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gearbeitet ist und dem Bundesrat alsbald zu- gehen wird. Davausj wird die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern (10. Beratungs tag) mit der Einzelberatung fortgesetzt. Abg. Noske (Soz.): Die Hochseefischerei genügt trotz ihres Aufschwungs noch immer nicht der Anforderung, dem Bolle ein billiges Nahrungsmittel zu liefern. Die Arbeit der Hochseefischer ist zu lang und anstrengend; da- her die vielen Unfälle. Abg. Schwabach (natl.) beantragt eine den Sturmflutschäden entsprechende Erhöhung des Reichszuschusses an die Ostseefischer. Abg. v. Boe Hiendorfs (kons.): Die Fischerei gehört auch zur Landwirtschaft. Wir stimmen dem Anträge Schwabach zu. Abtz. Struve (Bpt.): Auch wir stimmen dem Anträge zu. Den Fischern mutz mehr Land zugestanden, die Fischereihäfen an der pommerschen Küste müssen vermehrt werden. Abg. v. Richt Hofen (natl.): Die Re gierung stellte nicht 650 000, wie der Reichs ag wollte, sondern nur 500 000 Mark für die Seefischer zur Verfügung. Diese Summe mutz unbedingt erhöht werden. Ministerialdirektor v. Ionquieres: Die Schäden der Fischer bedauern auch wir, können aber nur im beschränkten Matze Hellen. Bei Schäden an Besitz müssen die Landes regierungen eingreifen. Preußen gewährt den Fischern große Unterstützungen. Der Herings fang war vorzüglich. Den Fischern geht es im großen und ganzen gut. Der nationalliberale Antrag auf Erhöhung der Fonds für die Fischer wird angenommen. Direktor v. Jonguieres kündigte noch eine Novelle zum Reblausgesetz an. Mittwoch 1 Uhr: Handhabung des Ver einsgesetzes. Sächsischer Landtag Zweite Kammer. < 36. Sitzung vom 3. Februar. Die Zweite Kammer erledigte am Dienstag in Gegenwart der Staatsminister Graf Vitz thum von Eckstädt und Dv. Nagel vom Rechen schaftsbericht die Kapitel 38 bis 41 sowie 56a bis 61, den Geschäftsbereich der beiden vertre tenen Ministerien betreffend, und erteilte zu den vorgekommenen Etatüberschreitungen nachträg lich Genehmigung. Weiter wurde nach dem Vorgänge der Ersten Kammer die Richtigkeit der vom Landtagsausschusse zur Verwaltung der Staatsschulden abgelegten Rechnungen auf die Jahre 1910 und 1911 anerkannt. Die säch sische Staatsschuld ist in diesen beiden Jahren um 48 Millionen zurückgegangen. Nachdem noch das Etatkapftel v«, Techni sche Deputation, übereinstimmend mit der Vor lage gutgeheißen worden war, geht man über zur Weitevberatung der am 29. Januar be reits durchgesprochenen Interpellationen Caftan, Dr. Kaiser und Dr. Böhme über KoalitisuSrecht und Schutz der Arbeitswillige«. Gleichzeitig wird über den inzwischen ein gegangenen Antrag Castan verhandelt, „die Regierung zu ersuchen, im Bundesrate daraus hinzuwirken, daß 1. alle, das freie Koalitions recht einschränkenden und seine Ausübung er schwerenden gesetzlichen Bestimmungen in Reich und Bundesstaaten beseitigt werden; 2. die unbeschränkte Koalitionsfreiheit durch entspre chende gesetzliche Bestimmungen sichergestellt, insbesondere die Erschwerung oder gar das Verbot des Streikpostenstehens durch lokale Be hörden unmöglich gemacht; und 3. das Koa litionsrecht allen Arbeitern und Angestellten gewährleistet wird." Abg. Winkler (Soz.) erhält zunächst das Wort zur Begründung dieses Antrages. Er polemisiert gegen die Nationalliberalcn, deren Redner Dr. Kaiser in seinen Ausführungen über Schutz des Koalitionsrechts und Strcik- postenstehen einen Eiertanz aufgefiihrt habe. Das von ihm vorgetragene Material beweise nur die Notwendigkeit des sozialdemokratischen Antrags. Ebensosehr daneben, nur etwas un geschickter, habe Abg. Dr. Böhme gehauen, und das von den Ministern vorgebrachtc Ma terial sei auch sehr wackelig gewesen. Die Minister möchten doch in ihrer Argumentation etwas vorsichtiger sein. Im Reichstage sei von sozialdemokratischer Seite deshalb raschere Justiz gefordert worden, weil vielfach Leute lange in Untersuchungshaft gehalten worden seien, die nachher nur eine geringe Freiheits strafe oder gar nur Geldstrafe erhalten hätten. Terrorismus werde auch auf feiten der Arbeit geber in ausgedehntem Maße geübt. Wo bleibe da der Staatsanwalt? Auch von Behörden sei durch Ausweisung von streikenden Ausländern vielfach Terrorismus geübt. Die Urteile we gen Streikvorgehen seien schon so außerordent lich hoch, daß es unbillig erscheine, noch schär fere Bestrafung zu fordern. Mit der Streik polizei soll wohl das Regiment des Gummi knüppels oder der Browningpistole in Sachsen eingeführt werden. Die Arbeitswilligen könn ten heute auf die Straße gehen und losknal- lcn, als ob sie zu einer Treibjagd losgelassen wären. Massenverurteilungen von Frauen und Jugendlichen würden in einem Staate, der kein Klassenstaat sei, nicht zu verzeichnen sein. Aber wir näherten uns in Sachsen immer mehr dem Klassenstaate. Ebensowenig wie das Sozialistengesetz die Sozialdemokratie habe nie- derknüppeln können, ebensowenig werde dies durch ein Gesetz zum Schutze der Arbeitswilli gen geschehen. Abg. Dr. Schanz (kons.) beantragte, die Anträge Dr. Böhme rmd Castan der Gesetz gebungsdeputation zu überweisen. In dem Verbot des Streikpostenstehens sähen seine Freunde kein Allheilmittel, wohl aber ein Prak tisch durchführbares Mittel zum Schutze der Arbeitswilligen. Wer einmal gesehen habe, wie die Straßen von den Streikposten belagert wurden und die Leute belästigt worden seien, ohne daß man polizeilich dagegen einschreiten könnte, der werde gewiß nicht mehr für das Streikpostenstehen begeistert sein. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Es sei unmöglich, mit den jetzigen Gesetzen einen ausreichenden Schutz zu gewähren. Zuruf bei den Sozialdemokraten: „Sie ma chen es möglich!" Abg. Dr. Schanz: „Sehr liebenswürdig, daß Sie mir dieses Zeugnis ausstellen; aber ich kann es auch nicht!" (Heiterkeit.) Die An regung Dr. Kaisers auf Zusammenstellung der Entscheidungen und Mitteilungen an die Po lizei ljalte er nicht für glücklich; denn es werde bei uns überhaupt zuviel mit Entscheidungen gearbeitet. Es komme weniger auf die Ent scheidungen an, sondern darauf, daß ein Gesetz selbst vollkommen klar und zweifelsfrei sei. Dem neuesten Anirage Castan könnten seine Freunde nicht zustimmen. Das Streikposten stehen bilde übrigens eine Gefahr für die Ar beiter selbst. Wer sehr lange Wochen Streik posten gestanden habe, der verliere das Selbst gefühl und di« Lust zum Arbeiten (Geläch ter bei den Soz. — Zuruf: „Sie sollen so bleiben, ob sie wollen oder nicht!") Was der Abgeordnete Brodaus am Donnerstag gesagt habe, das stimme genau überein mit der An sicht der äußersten Linken, wie auch der leb hafte Beifall auf der Linken am Schlüsse der Rede gezeigt habe. (Abg. Günther: Sie haben ja auch Beifall auf der Linken! Heiterkeit.) Gewiß kämen auch auf konservativer Seite ein mal Verirrungen vor; das werde aber ganz entschieden von der Gesamtheit verurteilt. (Ge lächter bei den Soz.) Diese Moralpredigten, wie sie der Abgeordnete Winkler der Rechten gehalten habe, nützen absolut nichts. (Zuruf links: „Sie sind unverbesserlich!" Heiterkeit. Der Präsident bittet, diese Zurufe zu unterlas sen.) Einzelheiten würden in der Deputation zu besprechen sein. (Lebhafter Beifall rechts, Unruh« auf den Tribünen.) Präsident Dr. Vogel: Ich muß bitten, daß auf den Tribünen absolute Ruhe gehalten wird, sonst mutz ich die Tribünen unbedingt räumen lassen. Abg. Dr. Zöphel (natl.): Der Abgeord nete Heldt suchte einen Zwiespalt im Unter nehmertum zu konstruieren, und die sächsische Industrie in einen Gegensatz zum Zentralver- band Deutscher Industrieller hineinzuhetzen. Ter Zentralverband ist aber eine Organisation, die unzweifelhaft von der Industrie hochge schätzt worden muß. Und wenn die sächsischen Industriellen sich genötigt gesehen haben, auf anderen Bahnen zu wandeln, so ist das kein Beweis gegen seine Verdienste. Was den Zeu- tralvevband in falsches Licht gebracht hat, ist die Annahme eines Bündnisses zwischen ihm und dem Bund der Landwirte, damit die Le bensmittelsteigerung nicht in Lohnerhöhungen umgesetzt werden könne. Der Zeniralverband hat sich allerdings erst sehr spät modernen An schauungen genähert, während der Feldzug, den der Bund der Industriellen eingeleitet Hal, zu einem glänzenden Sieg «des Bundes führte. Bei den Konservativen herrscht absolute Klar heit über die Stellung des Strcikpostenstehens. Der Abg. Dr. Schanz forderte das Verbot als Allleilmittel unter vielen anderen, und Abg. Dr. Böhme tritt für unbedingte Parität ein. Abg. Opitz hat den Arbeitern ein ordnungs- gemätz ausgeübtes Streikpoftenrecht aber zuer kannt. Es gibt aber keine Gesetze, die zweifel los sind. Das Streikpostcnstehen wird auch vom Bund der Landwirte nicht verschmitzt. Dies bat man bei Versammlungen des Bau ernbundes erlebt. Im 14. Wahlkreise ist schon jetzt vor der eigentlichen Wahl zu beobachten, daß den Nationalliberalen Säle verweigert werden unter der Begründung, die Wirte wür den dann von den Konservativen matt gesetzt. Es mutz verhütet werden, daß die maßlosen Schädigungen des Boykotts künftig noch wei ter wirken. Wir dürfen den Arbeitern das Slrcikrecht nicht rauben. Wir iönnen daher auch das Streikpostenftehcn nicht von Gesekes wegen verbieten. Aber es mutz sich alles in ordnungsmäßigen Bahnen vollziehen. Ter künf tige soziale Friede wird durch die Selbsthilfe zu erreichen sein und in dem Maße steigen, als sich die Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichartig gegenäberstetzen. Abg. Biener (Ref.): Der Handwerker stand ist davon überzerigt, daß es der Arbei terschaft ermöglicht werden muß, für ihre For derungen zu wirken. Demgegenüber steht dem Arb eitgeber das Recht auf Aussperrung zu, wie ja auch die Zigarrenfabrik der Großeinkauss- gesellfchaft deutscher Konsumvereine in Franken berg zu diesem Mittel gegriffen hat. Dagegen müßte das Streikpostenstehen verboten werden, wenn die wirtschaftliche Existenz und staats bürgerliche Freiheit der Gewerbetreibenden be droht werden. Abg. Krauße (Soz.) polemisiert scharf gegen den Vorredner. Wenn die Behörden nicht so oft einseitig für die Unternehmer Par tei genommen hätten, so würde es gar nicht nötig sein, Streikposten auszustellen. Bei Streiks werde eine bessere Polizei gefordert, aber jeder Gendarm wisse, daß er bei Streiks nur für die Unternehmer einzutreten habe. Er selbst labe noch keinen Gendarm gesehen, der euren Streikenden unterstützt hätte. Zuchtlaus- gcsetze hätten noch nie ein gutes Ende genom men- Unter solchen Umständen sei die Arbei terschaft nicht gewillt, sich eines ihrer wichtig sten Rechte im Interesse des Scharfmachertums rauben zu lassen. Auch auf feiten der Unter nehmer werde bei weitem nicht immer so ge- l-andelt, wie es hier von mehreren Rednern dargestellt werde. Redner führt eine Reihe von Einzelfällen als Beleg dafür an und be schwert sich in längeren Ausführungen über Klassenjustiz. Abg. Schmidt-Freiberg (kons.) betont, man habe es hier mit einem Ausnahmezustand zu tun, den man bekämpfen müsse, und wenn die bestehenden Gesetz« nicht ausreichen, jo seien sie zu ergänzen. In dieser Bedeutung sei der Ruf nach einem Ausnahmegesetz zu verstehen. Man dürfe aber nicht zusehen, wie die Arbeiter durch den Koaliüonszwang der Sozialdemokratie in deren Arme getrie en werden. Das Arbeitswilligenschutzgesetz soll eine Bürgschaft für die Koalitionsfreiheit sein-. Die heutigen Gesetze reichen nicht aus, weil unsere Richter sie eben zu objektiv handhaben. (Widerspruch links.) Die Interpellation Dr. Kaisers war eigentlich gang unnötig, da sie so zurückhaltend begründet wurde. Die Sozial demokratie habe es dahin gebracht, daß der Arbeiter im Arbeitgeber den schwarzen Mann erblicke, der ihn tyrannisieren wolle. Den Ar beitern müsse die Ueberzeugung beigebracht werden, daß in einem gedeihlichen Verhältnis zum Arbeitgeber für sie das bessere Teil liege. Dies sei aber nur zu erreichen, wenn sich alle Nationalgesinnten zusammentun zu einer wirk- amen Bekämpfung der Sozialdemokratie. Abg. Dr. Kaiser (natl.) greift auf eine große Reihe von Einzelheiten in der Debatte zurück und auf die an seinem Anirag ge ilte Kriti . Er wiederholt, daß die gesetzliche Re gelung des Boykotts sobald als möglich statt zufinden habe. Neue gesetzliche Maßregeln über die bestehenden hinaus seien notwendig, um die schweren Schäden der Streits zu eli- minicreu. Streikposten sollten zugeftanden wer den, aber ihre Ausschreitungen müsse man ver hindern können. Im übrigen betone er, aus drücklich gegenüber den in der Debatte zutage getretenen Zweifeln, daß er seine Interpella tion in vollstem Einverständnis mit seiner Fraktion begründet habe, die in allen von ihm vertretenen Fragen hinter ihm stehe. Abg. Müller (Soz.) kommt abends ^8 Uhr zn Wort, um eine Statistik über die Lohn- lassen der Arbeiter vorzutragen und sich gegen die letzten Redner zu wenden, denen er vor wirst, sie wollten nicht Arbeiterschutz, sondern Arbeitertrutz. Der Minister sei nicht hinreichend informiert und wirke zugunsten der Arbeitgeber. Präsident Dr. Vogel ruft ihn wegen die ses Vorwurfes zur Ordnung. Abg M üllcr (Soz.) fortwährend: Wenn die Regierung den Bestrebungen der organisier ten Ar eiter kein besseres Verständnis entgegen bringen könne, so möge sie es lassen. Tie or ganisierten Arbeiter würden sich auch ohne sie zu behelfen wissen. Redner beschäftigt sich in langen Ausführungen mit dem Terrorismus der Arbeitgeber und mit dem von ihnen ge übten Boykott. Er schweift a er soweit ab, dal: er vom Vizepräsidenten Bär ermahnt wird, mehr zur Sache zu sprechen. Neue Ausfüh rungen bringt er zum Schluß nicht vor. Abg. Opitz (kons.): Der Vorredner habe, Ivie man es häufig bei der Sozialdemokratie beobachten könne, den sachlichen Boden verlas ftn und sich zuletzt lediglich in polemischen Ausdrücken bewegt. (Zuruf von den Soz.: Wenden Sie sich damit nur an Ihre Leute!) Zu der sozialen Bewegung unserer Zeit habe die konservative Par.ei voll beigctragen und sic werde sich auch durch keine blnscindunaen in Zukunft zuräckhallen lassen, an ihrer Stcl lungnahmc festzuhatten. Die heutige Verhand lung sei nur eine Episode in dem viel größe ren Kampf der Sozialdemokratie gegen den Staat und der Arbeiter gegen die Unterne h mer. Das Zieh sei, den Arbeitgeber in sei nem Betrieb rechtlos zu machen. Abg. Brodaus (Vpt.) verwahrt sich ge gen die Behauptung der Rechten, daß er die An prüft e der Sozialdemokraten als gerechtfer tigt bezeichnet habe. Wenn er den Antrag der konservativen als zu agitatorischen Zwecken eingcbracht bezeichnet habe, so sei das deshalo geschehen, weil gerade von konservativer Seite sc'r oft seiner Partei die Einbringung von Anträgen verübelt worden sei. Wenn Abgeord neter Opitz von der kleinen Zabl Fortschrittler gesprochen labe, so möchte er selbst darauf Hinweisen, daß früher die Fraktion noch lei- ner gewesen sei Die Fraktion sei also gewach sen und würde auch wohl weiter wachsen. Sic würde heute auch schon stärker sein, wenn nicht unsere WaA reiseinteilung total veraltet wäre Wenn der Fortschritt Mandate verloren ha. e, so wüßte Herr Abg. Opitz doch wohl ganz gut, wem das zu danken wäre, speziell im Dog'laude. Die Anträge geben hierauf an die Gesetz- gcbungsdeputation. Oertliche» «nd Sächsisches. * — Witter ungsausficht ftir Donnerstag, den 5. Februar: Wenig Aenderung des gegenwärtig herrschenden Wetters. * — E i s e n b a h n r a t. Der der Kö niglichen Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahnen beigeordnete Eisenbahnrat hielt gestern in Dresden unter dem Vorsitze des Präsidenten der Generaldirektion, Herrn Dr. Dr.-Jng. Ulbricht, seine 69. Sitzung ab. Er nahm Mitteilungen über Angelegenheiten, die ihn in früheren Sitzungen beschäftigt hatten — Tarifierung von Rohweiuftein und halb gereinigtem Weinstein, von Fultergemischen, von Mühl- und Schleifsteinen und von schweren Mineralölen zum Betriebe von VerbrennungS Motoren —, sowie über einen von der säch sischen Verwaltung bei der ständigen Tarifi kommission der deutschen Eisenbahnverwal tungen gestellten Antrag auf Gewährung des Spezialtarifs ll für Papiertapeten im Falle der Ausfuhr entgegen und sprach sm- einstim mig gegen die Ausnahme von leichtverderben dem Käse und Quark in den Spezialtarif für bestimmte Eilgüter und gegen die Versetzung von Kunswaumwolle in den Speziafiarif Ul aus. Den Schluß der Sitzung bildete eine Be- 'prechung des Sommersahrplanes 1914. * — Ansteckende T i e r k r a n k h e h t e n. Nach dem amtlichen Bericht des Kgl Landesgesundleitsamtes über den Stand von Viehseuchen am 31. Januar 1914 im König reich Sachsen trat im Bezirk der Amtshaupt mannschaft Glauchau ein Fall von Schweine seuche ein, und zwar in Gersdorf. * — Die Maul- und Klauen seuche ist am 31. Januar 1914 ini König reich Sachsen in 8 Gemeinden und 10 Gehöf ten amtlich festgestellt worden. Ter Stand am 15. Januar 1914 war 13 Gemeinden und' 17 Gehöfte. * -Hohenstein-Ernstthal, 4 Febr E n« ansseh«nerregende Verhaftung, »die von einge weilten Kreisen schon längst vorausgesagt war, erfolgte geistern in Chemnitz. Im Hotel „Burg We tin", einem seiner zahlreichen Absteigequar tiere, wurde gestern nachmittag durch zwei Kriminalbeamte der „Bankdirektor" a. D. Friedrich Christian Lorenz, Besitzer des Mine ralbades Hohenstein und früher auch des „Weisen Schlosses" in Blasewitz bei Dresden, verhaftet und in das Kgl. Amtsgericht einge-- liefert. Die Verhaftung erfolgte wegen Urkun denfälschung, Betrug, Verleitung zum Mein eid, Kon.ürsvergelen und sonstiger Schwinde leien, die einen riesigen Umfang annahmen. Wie es heißt, sollen die Verbindlichkeiten des Verhafteten allein in einer Kreis hauptmann- chaft Sachsens über 2^ Millionen Mark be tragen. — Gestern früh tra'en hier mit der Eisenbahn zwei Beamte der Kgt. Staatsan waltschaft Chemnitz ein, die sich in Tsgleiämg von vier in Zivil befindlichen Beamten der Gendarmerie zum Mineralbad begaben und ein« en sprechende Haussuchung Vornahmen, die zunächst mit der Sperrung des Telephons be gann und die Bewohner zu einstweiligem „Hausarrest" verurteilte. Dem Vernehmen nach soll mancherlei belastendes Material dabei vor- gefunden' worden sein-, was schon daraus hcr- vorgeht, daß große Aktenbündel mitgenommen und einige Zimmer versiegelt wurden. Kurze ;fti darauf ergingen vier weitere Steckvriefe, über die wir im Interesse der crn ersuchuug aiüt berichten. Auch im „Weißen Schloß" in Blascwitz fand eine Haussuchung statt, die u. a. zur Verhaftung des für Lorenz seit 15 Jah ren tätigen Buchhalters Lau aus Lichtenstein führte, der im Verdacht der Mittäterschaft steht. Nichtbestätigt ist bisher die aus gleicher Ursache angeblich bereits erfolgte Verhaftung des früheren Pächters W. und der Hausdame Minna H. Dagegen ist «in weiterer Buchbal- !cr des L. namens Koppe aus Bitterfeld wc gen Beihilfe rc. bereits verhafte; worden. Die Angelegenheit, die wohl ziemlichen Staub anf- wirbcln dürfte, wird noch weitere Kreise zic- ' en, so soll auch schon die Konzessiousentzic hnng gegen die jetzige Winschaftcrin des Mi neral ades, das mit seinen um'angreichen L fti- dcrcicn einen Wert von einigen hunderttausend Mark repräsentiert, in die Wege geleitet wor den sein. — Bei Lorenz bewahrheitet sich wie der einmal das Sprichwort „Der Krug geht solange zu Wasser, ois er bricht: Schoa sei! Fai reu kannte man die teilweisen Machenschaf ten des L., die stets mit geringen Ausnahmen ehr nah« mit dem Strafgesetzbuch kollidierten, doch immer sand sich für den geriebenen Fuchs noch ein Ausweg, das drohende Unheil abzu- wcnden. Nun endftch ist er doch der Nemefts verfallen, die ihn wohl so leicht nicht wieder Neiget en wird. Dafür hat sich diesmal zuviel Strafbares angehäuft. L-, eine durch und dura; skrupellose Persönlichkeit, hat eine ganze Anzahl leichtgläubiger Existenzen auf dem Ge wissen. Erft kürzlich beschwindelte er eine Frau B., der er, wie stets, große Verspre chungen gemacht hatte, um bare 17 000 Mark, einen Hausbesitzer in der Flölaer Gegend um 12 000 Mark usw. Die angeblichen Ver'aufs- verhandlungen mit der Leipziger Orts rawen- kassc wegen Uebernabme d«s Mineralbades stell ten sich auch als bewußte Irreführung heraus, denn diese Verhandlungen waren ziemlich ein 'eilige, die noch dazu um 4 Jahre zurücklie- gcn. Zahlreich sind auch die Klagen, di« in den letzten Jahren aus Handwerker reisen ge- gen Lorenz laut wurden, denn in punkto Zah len entdeckte er seine schwache Seite. Die mehr- -ach vorgenommenen persönlichen P andungen des Verhafteten entbehrten oft des Komischen nicht; oftmals geriet L. dem Gerichtsvollzieher erst im Augenblick seiner Abreise in die Hände, denn direft anzmreffen war er nur selten, ebenso fast nie ohne Reisebegleitung. — Neber das Schicksal des Mineralbades verlautet nichts bestimmtes. Wie wir bereits kürzlich mitteilen konnten, ist wiederum Antrag auf Zwangsver steigerung gestellt worden, dem sich nun der Konkurs hinzugesellen dürfte. Die Haupllypo- thckengläubigerin ist die Sparkasse in Marien berg, während sich der Waldenburger Fürst das Voftäu srecht der Besitzung gesichert hat, für die auch sonst in hiesiger Stadt noch be solideres Interesse vorhanden ist. * — Vortrag im Bund der Fe st- besoldeten. Im Gewerbehaussaal hatten sich gestern abend Mitglieder und Gäste der Ortsgruppe des Bundes der Festbesoldeten zahl reich eingefunden, um den: Vortrage des Herrn Lehrer Egerland „Die Revancye-Jdee in der französischen VW'Sschulc" zu lauschen. Vor- ! erst begrüßte der stellvertretende Vorsitzende