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KttiM M AHMei» KiiAhliin Knikigtt TLgrdlAkk. Nr. 50. Tonntag, den 1. März 1014. 41. Jahrgang Die Tchwefelgruben. Eine Skizze aus dem Süden von Walter Frank. (Nachdruck verboten.) Di« Sonne Süditaliens leuchtete. Ich war seit einigen Wochen in Neapel, um unter der Sonne des Südens mich von »inem schweren Leiden zu erholen. In der reizvollen Stadt am blauen Golf mit dem dunklen und grämlichen Mons Vesuvius hatte ich die Bekanntschaft eines Ingenieurs ge mocht, eines Schweizers aus Zürich, ein lie benswürdiger und prächtiger Gesell, der für ein Schwefelwerk der Insel Sizilien engagiert war. Er hatte die Reise benutzt, um gleich die interessantesten italienischen Städte kennen zu lernen, hatte die Tour in Neapel abgeschlossen und wollte sich nun direlt nach Sizilien be geben- Mein Neiseplan war für die Zukunft kei nen besonderen Bedingungen unterworfen, und so ließ ich mich leicht bewegen, den Freund auf den Posten seiner zukünftigen Wirtsam'eit zu begleiten. War mir doch somit ein inter essanter Einblick in sizilianisches Volksleben von vornherein gesichert, und ich muß der Walr'eit gemäß gestehen, daß in 'remden Ländern das Studium der lebenden Bevölke rung eigentlich für mich größeres Interesse gehabt hat, als das Herumstreichen unter den Denkmälern der vergangenen Zeiten. Gesund und wo ldehalten kamen wir nach brillanter Dampferfahrt in Palermo an- Dann b.nützten wir für eine kurze Strecke die Eisen bahn, und den Rest bildete eine Post, deren Inneres ganz dazu eingerichtet war, einen menschlichen Körper während der Fahrt über und über mit blauen Flecken zu bedecken. Der Postwagen war ein alter, ausrangier ter Kasten, den man nochmals in den Dienst gestellt hatte, um die erforderlich gewordene Anschaffung eines neuen Wagens zum Ersatz für einen verunglückten noch für einige Zeit hinauezulschieben. Auch diese Fahrt wurde überstanden, wir landeten endlich in einem kleinen Neste, von welchem unser Reiseziel noch ein Paar Stunden entfernt war. Besondere Freuden erwarteten uns in dein schmutzigen Hause, das mit ebenso großem Rechte den Namen Hotel führte, Ivie eine Hundehütte den Namen eines Schlafzimmers verdient, nicht. Wir hallen auch gar nicht darauf gerechnet und uns vorsorglich mit eini gen Konserven, Schokolade usw. versehen. Aber was wir als Exlrazugabe noch be kamen, das waren schlechte Nachrichten. Der Sindaco (Bürgermeister) des Ortes war ein Sizilianer, wie er im Buche steht. Eine gravitätische Figur, die mit vielem Selbstbewusstsein auftrat, zu Häuft aber hin- ter kahlen Wänden ein frugaler Mahl ver zehrte. Nun, das ging uns nichts an- Aber seine Worte interessierten uns um so mehr. Er schüttelte den Kopf, als er zuerst ver nahm, daß wir den Schwefelgruben zusteuer ten. Seine Bemerkungen, die dann folg en, klangen so, als ob der Besitzer, der meinen Freund engagiert, ein nicht ganz zuverlässiger Mann sei. Der Schweizer wies aber eine Anweisung auf eine gute Palermitaner Bant vor. Darauf rückte unser Sindaco denn in unsere aller nächste Nähe, nippte aus seiner Kaffeetasse und Hub an zu berichten. Wir wüßten vielleicht nicht, daß der Or., an welchem die Gruben lägen, einer der ärm sten in ganz Sizilien sei. Und einer der ver rufensten zugleich. Die Arbeit habe der Ge sundheit der Bevölkerung sehr geschadet, Not Hale dort stets gel errsck't, und sie sei verschärft durch die liederliche Wirtschaft in den Gru- ben, bei welcher fruchtlos unendlich viel Geld vergeudet sei. Der Ingenieur nickte. Das war alles zu treffend. Er selbst war auch gerade im Hin blick hierauf berufen, wieder einen soliden Stand herbeizuführen. Und ivie ich ihn ken nen gelernt, war er der Manu für seinen Posten. Ich gab dieser meiner Ueberzeugung auch gegenüber unserem geschwätzigen Gaste Aus druck, denn wir hatten den Stadtvater nun zu einem Glase Wein, der wenigstens vortreff lich war, eingeladen, und der Sindaco hatte durchaus nicht nein gesagt. Der Schweizer schwieg bescheiden bei meinem Lobe seiner Tüchtigkeit. Der Sindaco kniff die Augen zu, schlürfte bedächtig seinen Wein und erwiderte, daß er an des Herrn Ingenieurs Fähigkeit und Energie auch nicht im mindesten zweifle; aber, — nun flüsterte er — bei der bisherigen Schandwirlschast in den Gruben hätten sich gewisse Leute reich gemacht, und sie Wen es durchaus nicht gern, wenn nun ein strenger und ehrlicher Mann erscheine. Sie würden gewiß kein Mittel scheuen, um meinen Freund ivieder fortzubringen. Wir lächelten beide zu seinen Besorg nissen, er aber gab uns zum Schlüsse den guten Nat, vorsichtig zu sein und Waffen bei uns zu tragen. Dann schied er mit den allerbesten Wünschen, beim Fortgange das Ge sicht zu einem behaglichen Schmunzeln ver ziehend. Als wir uns wiedersahen, stand es anders, ganz anders! Mein Freund war allmählich etwas nach denklich geworden. Er hielt es für besser, wenn ich ibn nicht weiter begleiten würde. Ich führte seinen Besorgnissen gegenüber aus, daß man mich, den harmlosen Touristen, doch ganz gewiß ungeschoren lassen würde, und er gab schließlich meiner Ansicht Recht. Doch nahm ich von den beiden wertvollen Revolvern, die er bei sich führte, den einen, wenn ich auch nicht entfernt an einen ernsten Gebrauch desselben dachte. Früh am folgenden Morgen traten wir unseren Maultierritt nach den Gruben an. Ich saß nicht gerade elegant auf dem Tiere, weil ich nie in meinem Leben ein Reiter ge wesen war, und der Schweizer machte nicht bloß einmal mich zum Gegenstände seines harmlosen Spottes. Ich lachte mit, und so kamen wir denn am Ende auf andere Ge danken. Gegen drei Stunden waren wir auf be schwerlichen Pfaden vorwärts gekommen, als wir aus die elften Häuser stießen, die zum Gräbewbezirk gehörten. Es war unendlich traurig! 4 Auf einen noch leidlich erhaltenen, aber doch schon im Zerfall begriffenen Bau kamen zehn, die Trümmerhaufen, Ruinen glichen oder aber nicht mehr als einen Holzschuppen bildeten. Da und dort waren an die Ge birgswände ein Paar Mauern angelleckst, die schief und krumm gingen, und hinter welchen auf dem Geröll dann die Leute hausten. Die Hauptbekleidung der Kinder bildete der Schmutz; dann kamen ein Paar Lumpen. Die Frauen und Weiber trugen in der Mehr zahl Hemd und Rock, dann un/d wann war ein Tuch zu sehen. Männer erschienen Zv'- nächst nicht auf der Bildfläche. A er über Lumpen und Schmutz hätte man noch fortsehen können! Doch die Gesichter, die Gesichter! Ich wußte aus gelegentlichen Aeußerungen bereits, daß auch Frauen und Mädchen, selZt Kinder von zehn und Zwö? Jahren schon, in den Gruben beschäftigt würden, aber nie batte ich mir di« Wirkung diefer Arbeit als eine solche vorgestellt, wie ich es sah! Welch« tiefliegenden Augen, welche ent setzliche Farbe! Wo war da ein frisches, rote» Lippen- paar? Wie die Wilden drängten sich Alt und Jung kettelnd mn uns herum; unsere Maultiertreiber taten ihr Möglichstes, die Zudringlichen ab zuhalten, und wir opferten bereits unseren ganzen Vorrat an Kupfermünzen. Neben meinem Reittier ging zuletzt ein junges Ding, das fortwährend bittend die Hände ausgestreckt hielt. Ich konnte die Bet telnde nicht los werden. „Ah, schäme Dich, schäme Dich, ein so großes Mädchen rrnd bettelt!" rief ich endlich ärgerlich. „Die Mutter ist totkvank," schluchzte da die neben her Lausende, „nur eine einzig« Lira für Kerzen, die ich in der Kapelle opfern will. Sie stirbt sonst! Ich warf dem Mädchen die Münze in die Hand: „Wie alt bist Du?" fragte ich. — „15 Jahre, H«rr!" war die Antwort. Ich sagte nichts mehr. Nur einen einzigen Blick warf ich noch in diese mühen, halbver- zweifolt drein schauenden Augen, auf die Di« Korsen siegten aufs neue. Stefan Doria mußt« die Insel verlassen; Korsika war frei! — Ls trat nun der Augenblick ein, von dem Antonio geträumt. — Als man Alfonso den Lorbeerkranz auf sein Haupt gedrückt, meinte«r die Stimme seines geliebten Freundes flüstern zu hören: „Lede wohl, Alfonso! Lebe wohl, Korsika! Ich bin für euch gestorben; doch ihr seid frei vom Joche der Genuesen!" Die Gestalt des Hingeschiedenen, mit einem weißen Rosenkränze geschmückt, stand ihm im Geiste vor Augen; sie winkte ihm noch ein mal und schwebte dann empor zum lichten Raum ewiger Freiheit. » » Allerlei Kurzweil. « « DeuLsprüche. Di« Freundschaft ist die heiligste der Gaben, Nichts Schöneres konnte Gott uns hier verleihn, Sie würzt die Freude, mildert jede Pein, Und einen Freund kann jeder haben, Der selbst versteht ein Freund zu sein. * * Wer mit Liebe dich warnt, Mit Achtung dich tadelt, Der sei dir ein Freund! RStselecke. RM-l. Wir lieben den Becher und trinken doch nicht, Wir haben zwar Augen und doch kein Gesicht: Wir wandern gefühllos von Hand zu Hand Und brachten doch manchen »m Haus, Hof und Land. Ost Zwillinge sind mir, ost Drillinge gar — Flieh' uns'rc Bckannstchafl, sie bring' dir Gefahr. Umstell-Rätsel. Ein Werkzeug, blank und schneidig, Wird eine Schweizer Stadt, Wenn sich in seinem Kerne Etwas verschoben hat. Berlürzungs-RStsel Schwarz, weiß, rot, blau, gestreift, kariert, Kann täglich man mich schauen; Allüberall, bei Mädchen wie Bet Buben, Männern, Frauen. Gin Zeichen fort, beim Kartenspiel Tin wicht'ger Faktor bin ich; Wer in der Hand von mir hat viel, Der sagt: „Das Spiel gewinn ich."' Vin Zeichen fort, ein wicht'ger Teil Bin ich bei Mensch und Tieren. So wichtig, daß sie ohne mich Nicht können existieren. Ssgogrtph. Zur Nahrung reicht es dir das Feld, Auch war eS Dichter einst und Held. Arithmetisches Rätsel. Auf einem Tische liegen zweierlei Münz- sorten, im ganzen 310 Stück. Jedes Stück der größern Sorte ist so viel Pfennige wert, als Stücke der kleinern Sorte vorhanden sind; jedes Stück der klemern Sorte aber so viel Pfennige wert, als cs Stücke der größern Sorte gibt. Die Summe des ganzen Geldes auf dem Tische beträgt 60 Mark. Wie viel Stücke liegen von jeder Sorte auf dem Tische? LreunungS-Rätsel. Erfolgt'S — getrennt — von Knabentücken, Geht klirrend wohl das Glas zu Stücken, Erfolgt's — zumeist — aus Denkers Mund, Tut seinen Widerspruch er kund. Bilder-Ratscl. (Auflösungen in nächster Nummer.) Auflösungen a«S Nummer 8. Der Rätsel: 1. Schwarz. 2. Hall — Unken — Hallunken. Der Scharade: Siebenbürgen. DeS UmstellungS-Rätsels: Lübeck — Bückel. DeS Homonyms: Schnitzer. Des Bilder-Rätsels: Vatername. Liu-cr-Zeitv»ß. »« «Wh* D» S» »HM W-Schaw» Nr. 9. I Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenstrin-Trnstthal. I 1914. Dev Mond. In stillem, heiterm Glanze Tritt er so mild einher. Wer ist im Sternenkranze So schön geschmückt als er? Er lächelt still bescheiden, Verhüllt sein Angesicht Und gibt doch so viel Freuden Mit seinem trauten Licht. Er lohnt deS Tags Beschwerde, Schließt sanft die Augen zu Und winkt der müden Erde Zur stillen Abendruh. Schenkt mit der Abendkühle Der Seele frische Lust; Die seligsten Gefühle Gießt er in unsre Brust. Du, der ihn uns gegeben Mit seinem trauten Licht, Hast Freud am frohen Leben, Sonst gäbst du ihn uns nicht. Hab Dank für alle Freuden, Hab Dank für deinen Mond, Der TageSlast und Leiden So reich, so freundlich lohnt. «x«x Korsische Helden, xxxx Von Onkel Friedrich. (Fortsetzung und Schluß.) Signora schien aus der Reise ihr Mißtrauen gegen das korsische Mädchen nicht bewältigen zu können und hörte nicht auf, Angelinen, die nicht von der Seite AntonioS wich, zu warnen. „Nein, nein," sagte Angeline, das Mädchen ist gut und hat uns einen großen Dienst er zeigt; ich will ihm helfen, wenn's möglich ist." „Fürchte den Zorn Deines Vaters, Ange- line," sagte Signora, „er darf es nicht er fahren, daß wir unsere Reise so weit ausge- dehnt und uns am Ende von einer Spionin haben führen lassen." Angeline schien nun auch ein wenig miß trauisch zu werden. Die bösen Worte deS Gebetes, das sie belauscht, erklangen ihr aufs neue in den Ohren: „Vernichte die Genuesen." „Ich muß es herausbringen," dachte sie, „was das Mädchen im Sinne hat." Aber schon hatten sie Bastia erreicht, schon nabte die Stunde der Trennung, und noch hatte die kleine Genuesin nicht allein mit ihrer Führerin verkehren können. Endlich erschien der ersehnte Augenblick. Signora hielt eS für nötig, ehe man sich in der Stadt blicken ließ, erst einige Toilette zu machen. Sie kehrten in die Tabane eines Landmannes ein. Antonio, um kein Mißtrauen zu erregen, tat, als wolle er ein gleiches tun; sobald sich die andern entfernt hatten, gesellte er sich zu einer Gruppe Landleute, welche Lebensmittel in die Stadt trugen. — Angeline hatte ihn vom Fenster aus bemerkt. Wie ein Vogel eilte sie zur Türe hinaus. „Nur zwei Worte noch, Du Mädchen auS Korsika," rief sie ihm zu, und winkte ihm zu einem einsamen Plätzchen. „Signora glaubt, Du habest Böses gegen die Genuesen im Sinne," begann sie jetzt, „ich aber kann's nicht glauben; sage mir Dein Vor haben, ich will Dir helfen dabei, wenn es ein gutes ist." „Es ist ein gute«, aber Du kannst mir nicht helfen," sagte Antonia, düster vor sich hinblickend. Angeline zog ihn noch etwas weiter von dem Hause weg bis zu einem mächtigen Ahornbaum, zwischen dessen Zweigen ein ThristuSbild hervorschaute. „Bei dem Gekreuzigten," sagte sie, „ich kann mehr tun, als Du vielleicht denkst; ich hörte Dich für Deinen Vater beten. Ist er krank oder gefangen? Ich schwöre Dir Der- schwiegenhett." Antonio war leichenblaß geworden; große Tränen stürzten ihm aus den Augen. „Laß