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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.02.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191402159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19140215
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19140215
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-15
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.02.1914
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Schweizer sand. Und wieder ging es eine Woche länger per Boot bis Kienchang. Unterdessen kam das chinesische Nenjahr, welches ich nun auf einem Boot verlebte und selbst auch mal sah, wie Neujahr auf den vie len tausenden Booten in China gefeiert wird. Während des Tages hatte der „Lao-Pan" — „Meister des Bootes" für reichliches Brenn- i olz gesorgt sowie für Reis, Fleisch, Gemüse n. a. m. Bei günstigem Winde segelten wir vor der Abenddämmerung weiter ins Gebirge hinein. Nachdem Halt gemacht war, wurde zunächst heißes Wasser bereitet und der Boots mann fing nun an, sich tüchtig zu waschen, nicht nur sein Gesicht, sondern diesmal auch den Hals und Kopf, um rein zur Anbetung bei den Geistern und dem Himmel und der Erde erscheinen zu können- Mittlerweile wurde ein Pfund Schweinefleisch gekocht und ein großer Topf voll Reis. Zu dem Pfund Fleisch wurde dann noch ein Salzfisch in die Wasch schüssel gelegt, ein Paar Eßstäbchen hineinge- steckt und das große Gemüsemesser in schnei dender Stellung hinzugefügt. In den großen Topf mit dampfendem Reis wurden 2 Eß- stäbchen in die Mitte gesteckt und die anderen je 2 und 2 am Topfrande herum. Es waren im ganzen 12 Paare, welche zum Gebrauch für die Ahnen gedacht sind. Kerzen und Weih»- rauchstäbchen wurden überall angebracht. Auch die Verzierungs- und rwen Glücksstreifen durs ten nicht selten, und die beiden Türgötzen wurden vorn angellcbh Reis, Fisch und Fleisch wurde außen vorn aufs Boot gestellt. Der Bootsmann zog das lange Kleid an, ent zündete die Schwärmer, kniete nieder und ver beugte sich 3 mal mit dem Kopf aufs Boot. Dann wurden mit glimmenden Weihrauchstäb-- chen in den Händen 3 tiefe Verneigungen ge macht und Himmel, Erde und Ahnen zugleich angebetet. Jetzt ging es ins Boot und der alte Nr-Ur-Urgroßvater Hsiao wurde nun an gebetet, welches der Götze der Bootsleute ist. Von diesem geht die Sage, er war solch ein Riese, sodaß er die Boote über trockenes Land ziehen konnte. Dann wurde hinten aus dem Boote geopfert und angebetet. Der rohe Ge lütte, welcher kein gutes Wort sagen konnte und wußte, mußte auf Befehl hinaus, um die Gunst des Himmels für's kommende Jahr zu erflehen. Jetzt war Schluß. Nun ging es aus Gemüsekochen, und um 11 Uhr kamen sie dann ans Schmausen. Kurz vor der Anbetung sprach ich ernstlich mit dem Bootsmann. Da sagte er: „Ausländischer Herr, zu Gott und Jesu zu beten, verstehe ich nicht, und ich will mut) Glück ba' en im kommenden Jahr: darum muß ich zum Himmel und der Erde beten," rind mun ter ging os dann an die Ausfül>ruug. In Kienchang wurde ich von Geschwister Krierke (hat in der Umgegend von Ho- hensteiwErnstthal Missionsstunden gehalten. D. Red.) und Eingeborenen herzlich empfangen, und mein erstes der Begrüßung war: „Habt Ihr was zu essen?" Sie mußten lachen; aber sie sahen, es >var mir ernst, denn ich hatte morgens nur etwas Reisbrei gehabt und ge dachte mittags anzukommen. Durch zu flaches Wasser wurde es nachmittags etwa 4 Uhr. Nach 4tägigem Aufenthalte wanderte ich bis Nansong. Geschwister Pfannemllller und ihr Sohn waren mir ein Stück Wegs entgegen gekommen. Am andern Morgen mußte ich weiter reisen, um Sonntags in Ningtu zu sein. Diese letzten 3 Tage waren sehr an strengend durch Regenwetter. — Was ist nun mein Eindruck aus solch lan ger Reise im Lande? Mehr an der Küste ge legene Gegenden und in und bei den großen Verkehrsstädten ist das Volk freundlicher ge worden. Mit den besseren Chinesen läßt es sich jetzt leichter sprechen über's Evangelium, als früher; denn ihre Abneigung gegen den Ausländer ist geringer geworden. Jedoch der Geist Gottes kann das Herz eines Menschen mir allein öffnen, so daß ihm das Wor Gottes süßer wird als Honigseim in seinem Munde. Eine Tagereise oberhalb Nanfony, und im Ningtlv-Distrikt fand ich den Aus- ü ndorlaß beim Volk noch so stark wie früher. Ausl 'irdischer Teufel und Teu^elsmensch war fortwährend zu hören. Das chinesische Neujahr ist ja ein großes religiöses Fest und die Götter und alles, will befriedigt und gut gestimmt werden, um Glück zu bringen. Zebu Li vor dem Ningtu-Distrik: 'ah ich eine Schar Männer mit Laternen und einem großen Drachen, dessen Kopf und Schwanz war von Papier gemacht, und das ecwa 10 Meter lange Tuch, von 6 Männern aus Gabeln über sich tragend, bildete das Nebrige vom Drachen. Mit Pauken und gro- ''cm Lärm in wilder Art zogen sie von Ort zu Ort, von Haus zu Haus und erhoben da- ' ci Geld. Aw, solch Finsternis rings umher soll man umwandeln. „Nein," mußte ich mir tagen, „wenn du es nicht tust, mein Gott, Menschen können und vermögen dies nicht." Die Revolution hat im Inland, außer dem Zopf (und in manchen Gegenden trägt man noch den langen Zopf) rind ausländischen Mützen, noch weiter nichts vom Leben und Art und Weise der Chinesen geändert. Was mir am meisten anfallend ist, sind die hoben Preise. Manches ist zwei und drei mal teurer als früher. Meine tiefste Ueberzeugung ist stärker als je, daß die Völker, und die Chi nesen in erster Linie, das Evangelium Haden müssen. Dies allein kann beiden, Einzelnen und Massen, anderes Leben geben durch den Geist Gottes. Möge der Herr auch mich ge brauchen, um ein wenig mithelfen zu dürfen. Seien Sie nun alle herzlichst gegrüßt aris dem alten China. Jes. 49. 12. A. S., Missionar. Christentum und Kirche. Worte zum Nachdenken. Arbeit ist Gottesgabe. Auch wenn du darunter seufzest, vergiß das Danken nicht. Wohl ist die Arbeit, unter deren Last wir unser Brot essen, Strafe der Sünde, aber weit mebr noch ist sie unser Schutz gegen die Sünd e. (O. Schlapp.) — Macht euch keim Sorgen. Sorgen sollte man sich überhaupt nie über Dinge machen, die man gehen lassen muß, wie Gott es will. (Max Eyth) — Ich suche meine vier Wände zu einem hei ligen Tempel zu machen, in welchem ich mich gern mit dem großen Gegenstand unseres Da seins und unseres Glaubens unterhalte. (La- vater.) — Liebe — die Liebe, die größer ist als der Glaube - scheint der Grundton alles Christentums zu sein. Aber die Welt ist noch fern vom wahren Christentum, uno wer auf richtig ist gegen sich selbst, weiß, wie fern er selbst von dem Ideal ist, das er zu erreichen wünscht. Man kann sich kaum vorstellen, was unsere Well sein würde, wenn wir wirklich wären, was wir zu sein behaupien: Nachfolger Christi. Das Erste, was wir lernen müssen, ist, daß wir nicht sind, was wir zu sein de- baupten. Haben wir das gelernt, so werden wir bei allem, was geschieht, geduldiger, be reitwilliger zum Vergeben und liebevoller ge gen andere sein. Wir werden an sie glauben, wir werden Vertrauen zu ihren guten Vor sätzen fassen, mit denen, so Hofle ich, nicht der Weg zur Hölle, sondern zum Himmel gepfla stert ist. — Unsere Religion ist ohne allen Zweifel besser und reiner als andere, aber in den wesentlichsten Punkten haben alle Religio neu etwas Gemeinsames. Sie alle gehen von dem Glaub eir aus, daß es etwas nach diesem Leven gibt, und sie alle sind Versuche, dieses oenscilige zu erlangen. (Mar Müller.) - Wer gelernt hat. auf den Hernr zu vertrauen, der auch im Meere Wege und in tiefer: Was sern Bahn machen kann, der steht mitten in Ungewittern wie ein Fels im Meer, angefott len, verfolgt, aber doch unbeweglich, uner schütterlich fest auf den: Grunde seiner Zuver sicht, der nicht wanket. Wer nicht aus die Ge fahr, nicht auf die schwankenden Wellen und Wogen der Trübsal, sondern auf den Steuer mann sieht, der noch niemals Schiffbruch ge- litten, dessen Schifl noch nie untevgegangen ist, der sitzt ruhig und steht fest in seinem Gott, der seine Hoffnung ist. (I. E. Goß- ner.) Kein wichtigeres Gebet kann es für trauernde und bekümmerte Menschen geben, als die Bitte um Glauben, um Glauben nur wie ein Senfkorn groß, um ein Fünklein nur des Glaubens, der Gottes Herrlichkeit schaut. Es gibt aber auch keine ernstere Mahnung an alle zerschlagenen Herzen als die: lerne glaubend die Hand des Herrn erfassen; lerne alles in dir Hinwegräumen, was dich an diesem Glau ben hindert! Lerne betend und suchend so lange die Glaudenshand ausstrecken, bis du erfährst, daß die Losung: „»vir leben oder wir sterben, sind wir des Herrn", wie sie verklä ren- ihr Licht wirft auf das Dunkel des To des, auch als eine Kraft göttlichen Trostes sich in deinem Leben und in deinem Leid bezerrgt. (E. Drhander.) Sie MrkW Hötte nicht Heffer sein können. Seitdem meine Kinder, Rvsa und Alfons, die ihnen vom Arzt verordnete Scotts Emulsion regel- mLßg bekommen, geht es mit ihrer Entwickelung rüstig vorwärts. Beide haben heute ein blühendes Aussehen, «inen kräftigen Knochenbau und sind gegen früher wie umgewandelt, immer munter und leb haft und ihre Sßlust ist prächtig. Beide fieuen sich immer riesig auf ihre Scotls Emulsion. DaS Mäd chen ist L'/, und der Knabe 1 Jahr alt. Letzterer hat seine Zähnchen bekommen, ohne damit zu tu« zu haben, kurzum: die Wirkung von Scotls Emulsion an meinen beide» Kindern hätte nicht besser sein tönne«.^^^ (,q.) I»h»nn Fiulhabn, Packmetster. Urnulfitr. u» UI, l. «u,ust »12. Scotts Emulsion, ein durch Zusätze von Kalk und Natron mittels des Scottschen Ver fahrens schmackhaft und leicht verdaulich ge machter Lebertran, ist für die Entwicklung der Kinder von hohem Werte. Wer seine Kinder Scotts Emulsion regelmäßig nehmen läßt, wird bald ebenfalls zu dem Ergebnis kommen, daß die Wirkung nicht bester sein könnte. Keine billigere» Nachahmungen, nur ScottS Emulsion. Gcitt» Lmulfi-N wird »,n UN« „«Ichltkßltch t» »r»ten derkLuW UN» jw»r Nik l»sk n«ch Gewicht «der M-t, skndkrn mir in »krfi eg eiten OrijtnLlflaschen in K»r»n mit unserer Gchutzwarte lFtlcher bitt »em Lersch). Seilt 0 «»»ne. G. m. d H., grenksurt a. M. Gehalt, ca: Feinster Medijinal-Ledertran l»»,», »rt»« Glyzerin »0,0, unleryheipheriyseurer «all «.», untcr»h»»Ph»rigsiure» p»tr»n »,», »ul». Lragan! »,», feinster »rad. Gummi pul», i.o, «iffer ir»,o. Mk»h»l ll.o Hier,» »r»m»tische Umulfl»» mit Ft»t<, vlnnyel» un» Geultyeriaiil je I Lr»psen. Otto Knop!', OksmniÜL, im neuen Naik»»», am kffLrßt. I-'slvsprookvl- 4S49. üriUaMtzn : Öolä- uuä : Ukrsv lloedrvit8- unä OvleAvLÜtzLiZ-bssekvukv. ApsLialilLt: Lrioagutsos t^ürttowdorgloobou UotoUyyaroa-padrtk 8«l»ltoT«»-8t. escheidenes Licht da, wo sich'Himmel und Meer zu umarmen schienen, herabsenkte. Dort, an jener Stelle, mußte die Heimat erscheinen. Jede duftige Wolke, die aus dem Meere empor stieg, schien sie ihm zu verkünden. Sein Herz klopfte hörbar, bis jene Wolke wieder in leichte Nebel zerrann und die Täuschung offenbarte. — Alfonso gab sich nicht so leicht der Hoff nung hin, Land erblickt zu haben. Sein Auge, das jeden Gegenstand scharf und aufmerksam betrachtete, wußte gar wohl die vorüberflie genden Wolken von den fest ruhenden Gegen ständen zu unterscheiden. Er schüttelte mehr mals den Kopf, als schon Antonio in lautem Jubel ausbrechen wollte. Aber jetzt, jetzt! jener dunkle, lange Streif, der am Rande des wogenden Meeres ruhig und fest emporstieg und verweilte und immer deutlicher hervor trat, ja, es mußte die geliebte Heimatinsel sein! „Es ist Korsika, benvenuta Korsika!" jauchzte Antonio, während seine freudetrun kene Stimme durch ein leichtes Zittern noch die Furcht einer Täuschung verriet. „Ja, es ist Korsika!" sagte Alfonso fest und bestimmt, und erst jetzt gab sich Antonio dem ganzen Gefühle seines Herzens hin. Leiden schaftlich umschlang er den Freund und Tränen stürzten ihm aus den Augen. „Land! Land!" rief der Steuermann und „Land! Land!" hallte es wieder aus dem Munde der Mannschaft. Auf dem Verdeck wurde cs plötzlich lebendig; halb angekleidete Gestalten stürzten herauf. „Benvenuta Kor sika!" erscholl es vou unzähligen Stimmen. Bald darauf ertönte erst leise, dann immer lauter der katholische Kirchengcsang „kyrie eleison". Alles lag auf den Knieen, sich beu gend vor der höheren Macht, die das Schiff glücklich durch das gefährliche Element bis zur Heimat gebracht hatte. In diesem Augenblick stieg die Sonne groß und herrlich aus den Fluten empor. Ernst und feierlich klang der Gesang über die Wogen dahin. Im gün stigen Winde flog das Schiff der Küste von Ajaccio zu. Schon zeigte sich die mit ewigem Schnee bedeckte Spitze des Monte rotondo, der höchste Teil der Gebirgskette, welche Korsika durchzieht und in ein Land diesseits und jen seits der Berge teilt. Von der Morgensonne mit Rosen umkränzt, trat sie wie eine präch tige, fcenhafte Gestalt an dem blauen Himmel hervor. Bald sah man auch den dunklen Gaum der mächtigen Pinien-, Lerchen-, Ahorn- und Buchenwälder, welche die schneebedeckten Höhen umgürten. Wie ein leichter Schatten erschienen an dem vielfach ausgezackten Streif derJnsel die runden Türme, welche die Genuesen allenthalben an den Küsten errichtet hatten. Auf dem Verdeck des Schiffes hatten sich vielfache Gruppen der Korsen gebildet. Die braunen Mäntel um die nervigen Schultern geschlungen, das rote Barretto auf dem dunklen Haar, standen sie zum Teil unbeweglich in tüfes Sinnen verloren, und nur die gebräun ten, ausdrucksvollen Züge und der Blick der funkelnden Augen zeigten, daß ein rastlos tätiger Geist und eine tiefe Leidenschaft hinter dieser ruhigen Außenseite verborgen war. Gegen diese stolze Ruhe kontrastierte in auf fallender Weise die Beweglichkeit einiger Fran- zosen, die, zierlich geputzt, im schwarzen Ba rett mit Federn, gleich irrenden Kometen bald hier-, bald dahin streiften und die lebhafteste Konversation sowohl unter sich führten, als mit den schweigsamen Korsen zu beginnen strebten. Auf den Gesichtern der letzteren konnte man zuweilen ein bittres Lächeln über solches Ge baren wahrnehmen. Sie waren beinahe sämt lich nicht sonderlich für la belle France ge stimmt, welches sie so schmählich in diesem K iege mit Versprechungen hingehalten. „Was werden die Unsrigen sagen, wenn wir auf diese Weise wiederkommen?" Dieser Schmerzenkruf war auf allen Gesichtern mehr und mehr zu lesen, je näher man der Küste kam. Der erste Rausch der Freude beim An blick des geliebten Vaterlandes war vor der Sorge gewichen: wie werde ich es wiederfinden und wie wird es noch werden? Auch unsre beiden jungen Freunde standen jetzt ernst und still da, in ähnliche Betrach tungen versunken. „Weich' ein finsteres Gesicht wird mein Vater machen, wenn er sich so in seinen Hoff nungen getäuscht sieht!" sagte endlich Alfonso. „Es ist schrecklich zu denken, was er schon alles gelitten hat in diesem furchtbaren Kriege!" „Herrlich aber, wie er niemals den Mut verliert!" erwiderte Antonio, und sein schönes Auge leuchtete in wunderbarem Glanz. „Gott Hilst dem Schwachen und die heilige Jung frau schützt die Bedrängten! Dein und mein Vater werden die Korsen doch noch zum Siege führen, und wir, wir wollen ihnen dazu be hilflich sein!" „Können wir mit unsern schwachen Kräften, die wir noch kaum eine Waffe zu tragen ver mögen, ein geübtes Heer er etzen, das sie er wartet haben?" sagte Alfonso, ernst den Kopf schüttelnd. „O, wäre ich nur einige Jahre älier", fuhr er fort und richtete sich höher empor, „könnte ich wohl schon ein Heer an führen I Es muß köstlich sein, zwischen dem Donner der Schlacht hier- und dorthin zu fliegen und mit einem glücklichen Gedanken den Sieg zu leiten und zu bestimmen!" „Das wird Dir einst zuteil werden!" sagte Antonio. „Ich aber werde sterben für die Freiheit meines Vaterlandes. O, eS muß köst lich sein, mit dem eigenen Tod das Glück von Tausenden zu erkaufen!" „Wir sind Beide weit entfernt von diesem Ziele'" sagte Alfonso, mißmutig vor sich hin blickend. „Nein, nein, wir sind ihm ganz nahe." „Du sprichst mit einer Bestimmtheit, als habe Dir irgend eine Pythia die Gewißheit ge geben. Es gibt aber kein Orakel mehr." „Aber es gibt noch Träume, in welchen un» Gott und die heilige Jungfrau die Zu kunft andeuten." „Träume sind Wahnbilder und man muß ihnen nicht trauen. Sie können uns zuweilen sogar zum Bösen verleiten!" erwiderte Alfonso kopfschüttelnd. Wenn man mit böse»» Gedanken umgeht und es sich doch nicht gestehen mag," sagte Antonio. „Aber das macht die Not meims Vaterlandes, daß ich von frühester Jugend an, gleich meinem Vater, nur den einen Gedanken habe, wie ich für dasselbe leben und sterben möge." „Ja, ich weiß es!" sagte Alfonso, „Du bist bester, als ich Ich möchte einst bewundert, angebetet sein von den Korsen, wie mein Vater es ist. ES würde mir schrecklich sein, zu ster ben, »hne dies Ziel zu erreichen. Aber er zähle deinen Traum. Wenn ich auch nicht an die Erfüllung glaube, so höre ich doch gern dergleichen erzählen." „Mir träumte", begann Antonio, „wir wären als Kinder von 7 bis 8 Jahren in der Kathedrale auf dem Hügel St. Giovanni, wo das alte Ajaccio stand. Es war das Fest- der Madonna, und wir hatten ihr Kränze gewunden; ich von Orangenblüten und Rosen, wie sie in meines Vaters Gärten blühen, du von der lieblichen Erika und dem goldigen Lentiskus, wie eS in den Bergen wächst, wo deine Groß mutter wohnt. Wir reichten ihr diese Ge schenke unter Gebeten, daß sie uns eine Gnade erzeigen möge, wie es uns gelehrt ist. Auf einmal lagen zwei Kränze, von den Strahlen eines wunderbaren Lichtes umflossen, vor uns. Die heilige Jungfrau trat wie lebend aus dem Rahmen des Bildes dicht vor unS hin und breitete segnend die Hände über uns aus. Den einen Kranz von weißen Rosen setzte sie auf mein Haupt, den andern von grünen Lorbeeren auf daS deinige. „Ihr sollt beide euer Vaterland, nachdem ihr aus fremdem Lande heimgekehrt, aus großer Not erretten", sagte sie; „du, Antonio, mit dem weißen Ro senkranz, und du, Alfonso, mit dem grünen Lorbeer". Auf einmal war's, als ob wir aus Kindern plötzlich Jünglinge geworden wären, wie wir eS jetzt sind. Wir waren nicht mehr in der Kathedrale, sondern auf einem freien Platze in Ajaccio, am Golf, wo man weit ins Meer hinautzschaut. Eine unabsehbare Menschenmenge wogte hin und her. viv» ^ntovio! « viv» ^Ikouso!" tönte es im an haltenden Jubel und Kränze von weißen Rosen und Lorbeeren wurden uns zugeworfen. „Sankta Maria! wie bin ich glücklich!" riefst du aus und nahmst schnell den Lorbeerkranz und setztest ihn dir aufs Haupt. Ich hatte plötzlich, ohne zu wissen, wie es gekommen, den mit den weißen Rosen ergriffen. „Lebe wohl, Alfonso! Lebe wohl, Korsika!" rief ich aus. „Ich bin für euch gestorben und ihr seid nun frei vom Joche der Genuesen." — „8 vivr» Antonio!" riefen die Korsikaner, und „« vivs, ^lkooso!" und da wachte ich auf und sah, daß alles nur ein Traum war." „Und weiter ist's auch nichts", sagte Al fonso. „Laß nur umS Himmels willen Deine närrischen Todesgedanken. Du darfst nicht sterben; das würde ich nimmermehr ertragen. Wir wollen Waffenbrüder werden, wie unsre Väter, und leben mit einander und kämpfen für unser Vaterland. Gottlob, daß wir nun bald da sind!" Wie ein Pfeil flog das Schiff der para- diesischen Landschaft Ajaccio zu. Schon schim merte die wunderbare Pracht seiner Blüte»» und Früchte zwischen grünenden Rebenpflan zungen und üppigen Oliven, Orangen und Myrthen. Dicht an dem Meere, an einem großen, tief ins Land hineindringenden Golf, liegt Ajaccio. Gleich einer Schnur glänzend weißer Perlen reihen sich seine Häuser rings um die von den Wogen umspülte, südliche Spitze. Dieselbe erstreckt sich tief an dieser beite in den Golf und endigt in zwei aus dem Gewässer hervorragenden Jnselklippen Das Nord-Ende des Golfs überragen die Grenzgebirge des Gravonatals, und auf einem dieser Hügel bemerkt man noch jetzt die Trüm mer eines Kastells, welches zurzeit, wo unsere Geschichte spielt, in seiner ganzen Pracht zu schauen war. Auch die im byzantinischen Stil erbaute Kathedrale stand, halb Ruine, halb noch vollkommen, gut erhalten da. Statt der freundlichen Villen und Alleen von Ulmen aber, welche jetzt Ajaccio umgeben, sah man damals graue Mauern die schöne Stadt um ringen und hohe,, pittoreske Befestigungs mauern daraus heroorragen, welche den Stür men der Jahrhunderte bis auf die jetzige Zeit getrotzt haben. (Fortsetzung folgt.)
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