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KllM M HchMkill krualliiln Aprigrr Sonntag, de« 10. Mai 1014, Nr. 107. 41. Jahrgang Deutscher Reichstag. 251. Sitzung vom 7. Mai. Zur Beratung steht zunächst der Antrag Speck (Ztr.) aus Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Aufwandsentschädigung für soldaten reiche Familien. Der Antrag ist von allen Parteien unterstützt. Abg. Speck (Ztr.) empfiehlt die An nahme des Antrages Es handle sich um per sönliche Zuwendungen, die nicht gepfändet werden dürfen. Wir haben die soziale Ver pflichtung, soldatenreichen Familien Unter stützungen zukommen zu lassen. Der Antrag wird debattelos in erster und zweiter Lesung angenommen. Es folgt die 2. Lesung der Besoldungsvorlage. Abg. Beck (natl.) berichtet über die Ver handlungen der Kommission. Die Regierung hat die Kommissionsbeschlüsse als unannehm bar abgelehnt. Die Kommission hielt es be sonders für notwendig, sich der gehobenen Unterbeamten anzunehmen, ferner wollte sie die höheren Postbeamten berücksichtigen. Schatzsekretär K ii h n : Ich habe namens der Verbündeten Regierungen die Erklärung zu wiederholen, das; für den Fall, das; der Reichstag die von der Kommission gefaßten Beschlüsse aufrecht erhalten sollte, die Verbün deten Regierungen dem Entwurf ihre Zustim mung versagen müssen. (Bewegung.) Es ist in der Kommission erklärt worden, das; das im Lande große Verstimmung erregen würde und daß die Verantwortung dafür allein die Regierung zu tragen hätte. (Lebhaftes Sehr richtig!) Das ist mir jedoch noch sehr zwci- felbast. Jin vorigen Jahre erst hat der Reichs tag eine Besoldungsvorlage beschlossen, der die Regierung zustimmte, um einem langjährigen Wunsche des Reichstags zu entsprechen. Trotz dem sind in kurzen Zwischenräumen neue Er gängungen vorgeschlagen worden. Abermals entschloß sich die Regierung, eine neue Vor lage zu machen. Eine Meinungsverschieden heit besteht zwischen de» beiden gesetzgebenden Faktoren darüber nicht, daß den Beamten, die bedacht werden sollen, tatsächlich eine Aufbesse rung zuteil wird. Meinungsverschiedenheiten bestehen nur darüber, Ivie weit der Kreis der zu Bedenkenden gezogen werden soll. Jede Ausdehnung pes von der Regierung gezogenen Kreises würde zu weitgehenden Konseguenzen führen, die nicht bloß das Reich, sondern auch die Bundesstaaten und die Kommunen in Mitleidenschaft ziehen würden. Es ist ja zu versieben, daß der Neichsag weitergchende Wünsche Hal. Aber die Regierungen lassen sich in der Vorsorge um ihre Beamten von nic- inand übertreffen. (Bewegung.) Sie würden selbst mit Vorschlägen an Sie berantreten, falls es nötig wäre. Ich richte an Sie die dringende Bitte, im Interesse des Zustande ¬ kommens der Vorlage dem Regierungsentwurf zuzustimmen. Abg. Ebert (Soz.): Die Verteuerung der Lebenshaltung ist so allgemein, daß die Be amten mit ihrem Gehalt nicht auslömmen können. Ein Zurllckweichon ist für uns un möglich, do die Kommissionsbeschlüsse das Mindeste därstellen, was gewährt werden tann. Wie lange noch wird sich der Reichstag die empörende Behandlung durch die Regierung gefallen lassen? Mit der Regierungslaktik „Frist, Vogel, oder stirb" muß endlich gebro chen werden. Wenn Preußen es an der nöli gen Fürsorge für die Beamten fehlen läßt, so braucht es das Reich noch nicht zu tun. (Der Redner wird zur Ordnung gerufen.) Abg. Nacken (Ztr.): Wir sind nichl i» der Lage, von den Kommissionsbeschlüssen zurückzustehen. Die wenigen bescheidenen Er gänzungen müssen durchgesetzt werden. Wir sind überrascht von dem einmütige» Beschluß des Bundesrats, der auch nicht das geringsle Entgegenkommen in Aussicht stellt. Aber auch das erfreuliche Zusammenarbeiten der bürger lichen Parteien wird in Frage gcstell!. Fast scheint es, als legten die Verbündeten Regie rungen daraus keinen Wert. Abg. Bassermann (natl.): Durch die Einigung der bürgerlichen Parteien ist die große Zahl der an uns hecangetretenen Bc- amtenwünsche auf ein bescheidenes Maß zu sammengezogen worden. Die Regierung kann nicht sagen, daß ihr der Reichstag unbeguem ist. In den Fragen der Konkurrenztlansel und des Spionagegesetzes ist er ihr weit entgegen gekommen. Ich begreife cs nicht, daß die Regierung kein Verständnis für die politische Bedeutung eines einstimmigen Beschlusses des Reichstags hat. Tie Schuld an dem Schei tern des Gesetzes hat die Regierung zu tragen. Abg. Oertel (kons.) schließt sich den Ausführungen des Vorredners durchaus an und bezeichnet die Kommissionsbeschlüsse als maßvoll und begründet. Tas Scheitern der Vorlage muß eine tiefe Verstimmung unter den Beamten Hervorrusen. Hoffentlich lommt es bei der dritten Lesung zu einer Verstän digung. Schatzsekretär K ü h n : Auf die Frage des Abg. Bassermann, weshalb die Regierung bei I der großen Bcamtcubcsoldungsvorlagc des Jahres 191.^ so weitgehendes En gcgcnkom- j men bewies, erwidere ich: Damals lag die Sache so, daß die ganze große Vorlage schei- lern mußte, wenn die Regierungen den Wün scheu des Reichstages nicht nachgegeben hätlen. Heute liegt die ^achc so, daß die Vorlage scheitern mußte, wenn der Reichstag sich »ichr auf den «tandpmüt der Verbündeten Regic- rungen stellt. (Große, andauernde Heiterkeit.) Wir haben eine Aufbesserung der gehobenen llnterbeamten nie abgelehnt. Es ist aber zu prüfen, welche andere Beamtenkategorien dann zu berücksichtigen sind. Diese sachlichen Erwä gungen erfordern längere Zeit für den Ab schluß der Vorarbeiten. Daher ist es den Per vimdeten Regierungen zurzeit unmöglich, einen entsprechenden Gesetzentwurf auszuarbeiten. Finanzielle Gründe sind für uns nicht allein oder auch nur überwiegend maßgebend- Abg. Kopsch (Vpt.): Die Regierung bleibt nur fest, wenn cs sich um Ausgaben handelt — bei neuen Einnahmen gibt sie gern nach- Die Regierung Hal nichts getan, um eine Einigung mit dem Reichstag zu erzielen. Der Reichstag steht einmütig hinter den For derungen der Beamten. Unser Beamtenstand sieht einzig in der Welt da, darum haben wir die Pflicht, berechtigte Wünsche dieser Beani en zu erfüllen. Die Regierungen sollten es sich dreimal überlegen, ob sie bei ihrem Nein bleiben. Abg. Schultz (Rpl.): Wir hoffen noch auf eine Verständigung, die umso notwendiger ist, als viele Beamte, durch den Fortfall der Ostmartenzulagen schwer geschädigt worden sind. Abg. Hacg y (Els.) tritt für die Rcichs- eisenbahnbeamten ein. Abg. Werner (deutsch-völkische Partei) hofft ini Interesse der Untevbeamten aus eine Verständigung in dritter Lesung. Abg. Weill (Soz ) tritt mir voller Be stimmtheit für die Kommissionsbeschhiisse ein. Darauf wird die Besoldungsvorlage ein- fümmig nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. Es folgt die Fortsetzung der Beratung des Militäretats. Kriegsminister von Falkenhayn wmmt iiochmals auf die sozialdemokratischen Angriffe zu sprechen. Die aus einer sozialisti schen Jugendversammlung gemachte Aeußerung „wir haben die jungen Leute gegen jeden Was rnucnst mit Ekel und Abscheu zu erfül len" habe er den Berichten der großen Ber liner Blätter entnommen. Großer Lärm der Sozialdemokraten begleitet diese Ausführungen. Abg. Stiicklen (Soz.) erklärt, der Kriegs- minister stütze sich ans die Rcichsverbandspresse, deren Schwindeleien die Sozialdemokratie nicht 'fortwährend richtigstellen könne. Die Sozial demokratic stehe viel zu hoch, als daß sie vom Kriegsminister beleidigt werden könnte. Kriegsminister v. Falkenyayn stellt verschiedene Acußerungen des Redners richtig. ErWmg der Leimiger MltMstellW für dis Buchgewerbe uud die graWschen Künste am K. Mui Mt. Die „Bugra" wurde, wie schon gemeldet, am 6. Mai vormittags halb 12 Uhr auf dem Gelände der vor jährigen Baufachausstellung am Fuße des Völkerschlacht- dcnkmals in Gegenwart des Königs Friedrich August, des Prinzen Johann Georg und anderen Mitgliedern des sächsischen Königshauses sowie zahlreicher geladener Gäste und der Spitzen der Behörden, feierlichst eröffnet. Im Repräsentationsraum der Jndustriehalle hielt der erste Präsident der Ausstel lung Dr. Ludwig Volkmann die Eröffnungsrede. Hierauf folgte eine Besichtigung der Ausstellung. Unser heutiges Bild zeigt den König Friedrich August mit dem Oberbürgermeister vou Leipzig, den Ministern usw. auf dem Rundgang durch die Ausstellung, (oben) das „Haus der Frau", er baut von der Architektin Emilie Winckelmann. Ein Wintertraum. Roman von Anny Wothe. 82 Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) 1912 dz? ^nuz? I^vlprix). Drüben, die Schwarzwälder Straße ent lang, zogen Pferdeschlitten eine ganze Reihe von Rodel und Bobsleighs die Straße hinan. Aus den Rodeln und Bobs hockten lachende, plaudernde, singende Menschenkinder, bunte Papierlaternen oder Wachsfackel» i» der Ha»d. Wie eine endlose, schillernde Schlange wunden sich die Schlitten mit de» bunte» Lampe» die weiße Straße aufwärts, ein bezauberndcc Anblick. In der Schwcizerhüttc hatte man getanzt, und das hcimkchrende, ftmge Volk, auf de» aneinander gekoppelte» Schlitte» sang lustig i» die Nacht: „Mutter, reich mir Ski und Stab, Daß ich lauf bergauf, bergab; Mütz und Sweater auch dabei, Denn das ist »icht einerlei. Auch Gamaschen Zum Vernaschen Recht viel Geld, lind dann rrraus In die schöne Wiutcrwclt." Das goldene Lachen und Jauchzen der sportsfrohen Jugend Ivar überall. Darüber das flirrende Mcmdenlicht, und tief ini Schatten- das bleiche Weib, und der Mann-, der sie heute an seinem Herzen gehal ten, still auf ihre Stäbe gestützt, dem Zuge der Schlitten mit verdüsterten Auge» nach blickend. Wie zwei Ausgestoßene kamen sie sich vor, wenn auch keiner es dem anderen verriet. Und das Eisgezack der Tannen glänzte hoch und feierlich, wie weiße Hochzeitskcrzcn in der- Nacht. * * * Tante Bella war in alle» Zuständen. Sie hatte heute das Frühstück ausnahmsweise in den Salo» beordert. Da konnte man doch wenigstens ein Wort rede», und sie habe so viel zu sagen. — Onkel Gerwin lag im Schaulelstuhl. An scheinend las er die Zeitung, das Monocle fest ins Auge geklemmt, während Tante Bella, schon in der Sportjacke und Sportmütze, am Kafseetisch saß und heftig in ihrer Tasse rührte. Jngelid stand hoch aufgerichtet in ihrer ganzen, schlanke», impmücrcmde» Schönheit zwischen Onkel und Tante, und zog sich so eben die Sportmütze tief über die Ohren. „Wie sich ein so altes Frauenzimmer wic Du," herrschte Tante Bella Jngelid au, „so albern benehmen kau», ist mir wirklich schleier haft. Weißt Du den» nicht, was es heißt, sich absichtlich von seinem Verlobten abson- dern, und nachts mit irgend einem X-belie lügen allein im Walde herum zu laufen? Du bist fertig, mein liebes Kind, ganz fertig, sage ich Dir, den» das kann sich ja Leo garnicht von Dir gefallen lassen-. Stundenlang l)at er Dich gestern Abend gesucht, den ganzen Weg hat er in Todesangst noch einmal zurückge legt, ohne Dich zu finden." „Das war sehr überflüssig, Tante Bella, Leo wußte genau, daß ich hier Weg uud Steg kenne, und da er es nicht der Mül>c wert hielt, sich auf dem Rückweg um mich zu kümmern, bin ich meine eigenen Wege ge gangen" „Jawohl, mit dem LuAikus, dem herge laufenen Menschen, der mir Libellenflügeln in der Luft klappert. Na, Du hast Tick» ebeii rmmöglich gemacht. Welch ein Glück, daß der Minister des herzoglichen Haufes und der Hofmarschall gestern noch nicht hier waren, als alles in Aufruhr über Dein Ausbleiben geriet. Wer weist, ob nicht Irmengards ganzes Glück noch an Deinem Leichtsinn scheitert " „Irmengards Glück?" Jngelid lachte höh nisch auf. „Liebe Tante Bella, das steht noch auf schwächeren Füßen als das meine. Aber nullst Tu mir nicht klar machen, was Du eigentlich mit Deinem Schelten bezweckst? Was ich getan, das läßt sich doch nicht mehr ändern." „Du wirst Leo um Verzeihung bitten. Du wirst ihm versprechen, diesen Mister Wood »icht mehr mit einem Blick zu streifen. Du wirst —" „Erlaube, Tante Bella, das sind doch meine eigenen Angelegenheiten," unterbrach das schöne Mädchen ruhig die erregte, alte Dame. „Was ich Lev zu sagen habe, das weiß ich ganz genau, Dich aber dürfte es viellcicht interessieren, zu wissen, daß ich noch beute Leo sein Wort zurückgeben werde." „Dn bist wohl verrückt," kam es prompt aus dem Munde der Tante, die klirrend Mes ter lind Gabel hinwars, und nun hochrot, kampfgerüstct ihrer Nichte gegenüber stand. Graf Gerwin rührte sich nicht. Er hielt die Zeitung vor sein Gesicht und schielte ein wenig darüber lümveg, zu Jngelid hinüber, die mit seltsam entschlossenen Mienen vor seiner Schwester stand, und ohne Erwiderung de» Strom von Scheltwörter; über sich hin- wegrauschcn ließ, der sich nun über sie er goß. „Lasse doch, Bella," rief Gerwin endlich, halb ungeduldig, halb gutmütig. „Tu," eiferte Tante Bella erbost, „Du bist auch so einer! Anstatt mir bcizustehen, unter- stützst Du das alberne Ding noch und sagst: Lasse doch! Jawol h wenn ich sie ließe, dann säße sie bis an die Olren in der Patsche. So'» Unverstand! Leo ausgeben-! Ein armes Mädchen solche Partie fahren lassen! Das wäre ja der reinste Blödsinn. „Na, ich bin ja auch noch da, und eine Verlobung jetzt autzubeben, daran ist ja gar nicht zu denken. Wir müssen, abgesehen von allem anderen, Irmengards wegen jeden Eklat vermeiden, denn sonst könnte möglicherweise auch ihre Verlobung noch in die Brüche gehen. Wie denkst Du Dir denn das überhaupr? Ich und Onkel Gerwin ziehen naüirlich unsere Hand von Dir zurück, Du kannst ja dan» sehen, was Du machst mit Deinen taufend Ansprüchen und keinen Pfennig in der Tasche. Warum willst Du denn nun- mit einemmal nicht den Leo? Was hat er Dir denn getan?" „Nichts, Taute. Aber guäle mich doch nicht so- Ich liebe ihn nicht, und ich will ihn nicht!" „Na, wenn sie ihn doch nicht liebt," warf Onkel Gerwin, sich hinter der Zeitui^ ein wenig hervorragend, dazwischen, „lasse doch, Bella!" „Ach, Oualsch", ries Tante Bella entrüstet. „Was verstehst Du von Liebe. Du bist ja selbst auf die alten Tage noch rappelig. Ro delst mit den jüngsten Mädchen und schneidest nach allen Richtungen hin die Kur, als gingest Du auf Freierssüßcn. Sogar die hechtgraue Weste haste Dir kommen lassen, um Eindruck zu schindcn, Du, sei man bloß ruhig und rede nichi dazwischen, denn sonst reißt mir noch ganz und gar die Geduldk" Graf Roitock lachte vergnügt hinter seiner Zeitung. Nn» Ivar sie ja gut im Zuge, nun konnte sie ia ihren galten Zorn auf ihn wer fen, und das arme, blasse Ding da, sein be sonderer Liebling, blieb verschont. Aber er hatte sich gründlich in seiner Schwester Bella getäuscht. Wic ein Stoßvogel wandie sic sich wieder geaen Jngelid. „Liebe! Was heißt Liebe? Liebe brauchst Du garnicht, wenn Du Leo heira est, das findet sich alles in der Ehe." „Das weißt Du doch garnicht," warf Ger win dazwischen, „Du bist doch nie verheiratet gewesen, Bella." Ein bitterböser Blick traf den Bruder, aber sic fuhr unbeirrt fort: (Fortsetzung folgt.) Li-sksI6srLsL6enk8us Oksmnitr, Leke Post- u. k(wki6N8lk.7>7'^r>>L^