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GWFMLtt. Rr. 135. Sonntag, den 14. Juni 1314. SWSSSSsSSSSWSWSSWWSSWSSSSSSSSSsSSSSNSW» 41 Jahrgang «.«II» ! tWWW»»WMDWWW»»WWWWMWWWWWM»WMWW Die Gobensteinerin. Von S. H a l m. (Nachdruck verboten.) Gmchild hatte das Erbe ihrer Väter auge- treten. Im Lande ringsum sprach man viel von der neuen Burggräsin. Noch keines Frem den Auge halte sie erblickt. Seit dem bei ihrer Geburt erfolgten Tod der Mutter Halle sie bei einer Muhme gelebt; ihr Vater, ein milder, rauher Gesell, hatte das Kind, das dem ge liebten Weib das Leben gekostet, nicht um sich sehen wollen. Nun war der alte Ritter in einer Fehde gefallen und Gunhild war heinigekehrt in die Burg ihrer Väter. Die Muhme hatte sie be gleitet, und ein alter Knappe, der ihrer Mut ier schon gedient, hatte die Frauen heimgeholt. Das war ein sonderlicher Einzug gewesen. Keine liebende Hand hatte der Maid den Weg mit Blumen bestreut; kein herzliches Willkom men hatte sie auf der «schwelle ihrer Heimat begrüßt. Rasselnd war die Zugbrücke herab- ge allen, die neue Herrin einzulassen, und nur ernste, neugierige Mienen waren um sie ge wesen; denn über allein lastete der Ernst des Todes. Noch stand ja in der Burgkapelle des Grafen Leiche, der Bestattung harrend. Gun- Hild tat ihre Pflicht, sonst nichts; war ihr doch der leibliche Vater ein Fremder geblie ben- Nicht eine Träne entquoll ihrem Auge. Im Tiefinnersten haßte sie den Toten, der ihr die Heimat verschlossen; nur das Bild der Mutter, wie es die Muhme ihr gedeutet, lebte in ihr, fort. Der Gedanke an die Frühver- blicheue vermochte allein das stolze Herz der Jungfrau weich zu stimmen; denn im Grunde war Gunhild, die Verstoßene, die echte Toch ter ihres Vaters, wild und herrisch, stolz und nachtragend. Der Muhme Nachsicht hatte das wilde Kind kaum regieren können. Verschlos sen, grüblerisch, voll ungestilltem Heimweh lalle sich Gunhild wenig beeinflussen lassen. Nun endlich fühlte sich die Verstoßene frei, fühlte sie sich als Herrin. Ihre erste Tat war, nachdem sie den Vater bestattet, das Dienstvolk um sich zu versammeln und den Schwur der Treue, zu fordern. Alle leisteten ihn; nur ein Paar Söldner wollten nicht einem Weibe dienen. Da lachte Gunhild rauh auf und hieß sie gehen, den alten Herwin, den einstigen Getreuen ihrer Mutter, a >er neue Söldner werben; denn die Burg sollte des Schutzes nicht entrateu. „Herrin, edle Jungfrau," sprach der Alte, „solltet Euch des besten Schutzes sichern; ein fürnehm edler Ritter reicht der minniglichen Maid mit seiner Hand die beste Wehr." Da lachte ihm die Herrin gerade ins Gesicht. „Ihr meint es gut; doch laßt die Possen, alter Herwin! Mir taugt kein Ritter — kann mich selber wehren!" Der Alte schüttelte den Kopf. Tic Muhme auch. Doch hals kein Zureden. Gunhild ward böse, kam man auf dergleichen nur zu sprechen. Im Lande aber sprach sich's herum. Die Go- bensteinerin war seind der Minne, wollt' kei nen Gatteu küren. Das reizte mänuigliche Rit^ ter, seine Abgesandten zu der Stolzen zu ent senden und ihr di; ritterliche Hand zu bieten; allein noch jedem ward der gleiche — unrühm liche Bescheid: „Die Gobensteinerin bedankt sich für die Ebr'; doch braucht sie keinen Gatten." Da ergrimmten rings die Freier, zumal die Kunde ging: Gunhild sei schöner als die Frauen rings — viel schöner noch als einstmals ihre Mutter; nur stolzen, hochfahrenden Sinns, und manchen lockte es, die Trutzige drob erst recht nun zu erringen. Schon Monde weil e nun Gunhild als Herrin auf der Burg. Sie hielt die Zügel straff, und ihren herrischen Befehl befolgte jeder willig, ihren starken Geist erken nend. Und doch war da ein Wesen, das die blauäugige Gunhild ine mit Augen gesehen, das sie haßte; das Ivar ein kleines, blondes Wesen, das sich vor den Blicken der Goben steinerin verkroch, das alle kannten, das alle vor der Herrin verleimlichten. — Dies Wesen war Mechthild. Wer war Mechthild? Der alte Herwin hatte es der Muhme anvertraut: des toten Grafen wilder Sproß war sie, die blonde, zarte Maid- Ein Bruderpaar war an des Vaters Seite im Streite schon gefallen. Mechthild, das scheue Kind, allein beweinte den Entschlafenen. Die Mutter war mit einem Kriegsmann in der Weite. Sic lebte nun vom Mitleid und Er barmen guter Menschen, dis sich scheuten, Gun- hild, der Stolzen, der „Unehrlichen" Dasein zu verraten. Ein Maitag war's, sonnig und düsteschwan- ger, als sich Gunhild im Gärtchen wohl sein ließ. Ihr war so weich zu Sinn. Der Mut ter Sterbetag, ihr eigener Geburtstag, machten sie träumerisch-wehmütig. Wie anders alles wohl gekommen, wenn die Mutter lebte! so dachte sie und sah dem Vöglein zu, Has schon sein Junges netzte; da erklang ein leiser Schrei jenseits dec Mauer. Schnell sich erhebend, leugte sich Gunhild über die Wehr — da lag im Gras ein blondes Kind, halb Maid, halb Kind und stöhnte leis vor Schmerzen. „Was ist mit Euch?" Beim Klang der Stimme fuhr das Mäd chen sichtbarlich entsetzt empor, um stöhnend nur zurückzufinken. „O weh, mein Fuß!" „Was ist damit? Was wolltest Du hier aus dem steilen Hang? Und wer bist Du?" Verwu-ndert frug's Gunhild. „Wem bist Du hörig? Sprich!" Da verhüllte wimmernd ihr Gesicht Mecht hild. Sie war's. Um die Gehaßte zu be lauschen, beschlich sie. sie. Da kam der Fall. Sie mußte sich den Fuß verletzen, um so der Anderen in die Hände jetzt zu fallen. Die Muhme kam herbei; ihr Schreck war groß! Gunhild sah's mit Erstaunen. „Ihr kennt das Mädchen, Muhme?" Die stotterte ein Ja und Nein. Da ward der Gobensteinerin Argwohn wach. „Wer ist das Mädchen? Sprecht! Warum die Heimlichkeit? Gehört es zum Gesind? Jst's eine Fremde? Sprecht! Wo kam sie her?" Da seufzte Muhme Bertha gottergeben: „Der Himmelsvater hat's gewollt. Er wird auch wissen jetzt, warum er's zuließ. Gun hild, dies Kind — seid stark — seid groß — ist — Eure Schwester." „Schwester? Schwester!?" Den Kops sich haltend, murmelte Gunhild die Worte vor sich hin. „Dies Kind mir Schwester? Hat der Pater denn ein zweites Mal gefreit?" Da ward der Muhme Antlitz rot und röter. „Gott, Kind — gefreit — er war ein schö- ncr Mam, und jung, als Eure Mutter starb; des Mädchens Mutter aber eine arme, schöne Magd. Drei Kinder hat sie ihm geschenkt. Im Kampfe fielen ihm die Söhne; Mechthildens Mn ter lief davon. Das Mädchen blieb allein, verlassen. Wer hätte es wohl übers Herz ge bracht, sie hinauszustoßen? Auch Euer Vater nicht, Gunhild; nicht wir, die wir dies Kind vor Eurem keuschen Blick verbargen." Aengstlich und scheu nur wagten Muhme und Mechthild zu Gunhild aufzublicken. Die pand im starren Schweigen, wie ein steinern Bild. „Der also galt des Vaters Liebe? Sie alles er nicht hinaus; mich aber, die recht mäßige Tochter, ließ er darben, fern seiner Liebe, fern der Heimat; ich ward kalt von ihm verstoßen; der Metze, ihrem Balg galt seine Zärtlichkeit. O pfui! Schmach über ihn und Euch! Ja, über Euch, daß Ihr, o Muhme, diesen Wechselbalg noch unter Eure Fittig« nahmt. Jetzt aber fort damit! Mir aus den Augen, daß ihr Anblick mir die Heimat nicht noch jetzt vergälle." Da half kein Bitten, Jammern; keine milde Regung ward in Gunhildens Herzen wach. Ihr stolzer Sinn empörte sich der widerfahrenen Schmach. Mechthild ward noch zur selben Stunde hinabgetragen zu dem alten Müller. Die Muhme gab ihm reichlich Kostgeld für das Kind und noch ein Uebriges für seine Mühe. Gunbild verschwieg inan indessen klug Mecktthildeus Aufenthalt. Und Jahr um Jahr verging. Die Gobensteinerin ward ernster nur. Freudlos lebte sie dahin. Der Freier waren viele « gezogen. Und keiner wagte mehr, die Stolze zu umwerben. Gunhild war's recht. Allein — die Mannen murrten. Sie wollten einen Herrn, der auszog wohl mit ihnen zu Raub und Streit. Die Weiberart, sich ruhig in der Burg zu halten, Winters hintecm Ofen gar zu hocken, behagte ihnen nicht. Gunhild gewahrte init Verdruß die Wandlung ihres Volks. „So zieht davon; es kommen ander« wieder." Allein Herwin kam ohne Mannen heim. « « Allerlei Kurzweil. « » Deuksprüche. Bedenke, eh' du sprichst, ob deine Wone Den Nächsten auch nicht kränken und betrüben; So wie dich selbst sollst du den Nächsten Lieben, Das ist der Weg zur sichern Friedcnspforte. * * * AuS unbedachten Reden Kommen viel Sünd und Schäden, Der ist gescheit und voller List, Der seiner Rede ein Meister ist. Rätselecke. Rätsel. Wirfst du eS mir so hin, So achtest du's wenig. Stehst du aber drauf, So dünkst du dich als König. Scharade. Aus Steinen wird die Erst' und Zweite Erbaut von sleiß'ger Menschen Hand Und hält — gleichwie ein Held im Streite — Dem Sturm und Wetter trotzig Stand. Die Dritt' und Vierte ist zu finden Zur Sommerszeit auf Feld und Flur Und gern zu buntem Strauße winden Wir jene Gaben der Natur. Im Winter aber blickt daS Ganze Bei Ballmusik und Kcrzenschein, Seitab vom frohen Reigentänze, Zumeist recht trüb und mürrisch drein. Homonym. Es nennt zwei Dichter euch, Bekannt im deutschen Reich. Zwei Brüder führen sie Den gleichen Namen. Früh Gab sich den Tod mit eig'ner Hand Der Berühmtere von beiden. Doch seine Werke steh'n wie eine Felsenwand In deutscher Literatur. Da hilft kein Neiden Und keine Ueberhebuug, nicht die Strenge Der mitleidslosen Menge Erschüttert sie. Der Deutung letzte Als Fisch man auf die Tafel setzte. Lcherzrätsel. Die erste Silbe ist schwarz, die zweite schwär zer, die dritte und vierte noch schwärzer, die fünfte erst recht schwarz, das Ganze am schwärzesten. Vifitenkartea-Rätsel. Bertha tunich Welchen Beruf hat die Dame? Scherz-Frage«. l. Warum ist es nach einer Wahl immer so stille? 2. Die beiden ersten spenden die zweite, mein Ganzes ist flüchtig. 3. Wo sitzen die Leute weder kalt, noch warm? 4. Welche Kunst muß man, um sie zu erlernen, oberflächlich betreiben? 5. Wenn du mein erstes auf mein zweites setzt, hört mein Ganzes auf zu sein, was es war. 6. Womit lassen sich die Epauletten eines Leutnants vergleichen? Viltzer-Rätsel. (Auflösungen in nächster Nummer.) NuflSsnngen a«S Nummer 23. Des Gleichklang-Rätsels: Flügel. Des Tauschrätsels: Rom. Der Scharade: Harzburg. Des Bilder-Rätsels: Zigeunerbandc. Des Vexierbildes: Links unten am kleinen Ab hang. Bild von oben betrachten. Livier-Zeitriz 1914. Nr. 24. Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. Die Bögel, -Ä- Horche, Sohn, wie Schmerz und Freude Die beschwingten Lhöre singen! So viel Stimmen, so viel Klänge, Die zum Herzen wonnig dringen! Anders singt der holde Sänger, Dessen Lied den Wald belebet, Anders kündet, was er fühlet, Jener, der zum Lichte strebet, Anders ruft die schwermutsvolle Taube ihre lieben Kleinen; Anders lockt der laute Kuckuck Zu sich her die Schar der Seinen; Anders schallt der Schlag der Wachtel Aus der Saaten goldnen Wellen; Anders sind die leisen Töne, Die im Schwalbenzwitschern quellen. Anders strömt im Lied die Lerche Die Gefühle ihrer Seele, Anders, waS sie tief empfindet, Nachtigall aus süßer Kehle. Traurig wär der Barten, tönte Nur ein Sang statt vieler Sänge, Und nicht wär die Welt so reizend, Wenn nur eine Sprach erklänge. ***** NWsterö Lieschen. ***** Von Ernst Alexander. (Nachdruck verboten.) Drunten im Tal, das von hohen, mit Tannen bewachsenen Bergen einaeschlossen war, lag traulich die alte Mühle. Ihr roteS Zie- geloach hob sich freundlich von den grünen Wiesen ihrer Umgebung ab. Dort, wo der dunkle Tannenwald bis hinab ins Tal stieg, kam im wilden Lauf der Mühlbach daher ge sprungen. Rauschend und schäumend stürzte er über die grünbemoosten Steine, die er in früheren Zeiten von den Bergen mitgebracht hatte. Er kannte sie alle gut, und er trieb gern mit ihnen sein neckisches Spiel. Hier unten im Tal aber war es vorbei mit dem Spiel, hier sollte er arbeiten. Und eS war ihm ernst damit, das sah man an dem ruhigen, aber dennoch raschen Laufe, mit dem er sich der Mühle näherte. Zwei große Räder drehte er dort jahrein, jahraus. In der Mühle surrte und sauste es. Wie ein weißer Strom floß das Mehl in den Mahlkasten und von diesem in die großen Säcke. Des Müllers Esel mußte gar fleißig sein, um alle diese Säcke in die Stadt zu bringen. Fleißige Arbeit bringt reichen Lohn, das wußte auch der Bach. Seit er ruhig seiner Beschäftigung nachging wie ein Mann und nicht mehr wild über die Steine kletterte wie ein mutwilliger Knabe, tummelten sich in seiner Flut viele kleine Fischlein, die ihm einen lustigen Zeitvertreib gaben. Er schaukelte sie mit seinen kühlen Wellen, schnellte sie plötzlich in die Höhe und tauchte sie dann ebenso schnell wieder bis tief auf den Grund. Das gefiel den Fischen wohl, drum blieben sie gern in dem ruhigeren Wasser bei der Mühle. Aber noch etwas anderes lockte sie dort hin. Jeden Morgen kam Lieschen, des Mül lers kleine Tochter, auf den Steg, der über den Mühlbach führte, und brachte ihnen Futter. Kaum graute der Tag, so schauten die Fisch lein schon nach ihrer Freundin aus. Ein be sonders kühner schnellte sich aus dem Wasser hoch heraus, damit er den Mühlhof überblicken konnte. Sah er dann das kleine Mädchen im roten Kleide mit dem Körbchen am Arme, so rief er's seinen Gefährten zu, und dicht ge drängt stand die lustige Schar dann unterm Steg. Und die Fischlein, die es vielleicht ver schlafen hatten, lockte Lieschen mit dem Lied chen herbei: Fischlein auf des Baches Grund, Seid ihr alle noch gesund? Habt ihr gut geruht heut nacht, Und an Lieschen auch gedacht?