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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 06.06.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190706061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19070606
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19070606
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-06
- Tag 1907-06-06
-
Monat
1907-06
-
Jahr
1907
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 06.06.1907
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schoß sich am Hellen lichten Tag mitten auf dem Neustadtplatze eine Kugel in den Leib. d. Zittau, 5. Juni. Der Gefangenen-Ausseher Kuttner wurde von der Strafkammer wegen sitt lichen Verfehlungen an 5 weiblichen Slrasgefange- nen zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. ' Halle a. S, 4. Juni. In dem zurzeit hier Vorstellungen gebenden Zirkus Schumann ereig nete sich heute dadurch ein bedauerlicher Unglücks fall, daß ein Kunstreiter vom Pferde abgeworfen wurde. Hierbei biß das Tier dem Reiter den Arm durch, sodaß ihm die Pulsader zerschnitten wurde; ferner trug er Verletzungen im Genick da- von. In besinnungslosem Zustande brachte man den Reiter in die Klinik. Kleine GhrBuit. * Allerlei. Die Lavdetsynode im Großherzog' lu« Sachsen-Weimar lehnte mit großer Mehrheit die Petition des Deutsch-evangelischen Frauenbundes ab, die die Erteilung de« aktiven und des passiven Wahlrecht» bet kirchlichen Wahlen wünschte. — Aus der Strecke Metz—Saarbrücken wollte mittag» auf der Schanzenbergbrücke ein italienischer Bahnarbeiter die Gleise überschreiten, er wurde von eine» Schnell zuge erfaßt und gelötet. Der zu seiner Hilfe herbei. eilende Rottenführer Biikenhauer von der Burbacher Hütte erlitt ebenfall» den Tod. — Bei einer Schieß. Übung auf dem Spandauer Felde wurde der Ein. jährige Fritz Ritter au« Bre«lau vom Schlesischen Tcainbaiaillon Nr. 6 erschaffen. — Der praktische Arzt vr. w«ä. Himmelreich in Gelsenkirchen zog sich bei einer Operation eine Blutvergiftung zu, an deren Folgen er starb. — Sin tragischer Zufall hat den Llraßcnwart Triebel von Slockach in Unter franken dazu geführt, daß er beim Begehen seiner Straßenstrecke seinen Vater, einen Kutscher, tot auf fand, der unter seinen Wagen geraten war. — In Liebenwcrda stieß der Hilftarbeiter Winne nach einer Autsprache seine Geliebte, die Schneiderin Hedwig Drößler, in den Mühlgraben, wo sie ertrank. Der Mörder suchte sich hieraus in seiner Wohnung zu erhängen, wurde aber nach rechtzeitig von seiner Großmutter abgeschnitten ^"Asdann verhaftet. — In einem Dorfe bet Kruft g^rde von eine« galizischen Arbeiter 'Ziesche Arbeiterin ermordet, indem er ihr mit Messer die Kehle durchschntit. — Bei einer "leier in Gelsen ¬ kirchen in Westfalen kam einer furchtbaren Schlägerei. Ein BergmänA,""^? au« einem Fenster de« zweiten Stockwerk« gev^"H und verstarb auf dem Pflaster. * Der Berliner Prozeß Pöplau nahm am Dienstag seinen Fortgang. Reich«kanzler Fürst Bülow teilte schriftlich mit, daß der Kaiser ihm die Genehmigung zur Zeugenaulsage nicht erteilt habe und daß er selbst die Erlaubnis zur Vernehmung der Staatssekretäre Frhr. v. Stengel und Dernburg, der Untelstaat«sekretäre Lwele und v. Mühlberg und der Geheimräte v. Franzius und v. Holstein ver weigere. Dagegen habe er den Oberstleutnant Quade, den Geh. Legattonsrat Schmidt und die Hofräte Schulz, Henschel und Krüger ermächtigt, vor Gericht al« Zeugen auizusagen. Auf einen Einwand de« Verteidiger« bekundete da« Gericht seine Urberzeugung dahin, daß die Erklärung de« Reichskanzlers den ge setzlichen Vorschriften entspreche. Verlesen wurde ferner folgende« Schreiben des Krieg«minister« v. Einem: „Auf die in der Strafsache gegen Pöplau mir zugegangene Zeugenladung habe ich zu erwidern, daß die zu meiner Au«sage et forderliche Genehmigung Seiner Majestät de« König« nicht vorliegt. Da ich anscheinend nicht al« Zeuge, sondern als Sachver ständiger Fragen beantworten soll, bin ich weder verpflichtet noch bereit, vor Gericht auszusagen." An geklagter Pöplau betonte, daß er an den Krieg«. Minister al» Beamten, nicht al« Militärperson einige Fragen richten wollte. Der Gerichtshof sah die Ladung de« Minister« al« ordnungsmäßig an. Zeuge Hofrat Hentschel sagte au«, Indiskretionen Pöplaus nie wahrgenommen zu haben. Sin offenes Geheim nis sei eS gewesen, daß Hosrat Mäße an den Türen horchte. Kriminalkommissar Walter erklärte, weder mit noch ohne Auftrag den Angeklagten beobachtet zu haben. Der Verteidiger erwiderte, daß er und der Angeklagte sogar vor kurzem noch verfolgt worden seien. Pöplau» Wohnung sei fast belagert worden. Er, der Verteidiger, habe urkundliche« Material in Händen, daß der Angeklagte verleitet werden sollte, ungesetzliche Handlungen zu begehen. Der Sericht«- hof beschloß, da» Polizeipräsidium um Nennung de» Kriminalbeamten zu ersuchen, auf Grund dessen Be richt der damalige stellvertretende Kolonialdirektor Erbprinz Hohenlohe gesagt haben soll, Pöplau werde beobachtet. Hierauf legte Oberstleutnant Quade Zeugni« darüber ab, daß der Staat»s;krelär de» Au»«ärtigen Amts in Dingen der Angehörigen der Schutztruppe nicht «itgewirkt habe, und darüber, ob auch noch nach der Entlassung Pöplau« amtliche Schrift, stücke verraten wurden. * Morde und Selbstmorde. Im Norden Berlin« hat am Dienstag ein Pferdehändler seine Frau erschossen und sich selbst die Pulsadern geöffnet. Er «urd, noch lebend aufgefundcn und gab an, daß er und seine Frau beschlossen hätten, gemeinsam in den Lod zu gehen. Al« Beweggrund der Tat werden geschäftliche Verluste angegeben. — In einem Anfall von Wahnsinn ermordete eine Frau in Wien ihren 9jährigen Knaben, dem sie mit einem Rasiermesser den Hal« durchschnitl. Sie selbst brachte sich gleich falls am Halse lebensgefährliche Verletzungen bei. — In Ezöben in Ungarn erschoß sich »in junger Eymnasialprofessor. Er hatte im Rausche einem Freunde, der sich von seiner Frau scheiden lassen wollte, auf dessen Ersuchen schriftlich bestätigt, mit der Frau intim verkehrt zu haben. Die Augabi war völlig «ahrheit»widrig. Der Vater ist au« Schmerz über den Lod seine» Sohne« lebensgefährlich erkrankt. — In Rothenburg ob der Tauber in Franken hat sich der Türmer wegen eine« verlorenen Belei- digung«prozeffeS auf seiner Rathau«warte erhängt. — In Waltsch bei Podersa« (Böhmen) wurde der Gemetndeangestellte Lorenz von einer Etnbrecherbande, die er auf frischer Tal «tappte und verscheuchen wollt», nacht» ermordet. Die Titer sind entkommen. — In Temeivar (Sitt umgarn) wurde die Frau de» städtischen Mautheinne^mer« Wild in der Näh» de» Schlachthose« meuchlin,!» ntekergeschsffen. Ihre beiden sie begleitenden Kinde« wurden durch Axchiebe ge tötet. Hieraus wurde »on de« unbekannten Täler die Wohnung erbrochen und 8000 Kronen an Geld geraubt. Alle Nachforschungen noch dem Mordbuben blieben bisher erfolglos. * Anschläge auf Etlenbahuzüge. Bet Nei- dingen im Rheinland entgleiste ein Personenzug, da schwere Stein» auf di» Schtinrn gelegt worden waren. Di» Fahrgeschwindigkeit konnte noch verringert werden, sodaß nur geringfügige Verletzungen vorkamcn. — Unweit Köln wurde auf einen Zug geschossen. Die Kug»l ging durch ein Abteil 3. Klasse, zum Glück ohne jemand zu verletzen. * Zweifache» Unheil. Ein 16jährige« Mädchen, da« in Barleben (Kreit« Wolmirstedt) bei einem Landwirt in Stellung wur, hatte dort mehrere kleine Sachen entwendet. AI« man da« Mädchen hierüber zur Rede stellte, ira.uk e« au« Furcht vor Strafe Lysol. Auf die Benachrichtigung de» Vater« von der Verzweiflung«tat sein»r Tochter nah« dieser einen Strick und hängte sich aus. Obwohl er noch lebend abgeschnitten wurde, ist e« doch fraglich, ob der Mann am Leben bleiben wird. Die Tochter liegt gleichfall« schwer?rank darnieder. * EineSkaudal-eschtchteteilenpfälzlsHeBIätter mit: In Ludwig»hasen wurde der Generalagent Bruckner verhaftet, d»r durch Heirateversprechen eine große Anzahl Mädchen zu Fall gebracht haben soll. Einer der Vorgänge dürfte zu einer Anklage wegen Notzucht führen. Die Zahl der Fälle wird auf mehr al« 30 angegeben. * Tod an der Wahlurne. Nachdem er seinen Stimmzettel bet der LandlogSwohl abgegeben hatte, sank ein sojähriger Grei« in Tölz in Oberbayern tot zu Boden. Ein Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende gemacht. * Eine Ohrfeige al» Religion»vergehe«. Bei einem Besuch der Lsrenzerktrche in Nürnberg kam e« zu einem Zusammenstoß zwischen drei Herren, weil der eine, ein Arzt, den Hut auf dem Kopse behielt. In dem Eirik versetzte der Arzt einem seiner Gegner eine Ohrfeige. Wegen dieser Ohrfeige in brr Kirche wurde er vom Nürnberger Landgericht wegen Reltgionsvergrhe n« und Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von 5 Tagen verurteilt. * Der Hammer M» Schulzüchtigung»mittel. Wegen Ueberschreitung de« Züchtigung«rechtS wurde der Lehrer Breithaupt in Hedderrbach von der Straf- kammer Hirschhorn am Neckar zu 2 Monaten Gr- sängni« verurteilt. Ei hätte nach dem „Berl. Tgbl." während de« UnlerrUht« zwei seiner Schüler mit einem '/,-psündigen Hammer aus den Kopf geschlagin. Da« eine Kind ist an Lungen- und Gehirnentzüntung gestorben. * Der Meister al» Einbrecher. In Berlin wurde ein früherer Schlosser und jetziger Hosenschneider wegen Einbruch«diebstuhl« verhaftet. Er beschäftigte mehrere Frauen außer dem Hause, besuchte sie in geschäftlichen Angelegenheiten und erspähte dabei die Gelegenheit zu Einbrüchen und Diebstählen. Den Frauen war c« gar nicht in den Linn gekommen, daß ihr Meister dec Täter sein könnte. Nur da durch, baß er eine« Einbruch den zweiten an derselben Stelle und an demselben Tage folgen lassen wollte, wurde der würdige Meister entlarvt. * Eine treue Dienerin ihre» Herr«. In Wiesbaden hat einem bejahrten Großindustriellen seine Hau«hälterin nach und nach 200000 Mark in Wertpapieren entwendet und zur Verdeckung diese» Betrüge« außerdem noch Fälschungen von Briesen und Urkunden begangen. Da« Geld hatte sie ihrem Liebhaber, einem kuSwärts einiogterten Schauspieler, zugewendet, der sich ein Automobil zulegte und in Sau« und Brau« Kote. E« wurden bei ihm noch Papiere im Werte von KO 000 Mark vorgefunden. Die Ungetreuen «mrden verhaftet. * Eine „arme/' Beamtenwaise. In Teplitz- Schönau verstarb vor kurzem ein Fräulein v. May im 72. Lebensjahre. Die Dame hatte al« Waise eine« Beamten Unterstützungen aus wohltätigen Stiftungen bezogen und wiederholt auch die Mild tätigkeit Kaiser Franz Josefs in Anspruch grnommen. AI« man nach dem Tode der Dame, die ein äußerst dürftige« Leben geführt hatte, den Nachlaß ausnahm, fand man außer wertvollen Schmuckgegenfländen 32000 Kronen in Bargeld — die Ersparnisse einer „armen Beamlenwaisen." * Die Tragödie de» Timger». Der Wiener Hofopernsänger Ritter ist in Irrsinn verfallen. Am Fronleichnam«tage bereits versuchte er während de« G»tte«dtenste» in der Domkirche einen Geistlichen am Halse zu würgen und in die Residenz des Fürst- rrzbischof« einzudrtngen. Al« ein Geistlicher vor- üdrrkam, zwang Ritter ihn, niederzuknien und ihm die Hand zu küssen, weil er der Herrgott sei. * Jugeud von heute. Eine Schülerin der 4. Klaffe ve« Gymnasium» in Warschau, ein vierzehn jähriges (!) Mädchen, vergiftet« sich, weil ihr die Eltern nicht gestatten wollte«, Umgang mk einim Schüler der b. Klaffe de« Gymnasium« zu pflegen, in den sie sich verliebt halte. Der Gymnasiast stürzte sich, al« er den Tod de» Mädchen« erfuhr, in die Weichsel, konnte aber noch lebend au» dem Wasser gezogen werden; er liegt jedoch schwerkrank darnieder. — Der vierzehnjährige Gymnasisst Heinrich Günther au« Schöppenstedt zog in Wolfenbültel im Hause eine« Schutzmanns, mit besten Kindern er soeben noch ganz vergnügt gespielt halte, plötzlich einen Revolver au« der Tasche und schoß sich eine Kugel in die Schläfe. Er «ar soson tot. Der Beweg grund der Verzweiflung«tat soll eine Schulstrafe gewesen sein. Der Geheimpolizist. Kriminal-Erzählung von C. Oswal d. «. Forts. (Nachdruck verboten.) ES war Zeit geworden, daß er sich daran machte, daS Innere deS RestaurationSraume» genau zu untersuchen. Aas dem Boden lagen Gläser, teil« ganz, teil« zerbrochen. Ja einem der ersteren befand sich noch der Nest einer Flüssigkeit, den Weltli, seinen Ekel überwindend, kostete und al« jene» G misch von Schwefelsäure, Essenz, Zucker and Master erkannte, da« in den Lokalen niedrigster Art als via dlvu verkauft wird. Während er da« GlaS niedersetzte, stieß Vater Halbundhalb einen Schrei au«. „Wat gib»'»?- fragte Weltli, sich rasch um wendend. „In unserer Abwesenheit hat jemand dem Re staurant einen Besuch abgestattet!" „Unmöglich!" Der Alte wies auf die Schürz» hin, welche Mutter Elupet, al« man sie verhaftete, abgebunden und auf die Treppe geworfen hatte. Kein Zweifelt Die Taschen der Schürze waren umgekehrt. „Wer kann do» gewesen sein?" frng Weltli. „Diebe? Hier? Kaum möglich!" Ein Stillschweigen folgte. „Der Komplize!" sp ach endlich leise der Vater Halbundhalb. Weltli nickte. Ihm selbst war dieser Gedanke schon vorher gekommen; erhalte ihn nur nicht aus- sprechen mögen. Soeben noch stolz auf daS, wa» er erreicht, war er nun tief beschämt. Jeder andere, zufällig deS WegeS Kommende würde bei dem An- blick der Ermordeten entsetzt zurückgewichen sein — das Granen, da« diese einflößlen, zu überwinden, konnte nur ein Grund von äußerster Wichtigkeit imstande gewesen sein. Kein Zweifel, der Komplize war hier gewesen — er hatte aus der Tasche der Mutter Clupet elwaS geholt, da« von schwerwiegender Bedeutung al» Beweisstück, al« Fingerzeig für die Erklärung der Bluttat dienen mußte. Zum Uebeifluß sand sich vor der Tür, im Schnee, neben der Stelle, wo die Beamten gestanden hatten, der deutliche Abdruck seines FußeS. Einen Augenblick war Weltli wie niedergeschmettert, dann raffte er sich gewaltsam wieder auf. Mit über der Brust gekreuzten Armen staub er überlegend da, den Blick durch den vom dämmernden Tag schwach erhellten Raum schweifen lassend. Plötzlich wurde dieser Blick starr, ein leises Zittern überlief ihn. „WoS ist Dir?" fcug Vater Halbundhalb be sorgt. Weltli z igle mit dem Finger auf eine Stelle j am Boden in der Nähe deS Fensters, ging langsam auf dieselbe zu und hob einen Ohrring auf, in dem ein großer Diamant strahlte. „Den hat der Komplize gesucht!" rief der Alte. Weltli schüttelte den Kopf. „Lazu hätte er nicht nötig schabt, der Alten die Taschen umzvkehren," meinte er. „Aber meine Unvorsichtigkeit, die Anis- kapelle unbewacht zu lassen, wird durch diesen Fund einigermaßen wieder gut gemacht. Ein Judicium für das andere! Weißt Du, waS dieser Diamant wert ist?" „Nun?" „Mindesten» fünftausend Franken!" „Und eine Frau, die Ohrringe für zehntausend Franken trägt, kommt in die AuiSkapelle! ES ist kaum zu glauben!" „ES ist nahezu unglaublich — aber Tatsache! Gib acht, in dieser Angelegenheit werden wir noch Unglaublicheres erleben I" Damit setzte er sich nieder, um seinen Bericht za schreiben. Von dem hing seine ganze Zukunft als Polizeibeamter ab. Gelang eS, ihn so zu fassen, daß dec Untersuchungsrichter seine Ansicht annahm, daß hier ein mysteriöses Verbrechen vorliege — gut! gelang dies nicht, neigte sich der Untersuchungsrichter der Meinung deS Inspektors zu — dann, ade ihr schönen Träume von Beförderung und Ruhm. Ec begann damit, daS Zimmer auszumessen und mit Hilse eine» Maßstabes einen Plan zu ent werfen. Vater Halbundhalb schaute ihm mit offenem Munde zu, da »r selbst zu so etwas nie fähig ge wesen wäre. Einen Plan zu zeichnen, ohne Reiß brett und Reißzeug, daS ging über sein Begriffs vermögen. Weltli stieg auf diese Weise in seiner Achtung mehr, al» durch alle seine scharfsinnigen Kombinationen. Als dann Weltli seinen Bericht klar, knapp, ohne seinen Namen zu nennen, an Stelle desselben nur immer sagend „Ein Beamter", vollendet hatte und ihn mit halblauter Stimme la», um sich zu vergewissern, daß kein Irrtum, kein falscher Ausdruck sich eingeschlichen hatte, rief der Alie, der in der Zwischenzeit sich über eine der Liqueurflaschcn her gemacht hatte, bewundernd auS: „Bravo I Dagegen ist der Inspektor ein Dumm kopf!" Ein Lächeln erschien aus den Lippen Weltli» — eine größere Anerkennung konnte ihm der sonst von blinder Bewunderung für da» Talent Marechals erfüllte alte Beamte nicht zollen. Gern hätte er noch die Taschen der Opfer unter sucht, allein er glaubte, davon Abstand nehmen zu müssen, bis die Leichenbesichttgung oder die Auf nahme deS Tatbestandes durch den Untersuchungs richter stattgefunden habe. Während er noch einmal seinen Rapport durch- ging, traf der Inspektor wieder ein, begleitet von einigen seiner Untergebenen, sowie dem Polizeikom missar des Viertels, zu welchem die Anitkapelle ge- hört, zwei Aerzten und «inem Feldwebel deS 130. Regiments, zu welchem der tote Soldat gehörte. Vater Halbundhalb, der auf der Schwelle stand und seine kleine Pfeife rauchte, benachrichtigte ihn von der Ankunft jener. „Run," rief letzterem der Inspektor schon ent gegen, „habt Ihr ein recht grausige« Mysterium entdeckt?" „Ich habe nichts entdeckt," antwortete der Alte, „aber Herr Weltli kann Ihnen wohl Sachen mit teilen, auf die Sie nicht gefaßt waren." Der Titel „Herr", der sonst nicht gebräuchlich ist, wenn niedere Polizeibeamte von einander sprechen, mißfiel dem Inspektor in hohem Grade. „Von wem sprichst Du?" srug er barsch. „Von Herrn Weltli!" wiederholte der Alte ruhig. Sein Respekt vor seinem jüngeren Kollegen war so gestiegen, daß er die Anwendung jenes Titel» jetzt ebenso selbstverständlich fand, als sie ihm 24 Stunden vorher lächerlich erschienen wäre. Marechal fcug nicht weiter, aber er nahm sich vor, genau acht z«^ geben, daß sein Untergebener I ihn nicht beschäme, nicht sein Nebenbnhler w»rb». Er trat mit seinen Begleitern eia. Der Polizei- kommissar, kein Neuling in seinem Fach, «ad der Feldwebel, auf dessen Brust dir Dekorationen meh rerer Feldzüge prangten, schauderten zurück bei dem Anblick, der sich ihnen hier bat; nur die Aerzte bewahrten ihre Kaltblütigkeit und begannen sasort ihre Untersuchungen. „Sie müssen hier eine schauderhafte Rächt ge habt haben," redete der Kommissar Weltli an, „mitten unter diesen Leichen. Und da r» sich, wie mir der Inspektor sagt, um eine ganz gewöhnliche Schlägerei handelt, haben Sie e« wohl auch für unnötig gehalten, irgendwelche Recherchen aaz«- stellen?" (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten «ud Depeschen vom 5. Juni. Görlitz. In Penzig schoß aus offener Straße ein Schlosser seine Geliebte nieder und verübte darauf Selbstmord. DaS Mädchen ist lebensge fährlich verletzt. Das Motiv zur Tat ist Eiser- sucht. Hamburg In einer Versammlung, in welcher Hamburger, Berliner und Bremer Firmen ver- treten waren, wurden in Anwesenheit de- Gouver neurs Dr. Seitz 50 000 Mk. für den Bahnbau in Kamerun gezeichnet. Kiel. Der Dreimastschoner „Karl" au» Karls krona ist südlich vom Kattegat! Mit Notflagge treibend gesichtet worden. Das Schiff ist völlig wrack. Die Besatzung ist verschwunden, ihr Ver bleiben unbekannt. Dortmund. Aus der Zeche „Erin" bei Castrop stürzten zwei Bergleute einen Ausbruch hinab. Einer wurde alS Leiche geborgen, der andere erlitt schwere innere Verletzungen; auch waren ihm beide Beine gebrochen. München-Gladbach. In Rheydt sind bereits 70 Typhusfälle gemeldet. Vielfach werden die Erkrankungen verheimlicht. Die Seuche tritt jetzt auch in Häusern ohne Wasserleitung auf. Prag. Bei der Loslösung eines großen Steinet auf der alten Kranbrücke stürzte das Gerüst ein und riß 14 Arbeiter in die Tiefe. 10 fielen zu Boden, die anderen in die angeschwollene Moldau. Letztere konnten gerettet werden. Die anderen Ar beiter erlitten nur leichte Verletzungen. Saaz. In Waltsch brach nachts eine Bande ins Gemeindeamt ein, ermordete den Gemeindeboten und beraubte die Gemeindekasse. Die Mörder ent kamen. Zürich. Gestern nachmittag explodierte auf dem kleinen Platze an der Ecke der Garten- und Zweierstraße in Zürich im Industrieviertel mit starkem Knall eine Bombe. Kinder hatten beim Spielen eine Schnur aus einem Einsteigschacht der Kanalisation herausragen sehen und daran gezerrt. Darauf war die Explosion erfolgt. Zwei 6jährige Mädchen wurden schwer, ein Ljähriger Knabe leicht verletzt. Der Urheber ist noch nicht ermittelt. Pari». Der „TempS" meldet ein Gerücht, daß Kaiser Wilhelm für das Frühjahr 1908 eine Mittelmeereise plane und wahrscheinlich zur Ein weihung des ozeanographischen Instituts nach Monaco kommen werde. Dort würde der Kaiser vielleicht mit dem Präsidenten der französischen Republik zusammentrcffen. Zu dieser Begegnung würden auch deutsche und französische Kriegsschiffe in Monaco eintreffen. Madrid. Bei seiner Vernehmung gestand der Angeklagte Nackens zu, nach dem Attentat Morales 1'/, Stunde bei sich beherbergt zu haben, nachdem ihm dieser mitgeteilt, daß er das Attentat verübt habe. Er habe Morales bei sich ausgenommen, um nicht während seines ganzen Lebens Gewissensbisse zu haben. Sodann berichtete der Eigentümer de« Hauses, in dem Morales wohnte, Einzelheiten über die Attentatsszene, ohne jedoch neue Momente zu erbringen. Loudon. Das dänische Königspaar trifft am Sonnabend hier ein; der Aufenthalt ist auf 5 Tage berechnet. Das Festprogramm umfaßt eine Truppen schau, eine Gala-Vorstellung im Opernhaus, DinerS beim Könige und Prinzen v. Wales. — Von Eng land begibt sich das dänische Königspaar an Bord der englischen Königsyacht „Viktoria and Albert" nach Cherbourg, wo am Freitag Empfang durch den Präsidenten Fälliges stattfindet. Petrrsdurg Eine Versammlung der Berg- werksbesttzer beschloß, ihre Angestellten und Arbeiter, sowie deren Familien durch gegenseitige Verficht- rung gegen terroristische Akte sicher zu stellen. Petersburg Gestern vormittag wurden drei sozialistische Abgeordnete, die von dem Parteitage in England zurückkehrten, auf dem Finnischen Bahn hofe verhaftet und nach dem Polizeirevier gebracht, wo die Polizei erklärte, der Sladlhauptmann habe ihre Durchsuchung angeordnet. Die Abgeordneten protestierten unter Hinweis auf ihre Immunität als Abgeordnete und erklärten, nnr dem körper lichen Zwange weichen zu wollen. Dieser wurde tatsächlich angewendet, doch ergab die Untersuchung nichts Belastendes. Gegen 2 Uhr wurden alle dr«i wieder freigelafscn. Riga. Das Kriegsgericht verurteilte wegen Beteiligung an der auch in der ReichSduma be- sprochenen Meuterei und Beschießung der Wache im Rigaer Zentralgefängnis acht politische Ge fangene zum Tode durch den Strang und vier zu kurzbefristeter Zwangsarbeit. Kiew. Der hiesige reaktionäre Arbeitgeber verband beschloß in einer im kaufmännischen Klub abgehaltenen Versammlung, an den Zaren die Bitte zu richten, die revolutionäre Duma aufzulösen. Gleichzeitig fordert der Verband die Dumamitglieder der Rechten auf, nicht mehr len Sitzungen beizu wohnen. Rewyork Die Textilinduftrielle« werden das neue Handeltprovisorium zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gerichtlich anfechten.
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