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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 07.06.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191406075
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19140607
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19140607
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-07
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 07.06.1914
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gegangen, nachdem er dem Tier Gift beige bracht? Sein Zornesausbruch spricht Unglück- licherweise gegen ihn —" Gornemann, der jetzt rasiert war, sprang auf und griff nach seinem Hut — er war aschfahl im Gesicht, so regte die Sache ihn auf. „Ich bin außer mir, meine Herren,, daß man an einem Gentleman zum Ehrabschneider wird! Ich gehe sofort, mich von dem Gehör ten zu überzeugen. . Mit dieser geheimnisvollen Andeutung ver ließ der Schiffsreeder eilig den Barbierladen. Verwirrung — bestürzte Mienen — emp fingen Gornemann, als er im Schlosse an- langte, in dem er ein häufiger Gast war. „Ich bitte dringend, das gnädige Fräulein sprechen zu dürfen/ trug er dem herbeieilen den Diener auf. „Baronesse — Felice — teures Mädchen — verfügen Sie über mich — ganz zu Ihren Diensten!" Zum ersten Male war das Schicksal über Felice von Holle gekommen. Unbarmherzig hat.« es sie gepackt und an ihrem Stolze ge rüttelt. Die sich Freunde des Hauses genannt, würden sich nun plötzlich dessen Gastfreundschaft nicht mehr erinnern — — der schmutzige Ver dacht, der ihren Vater der Freiheit beraubt, würde unabweislich die Ehre und das Glück des Hauses vernichten und damit auch ihr Glück — das heimliche, hoffnungsvolle . . . So hatte sie in Verzweiflung gedacht. Und nun kam er — der Mann, der ihr Glück war — kam in unveränderter Treue und Anhänglichkeit — ein echter Freund im Unglück. „O, ich danke Ihnen — Sie sind gut und treu —" Tränen in den schönen Augen, streckte sie ihm ihre Hände entgegen. Er nahm diese und drückte sie an seine Lip pen: „Konnten Sie daran zweifeln, Felice?" flüsterte Gornemann und ein Strahl unend licher Liebe durchdrang seinen ernsten Blick. „Es ist jetzt nicht die rechte Stunde — ich weitz es. Doch warum nicht dem Schicksal in seinen schwersten Augenblicken das Glück ab- ringen? Und dieses Glück sind für mich Sie, Baronesse —" „O, reden Sie nicht Wetter! Sie ahnen offenbar nicht, was inzwischen — „Eben weil ich von Ihrem Schicksal ge- hört, bin ich ja hier. Entgegentreten dem Ge- rede der Welt soll unser Glück — Dein und mein Glück, Geliebte — gib mir das Recht zu diesem Glück, Sütze, gib mir dies Recht mit dieser lieben kleinen Hand!" Eine Welt von widerstreitenden Gefühlen in ihr. Bebend rief sie: „Sie sind edel — sind groh — und — ich liebe Sie! Meine Liebe aber duldet nicht, daß der Flecken auf unserer Ehre auf Sie — auf Ihren alten guten Namen mitübergeht. Ich „Felice — Dein Geständnis macht mich ja so namenlos glücklich! Alles übrige laß meine Sache sein —/ „Nimmermehr! Der Augenblick reißt Sie hin! Die Reue würde kommen — „Ja, wenn ich diese Hand nicht sesthalten würde fürs Leben, — eine andere Reue kenne ich nicht. Für mich ist der Name von Holle fleckenlos!" „O, könnte ich die Beweise dafür aufbrin gen!" ries sie außer sich. „Hat auch die höhere Macht das Wort Gerechtigkeit vergessen!?" Ein Klopsen an der Tür folgte dem Ver zweiflungsruf. Von draußen ertönte die Stimme des Dieners: „Die Gesellschafterin der verstorbenen Frau Baronin bittet flehentlich, vorgelassen zu werden. Sie ist rein außer sich — sie behauptet, ein wichtiges Geständnis ab legen zu wollen." Im nächsten Augenblick stürzte die eintre tende Gesellschafterin zu Felices Füßen nieder: „Gnädiges Fräulein — soeben höre ich in der Stadt, daß Ihr Herr Vater in Unter suchungshaft genommen ist. Allmächtiger, und ein Wort von mir hätte dies verhindern können! Aber ich ahnte ja auch nicht — „Was wissen Sie? Was haben Sie ver- säumr? Reden Sie — schnell — schnell!" Erst stammelnd, dann hastig und hastiger gestand die Knieende: „Die verstorbene Baronin hat mir, wie Sie ja auch wissen, ein reiches Legat ausgesetzt- Und — ich bin arm, gnädiges Fräulein, habe keine Altersverforgung. Ich fürchtete nun, daß man mir das Legat entziehen könnte, wenn ich bekennte — —" „Was — was!?" „Daß ich die Unvorsichtigkeit beging, im Zimmer meiner verstorbenen Herrin aufzuräu- rnen, während der Papageibauer, wie allinor- gentlich, offen stand, der Papagei Freiheit batte, so wie es die Verstorbene gehalten. Beim Abstäuben nun entglitt mir die große bronzene Psyche und traf unglückticherweise den Papagei, und zwar durch ihre Wucht tödlich. Entsetzt, behielt ich nur noch sov'el Beiinnung, daß ich die Psyche wieder an ibrm Platz stellte. Dann floh ich auf mein Zimmer. Bald darauf folgte die Szene, wo der Herr Baron im Zorn zur Peitsche griff. Das übrige wissen gnädiges Fräülein — So schloß zerknirscht die Gesellschafterin. So schnell, wie seinerzeit die Kunde von der Inhaftnahme des Barons in der Stadl bekannt geworden, so schnell folgte nun die Nachricht von dessen Haftentlassung und Reha bilitierung durch das Bekenntnis der Gesell schaftsfräuleins der Verstorbenen. Die ge schmähte Justiz aber rechtfertigte den Baron Holle, indem sie anstandslos diesen als Erden ! anerkannte. Der Gesellschafterin ward das Le- ! gat nicht entzogen. ' Diesen Begebenheiten folgte die Veröffent lichung der Verlobung des Schiffsreeders Gor nemann mit Felice von Holle. Die junge Braut aber meinte strahlend: „Das Unglück war ein verschleiertes Glück. Es hat Papa die Erbschaft und mir den besten, treuesten Mann beschert. Were IWMidW. Von Dr. medc T h. Holvei. (Nachdruck verboten.) In allen Kulturländern gilt ein schöner, wohl proportionierter Fuß für ein Kennzeichen vornehmer Abstammung. Es kommt aber dem Kenner weniger auf die Kleinheit an als auf die schöne und vollkommene Form. Wie eine seine und schön« Hand schlanke Finger haben muß, so muß die Bildung des Fußes schmal und fein, leicht beweglich und mit hohem, sanftgeschwungenem Spann versehen sein. Wie aber sieht es damit in Wirklichkeit aus? Die meisten Menschen leiden an schmerz haften und verkrüppelten Zehen, schmerzenden Schwielen und Hühneraugen, empfindlichen Ballen und geröteten Stellen. Und hieran ist in echter Linie die unziveckmäßige Form der Fufwekleidung schuld, die durch die Mode oder Euelkeit in Anwendung kommt. Wo die Muskeln in ihrer freien Bewegung gehemmt werden, da erschlaffen sie und des halb ist es natürlich, daß auch der Gang sol cher unpassend oder beengend umkleideter Füße ein unsicherer und leicht ermüdender wird. Wer sich auf den Flitzen nicht frei und völ lig schmerzlos bewegen kann, bekommt die oben erwähnten Fehler, gerät auch mit der Zeit in die Gewohnheit des Sitzens, des Stu benlebens, das zu allen Krankheiten geneigt macht. Schon aus diesein Grunde sollte man der Pflege der Füße auch inbetreff des Schuh werks mehr Sorgfalt zuwenden als es bis jetzt gewöhnlich geschieht. Das; arme Menschen oft unpraktisches Schuhzeug tragen, ist traurig aber verzeihlich, daß aber wohlhabende Per sonen aus Eitelkeit oder Nachlässigkeit unpas sende, unbequeme Schuhe tragen, das ist un verzeihlich. Von den meisten Menschen wird leider der Fuß als ein gefesselter Sklave angesehen, der auch noch in seinen Fesseln arbeiten soll und darum früh unfähig wird. Givt es etwas Schrecklicheres, etwas Ungesunderes, als mit engem Schuhzeug auf Reisen zu gehen? Gilt es etwas Unklügeres, als sich die Fvende, die Erbolung, die Stärkung seiner Gesundheit durch die Eitelkeit zu verscherzen? Nächst dem Korsett hat die ungeeignete Fuß Bekleidung das meiste Unheil am menschlichen Körper angerichtet. Darum vor allem bequemes, nicht zu enges Schubzeug. Besonders verderben zu hohe Ab sätze den Fuß, indem sie die Zehen ui den engeren Teil der Schuhspitze drängen und da durch krümmen. Durch die Fußbekleidung darf nicht nur kein allgemeiner oder einseitiger Druck ausgeübt, sondern auch die natürliche Form des Fußes nicht entstellt werden. Bei richtig gearbeiteten Schuhen trifft diejenige gerade und verlängerte Linie, welche bei einem normalen Fuß durch die Mitte der großen Zehe geht, auch auf die Mitte der Ferse. Deshalb muß die Sohle eines richtig geformten Schuhes so gestattet sein, daß die große Zehe in ihrer normalen Richtung, jener Linie entsprechend, bei jeder Gangart verbleiben kann. Bei den fabriknräßig zugeschnittenen Sohlen aber fällt meist die Verlängerung der Linie, welche durch die Mitte der großen Zehe geht, nicht auf die Mitte der Ferse, vielmehr an die Innenseite derselben, und so wird die große Zehe gegen die Mittellinie des Fußes gedrängt, was aus die Dauer Ballen, Hühneraugen, Schwielen und Zehenverkrümmuugen zur Folge hat. Stellt man zwei nach richtigem Grundsatz gemachte Schuhe Parallel so nebeneinander, daß sich die Absätze berühren, so berühren sich auch die inneren Ränder des Vorderfußes, wie es beim Normalfuß auch der Fall sein muß. Richtig gemachte Schuhe konservieren die na türliche Gestalt und gewähren der großen Zehe ihre volle Kraft, wodurch der Gang frei, fest und sicher wird. Bei gutem Schuhwerk darf auch das Leder auf dem Gelenk nicht zu fest anliegen, was durch hohe Absätze noch mehr verursacht wird, indem das Gelenk sehr leicht in seinen Bändern verdrückt, oder durch Hem mung seiner freien Bewegung geschwächt wird. Auch muß dem Leder über den Zehengelenken möglichst viel Spielraum gelassen werden. Nächst einer richtigen Form muß die Fußbe kleidung auch wasserdicht sein und dennoch die Ausdünstung des Fußes nicht zu sehr be schränken; deshalb sind Halbschuhe den hohen Stieseln vorzuziehen. Der normal gestaltete Fuß bildet ein-e Avt Gewölbe, welches einmal in der Richtung von hinten nach vorn, und zweitens von einer Seite zur andern ausgespannt ist. Der Grund dieser Wölbung liegt in der anatomischen Lage der Fußwurzelknochen, die durch sehnige Bän der in derselben erhalten werden. Die Wöl bung in der Länge des Fußes wird durch zwei Bogen markiert, deren kleinerer am äuße ren Fußrande liegt und sich von der Ferse bis zum Vorsprunge des Mittelknochens erstreckt, an Welckern sich das erste Glied der Keinen Zehe befestigt. Der größere innere Bogen be ginnt gleichfalls an der Ferse und reicht bis an die Gelenktöpfe der drei ersten Mi telsuß- knochen. Der mittlere Teil dieses Bogens le« rührt beim normalen Fuß auch dann den Fuß boden nicht, wenn er beim Stehen und Gehen die ganze Last des Körpers zu tragen ^at. Diese normale Wölmng, die seine Lchön- heit bedingt, kann nun entweder zu bedeutend sein und bildet dann den Hohlluß oder den „ho e» Spann", oder sie ist zu niedrig und 2 Eltern hatten sie immer gelehrt: Ob man etwa« Große« stiehlt oder etwas Kleines, man wird, so oder so, dadurch ein Dieb. Darum aß sie keine einzige der Beeren, sondern rupfte eine nach der anderen ab und steckte sie in das kleine Mäulchen, das sich jedesmal eifrig da nach aufsperrte. Danach stieß Rudolfchen aller lei Töne aus, die seine Befriedigung und sein Wohlbehagen anzeigten. Während Gretchen so mit etwas bösem Gewissen ihr Brüderchen labte, nahte schon, ohne daß sie'S wußte, die Strafe für ihre Ueber- tretung. Thea Gerold, die im Garten auf einem Altan spielte und sich dabei langweilte, hatte sie beobachtet. Daß Gretchen so scheu aussah bei ihrem kleinen Diebstahl, fand sie nicht bemitleidenswert, sondern erst recht ab scheulich. Sie rannte zur Mutter, die mit einer Handarbeit in der Veranda am Hause saß, und rief schon von weitem: „Mutter, Mutter, da ist ein Mädchen auf dem Feld, das hat bei uns Obst gestohlen." Frau Gerold legte die Arbeit weg und folgte ihrem Töchterchen. „So raffte sie!" berichtete Thea und machte übertrieben die Bewegung des raschen Pflückens nach, „sie konnte gar nicht genug kriegen." „O pfui!" sprach Frau Gerold unwillig. „Wie schlimm ist es, wenn Kinder schon steh len! Das ist die Kleine?" Sie waren in die Nähe des ZauneS ge kommen, und Frau Gerold sah eben noch ein Beerlein in Rudolfs Mäulchen verschwinden. „Du Kleine, komm' einmal her!" rief sie. O, wie Gretchen erschrak! Blutrot im Ge sicht näherte sie sich dem Zaun. Lieber wäre sie weggelaufen, wer weiß, wie weit. „Du hast hier Johannisbeeren gepflückt?" fragte Frau Gerold ernst. „Das darfst Du doch nicht, die gehören Dir doch nicht." „Bloß ein paar," stammelte Gretchen leise. „Rudolfchen hatte — solchen Durst." „Das ist nicht wahr! Sie riß viele ab!" schrie Thea dazwischen. Frau Gerold sah auf dem Lager deS Kleinen einen Beutel von grobem Leinen. „Reich' mir den Beutel!" befahl sie. Das beschämte Mädchen gehorchte, aber als Frau Gerold Hineingriff, fand sie nichts als ein Stück Brot und eine leere Flasche. „War das Euer Vesper?" fragte sie mit leidig, daS trockene schwarze Brot betrachtend. Gretchen nickte. „Wie bist Du aber nur in den Garten und wieder hinausgelangt? Deine Mutter — da kommt sie ja — kenne ich, die ist doch eine so ehrliche Frau. Guten Tag, Frau Willig, »s tut mir leid, aber Ihre Tochter soll in unserm Garten Johannisbeeren gestohlen haben." „Nein!" rief Gretchen weinend, als sie den Schreck ihrer Mutter sah. „Was, nicht?" — Thea!" „Ja, wo war Thea? Als sie Gretchens Mutter nahen sah, war ihr beklommen zu Mute geworden; sie ahnte, daß Frau Gerold die Sache ganz anders auffassen würde, als sie sie ihr dargestellt hatte, und sie war schon auf dem eiligen Rückzug ins Haus begriffen. „Thea! Hierher!" rief die Mutter sie zu rück. Und jetzt war es das reiche Mädchen, das wie mit Blut übergossen herankam. Frau Gerold ergriff sie scst bei der Hand. „Solltest Du so schlimm übertrieben haben? — Zeig' doch, mein Kmd, wo hast Du Jo hannisbeeren gepflückt?" „Da!" schluchzte Gretchen und wies auf den heroorstehendcn Ast. Auf Frau Willigs abgearbeitetem Gesicht erschien ein bitterer Zug- „Sie haben recht, liebe Frau Willig, ge kränkt zu sein, und ich bin beschämt, daß mir von einer solchen Kleinigkeit Aufsehens machen," sprach Frau Gerold. „Ich dachte mir die Sache ganz anders. Weine nicht, mein Kind. Du hast aus Liebe zu Deinem Bruder ge fehlt. Du wüst cs nicht wieder tun, das wc.ß ich. Thea hat viel schlechter gehandelt. Sic hat aus einem kleinen Irrtum ein großes Un recht gemacht. Das fällt auf sie, nicht auf Dich." Sie streichelte Gretchen, der es bei ihren Worten ganz trostvoll ums Herzchen wurde, die Backen und reichte ihrer Mutter die Hand. „Dort an jener Seile ist eine Pforte im Garten, Frau Willig, schicken Sie doch, wenn Sie Aehren lesen, die Kinder herein in den Garten. Soviel Obst, wie sie essen mögen, dürfen sie gern alle Tage pflücken." Frau Willigs Dankesworte lehnte die Dame freundlich ab und begab sich mit ihrer Töchter inS Haus. „Mutti, sei nicht bös!" bettelte Thea, neben Frau Gerold herlaufcnd. „Ich will auch schön mit Gretchen spielen." „Die nächsten Tage wirst Du gar nicht mit ihr spielen, sondern im Zimmer bleiben, Du böses Kind. Wer weiß, was für Klatschge schichten Du mir sonst wieder von den Aerm- sten erzählst." „Mutti, nie mehr. Niemals mehr, Mutti!" „Stehst Du jetzt ein, wie häßlich Du warst? — Gut, ich will Dir verzeihen, aber Du sollst mir jetzt einen Spruch aus dem Katechismus vorlesen, der sich auf das achte Gebot bezieht." Der Spruch, den Thea an der bezeich neten Stelle fand und den sie mit heiserer Stimme und tief erglühend vorlas, lautete: „Sei nicht ein Ohrenbläser und verleumde nicht mit deiner Zunge; ein Dieb ist ein schänd lich Ding, aber ein Verleumder ist noch viel schändlicher." Sie hat ihn nie vergessen! WiePetcrchen eine Weltreise machte. Peterchen war ein sehr niedlicher kleiner Kater, aber er war sehr unzufrieden mit dieser bösen Welt. Erstens war er sehr eitel und ärgerte sich, daß Elsa, seine kleine Herrin, ihm kein so hübsches Band um den Hals legte nie seiner kleinen Schwester Mizzi, und daß sein Fell nicht so weiß und weich war wie Mizzis. Zweitens gefiel ihm sein Name nicht, der klang so alltäglich, und er hätte lieber Cäsar oder Pollvx geheißen, wie zwei seiner Freunde, die in der Nähe wohnten. Und so beschloß er denn an einem schönen IrühlingSmorgen, hinaus in die Welt zu zielen und zu sehen, ob er nicht ein schöneres Leb n finden könne. Er sprang auf das Fensterbrett im Kinderzimmer und dann, ohne an all daS Gute zu denken, das er hinter sich zurückließ, hinaus in den Garten, mitten in ein Teppich- beet hinein. Stolz sah er sich um, daß ihm die Flucht so gut gelungen war, und dann machte er sich auf die Suche nach Abenteuern. Aus Fuicht vor Entdeckung kroch er unter den Büschen durch, und plötzlich traf er auf ein ganz merk würdiges Geschöpf, das war über und über mit Stacheln bedeckt. Nur der kleine Kopf, in dem ein paar leuchtende, schwarze Augen blitzten, war ohne Stacheln. Entsetzt starrte Peterchen auf das unheimliche Tier, da rollte dieses sich rasch zusammen und sah nun ans wie eine stachelige kleine Kugel, etwa wie eine vergrößerte Roßkastanie. Der kleine Kater wunderte sich über diese Verwandlung, dann dachte er, das sonderbare Geschöpf wünsche vielleicht mit ihm zu spielen. Mit Bällen und Kugeln spielte er ja sehr gern, und wenn diese auch nicht sehr verlockend aussah, so streckte er doch die Pfoten danach aus. Aber wehe, wie wurde er da zerkratzt! Seine arme Nase war ganz zerschunden. Der Igel aber rollte sich auf und trottete davon. „Ach Gott," dachte Peterchen, „wie wenig entgegenkommend doch die Leute hier draußen sind!" Und er rieb sich nachdenklich die schmer zende Nase. Aber ach! es sollte noch schlimmer kom men I Am Gartengitter entlang kam ein Junge mit einem rauhhaarigen Köter. Kaum hatte 3 der Junge Peterchen erblickt, da rief er: „Hu, hu, Flockt, such's Kätzchen!" Und mit einem Satz war der Hund übers Gitter und hinter unserm kleinen Katcr her. Peterchen rannte in seiner Angst so schnell, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war, bis er an einen rettenden Baum kam, da kletterte er schnell hinauf. Aber der Hund blieb unten stehen und kläffte aus Leibeskräften, so daß Peterchen sich nicht wieder hcruntertraute. Er zitterte vor Todesangst, und cs dünkte ihm eine Ewig keit, bis der Junge den Hund endlich abricf und mit ihm weiterging. Lange noch saß Peterchen, am ganzen Körper bebend, oben, bis er sich endllch herunterwagtc. Da kam auch schon seine kleine Herrin gelaufen, die ihn bis jetzt vergeblich gesucht hatte, und nahm ihn freudestrahlend in den Arm. Und wie froh war Peterchen, als er wieder im Kinderzimmer war und sich zu Mizzi ins weiche, warme Körbchen legen konnte! Er wollte nie wieder eine Weltreise machen. Sinnestäuschungen. Um sich zu überzeugen, wie unzuverlässig der Gehörsinn — bei geschlossenen Augen — ist, veranstalte man folgendes Experiment: Man lasse eine Person auf einen Gruhl nic- derfitzen und die Augen schließen, am bestell mit den Händen zuhaltcn. Hierauf nehme man zwei Markstücke oder Taler so in die Rechte, daß Daumen und Mittelfinger sie halten, während der Zeigefinger dazwischen einge klemmt ist. Hierauf bringe man, ohne die Ver suchsperson mit dem Arm zu streifen, die Geld stücke langsam vor daS Gesicht, über oder hinter den Kopf, in die Brustgegend, vor den Schvß des Nichtsehenden und ziehe an einer bestimm ten Stelle, die festzuhalten ist, den Zeigefinger heraus, so daß die Flächen der Münzen auf einanderschlagen. Fragt man hierauf: „Wo war's?" so wird der Gefragte, wenn er wirk lich nicht gesehen hat, regelmäßig eine ganz falsche Stelle als Ursprungsort des Geräusches angebcn, und nach rechts deuten, wenn das Geräusch links erfolgte, aber nach dem Kopse zeigen, während man in der Gegend seiner Ellbogen dic Geldstücke klappern ließ. Um so drastischer wird das Experiment, wenn man dasselbe mit zwei Personen ausführt, die neben einander sitzen. Sie werden in der allerbe stimmtesten Weise in der Regel auf direkt ent gegengesetzte Richtungen raten.
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