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KlM W HlhMkM MlHldlllN ä»!»!!» 41. Jahrgang Sonntag, den 10. Mai 1014 Nr. 107. s Mailüftel Novellette von A. Hinze. (Nachdruck verboten.) Unternehmungslustig den Spazierstock schwen kend, schritt der junge Norbert Wellner durch den Maimorgen dem Bureau zu, lei dem er als Korrespondent angestellt war. Der laue, luftige Maiwind meinte es Heuer gar zu gut. Sausend trieb er die Elütenslocken von den Bäumen, so das; sic den Weggänger wie tolles Schneegeriesel umwickelten. Fegte über die saftgrüne» Nasen in alten der Anlagen, das; die Grashalme sich zitternd neigten, zerrte an den duftigen Damentoilettcn und rankte den Her re» der Schöpfung, zum Ergäbe» der Passan- teu, »»bedenklich die Bedeckung ihres edlen Hauptes. Norbert Wellner lachte mit, sobald das Mailüftel diesen Bubenstreich ausführtc. Er >var überhaupt in bester Laune. War es doch im „wunderschönen Monat Mai, als alle Knos pe» sprangen" . . Na, und war auch in seinem Herzen die Liebe »och nicht aufgegan gen, so schadete dies, in Anbetracht seiner 24 Jahre, nicht. Um so sicherer aber war ihm die Gehaltszulage, die der Alte, richtiger: der Burcauchcf, Herr Eorneiius Görne, ihm zum Maitag versprochen hatte. War der Alte auch im übrigen ein ungenießbarer Kauz, so doch ein gerechter Vorgesetzter seinen Untergebenen. Gestern noch hatte Herr Cornelius ihm aner kennend die Schulter geklopft und gesagt: „Ich bin mit ihren Leistungen sehr zufrieden, mein lieber Wellner." Daraufhin war es selbstverständlich, das; der Alte heute Ernst machen und ihm die Zulage anküudigen würde. Nu», und dann — Hui! kam da der Junker Blascwind daher und »ahm dem Grübelnde» keck de» Hut. Hoch warf er ih» in die Luft und dann um die nächste Straßenecke, sodaß er de» Auge» des Besitzers entschwand. Lachend eilte Norken Wellner hinterdrein. Doch das Mailüftel war schneller. Eine Hetz jagd begann zwischen beide». Indessen trieb das Streitobjekt um eine zweite, Straßenecke und Wellner hinterher. Bautz! prallte er lei der Biegung hart und somit ungalant gegen eine pinge Dame an. Der Urheber vernahm einen Schreckens schrei und sah diverse Paletchen, das Täsch chen, sowie den Sonnenschirm der Dame in buntem Durcheinander fliegen. Er stammelte eine Entschuldigung, raffte, so gut es ging, die Gegenstände auf, und h : digte sie der Eigentümerin ein. Schaust dabei in ei» ent zückendes Gesichtchen, tvollte, de» ih» bestür mende» Gefühle» Ausdruck verleihe», seine» Hut gegen die junge Dame ziehen, fuhr mit der Hand auf seine» unbedeckte» Kopf, cr- ümerte sich jetzt erst wieder der Veranlassung, stammelte abermals eine Emschlildiqung und raste dann über Stock und Stein jemem Hute »ach, bis er ihn erwischte. Verspätet, echauffiert, doch wohlgelaunt und mit eigentümlich krausen Gedanken, die be harrlich den Moment umkreisten, wo er das liebreizende Gesichtchen erblickt, langte er im Bureau an. Damit ward die Erwartung, be züglich der Gehaltserhöhung, wieder in ihm wach. Der Chef und das Personal waren bereits anwesend und bei der Arbeit; die Uhr wies auf ein Viertel nach. Wellner brachte eine Entschuldigung vor und wollte sich nun ralch an seine» Platz be gebe». Die Stimme des Chefs hielt ihn zurück. Derselbe hatte seine Uhr hervorgezoge» und sah mit gerunzelter Stirn auf den Zeiger. „Diesmal mag cs hingehen, Wellner, ein zweites Mal aber darf es nicht geschehen — Sie verstehen mich? Was ich noch sagen wollte" — Herr Cornelius sab geärgcr. an Wellner vorbei. Er hatte dem tüchtigen Men schen eine Gehaltserhöhung zugedachi; Well ners Zuspäikomme» aber verdroß Um unge mein. Ihn ärgerte überhaupt alles, die Fliege an der Wand, der Sonnenschein draußen, der die verrückten Riesenhüle der Frauenzimmer beglänzte, ja selbst Helles Mödchengelächier, das jetzt, im Leirz, ja zu hören war, sobald man den Fuß ins Freie setzte, und ihm, den Junggesellen und Weiberfeind unausstehlich war. Nun, wie dem auch sei, sei» Wort ge gen Wellner mußte er halten. — „Ich ver sprach Ihnen eine Aufbesserung. Herr Welk ner," fuhr er, seinen Groll meisternd, fort, ,ich werde Ihnen —" Der Sprecher stockte jäh. Sein Mick war auf Wellner gefallen und alte sich auf dessen Nockärmel festgebohrt. Das Geräusch der emsig arbeitenden Fe der» hörte tvie auf Kommando a»l; das Per sonal lauschte niit verhaltenem Atem. Was machte der Alte denn für Sperenzien? Wollte er etwa Wellner königlich besolde»? „Beim Stix, Wellner — Herr Wellner, was hoben Sie sich denn aufgegabelt?!" er tönte in diese», Augenclick Herrn Cornelius Stimme, mit jenem unheimlichen Grollen im To», das jeder hier kannte und fürchtete, als den Vorbote» des ausbrechenden Gewitters. Aller Augen folgie» de», Chef. Der halte sich erhoben und seine Hand gegen den er- sckrockenen Wellner ausgeslreckl. Mil seinen l-agere» Fingern löge er von dessen Aermcl eine» Gegenstand, der hier hängen geblieben war und l ielt ihn dem mit heilloser Verlegen heit ringenden jungen Mann vor die Auge». Es war eine silberne, fei» ziselierte Ta- mewHaarschmucknadel. „Hier habe» wir den Verräter Ihres Zu- spätlommens!" sagte Herr Cornelius mit nie derschmetternder Verachtung. „Tas ist ja wohl solch ein Ding, womit die Weiber sich das Haar bebleche»! — Wie ü»d Sie dazu ge kommen, Herr Wellner?" Eine wahrhaft erhabene Stille folgte. Aller Atem hockte, sämtliche Ohren waren gespitzt. Perge cns lann Norbert Wellner auf eine Antwort. Seine Gedanke» umkreiste» wieder de» Augenblick des Zusammenstoßes vorhin; im Geiste sah er wieder die Pakclchen fliegen, auch das Täschchen und den Sonnenschirm — eine Schmucknadel aber Halle er dabei nichl bemerkt. Sie mußte der jungen Dame, in- olge des Stoßes und des Windes, aus dem Haar geglitten und ju'l an seinem Aermel hängen geblieben sei». Diese Erklärung seinem Chef zu machen, aber würde nutzlos sein — Herr Cornelius, die'er Choleriker, hätte ihm doch nicht geglaubt. „Ich — ich weiß wir'lich nickst," brachte er stockend hervor. „So will ich es Ihne» sagen!" donnerte jetzt der Chef. „Sie sind auch so ein Jam merlappen, der jeder Schürze nachläuft! Sie la cn ei» Techtelmechtel und es gewagt, auf dcm Wege zum Bureau Ihre Schöne abzu- ' b.isicn. Hierbei nun, — „Herr Görne, ich kann Sic versichern, da'' „Sparen Sie Ihre Worte, Herr Wellner, . h würde denselben doch keinen Glaube» schew wu! — — Ich habe mich in Ihne» getäuscht, junger Mau» — schade, schade. Geben Sie an Ihre Arbeit — ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen." Die Federn kratzten wieder über das Pa pier; der Tag und feine Arbeit nahm den icwohnten Fortgang; doch wußte es ein jeder ier, daß die Keine, silberne Schmucknadel Norbert Wellner um die Gehaltserhöhung ge bracht hatte. Auch am folgenden Tage »och führte das Mailüftel das Regiment. Tie Zeitungserpeditiop woselbst er ein Inserat für die Rubrik „Verlorene Sachen" aufgegeben, verlassend, schritt ein ältlicher, a er stattlicher Herr dem Zentrum der Stadt m. Plötzlich fühlte er auf seiner Schulter inen leichte» Schlag und eine joviale Stimme wgre: „Nehmen Sie mich mit ins Schlepptau, lieber Rendant, es könnte sonst geschehen, daß das Mailüftel mich fortträgt, ka, haha!" Ter Rendant stimmte in das Lachen ein und die Herren schüttelte» sich die Hand. „Na, ci Ihnen hat's keine Not," meinte der erstere mir einem Blick über die behäbige Gestalt des anderen. „Im übrigen aber vermag das Mai- lüttel mavcken Streich zu verüben," fuhr der Ncndani scherzend fort und dabei dachte er an Sie silberne Schmucknadel, die seine Elsbeth gestern verloren. „Das sagen Sie nur!" fiel der andere lek- ' ait ein. „Eine Geschichte kann ich Ihnen Savon erzählen, die dem jungen Korrespon denten an unierenr Bureau, infolge des Windes, passiert ist." Und er berichtet: „Der junge Wellner selbst hat mir erzählt, wie sich die » » Allerlei Kurzweil. » « Denksprüche. Wär' noch so viel dir auch beschert Vom Wissen, gern will ich dü's gönne» — Wohl hat das Wissen hohen Wert, Doch deinen Wert gibt dir dein Können. * * * In Erinnerung zu schweben, Wie im Wind ein welkes Blatt, Hüte dich! Nur das heißt Leben, Wenn dein Heut' ein Morgen hat. Rätselecke. Nennt mir das Buch, das einst durch alle Lande So jung wie alt die erste Silbe war, Um aller Herzen wob es süße Bande, Gefährlich ward es einigen sogar. Erfüllte selbst des Welteroberers Sinnen, Der Volk und Fürsten sich zu Füßen zwang. — In tiefer Nacht, im stillen Zelte drinnen, Sein Inhalt mit Entzücken ihn durchdrang; Denn auf dem Kriegspfad mußt' es ihn begleiten. Heut' — nur in Ehrfurcht dessen, der es schuf, Liest man es noch. So wandeln sich die Zeiten. Die Silbe Zwei verstärkt der Ersten Ruf, So lehrt es die Grammatik unsrer Sprache; Zwei Lettern sind cs nur. Kennt Ihr es nicht? Ich hoffe — doch das ist nun Eure Sache, Wenn's nicht am nöt'gcn Scharfsinn Euch gebncht! Buchstabeu-Rätsel. Mit L ist es zu tragen schwer, Mit H ist's oft vom Uebel, Mit M lieben's die Schweine sehr, Mit R pflegt man's im Stübel, Ohn' Kopf ist cs am Banin zu sehn, Wenn wir durch Wald und Felder gehn. Gleichklang. Mich armen Tropf Schlägt auf den Kopf Der Handwerksmann. Zieht man mich aus, Kneift man, o Graus! Mich alsodann. Wer sucht das Glück, Deu führ' voll Tück Ich öfters an. Und angesichts Von mir ein Nichts Ihn gähnet an. Aaagrawm. Ein Wort nur schrieb er. In seinem Gedicht Wollt er das Rodeln besingen. Doch kam er so recht vom Flecke nicht, Ihm will kein Anfang gelingen. Da hat er, was er geschrieben, verwirrt Und anders die Zeichen verbunden. Ta wurden gleich zwei Wörter daraus lind der Anfang war gefunden! Lcherzrittsel. Eins, zwei man Schönheitsfehler nennt, Wenn sie im Antlitz sich zeigen; Im andern Sinn sind sie von Wert, Will Gletscher man besteigen. Drei, vier trugen in früherer Zeit Mit Vorliebe ältere Damen, Doch da 's heut „ältere Da nen" kaum gibt, Sic aus der Mode kamen. Das Ganze schmückt des Kriegers Haupt, Umstrahlt vom Ruhmesglanze. Doch oft auch tönt cs schrill und laut: „Gebt acht, da kommt das Ganze!" Scherzfrage. Kann ein Spatz auf dem Kops stehen? Vild,r-R«tsel. AuftAsuugen ans Nummer 18. Des Rätsels: Glaube — Laube. Des Anagramms: Riesen — Reisen. Der Hieroglyphen: Im Tod ist Leben. Des LogogriphS: Gestirn — gestern, Liuder Zeitssß. M» MichK K» p» kPchM Nr. 19. Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. 1914. Veilchen. Guckäuglein gehen kreuz und quer Nach Veilchen spähend im Gras umher; Die kleinen Wangen glühen Vom eifrigen Bemühen. Schon hält ein Sträußchen in der Hand Der Bub, das Mädchen: unverwandt Durchsuchen sie die Hecke, Ob sich noch eins verstecke. Wie duften sie so wunderfein! Und welche Freude wird es sein, Wenn Vater auf dem Tische Das Sträußchen sieht, das frische! Sie tun gar heimlich, tun so füll, Ich nichts davon gewahren will, Bis ich zur Arbeit gehe Und ihre Gabe sehe. Wohl ist eS holde Blütenpracht, Die freundlich mir entgegenlacht, Sind'S doch des Himmels Spenden, Beschert von Eagelshänden! Eine MaikäfergeschLchte. Von Klaus Döhne. (Nachdruck verboten.) In Gärtner FriescnS Obstgarten sitzen alle Kirsch-, Pflaumen und Aepselbäume dick vollcr Maikäfer; man sieht ordentlich, wie sie strich weise da« zarte Grün schon abgegrast habe». An einem lauen Spätnachmittag gehen die Hühner des Bauern mit lautem, freudigem Gekrasch unter diesen Obstbäumen spazieren. Sic picken ein bißchen in dem kurzen Grase umhcr nach Würmern und Fliegen. Aber immer wieder legen sic die Köpfe auf die Seite und blinzeln so vergnügt in die Baum kronen hinauf, als hätten sie etwas besonders Schönes in Gedanken. Die Maikäfer ärgert das, denn diese Tiere und die Hühner sind Feinde, weil nämlich das Geflügel so gern Maikäfer frißt, und die Maikäfer sich nicht gern fressen lasten. Auf einer Zweigspitze, die ziemlich tief her niederhängt, sitzt ein ganz dicker Käfer. Er hat wundervolle Flügeldecken, wie lichtblau» lackiert, dazu ein kleines grauweißes Schild chen am Flügclansatz. Nach diesem Schild chen nannten ihn die Kinder, die ihn gestern gefangen hatten, einen „Müller". In dem Wasterglase, in da« sie ihn mit ein paar Blättern sperrten, konnte er es deutlich hären. Der Name gefiel ihm wohl, nicht aber die Gefangenschaft. Zu seinem Glücke gelang es ihm, zu entwischen. Er kehrte zu seinem Kirschbaum zurück, erzählte den Käfergenossen seine Abenteuer, und noch mehr, als er wirk lich erlebt. Am Schlüsse verlangte er, daß man ihn nur noch „Müller" nennen und als weit gereisten Mann respektieren solle. Die andern Maikäfer waren es zufrieden. Run also sitzt der „Müller" auf der schwanken Zweigspitze und sieht auf die Hühner hinab. Die haben ihn auch bemerkt; der große bunte Hahn versucht ei» paar Sprünge. Aber da die Astspitze doch ziemlich zwei Meter hoch über dem Erdboden schwebt, so kann er sie natürlich nicht erreichen. „Hchehe," lacht der Maikäfer und wippt ein paarmal höhnisch mit dcn Flügeldecken, als wolle er aufflicgcn. Dabei bleibt er aber doch ruhig sitzen. „Hehehc, das könnte euch wohl so passen, ihr Räuber? Aber, um mich zu fangen, muß doch ein Klügerer kommen." „Gack — gack — warst ja in einem Was serglase," ruft eine Henne laut. »Aber nicht in deinem," bemerkt der Mai- käfer spitz.