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SMM iim Ktzni-nii LrnWiiIrr APkigrr Tageblatt. Nr. ISN Donnerstag, den S8 August 1N1S 40. Jahrgang Bernhard von der Gichc Roman von Baronin Gabriele v. Tchlippenbach. 42. Ionsetzmig. (Nnchde. velboNn ? Wann» sielen ihr diese Worte immer wi'- der ein? Es war, als rauschte sie der Waid nm sie her, als flüsterten sie die Blumen. S e schloß die Augen. Im halben Schlummer floh ihr die Wir liäMt. Sie sah das alte Schloß im fernen Ostpreußen; fest und stolz stand cs unter den weitwipfligeu Kronen der Buchen. Der See schimmerte bchn herüber. Da sprengke ein Netter durch die Allee; er spornte sein feuriges Noß an, sein Auge suchte die, der sein edles Herz gehörte, der er seinen Namen gegeben. Und sie eilte ihm entgegen, sie warf sich in seine Arme. „Friedrich!" Herta erwachte aus ihrem Schlummer, lau tes Lachen hatte sic geweckt. Sie sah eine Gc'ellschaft auf sich zn-kommen, an ihrer Spitze Tbea Schönhausen. „Also hier findet man Dich endlich," rief die Malerin, „wir konnten es uns gar nicht er lären, wo Du steckst. Das ist nicht hübsch, das. Du durchgegangen bist." Tbea küßte die bleiche Wange Frau von Nandens. Auch Mandel war da und einige von d> nen, mit denen Herta die Akademie besuchte, und es schien iHv, als ob alle sie halb mit leidig-, halb schadenfroh betrachteten. Alredo wollte den Schwerenöter spielen und Herta Komplimente sagen, wurde aber von Thea kurz abgefertigt. In ihrer kategorischen Art sagte sie: „Ihr geht voraus zum Wirtshause und bestellt das Abendessen; ich habe mit mei ner Freundin zu reden und will nicht gestört werden. Punktum, vorwärts!" Lachend gehorchten die übrigen. Mandel Ivars einen seiner forschenden Blicke auf Herta und entfernte sich mit offenkundigem Bedauern. „Nun, Schah, es ist Dir wohl nicht gut gegangen," sagte Thea und schob den Arm in^ den der jungen Frau. „Man sieht es Dir an, daß Du keine Seide spinnst Warum um al les in der Welt last Du Dich gedrückt? Ich muß-sagen, daß ich ziemlich gekränkt bin. Ich erfuhr durch die Kollegen, daß Du nicht mel r die Akademie besuchst; da dachte ich, daß Tu doch zu mir kommen würdest. Brauchst Tu (Held? Sage es osten. Ich habe gerade zwei kleine Skizzen verkauft, natürlich für einen Schleuderpreis, aber für einen guten Freund babe ich gern etwas übrig." Herta ließ den Wortschwall geduldig über sich ergeben. Sie fühlte sich von Theas Gut mütigkeit wohltuend berührt. Endlich ein Mensch, der ihr Interesse erwies in ihrer Ver- laßenhcit. „Nein, meine liebe Thea, ich brauche nichts," versetzte Sevta. „Ich verdiene so viel, als ich gerade nötig habe." „Na, viel kann es nicht sein, Du siehst etwas reduziert aus," meinte Thea in ihrer burschikosen Art. „Für Iven malst Du denn?" „Für den Laden von Münster L Straus; Bcyerstein riet mir dazu, — a's — als er mir sagte, daß ich kein Talent habe." Ueber- hastend fielen die letzten Worte über Hertas Lippen. „So — hm — na, es tut mir leid, ich hatte mcbr in Dir vermutet, hätte Dir sonst wirklich nicht zugeredct, herzukommen." „lind Ivie geht es Dir?" fragte Herta, die das Gespräch von sich abzulenken wünschte. .Mein Bild ist von der Kunstausstellung abgelelnt," entgegnete die Schönbausen ver drießlich, „sie verstehen dort nichts von dec ww ren Kunst. Ich nehme es mir aber nickt sonderlich zu Herzen. Weißt Du, ich heira.e nach sechs Wochen." „Mandel?" fragte Herta lebhaft. „I bewahre," lachte die Malerin, „einen Kolonialwarenhändler in der Accisstraße, einen wohlhabenden, älteren Witwer mit drei Kin dern; Du kannst mir Glück w'-n chen." g Herta tat es herzlich. „Liebst Du ihn?" 'ragte sie. „Tas nun gerade nicht, aber ich habe die Absicht, ihm eine gute Frau zu- sein. Ich reue mich, ein eigenes Heim und einen Men schen zu besitzen, der mir das bietet, was ich entbehre: Ruhe und Wohlleben. Es Hal mir oft in meinem jetzigen Dasein gesellt." Tbea sah sehr zufrieden aus. Es gab Herta einen Stich ins Herz. Das, was die Malerin so hoch schätzte, die Freibeit und Un gebundenheit des Künstlerlebens, gab sie aus, um die Gattin eines Mannes zu werden, der ihr nicht einmal lieb war. Aber hatte es Herta nicht ebenso getan? Auch sie heiratete Randen ohne Liebe. Thea fuhr fort, allerlei zu erzählen, sie be merkte nicht, daß ihre schweigsame Gefphrtin kaum hinhörte. „Du kommst doch natürlich als mein Gast mit ins Wirtshaus zum grünen Bauni, Liebste?" äußer.e die Schönhausen. „Nein — ich — ich kann nicht, ich habe Kopfweh. Hier kommr gerade die Bahn, lete wotl, Tbea." — Hastig stieg Frau von Randen ein. „Schade!" rief die Schönhausen. „Auf Wie dersehen!" Erst als die Elektrische verschwun den war, fiel es ihr ein, daß sie versäumt batte, nach Hertas Adresse zu fragen. In ihrer lcichtle igen oberflächlichen Art dachte Thea aber nickt weiter au die Freundin. Als Herta das nächste Mal die bestellten Arbeiten zu Münster L Strauß brachte, fand man allerlei daran auszusetzen und der Preis wurde hera'bgedrückt. Mutlos und traurig schlich sic durch die heißen Straßen ihrer elen den Wohnung zu. Unterwegs bot eine B'lu- menverkäuserin ihr herrliche Rosen an. „Es ist sehr leichtsinnig, sie zu kaufen, wenn man so arm ist," dachte Frau von Randen. Aber sie tat es doch und zahlte den für ihre Verhältnisse hohen Preis. In ihrer dürf tigen Stube stellte sie die Rosen in eine schad hafte Vase, die sie von ihrer Hauswirtin er bat. Sie legte das große, von Münster L Strauß erhaltene Paket beiseite, es waren 12 Fächer und 6 Visitenkavtentäfchchen, die sie in drei Wochen malen sollte. Professor Beherstein und seine Frau waren im Hochgebirge. Ein Gefühl grenzenloser Verlassenheit schlich läh mend über Herta. Wie süß dufteten die Ro sen. Der Duft erinnerte sie an Randenhagen, dort blühten Wohl auch die königlichen Blu men. Heiße Sehnsucht nach dem verlorenen Heim übermannte sie. Sie legte den schmer zenden Kopf in beide Hände und bittere Trä nen quollen zwischen den Fingern hervor. — „Sardy, Hardy, denk Dir, Irmgard Ge rard ist heute weggereist!" Ines eilte dem Bruder niit diesem Ruf entgegen, als er drei Tage, nachdem die Oefen angeblasen waren, am Abend vom Hocho'enwerk heimkehrte. „Warum?" fragte Eiche. „Sie wollte doch noch einige Zeit in Mon Repos bleiben." „Ja, sie behauptet, lange genug hier ge wesen zu sein, sie sehnt sich nach Abwechslung und will nach Paris gehen, dann später eine weite Reise machen. Als sie heute auf dem Wege zur Eisenbahnstation einige Minuten bei uns anhielt, sagte sie es mir. Nach Dir hat sie garnicht gefragt. Ich dachte, sie würde Dich wenigstens grüßen lassen, wahrscheinlich hat sie es vergessen." Bernhard zuckte die Achseln. „Wohl mög lich, Kleines." Ines wunderte sich über des Bruders Schweigsamkeit, als er am Kamin saß und sinnend ins Feuer blickte. „Hast Du Verdruß gehabt?" fragte sie teil nehmend. „Der bleibt bei dem großen Betrieb selten aus," versetzte er. Wieder schwiegen sie. (Fortsetzung folgt.)