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tlMM M HohkÄklll ElMIHliln Wrisn T«grbl«tt. Nr. LS«. Sonnlag, de» 14 Dezember 1S1S 4«. Jahrgang „Ich oerkiindige roch große Inode..." Novelle1:e von R. A. W o e g n e r. (Nachdruck verboten.) Der heilige Abend senkte sich auf die Klein stadt herab. Ein Schneegestöber hatte eingesetzt und hüllte den Weihnachtsmartt mit seinen Schau- und Verkaufsbuden, seinen Tannenbäumen und Drehorgelmäunern in ein wundervolles Weihes Gewand. Wer erst morgen feierte, mischte sich sicher unter den Trubel hier, angclockt durch die große Sehenswürdigkeit des heurigen Marktes — den Zirkus Arkony. Die Hauptattraktion bildete das Auftreten der kleinen „Pringessin Goldelse", wie die rie sigen bunten- Reklamezettel berichteten. Eine große Menge Neugieriger umstand stets den Zirus. Aber so wie eben j^Z war der Andrang noch nicht gewesen. Und immer neue Scharen kamen hinzu. Dazu schwirrten die Reden aufgeregt; einer teilte es dem an dern mit — es mußte etwas Ungewöhnliches passiert sein. Als jetzt ein Neulhinzugekommener sich er kundigte, was es gebe, lautete die Antwort: „Die kleine Kunstreiterin, die „Prinzessin Gold- else" iü -" „Futsch!" ergänzte schadenfroh ein Bengel. „Nun, die wird bald wieder eingefangen sein!" „Das ist fraglich. Wenn es so fort schneit, ist sie fein geborgen; man erkennt ja kaum noch Ivas vor lauter Flocken." „Schnack. Die Kleine ist ja doch die Toch ter des Zirkusdirektors und wird's doch nicht so schlecht gehabt haben, daß sie davongeht. Ein Verbrechen wird an dem Kinde verübt sein -" „Ain heiligen Abend? Daß Gott erbarm'! Und dazu der Schnees Der deckt ja jede Spur zu!" — Weise, leuchtende Winterherrlichkeit! In feierlichem Schweigen stand der Wald mit seinen Tannen, die des Höchsten Hand ge- schmückt zur Christnacht mit weißem, glitzern dem Schneebe^ ang. Durch das Geäst der Bäume blinzelte zuweilen ein Stern. Und immer dichter sank der Schnee herab, immer höher ward die weiße Decke auf dem Wald boden, deren leichte Spuren, die sich daraus hinzogen', die Schneeflocken verwischten. Von den fliehenden Kinderfüßen kamen die Spuren her. Ein dunkler Mantel umhüllte die elsenhafte Gestalt' in dem weißen Gazeröck- chen, das der Flüchtling noch von der Vor stellung trug. Unter dem Kapuchon, das das Köpfchen bedeckte, quollen üppige Locken von eigentümlich aufdringlichem Goldblond her vor. Seltsam kontrastierten hierzu die dunk len Augen, die aus dem feinrü Gesichtchen leuchteten, aber in dieser Stunde Angst und Ausregung spiegelten. Zuweilen spähten diese Augen vergewis sernd die Waldgegend entlang; hinter der Kinderstirn jagten die Gedanken, suchten in der Erinnerung — ließ nur der Schnee ihr die Gegend so fremd erscheinen, oder war sie es wirklich, war es nicht die Gegend von einst? Bald löste ein anderes Schrecknis diese langen Zweifel ab. Ob man sie wohl ver folgte, sie finden und zurückholen würde? Aus der jungen Brust rang sich ein halb ersticktes Weinen. Krampfhaft umspannten die Finger ein Briefchen. Heimlich, ganz heim lich, hatte sie es zustande gebracht. Es sollte ihr die Türe aufschließen, die Tür und die Herzen; so bäte die kindliche Phantasie es sich ausgemalt. Und weiter hasteten die Füßchen in den bereits völlig durchnäßten leichten weißen Schuhen. Vorwärts, nur vorwärts! Ihr Atem flog, ihr Herz pochte heftig, doch nur weiter, nur vorwärts, vielleicht sand sie doch noch. Ivas sie suchte! Heute war ja Weih nacht, wo allen Menschen Freude widerfahren ellte! Weihnacht! Fern — fern grüßte zau berschön die Erinnerung. Oder hatte sie es nur im Traum geschaut, das schöne, große Zimmer, mit dem lichterhellen Christbaum? , Und zärtliche Arnie hatten sie eingefangen, üebe, liebe Augen sie angeschaut — Elteru- ;äugen? Doch — was war das? Ein Schwindel erfaßte den kleinen Flüchtling, eine plötzliche ohnmächtige «schwäche folgte und mit einem matten Angstschrei sank das Kind in den Schnee nieder, lind die Flocken wirbelten. Wie ein weißes Märchenband lag der ver schneite Forst da. Lautlos unablässig rieselte der Schnee herab, alles mit weichem, weißem Flaum begrabend. Wie ein weißes Häuflein erschien jetzt die Kindergestalt. Leuchtend schimmerte durch die Schneeluft das üppige Goldhaar über der Stirn der Kleinen, die mit geschlossenen Augen regungslos dalag. Plötzlich drang durch das Schweigen fern- her ein Ton. Waren es Weihnachtsglocken, die anhoben? Nein, es war ein kurzes Horn signal, begleitet von einem Surren und Brau»- sen, das jetzt näher und näher kam. Hatte die Kleine es vernommen? Langsam hoben sich die dunklen Wimpern, schlossen sich aber sofort wieder und auf die Ohnmächtige herab sank dichter und dichter der Schnee . . . „Wir haben die Tanne wieder hinaus- scha'fen müssen, Herr Doktor, die gnädige Frau will durchaus keinen Baum." Aufseufzend nahm Dr. Winkler, der eben von seiner ärztlichen Rundfahrt heimkehrte, die Meldung entgegen. Draußen spielte eine Drehorgel ein altes, süßes Weihnachtslied. In den Häusern flamm ten jetzt die Christbäume auf, tönte das Jauchzen aus Kindermund und in aller Her zen das Weihnachtsevangelium wieder: Siehe, ich verkündige euch große Freude . . . Die Hand des Arztes fuhr über die Stirn. Hastig, als wolle er einem Oualgedanken ent fliehen, öffnete er die Zimmertür. — „Du sitzt im Dunkeln, Elisabeth? Und — erkenne ich recht? — bei dem alten Spiel zeug? Du marterst Dich und mich mit diesen Zeugen der Vergangenheit —" Er hatte den Arm um die schlanke Frauen gestalt gelegt. Ihre schönen, dun'len. leid vollen Augen sahen ihn abbittend an: „Nur heute laß mir dies Zurückträumen, Otto -." „Oh Kind, Liebste, versuch' es, abzuschlie ßen mit der Vergangenheit, versuch' es um meinetwillen. Zeig' mir ein freundliches Ge sicht, wenn ich heimkehre, wie soll ich sonst Mut bebakten in meinem schweren Beruf?" „Vergib' mir, Otto. Du sollst nicht mehr zu klagen haben über mich. O, ich Egoistin, dw ich über meinem Leid meine Pflicht ver gaß „Auch ich haße ja nicht vergessen, Elisa- beib, — wie könnte ich wohl? Ater meine ärztlichen Pflichten lenken meine Gedanken heilsam ab. Du aber, immer in der Häus- licheit, >vo Dich jeder Winkel an das Einst erinnert ... Ja — ja — wir haben uns beide noch wicht durchgerungen zu dem „Frie den auf Erden". Aber es ist nun mal Weih nacht heute, das Fest der Liebe . . . Ich möch e Dir etwas aufbauen, Elisabeth —" Er hatte die Gas'rone aufgedreht. Strah lende Helle erfüllte plötzlich das große, schöne Gemach und ließ das Kinderspielzeua auf blinken, über das Frau Elisabeths Hand wie liebkosend glitt —. „Mir etwas aufbauen? Ach, Otto, Lieb ster —Die Klingel am Telephon unter brach den Einwurf. Der Doktor eilte an das Sprachrohr —. „Der Herr Oberförster Walder ist erkrankt. Der Herr Doktor möchte doch sofort kommen." „Soll geschehen." „Ich muß in die Oberförsterei, Kind —." „Nimmst Du den Weg durch den Wald?" „Ja, er ist der nächste. In zwei Stunden werde ich zurück sein. Dann soll es auch für uns Weihnacht sein, Elisabeth —." Sie hing plötzlich an seinem Halse. Liebe voll strich er über ihr dunkles Haar. „Hörst Du, Elisabeth? Die Glocken läuten! Friede auf Erden!" „Friede auf Erden . . ." wiederholte sie — um seinetwillen. Das Töff-Töff der Autohupe, das den Forst durckdrang, wiederholte sich. Das Auto mit dem Doktor kehrte auf dem Waldwege zu rück heimwärts. Des Schneegestöbers wegen fuhr es in mäßigtem Tempo. Zurückgelehnt in die Pol ster, sah der Doktor durch das Fenster auf die in Winterpracht daliegende Waldlandschaft. Christabend im Walde . . . Sein Zauder umspann die Seele des einsamen Mannes — ! Freud' und Leid vergangener Jahre tauchten * » Allerlei Kurzweil. » » Denksprüche. In Warten sei immer bescheiden, Dann können dich alle gut leiden; Dein Selbstbewußtsein verraten Am besten entsprechende Taten! * * * Such deinen Freunden allezeit Zu mildern Müh und Last, Und teil mit ihnen frobbereit Das Gute, das du hast. Rätselecke. Rätsel. Ich komme vor im Meer, Auch als Quell komm' ich her, Bin auch als Stein bekannt, Man achtet mich in jedem Land, Und^manche Speis', die man ißt, Nur mit mir schmackhaft ist. Silbenrätsel. Die erste Silbe das Ding benennt, Das man als Wass' der Germanen kennt. Die zweir' ist ein Gebirg im deutschen Land, Die dritr' ist Sitz von Geist und Verstand, Und wohl dem vierten, der sie hat zur Hand. Das Ganze aber nennt uns den Mann, Den als Dichter kennet jedermann. Viersilbige Scharade. Das Erste weist hin und begründet, Ein Zweiter bin ich wie du. Der Dritte verdirbt den Charakter, Und viertens kommt er noch dazu. Das Ganze ist der Herr dort. Ec hält sich für ein Genie. Ihn peinigen alle Damen Und ach! wie verehren ihn die! Paliudrom. Wer mich gebraucht, der gilt wohl für gescheit, Doch traut man nicht sehr seiner Ehrlichkeit; Mein letztes Zeichen fort, gelesen mich Von rückwärts dann, wie sing'ich wonniglich! Anagramm. Es bringet über manches Haus Im Sturz Verderben, Tod und Graus — Verstellst zwei erste Zeichen du, Wird draus ein Fcauennam' im Nu. Vexierbild. Jetzt warte ich schon eine ganz« Weste auf die Sennerin. Wo mag sie nur sein? (Auflösungen in nächster Nummer.) Auftüsungen aus Nummer 4V. Der Rätsel: 1. Hase — Hose. — 2. Lohn — Mohn — Sohn. — 3. Geld — Gold. — 4 Hammer — Hummer. — 5. Siam — Mais. Der Rätselsragen: 1. Der Seehund. — 2. DaS Heu pferd. — 3. Die Grasmücke. — 4. Der Walfisch. Des Anagramms : 958741263 Elisabeth 123456789 B e h a l t' s i e DeS Gleichklangs: Faust. Des Bilder-Rätsels: Kanonenfieber. üiu-er-Zeitllllg. WU AachU DU Um ßHmM» »mbHskMr. Nr. 50. Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lebmann, Hohenstein-Ernstthal. 1913. Die ersten Tannenbäume. Was ich erkundet, was ich erschaute: Die ersten Bäume sind wieder da! O Kinder, nun ist auch das liebe, traute, Gesegnete Weihnachtsfest ganz nah. Nun geht ein himmlisches Ahnen wieder, Ein Hauch des Friedens durch die Welt. Allüberall klingen selige Lieder, Sind Herzen nnd Häuser von Licht erhellt. Wir dürfen wieder mit frohen Mienen Der Wunder harren, die offenbar. O Kinder, die selige Zeit ist erschienen, Die wir uns ersehnt ein ganzes Jahr! Die Weihnachts-Reisekameraden. Ein Märchen von Marie Behne. (Nachdruck verboten. Ja, da waren sie nun endlich angekom- meu, die Christbäume! Auf den Marktplatz des kleinen Städtchens hatte man sie hingeworfen nach der langen Reise. Dicht nebeneinander hatten sie gestan den im Thüringer Walde, die große schöne Edeltanne, dann die Weißtanne mit den feinen Zweigen, die auf ihren echten Stammbaum so stolz war, und die stämmige Fichte, die sich immer und überall kräftig Platz zu schaffen wußte. Schön und schlank gewachsen waren sie alle, es war gerade ein Dutzend, das vor langen Jahren an ein und demselben Tage vom Forstmanns gepflanzt worden war. Jetzt waren sie erwachsen, schön und schmuck und stolz. Und treue Kameradschaft hatten sie ge halten, die Zwölf. Wenn der Sturm über sie herfiel und sie zauste und bog, hatten sie sich gegenseitig gestützt, damit er ihnen nicht die Kronen knickte; die größten unter ihnen hatten die Zweige schützend über die kleineren gebreitet, wenn der Regen niederprasselte oder die Sonne stach. „Prachtvolle Bäume; vorzüglich geeignet als Weihnachtsbäume!" hatte der Mann im grünen Rock gesagt, als er eines Tages im Herbst zu den Kameraden trat, und dann hatte er mit einem scharfen Messer jedem ein Stück chen aus der Rinde geschnitten — — ein § Zeichen, daß man sie gleich erkennen könne. Dann aber waren böse Tage gekommen. Männer mit scharfen Beilen hieben in die zwölf Stämme, daß die Splitter flogen. Sie zogen schneidende Sägen durch den Leib der Tannenbäume und nahmen ihnen den festen Halt im Boden, daß sie umfielen; und dann packten sie dieLwölf zusammen und fuhren sie auf einem Wagen fort zur nächsten Bahn station. Hier faßten kräftige Arme die Reise kameraden und luden sie auf einen Eisen bahnwagen um, und dann ging's wieder weiter, immer weiter, bis sie auf dem Marktplatze lagen und unsere Geschichte an fängt. Neugierig sahen sich die Zwölf um. Neben und hinter und vor ihnen lagen noch viele aus ihrer Verwandtschaft, die sie noch nie ge sehen hatten; es kam ihnen auch gar nicht darauf an, sich mit den Fremden zu unter halten. „Hoffentlich bleiben wir beisammen," sagte die Edeltanne leise zu den Kameraden. „Als ich ganz klein war, hörte ich meine Groß mutter einmal erzählen, daß die schönsten aus unserem Geschlecht zu einem Fest der Men schen, das sie Weihnachten nennen, geholt würden. Das ist eine große Ehre für uns! Und wenn wir nun in die einzelnen Häuser geholt werden, dann wollen wir uns durch die Fenster grüßen, und kommen wir noch einmal zusammen, tauschen wir unsere Erleb nisse aus." „Ja, ja!" rauschten die elf andern, die aufmerksam zugehört hatten. Und ganz unruhig und neugierig warteten sie ab, wie es ihnen nun weiter ergehen würde,