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KWk W PHMl» Mlllhllln Mklgrr «i N*. IS». Freitag, »-« 1». J«mi 1»L4 4t. Jahrgang Das Haus am Nixensee Original-Roman von Irene v. Hellmuth. 6. Fortsetzung. (Nachtuuck verboten). Die Mutter, die langst aus Erfahrung wußte, daß man ihn in solchen, Zustand nicht durch Gegenreden reizen durste, winkte Grete zu sich heran, gab ihr die Lampe in die Hand, packte ohne ein Wort zu sprechen, den Mann fest gin Arme u-nd hihrre ihn über die Schwelle der Stube in das nebenan befindliche Schlaf zimmer. Er folgte ihr seht willig. Sie gab dem Mädchen rasch ein Zeichen, sich zu ent fernen. Mit zitternden Händen begann sie dann ihn zu entkleiden. Gleich darauf lag er in tiefem Schlaf. Die Frau aber floh wie gehetzt die schmale Treppe wieder empor und machte sich aus dem Sosa ein Lager zurecht, denn bei dem Gälten blei ben konnte sie jetzt nicht. Ihr graute vor ihm. Auch wußte sie, daß er jetzt in tiefen, bleiernen Schlaf fallen würde, der dis gegen Mittag des andern Tages anzuhalten Pflegte. Grete lag den Rest der Nacht schlaflos aus ihrem Lager. Sie hörte die Mutter leise weinen und grub den Kopf tief in die Kissen. 3. Ain andern Tag hatte sich das Wetter anh- gesellt. Die Sonne schien freundlich vom blauen- Himmel herab, die Lust war zwar nicht mehr sommerlich warm, aber mild und rein. Es war ein selten schöner, klarer Herbst tag. Grete fühlte sich noch recht matt und air gegriffen, deshalb wollle es auch init der Ar beit nicht recht vorwärts gehen. Gegen Abend kam Karl Gronau, um seine Braut zu besuchen. Er war ein schöner, statt licher Mann, sehr elegant gekleidet, tadellos vom Kops bis zum Fuß. Die blauen Augen blickten hell in die Welt, das hübsche, blonde Schnurr-bärtchen stand ihm gut. Grete begrüßte ihn mit freudig anfleuchten- dem Blick. Ein frohes Lächeln- teilt? ihre Lip pen, in- die bleichen Wangen stieg ein leises Not. Er betrachtete sie forschend und mußte sich gestehen, daß sie ein wunderhübsches Ge schöpf war, mit der dunklen Flechtenkrone aus dem zierlichen Kopf und den großen, nuß braunen Augen. Die kindlich-biegsame, feine Gestalt Ivar schlank wie eine Tanne. „Hattest Du- gestern- wirklich so etwas Wich tiges zu tun, Karl, daß nicht einmal ein Vier telstündchen für mich übrig blieb?" fragte Grete mit leisen, Vorwurf. „Ach, Du nahmst mir das übel?" lachte er etwas gezwungen. „Nein, Karl, wenn es Deine Zeil wirklich nicht erlaubte, so ist es selbstverständlich — aber ich machte mir allerlei schwere Gedanken deshalb — ich dachte schon, Du hättest mich nicht mehr so lieb wie früher — das war das, was mir die Brust zusammenschnürie. Verzeihe mir die Zweifel, aber ich habe Dich noch so lieb. In Deiner Liebe lebe ich, all das Schwere, das das Schicksal uns auserlegt ha-, trage ich leicht, wenn ich cm Dich denke, mir die glücklichen Stunden vergegenwärtige, die ich bereits durchleben durfte, wenn ich-mir vorstelle, daß noch viele solcher Stunden folgen werden." Sie lehnte ihre Wange an seine Schulter, darum gewahrte sie den malitiösen, halb ver legenen Ausdruck nicht. der aus seinem hübschen Gesicht lag. Er- drehte sein kleines Schnurr bärtchen zwischen den Fingern, und sah etwas gelangweilt aus. Grete befand sich in einem erregten, freudigen Zustand, es siel ihr nicht weiter am, daß sie keine Antwort bekam, stumm verharrte auch sie eine Weile. Sie schmiegte sich an den Verlobten, denn sie emp fand seine Gegenwart als eine Erlösung, all ihre bangen Zweifel waren verschwunden, sie glaubte wieder an ihr Glück. Karl Gronau brach endlich das Schweigen. „Ich- habe heute eine Einladung zum Herbstball im Kasino erhalten. Es ist dies ein Ball- in, großen Stil. Ich glaube, ich sprach Dir schon davon-, daß ich denselben besuchen will. Man muh sich auch einmal sehen lassen in der besseren Gesellschaft, es bietet sich- da Gelegenheit, neue Beziehungen anzuknüpfen, die mir geschäftlich sehr viel nützen können. Ich bin das meinem Stande schuldig. — Du kommst doch mit?" Grete schüttelte erstaunt den Kopf. „Aber Karl, wie kannst Du das nur den ken! Du- weißt doch, daß mir der Arzt das Tanzen verboten hat, was also sollte ich aus einem Balb? Ich fühle mich nicht wohl unter all den fremden, geputzten, gaffenden Menschen. Tu weißt doch auch, daß nur sehr zurückgezo gen leben; ich kann derartigen Veranstaltungen nnn einmal keinen Geschmack avgewinnen." Karl Gronau nagte an der Unterlippe, sein Ton klang sehr gereizt, als er entgegnete: „Wenn ich Dir doch sage, daß ich durchaus aus den Ball will, daß ich die Verpflichtung habe, hinzugehen, so kannst Du doch Deinen kleinlichen Vorwand fallen lassen. Das sind nur Scheingründe, die Du oorbringst, un-d ich lasse sie nicht gelten." Grete war blaß geworden. „Scheingründe nennst Du das, wenn ich Dir versichere, der Arzt hat mir streng verboten, daß ich tanze. Bitte Karl, tue es mir zu Lie-e, laß uns zu Hause bleiben," bat sie herzlich, ihre Empfindlichkeit tapfer nieder- kämpfend, „Iver sollte auch mit uns hingchen? Meine Mutter wird es kaum wollen, es fehlt ihr die Toilette." „Ich will einmal Deine Mutter fragen. Gert sie mit, so ist es abgemacht." Er rief Frau Sommer, die in der Küche beschäftigt war. Sie schien verlegen, als er ivr sagte, was er von ihr wollte, strich sich die Schürze glatt und meinte in kühlem Ton: „Daß Sie das nicht selbst einsehen, daß Grece vorläufig keinen Ball besuchen kann, wundert mich sehr. Sie ist zu zart und schonungsbe dürftig, man darf ihr so etwas gar nicht-zu- muten." Er trat hart mit dem Fuße auf. „Mein Gott, ja, so soll sie sich eben schonen, ich gehe dann allein hin, ich habe es doch einmal versprochen." Grete legte beschwichtigend die .Hand auf seinen Arm. „Würde Dir denn das Vergnügen machen?" fragte sie, ihn forschend betrachtend. Er lachte laut. „Warum nicht? Ich bin jung, gesund und vergnügt. Ich möchte mein Leben genießen. Weshalb soll ich immer daheim sitzen und Trüb sal blasen, ich will lustig sein! In dieser Be ziehung- passen wir gar nicht zusammen." Grete weinte leise. „Puh-, nun gar noch Tränen. Du weißt doch, wie verhaßt mir das Geflenne ist." „Ich glaube, Du bist nur hergekommen, uni mich zu quälen, oder um Streit zu- suchen," meinte das junge Mädchen. „Denke, was Du willst, mir ist es einerlei," brummte er verdrießlich. Noch einmal legw Grete sich auss Bitten-. „Habe Geduld mit mir, Karl. Wenn ich ganz gesund bin, dann macht es mir gewiß Freude, mit Dir auf den Ball zu gehen, aber !o, ich passe nun wirklich nicht dorthin-." Karls Gesicht wollte sich nicht aushellen trotz ihrer fast demütigen Worte. Er blieb schweigsam und verstimmt. Es wollte keine rechte Unterhaltung mehr aufkommen. Grete fühlte wieder eine heiße Angst in sich aufstei gen. Die Sorge, daß Karl sie nicht mehr so lieble, wie früher, quälte sie unablässig, und verfolgte sie noch, als Karl längst gegangen war. Sie warf sich lange schlaflos auf ihrem Lager hin und her. In der Nacht glaubte Liese aus einmal ein leises, unterdrücktes Schluchzen vernommen zu haben. (Fortsetzung folgt.)