduck verboten) Liese hatte mit zitternden Fingern den Hut auf dem Blondhaar befestigt und Ivar in die Jacke geschlüpft. Dann reichte sic, ohne cm Wort zu sprechen, der Tante die Hand, die beiden anderen keines Blickes würdigend, und schlüpfte hinaus, das silberne Lachen Charlot tens tönte hinter ihr drein. „Putz, die beleidigte Unschuld!" rief sie, die Hände zusammenschlagcnd, „Ivas die für Augen machen kann!" - Die Tante saß mit finsterer Miene dabei, ^üe dachte gar nicht mehr an ihr Abendessen, aus das sie so viel Sorgfalt verwendet hatte. „Ich will nicht, daß Sie mir das Kind kränken, Charlotte!" begann sie in zurechtwci- sendcm Ton. „Die Kleine ist mir ans Herz gewachsen, ich habe sic sehr lieb gewonnen, sie ist ein offenherziges, liebenswürdiges Geschöpf dessen Gesellschaft ich nicht entbehren möchte. Sie dürfen mir Liefe nicht von der Schwelle scheuchen, ich würde meine junge Freundin sehr vermissen." „Naseweis ist sie, weiter nichts! Ihr tut ja gerade, als wäre sie ciue Prinzessin. Ich kann sie nun einmal nicht leiden!" „Sie hat Ihnen« doch nicht das Geringste zu leide getan!" „Mein Gott, nein — aber ich bin eifersüch tig auf sie!" Das klang sehr gereizt und ungeduldig- Otto fuhr heftig in die Höhe. Er kämpf e mit den widerstreitendsten Gefühlen. Es tat ilm plötzlich leid«, daß Liese gegangen war. Ihn, kam es vor, als fehle ihm etwas. Er blieb verstimmt ui d wortkarg den ganzen Abend über, und es wollte keine rechte Unterhaltung mehr auskommen. So trennte man sich viel früher als gewöhnlich. 7. Als Grete zum ersten Male ausgehen durfte, schien die Helle Maiensonne auf die frühlings frische Erde herab. Im grünen Schmuck prang ten die Bäume, die Grete zum letzten Mal gc- se'en, als der Herbstwind darüber fuhr und Blatt um Mati mit hinwegnahm. Am Wcg- raiu, über den die Wiedergenesene mit leichtem Herzen dahinschritt, blühten gelbe Schlüsselblu men und weiße Gänseblümchen. Alles, wohin man sah, freute sich des wieder erwachten Le bens, des goldenen Sonnenscheins- Auch Grete blickte lächelnd hinein in die bunte Frühlings pracht. All das Schwere, das sic so bedrückt, Ivar von« ihr gewichen, sic fühltc sich wohl und frei. Die linden Lüfte spielten kosend und schmeichelnd mit dem dunklen Gelock, das sich um Stirn und Schläfe kräuselte. Die langen Tlecbten hatte Grete während der heftigen Er krankung verloren, dem Fieber, das lange Wo chen in ihreru Körper gewütet, mußte auch ibr schönes Haar zum Opfer fallen. Dafür ringel- ten sich nun lauter kleine Löckchen über der hohen Stirn und ließen das schmale, zewe Gesicht »och jugendlicher erscheinen als sonst- Grete hatte den« leichten, einfachen Strohhut abgenommen und ließ die milde Luft um ihre Stirn wehen. Mit sicheren, elastischen Schich ten ging sie dahin. Eine Lerche schwang sich jubilierend empor in die reine Luft. Grete schaute ihr lächelnd nach. Das junge Mädchen fühlte plötzlich, daß ihm die Lust am Leben wieder erwachte. Wie schön war doch die Welt in ihrer lachenden. holden Lenzesluft! Grete freute sich der wie der gewonnenen Gesundheit, des neugeschenkten Daseins. Während ihrer schweren Krankheit schien es auch, als ob das Leben zu Hause sich zum Bessern wenden wollte. Der Vater ging nicht mehr so viel aus wie früher. Wenn er auch das zu tief eingewurzelte Lasier des Trinkens und Spielens nicht lassen konnte, so nahm er sich doch sehr zusammen. Da atmete auch die arme Mutter ein wenig auf. Sie blickte weniger trübe in die Zukunft. So hatte» sich die Winterabende ganz erträglich gestaltet, ja, manchmal war es ganz gemütlich gewesen, wenn die Mutter und Liese an Gretes Bet saßen und unermüdlich darauf bedacht waren, keine Langeweile aufkommen zu lassen. Frei lich, seit Grete sich Wohler fühlte, sing auch der Vater das alte Leben wieder an, aber sie hofften doch, daß es nach und nach besser mit ihm werden würde.. Auch mit Liese Ivar eine Veränderung vor gegangen. Sie, die sonst die Heiterste vo» allen gewesen, schlich zuweilen recht bedrückt herum, und ihre Schelmenaugen schienen um flort. Grete ahnte zwar den wahren Grund, aber sie rührte nicht daran. Ottos Vermählung sollte in etwa acht Wo chen stattfinden. Die junge Braut hatte es durchgesetzt, daß sie eine elegante Wohnung be- kam. Tante Lina wollte es so. Die alte Dame war jetzt, ganz damit xinverstandcn, daß das junge Paar nicht bei ihr wohnte. Sie versprach sich wenig Gutes von einem Zusam menleben nrit demselben. Nach der Vermählnng sollte Liese ganz zu der Tante ziehen. Die alte Freundin hatte so lange darum gebeten, bis Lieses Mutter dem Drängen nachgab und einwilligte. Frau Som mer wußte, daß ihr Kind dort gut versorgt war, denn Liese erklärte stets auf. das Be stimmteste, nicht heiraten zu wollen, und Tante Lina ließ deutlich durchblicken, daß sie die Zu kunft ihres Lieblings sicher stellen würde. So war man wenigstens dieser Sorge enthoben. An all das dachte Grete, während sie so dahin schritt, hier und da eine Blume pflük- kend. Sie sog mit Behage» den feinen Lenz geruch ein. Dann saß sie ein kleines Weilchen am Wegrain. Die Frühlingsluft hatte sic müde gemacht. Das zarte Gesicht war von leisem Rot überhaucht, die noch etwas blasse» Lip pen halb geöffnet, sodaß die kleinen Zähne sichtbar wurden. So bot sie ein liebliches Bild. Endlich schlug sie den altbekannten Weg zum Nixen.see ein, den sie nun solange nicht mehr gegangen. Als sie von ferne das Wasser aufblinken sah, mußte sie daran denke», wie sie zum letzte» Mal hier gewesen im Herbst. Was war seitdem alles über sie hinweggestürmt, wie nahe war sie dem Tode gewesen! Und nun durfte sie dem Leben wieder ins Auge schauen. Wie ein Gnadengeschenk nahm sic die wiedergewonnene Gesundheit auf. Sinnend saß sie dann auf ihrer Bank un ter der Rotbuche und blickte hinaus auf den See. Leise kamen die Wellen gezogen und zer flossen gurgelnd am Ufer. Das Riedgras flü sterte wie ehemals und das Mädchen hielt leise Zwiesprache mit ihm. Ob die Herrschaft, deren Ankunft im Herbst vorbereitet wurde, wohl eingezogen ist in dem stillen« Hause? Ob man etwas von ihr sehen kann? Dies hätte Grete gern gewußt. (Fortsetzung folgt).