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YMM M HohrMi EküUaln Mirign C«-ebls?f. Nr. 14. Sonntag, den 18 Januar 1S14 41. Jahrgang Der Feigling. Novollette von Kurt v. W a l f e I d. (Nachdruck verboten.) Der Chemiker Dr. Lohr war von Hause aus ein wohlhabender Mann, der leine feste Stellung angenommen hatte, sondern aus eigerre Rechnung experimentierte. Sein Elr- geiz bestand in dem Wunsche, irgend eine Aussehen erregende Entdeckung zu machen. In den letzten Jahren hatte er kostspielige Ver- sucke gemacht, das Radium billig herzustellen. Dal ei hatte er viel Geld eingebüßt und nichts erreicht. Jetzt wollte er einen Sprengstoff er finden, der an Wirkung' das Dynamit und die furchtbare Sprenggelatine noch übertraf. Nm ede Ge*alr für die Nachbarschaft auszu- schliefen, harte er sich ein kleines Laborato rium vor den Toren der kleinen Residenz bauen lassen. Hier konnte er ungestört Spreng- versuche anstellen, wozu er kleinere und grö ßere Bomben benutzte. Dr. Lohr war schon seit Jahren Witwer und besaß nur ein Kind, eine Tochter Ida, die jetzt zwanzig Jahre cht war. Sie interessierte sich f r das Studium ihres Balers, half ihn oft dabei so gut wie irgend ein studierter Assistent. Doch in den letzten Monaten war sie weniger eifria bei der Arbeit, ihr Herz hatte gesprochen, sie hatte sich in einen jungen Bankbeamten verliebt und sich heimlich mit ihm verlobt. Fritz Gröm bach war ein hübscher, schlanker Mann von 25 Jahren, ohne Vermögen, aber von guter Begabung. Er bezog schon für sein A^ter ein Gehalt, das ihm bei bescheidenen Ansprüchen das Heiraten erlaubte. Da Ida eine offene und ehrliche Natur war, gestand sie ihrem Vater ihre Neigung, der dieselbe auch billigte, nachdem er die nötigen Erkundigungen einige zogen hatte. Von einer baldigen Heirat aber wollte er nickts wissen, sondern setzte eine Warte- und Probezeit von einem Jahre fest. In dieser Zeit aber traf das Schicksal den Chemiker sehr schwer. In dem Bestreben, seine früheren großen Verluste wieder einzu- bolen, erperimentierte er nicht nur in seinem Fache, sondern auch an der Börse auf eine ! tolMlne Weise. So stand er nach einen. 4 halben Jahre vor dem Ruin. In dieser schlimmen Bedrängnis wandte er sich an einen befreundeten, vierzigjährigen Bankier, der ihm auch bereitwilligst Geld aus Wechselakzep e gab. Je näher aber der endlich'festgesetzte Hochzeits tag seiner Tochter kam. desto bedrängter wurde die Lage des Chemikers. Da er sogar das Geld zur Aussteuer seiner geliebten Ida verbraucht hatte, faßten ihn Kleinmut und Verzweiflung. Sein Geist unb Gemüt ver düsterten sich so sehr, daß er sich mit Selbst mordgedanken trug. Ida war klug und liebe voll genug, um die Veränderung in dem We sen ilres Vaters zu bemerken. Arglos und unerfahren in Geldsachen, ahnte sie nicht die schlimme finanzielle Lage ihres Va ers. Sie sah al er das gedrückte Wesen und die oft nervös Erregtheit und fragte nach dem Grunde. Dr. Lobr aber wich ihren Fragen aus und suckle durch spontane Lustigkeit die besorgte Tochter zu tauschen. Das war a'er nicht leicht, denn ihr kluger Sinn ahnte schlimmes, und sie überwachte heimlich das Tun und Treiöen ihres Vaters. Eines Tages hörte sie ihn in seinem Schlafzimmer stöhnen und schluchzen. Und als er kurze Zeit darauf sein Haus verließ, um mit hastigen Schritten nach dem Laboratorium zu eilen, da folgte sie ihm unbemerkt. Durch eines der kleinen Fenster beobachtete sie von außen den Vater. Sie saß, wie er sich in einen der beiden vorhandenen Rohr'es- sel warf und den Kopf au* den Arbeitstisch fallen ließ. Nach geraumer Zeit erhob er sich schwerfällig, öffnete einen gut verschlossenen eisernen Kasten und entnahm ihm eine Bombe von mittlerer Größe, die bereits eine Zünd schnur besaß. Lange Zeit starrte er wie gei stesabwesend auf die mit furchtbarem Spreng stoff gefüllte Kugel, dann wankte er zum Tische und legte auf denselben das enisetzlicke Mord werkzeug nieder. Dann zündete er mit dem Ausdruck finsterer EnZchlossenheit im Gesicht die Zündschnur an, dessen Ende beinahe den Boden berührte. Dann aber sank er halb ohn mächtig auf den Boden. In diesem Augenblick stürmte Ida ins Zimmer, löschte mit schnellem Griff die Zünd- shnur aus und bekümmerte sich dann eifrig um den betäubten Vater. Als dieser endlich wieder bei Besinnung war, fragte sie ihn zwischen Mitleid und Ent setzen: „Vater, Vater, was wolltest Du tun? Warum wolltest Du Deine Tochter verlassen? So sprich doch! Warum wolltest Du aus dem Leben scheiden?! Und auf solch furchtbare Weise!" „Weil so jeder es für ein Unglück gehal ten hätte — für eine nicht gewollte Explo sion, wie sie bei meinen Experimenten sich täglich ereignen kann! So wäre diese Schande wenigstens unserem Namen erspart ge.Iie en!" „Warum denn, um Gottes willen, wolltest Du etwas so Furchtbares tun? Hast Du denn garnicht an mich gedacht?" „Gerade weil ich an Dich nur dachte, packte mich die Verzweiflung. Durch meinen Tod hättest Du die kleine Summe Mr meine Lebensversicherung erhalten — denn sonst ha e ich Dir nichts mehr zu hinterlassen." Nun beichtet der Vater seiner Tochter al les. Diese aber war praktischer veranlagt als jener, sie tröstete ihn und bewog ihn, mit U r nun Bankier Wil ens zu geben und mit die sem wegen der fälligen Wechselschuld zu reden. Und dieser ließ mit sich reden, er bewil- ligte sofort eine längere Stundung und schloß seine freundliche Erklärung mit den Worten: „Ich will sogar noch mehr tun, ich schen'e Ihnen die Wechselschuld von 20 000 Mar , ich werde Ihnen auch sonst noch geschäftlich helfen, wenn Sie mir Ihre Tochter zur Frau geben!" Verblüfst und doch wie von einem Hoff nungsstrahl durchzuckt stotterte der Chemiker: „Aber sie ist ja schon verlort!" Ruhig lächelnd entgegnete der Ban'ier: „Das wußte ich freilich nicht! Aber wenn der Bräutigam nicht meine Mittel hat, so kann er doch nicht an eine Heirat denken! Oder ist er reich?" „Nein, nein, er hat nichts als sein mäßi ges Gehalt!" erwiderte Dr. Lohr. „Nun, ich will weder Sie noch Ihr Fräu lein Tochter drängen. Ueberlegen Sie sich die Sache und bringen Sie mir in vierzehn Tagen Bescheid." Die bewilligte Frist war noch nicht einmal verstrichen, als der Chemiker bereits dem Ban kier die Einwilligung seiner Tochter brachte. Ida batte eingesehen, daß unter den obwal- .enden Umständen eine Heirat mit Grömbach unmöglich war, daß sie sich, um ihren Vater zu retten, op ern mußte- Auch Grom ach fügte sich den Verhältnissen, wenn auch wider strebend. Am Veriobungstage übergab der Bankier dem Chemi er die zerrissenen Akzepte. Auch tat er mit Erfolg Schritte, um einige Erfin dungen des Chemikers gewinnbringend an den ritticen Mann zu bringen. Ida empfand durch dieses großmütige Verhalten f r den Bankier eine große Achtung und Dankbar eit, a -er i re Lie e gehörte immer noch Fritz Grömbach- Dieser konnte die Liebe zu Ida auch nicht aus seinem Herzen bannen. Nach wochenlanger Zurückgezogenheit näberle er sich wieder der Geliebten und sprach von seiner ewigen Liebe. Mit Geduld und Betrübnis Hörle Ida ihn an, aber ohne i^n im gering sten zu ermutigen, denn i r Pflichtgefühl war noch stärker als ihre Liebe. Drei Tage vor der Hochzeit stürmte Gröm bach höckst erregt in Idas Zimmer und rief ihr in höchster Leidenschaft zu: „Ich kann nicht leben o'ne Dich! Wenn Du diesen Bankier heiratest, bringe ich mich um. Sieh' diesen Revolver, den hacke ich mir soeben gekauft! Fn derselben Stunde, wo der Priester Deine Hand in die Wilkens legt, durchbohrt eine Kugel mein Gehirn." Grömbachs Wesen, sein Ton und seine Blicke sagten dem liebenden Mädchen, daß er wahr rede. So zwischen Liebe und Pflicht gestellt, verlor die sonst so vernünftig den ende Ida ganz die Selbstbeherrschung. Voll Ver- zweistung rief sie: „Ich finde keinen Ausweg! Ich wollte, ich wäre tot!" Und von einem plötzlichen Parorismus befallen, fuhr sie fort: „Laß uns zusammen sterben!" Erst starrte Grömbach entsetzt auf die Ge liebte, die sich krampfhaft an seine Brust g« morsen batte, daun aber fand er den Gedan ken an einen gemeinsamen Tod garnicht so grausam, und schließlich berauschten sie sich beide au dem Gedanken. Sie überlegten so gar bald, wie es am besten geschehen könnte. « « Allerlei Kurzweil. « » , Dentsprüche. Hüte, hüte den Fuß und die Hände, Eh' sie berühren das ärmste Ding! Denn du zertrittst eine häßliche Raupe Und tötest den schönsten Schmetterling. * Hl Wie bettelarm ein Herz doch bliebe, Das nur des andern Freude teilt. Das ist das schönste Recht der Liebe, Daß sie des Leides Wunden heilt. Rätselecke. Rätsel. 1. Gesprochen wird's und auch geschrieben. Oft gilt's nur, wo's verbunden steht. Wird ihm ein Füßchen noch gegeben, Als Schmuck dann dient cs und Gerät. Auch wandert es von Hand zu Hand Und so ist's jedem wohlbekannt. 2. Ein kurzes Wort, ein kräftiges Wort Bringt tausende in Gang, Im Nu, sofern Soldaten es Hell in den Ohren klang. Und wenn die Spielleut obendrein Es spielen Schritt vor Schritt, Dann schultern die Knaben ihren Stock, Und ziehen zur Seite mit. LauschrStsel. Mit a es aus der Rinde quillt, Den Hunger auch nach Luft es stillt Mit seinen Bergen, seinem Wald. — Mit e nun: laut drin widerhallt, Was nur die Welt an Leid und Freud, An Bösem wie an Edlem beut. — Ohn Haupt beherrscht es, tot und kalt, Das Leben doch mit Allgewalt. L-g-griph. Ich bin ein lebendes Instrument, Nach meinem Leibgericht man mich nennt. Mit S befördere ich den Transport Und fördere selber mich mit fort. Mit K verschaff ich manchem Pläsier, Doch auch eine Wissenschaft spricht von mir. Mit R bring ich Ordnung in jedes Geschäft, Mit H diktiert ich manch geistvolles Heft. vil-er-RStsel. Vexierbild. Hier lauter männliche Genies, Ich finde solchen Anblick nneß! Doch eine Staffelei ist leer, Wenn die doch von 'nem Malweib wär! (Auslösungen in nächster Nummer.) EluftSsunge« aus Nummer 2. Der Rätsel: 1. Gesellschaft. 2. Leier — Leer. Der Buchstaben-Rätsel: 1. Ebbe — Elbe. 2. Kahlkopf — Kehlkopf — Kohlkopf. Des Logogriphs: Saft — Saat — Satt. Des Bilder-Rätselö: Bewirtung mit echten Bier en. Des Vexierbildes: Link« am Stamm des dick ¬ sten Baumes. Kopf am Kahn. Lill-tr-Zcitung. Ws M d«si «Achmsü» KeÄS Nr. 3. I ölldakvon, Druck und Berlap. von Horn L Lebmann, Hohenftein-Ernftibal. I 19l4. Winter. Verschneit liegt rings die ganze Welt, Ich hab nichts, was mich freuet, Verlassen steht der Baum im Feld, Hat längst sein Laub zerstreuet. Der Wind nur geht bei stiller Nacht Und rüttelt an dem Baume, Da rührt er seinen Wipfel sacht Und redet wie im Traume. Er träumt von künftiger Frühlingszeit, Von Grün und Quellenrauschen, Wo er im neuen Blütelikleid Zu Gottes Lieb wird rauschen. Graubart, der Grimme. Von H e l Bitterkalt war's, viele Grad unter Null fiel das Thermometer, eisig pfiff der Ostwind; und wenn ihr zur Rodelbahn oder zum Eis lauf gingt, dann mußtet ihr recht oft tüchtig in die Hände hauchen und euch wacker tum meln, sonst wäre die Kälte euch gar zu em: findlich geworden. Aber gegen Wmd und Kälte kann man sich doch schützen, und Grau bart, der Wolf, begegnet euch nicht. Seme Familie wohnt in den dichten, weilen Wäl dern Rußlands und Polens, wo die Familien mitglieder einen gran-braunen Rock tragen; schwarz ist häufig das Kleid ihrer Vettern in den Pyrenäen und Karpathen, und verschie denfarbig, weiß, grau oder gefleckt in den großen Wäldern Nordamerikas. Ganz selten, wenn der Boden zolltief steinhart gefroren ist, wenn der Nordost mit rauher Faust die Bäume schüttelt, daß sie ächzend und stöhnend sich tief ducken, und der Schnee im Wirbelsturm zu meterhohen Schanzen zusammengewirbelt wird, dann verirrt sich wohl noch einmal ein Wolf in ein ostpreußisches oder schlesisches Grenzdorf, aber der Knüppel eines Bauern, die Kugel eines Jägers macht ihm bald den Garaus. Ganz anders zu Hause fühlt sich Graubart in den meilenweiten dichten Wäl dern, wie sie sich in Rußland und Polen noch vorfinden. Von wütendem Hunger getrieben, trottet der Grimme dann durch den Wald bi« zum Rande, wo ein einsamer Hof oder ein ene Koch. (Nachdruck verboten.) Dörfchen sichtbar wird. Rechts und links aus dem Walde heran schleichen seine Genossen; blutunterlaufen sind die Augen, der Schwanz hängt schlaff herunter, die Nase wittert in der Luft. Der Schneesturm stiebt. Vom Hofe herüber tönt das heisere Bellen der Wach hunde, und die Augen der Rotte fangen an zu funkeln. In langem Laufirott eilen sie vorwärts, dem Hof oder Dörfchen zu, dessen Lichter durch die Dunkelheit flimmern. Jeder am Wege liegende steifgefrorenc Kadaver, selbst Smcke Unrats werden hinunter geschlungen. Wehe der Herde in schlecht versichertem Schaf stalle, wehe dem die Gehöfte umkreisenden oder gar angeketteten armen Hunde! Zu dreien und vieren stürzen sich die ausgehun gerten Wölfe auf ein Tier, sie springen ihm an die Gurgel, beißen sie durch, reißen den warmen Körper in große, blutige Fetzen, unter den blanken festen Rauotierzähnen krachen die Knochen, und wenige Minuten nach dem Ueber- fall sind von Hund oder Schaf nur hier und da verstreute Haare und eine kleine Blutlache noch übrig. Aver auch die Bauern sind nicht müßig. Werden die Spuren von Wölfen im Schnee gefunden, haben sie wohl gar schon aus dem Viehbestände des Dorfes ihre Opfer geholt, dann tun sich die Bauern zusammen gegen den verhaßten Feind. Jeder bringt lange Stricke, an denen in Abständen grellbunte