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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 04.11.1913
- Erscheinungsdatum
- 1913-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191311045
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19131104
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19131104
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-11
- Tag 1913-11-04
-
Monat
1913-11
-
Jahr
1913
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 04.11.1913
- Autor
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Passagiere wider Willen o t weite Irrfahrten in den Drucksachen. Günstigen Falles, wenn sie von einen, Postbeamten im ihrem Versteck entdeckt oder vom Empfänger der Drucksache zurückgegeben werden, gelangen sie mit grö ßerer oder geringerer Verspätung iu die .Hände des Adressaten; andernfalls sind sie ver- schwanden. Die Postverwaltung ist eifrig be strebt, durch geeignete Vorkehrungen die den anderen Sendungen von den Drucksachen l)«r drohende Gefahr abzuwenden. Im eigensten Interesse des Publikums liegt es, die Post verwaltung in diesen Bestrebungen zu unter- stützen, indem es in der üblichen Drucksachen- vcrpackung Wandel eintreten läßt. Dies ist ohne erhebliche Mühe oder Kosten für den Absender sehr wohl angängig. Bei größeren Drucksachen, die unter Band verschickt werden sollen, bietet sich als wirksamstes Mittel zur Vermeidung breiter Spalten die Antlegung eines Kreuzbandes an Stelle des einfachen Streifbandes. Kann man sich aber hierzu nicht entschließen, dann sollte man wenigstens ein aus gutem Papier gefertigtes Streifband so eng wie nur möglich um die Drucksache legen und außerdem eine feste kreuzweise Um schnürung mittels Fadens oder Gummiban des herumschlingen. Bei Drucksachen, die un ter größeren Briefumschlägen zur Absendung kommen sollen, wären tunlichst Umschlüge an zuwenden, deren Verschlußklappe sich nicht am breiten oberen Rande, sondern an der schma len Seite befindet. Jedenfalls soll man die Verschlußklappe nicht in den Umschlag ein- stecken; will man den Inhalt vor dem Hev- ausfallen schützen, so verwendet man Um schläge, deren Verschlußklappe einen zungen artigen, zum Einstecken in einen äußeren Schlitz des Umschlages eingerichteten Ansatz besitzt. Auch in anderen Formen hat die Pa pierindustrie bereits sichernde Drucksachenhüllen auf den Markt gebracht. Eine weitere Ge fahr für Postkarten und kleinere Briese, durch Verschieben in Drucksachen verloren zu gehen, erwächst aus dem Mißbrauche, größere Mena gen von Drucksachen und Warenproben in die Straßenbriefkasten einzuwerfen, was man lei der recht häufig beobachten kann. Die Brief kasten werden dabei häufig mit einem Male bis obenhin mit Drucksachen und Mustern an- gefüllt, und die dann noch dazu kommenden Briefe und Karten schieben sich nur zu «leicht in jene ein. Zur Einlieferung größerer Men gen von Drucksachen und Mustersendungen sollten daher die Straßenbriefkasten niemals benutzt, solche Massensendungen vielmehr zweckmäßig am Schalter der Postanstalten ab gegeben oder durch die Posthaus- und Schal terbriefeinwürfe zur Einlieferung gebracht werden. *— ZumBesten der Königin E a r o l a - G e d ä ch t n i s st i f t u n g l at das Königliche Ministerium auch in diesem Jabre wieder die Ausspielung einer Geldlottc rie genehmigt. Die Stiftung bedarf, um der Erfüllung ihrer Aufgabe, das edle Lebens- men der verewigten allverehrten Königin Ca rola weiterzufül ren, gerecht werden zu kön nen, großer Mittel. Diese sollen zum Teil durch die Geldlotterie, die vierte ibrer Art, aufgebracht werden. Die Lotterie wird vom Jnvalidendank in Dresden und Leipzig ver waltet. Tie Lose, welche sich des günstigen Gewinnplanes wegen großer Beliebtheit er freuen, sind beim Jnvalidendank Dresden und in allen Losgeschäften zu haben. * — Ein lieber alter Freund u u s e r e r K i n d e r w e l t, der vom Ber liner Tierschutzverein herausgegebene Tier- schutzkalendor, ist soeben für das Jahr 1914 erschienen. Auch diesmal 48 Seiten stark, mit einem hübschen bunten Unischlag verziert, stellt er sich schon äußerlich dem farbenfrohen Auge des Kindes als willkommene Gabe dar. Gemütvolle klein«!, teils lustige, teils ernste Geschichten, deren Wirkung noch durch 21 Illustrationen erhöht wird, wechseln mit Ge dichten und Rätseln ab. Selbst ein in Musik gesetztes LiedHen findet sich vor. Das Büch lein wirkt sittlich befruchtend und anregend auf das Kinderherz, es erweitert und vertieft die Liebe zur Natur. Auch für Erwachsene ist manches gesagt. Sentimentalität haftet diesem Kalender nicht an. Sein billiger Preis ist nur durch die Massenauflage von 1 800 000 Stück möglich. Das einzelne Heft kostet, vom Verlag, Berlin SW. 48, Wilhelinstraße 28, zugesandt, einschließlich Porto, 10 Psg-, 5 Stück kosten 35 Pfg., 10 Stück 70 PfA, 20 Stück 1 Ml. 30 M-, 50 Stück 3 Mk., 100 Stück nur 5 Mk., alles einschließlich Porto. Nus je 10 Stück gibt es noch 1 Kalender zu. * Oederan, 2. Nov. Die Stadtverordneten haben in ihrer letzten Sitzung beschlossen, vom Januar 1915 ab für den Besuch der Bürgerschule hier kein Schulgeld mehr zu erheben und den Rat um Beitritt zu bitten. Der Beschluß wurde im Stadtverordnetenkollegium gegen 5 Stimmen gefaßt. * Freiberg, 2. Nov Von einem Dresdner Automobil wurde am Donnerstag abend in Kleinschirma bei Freiberg der 10jährige Sohu des Metallarbeiters Specht tödlich überfahren. Der Knabe lief von einem Seitenwege direkt in das Automobil hinein, so daß den Führer des Wagens keine Schuld trifft. Die Insassen des Automobils nahmen den Knaben in den Wagen auf und brachten ihn in das Stadtkrankenhaus zu Freiberg. Beim Eintreffen war der Knabe jedoch schon gestorben. * Dresden, 2. Nov. Aus dem Fenster gestürzt ist in der Nacht zum Freitag im Hause Kurfürsten straße 17 ein aus Breslau zu Besuch dort an wesendes junges Mädchen namens Rosalie Schenk. Die Bedauernswerte wurde besinnungslos im Hofe anfgehobcn und nach dem Friedrichstadter Krankenhause gebracht, wo sie kurz nach ihrer Einlieferung verstarb. — Von einem Automobil überfahren wurde vor einigen Tagen der Tapezier meister Ernst Mentzel aus Dresden-Neustadt in der Nähe der Mordgrundbrücke. Er hatte so schwere Verletzungen erlitten, daß er nach der Diak nisscnanstalt gebracht werden mußte, wo er gestern verstorben ist. * Aue, 2. Nov. Der wiederausgenommene Erzbergbau in Bockau wurde, weil verlustbringend, eingestellt. Am l7. Dezember gelangt das Grund stück der St. Johannes-Bergbaugesellschaft daselbst zur zwangsweisen Versteigerung. * Pluuen, 2. Nov. Die 15jährige Arbeiterin Else Noedel hat sich aus Liebeskummer in der Nähe der Leuchtsmühle von einem Eisenbahnzuge überfahren lassen. Sie erlag alsbald ihren schweren Verletzungen. — Das Auto des Stick- maschinenbcsitzers Holzmüller aus Plauen geriet gestern infolge des schlüpfrigen Weges kurz vor Schöneck ins Schleudern und stürzte in den Straßengraben. Die Insassen Holzmüller, seine Gattin, sein Schwager und seine Schwägerin wurden herauSgeschleudert. Sie erlitten Arm- und Beinbrüche und sonstige Verletzungen. Das Automobil wurde vollständig zertrümmert. Kleine Chronik. * Die Nationalflutzspende. Am Freitag war die Frist der Bewerbungen um die Preise der Nationalflugspende abgelaufen Bedeutende Flüge sind in den letzten Tagen nicht mehr unternommen worden, und so kann man denn wohl Viktor Stoesfler als den Träger deS großen 100000 Mark-Preises ansehen. Stoesfler flog am 14. Oktober innerhalb der deutschen Grenzen 2160 Kilometer in ununterbrochenem 24stündigen Fluge ab, fast die Hälfte des Fluges legte er zur Nachtzeit zurück, das Ganze war eine erstaunliche Leistung und übertraf noch den Europa-Rund flug des Franzosen Brindejonc, sodaß Stoesfler jetzt der Inhaber des Weltrekords im Dauerflug ist. Mißgünstige Stimmen wollten Stoesfler den Preis streitig machen, weil die 2160 Kilomcler nicht in gerader Strecke zurückgelegt worden seien, die Ocffentlichkeit ist jedoch energisch für Stoesfler eingetreten. Auch nach formalem Recht hat Stoesfler Anspruch auf den großen Preis, es ist in den Bestimmungen der Nationalflug spende keine enthalten, die verlangt, daß der Dauerflug in gerader Richtung zurückgelegt werden mußte. * Schweres EchiffSunglück auf der Elbe. Auf der Elbe bei Hamburg wurde dec Elbkahn Nr. 1237 vou einem anderen augemnnt. Die Mannschaften des zweiten Kahns begaben sich an Bord des ersten, um dort Abdichtungsurbeiten vvrzunehmen. Während dieser Beschäftigung kam der Eildampfer „Gneisenau" und rannte gegen den schon lecken Kahn Nr. 1237. Dieser wurde ausgeschnitten und sank sofort mit allen an Bord befindlichen Leuten. Es gelang nur, den Schiffer Otto sowie den Bootsmann Jeremias zu retten. Dagegen sind fünf Personen ertrunken. * Massknvcrgistungen iu Berlin. Unter schweren Vergiftungserscheinungen sind im Laufe des Sonnabends und Sonntags mehrere Fami lien in der Dolzigcrstraßc und der Samaritcrstroße in Berlin erkrankt. Die Erkrankten, mehr als 20 Personen, leiden alle an heftigem Fieber und Erbrechen, so daß sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußten. Die Kriminalpolizei hat die Ncste von Hackfleisch, auf dessen Genuß die Ver giftungen zurückgefllhrt werden, beschlagnahmt und zur genauen Untersuchung dem Institut für Infektionskrankheiten übersandt. * Wieder eiu Äroßfeuer in Lübeck. Gestern nachmittag gegen 4 Uyr kam in Lübeck etn rie siges Feuer zum Ausbruch. Es entstand auf deu ausgedehnten Holzlagerplätzcn der Firma Brügmann L Sohn am Haseneingange und wü tete bis zum spülen Abend mit unverminderter Gewalt. Die Sladt und ihre Umgebung waren taghell erleuchtet. Hilfe leisteten die Feuerwehren Lübecks und zahlreiche Wehren der Umgegend, ebenso die Matrosen der ersten Minensuchdivisivn. Den vereinten Anstrengungen gelang cs, ein Uebergreifen des Feuers auf die benachbarten Holzplätze zu verhindern. * Ein deutscher Dumpfer verbrannt. Auf der Höhe von Vigo (Spanien) geriet der deutsche Dampfer „Kalymnos" in Brand. Die Schiffe, die dem Dampfer zu Hilfe eilten, fanden ihn in lichten Flammen stehend. Alle Löschversuche waren vergeblich und mau mußte den „Kalym- noS" schließlich auf Strand laufen lassen, sodaß wenigstens das Material der Maschinen gerettet werden konnte. Die Mannschaft deS deutschen Dampfers konnte gerettet werden. * Leine drei Kinder ans Nat ermordet! In Oberschöneweide-Berlin wurde der ehemalige Mediziner und Magistratsbureaugehilfe Max Kikebusch unter dem dringenden Verdacht ver haftet, seine drei Kinder vergiftet zu haben. Im September kam das dritte Kind zur Welt und starb nach wenigen Stunden. Da Gerüchte um gingen, daß es eines gewaltigen Todes gestorben sei, wurde die Leiche ausgegraben und beschlag nahmt. Der Gerichtschemiker Dr. Jcserich kon statierte Spuren von Lysol und Wasserstoffsuper oxyd. Es wird nun als wahrscheinlich ange nommen, daß Kikebusch auch die beiden ersten Kinder, die gleichfalls sehr schnell nach der Ge burt starben, vergiftet hat. Die Exhumierung auch dieser Leichen wurde angeordnet. Kckebusch befand sich mit seiner Ehefrau in großer Not. Mehrere Gifte wurden bei ihm beschlagnahmt. * Familientragöbie iu München. Als Frei tag mittag das Dienstmädchen des Arztes Dr. Hallmeyer in München nach einem Ausgang in die Wohnung seiner Herrschaft zurückkehrte, fand es den Arzt mit einer Stichwunde tot auf dem Boden des Schlafzimmers liegen. In den Betten lagen die Frau, der zehnjährige Knabe und das elfjährige Mädchen mit durchschnittenen Kehlen. Dr. Heilmeier hatte zuerst seine Angehörigen und dann sich selbst getötet. Das Motiv der Tat war Vermögensoerlust durch unglückliche Speku lationen. Dr. Hallmeyer ist erst vor kurzem aus einem niederbayerischen Orte nach München ge kommen, wo er keine Praxis fand. Er soll sich mit Patenten für Krankenmöbel eingelassen haben und scheint sein Vermögen dabei verloren zu haben. 900 Mark wurden noch in seiner Woh nung gefunden. * Lö sicher Reitunfall eines Fliegerosfiziers. Hauptmann Hildebrand vom Fliegerbataillon Nr. 4, der langjährige Zeppelinführer, stürzte mit dem Pferde und zog sich so schwere Ver letzungen zu, daß er nach drei Tagen starb. Hauptmann Hildebrand, der auch schriftstellerisch sehr für die Flugsache gewirkt hat, wurde im Sommer 1912 in Johannisthal zum Flieger ausgebildet. * Die deutschen Retter. Der Passagierdampfer „Kronprinzessin Cecilie" des Norddeutschen Lloyd traf auf der Reise nach Newyork den französischen Dreimaster „Patrie" brennend an. In einem Boote wurden 22 Mann der französischen Mann schaft geborgen. Da hoher Seegang herrschte, ist anzunehmen, daß die übrigen Boote der „Patrie" gekentert sind. * Entgleisung eines Pariser Erprehzuges. In der Nähe von Malbosc im Departement Ar- dcche entgleiste der Expreßzug Paris—Nimes in Südfrankreich. Der Zug war in voller Fahrt. Die ersten beiden Wagen stürzten die Böschung herunter. Zwei Reisende wurden getötet, zehn andere schwer verletzt, die übrigen Passagiere der entgleisten Wagen konnten nur mit großer Mühe gerettet werden. Man führt das Unglück darauf zurück, daß die Schienen infolge der andauernden Regengüsse der letzten Tage unterwaschen waren. * Ein Damen-Duell. Auf Nanna in der Nähe von Riga fochten zwei Schwestern, die beide ein und denselben jungen Mann liebten, ein Duell mit Pistolen ans. Die eine wurde getötet, die andere so schwer verletzt, daß an ihrem Auf kommen gezweifelt wird. Sturmvögel. Ein Schisfsroman aus dem Nordland von Anny Wothe. 42. Forts. (Nachdruck verboten.) 1910 Kslprig. „Und das alles ist wahr?" fragte Sigrun mit flimmernden Augen. „Und du hast es gewußt, so lange du schon auf dem Schiff warst, und du hast es mir nicht mitgeteilt? Du wußtest, welche Schmerzen meine Seele litt, und du tatest nichts, sie zu lindern?" Ich durste nicht, Sigrun, ich mußte erst des Doktors Nachricht abwarte», der ja noch gar nicht wissen konnte, ob seine Hoffnungen trügerisch waren. Heute endlich fand ich in Reykjavik eine Depesche. Hier ist sie." Er reichte Sigrun ein Blatt Papier. Mit flimmernden Augen las sie, während ihpe Hände zitterten: „In vier Wochen hoffe, kleinen Sohn in Pflege geben zu können. Er ist bei vollem Bewußtsein und sehnt sich nach Vater und Mutter. Vollständige Genesung glaube ich als sicher verbürgen zu können. Dr. Michels." Da rang sich ein wilder Schrei jauchzend von Sigruns Lippen, und Thit in die Arme stürzend rief sie, während heiße Tränen über ihr Antlitz rannen: „Mein Kind wird leben, es wird nicht elend sein durch seines Vaters Schuld, o Gott, ich danke dir aus tiefster Seele!" Bodenbringk stand erschüttert. Er halte plötzlich das Gefühl, als müsse er warm mtt- empfindend dort zu. dem bleichen Manne treten, der so schwer und tief litt, und als er in Thits Augen sah, die so erbarmend zu dem Schwager hinübersahen, da las er in ihnen das gleiche Gefühl. „Ich wollte dich nun fragen," nahm Einar unsicher zu Sigrun das Wort, „ob du mit mir zurückkehren willst in mein Haus? Der Arzt meint, daß die gewohnte Umgebung den heilsamsten Einstuß auf Gynars Gemüt haben dürste, und daß wir alles vermeiden müßten, was ihn irgendwie erregen oder sein kleines Gehirn durch Grübeln und Denken anstrengen könnte. Ich weiß, wie verabscheuungswürdig ich dir bin, aber ich weiß auch, daß du dich vielleicht deinem Kinde zuliebe überwin den kannst, es auch mit mir zu ertragen. Du sollst ganz frei und Herr deines Willens sein. Ich verspreche dir, mich dir nicht anders zu nahen, als es selbst in deinen Wünschen liegt. Wir werden jeder, wie du es wünschest unser eigenes Leben führen. Nur in unserem Kinde, da werden wir zusammengehen, da werden wir suchen, ihm das Leben licht und schön zu machen, dankbar gegen den All vater, der die gräßliche Schuld von meiner Seele nahm. Nun entscheide dich, Sigrun, morgen früh schon geht die Ozeana in See. Sott sie uns gemeursam zurückführen über das Meer, unserem Kinde zu?" Sigrun stand mit gefalteten Händen. Unter dem weißen Busenlatz bebte ihre Brust im kramp'haften Schluchzen, dann aber sprach sie tief und feierlich: „Ich gehe mit dir, Einar Everson. Unser Kind, das uns wieder ge schenkt ist, soll nicht Vater- und mutterlos sein." Einar Everson neigte stumm den Kopf, dann schob er die Perücke wieder über das dunkle, kurzgeschnittene Haar und den braunen Bart, um das btasse Gesicht, aus welchem schon wieder die Brillengläser funkelten. „Ich bleibe auf der Ozeana der Fremde, der Mann ohne Namen, wie du Frau Thom sen und Thit Marne Jensen bleiben werdet," sagte er. „Tas wird unsere gemeinsame Reist erleichtern und verhindern, daß die Passagiere der Ozeana über uns ihre Glossen machen. Wir müssen unsere Nollen gut zu Ende spielen, denn ein Postdampfer, wenn wir einen solchen finden, dürfte uns kaum früher ans Ziel bringen, als unsere schöne, stolze Ozeana, die durch die norwegischen Fjorde fährt und uns Zeit gibt, uns zu sammeln und unsere Herzen ruhig zu machen stir hie große und schöne Ausgabe, die uns in der Heimat winU." Olaf trat jetzt auf ihn zu und reichte ihm warm die Hmd. Thit sah ihm r>Ht und stumm in die Augen, dann nickte sie leise und sagte ernst: „So soll es sein! Die wilden Falken flattern zurück übar das Meer, und der Alte sitzt im Horst und hütet ihn. Ist die Umkehr recht, Vatev?" Halfdan Oddurson trat leise herzu. In seinen Welt ernen Augen glomm ein seä.sam Licht, und er sprach: „Mao, der Alte, hat wahr geträumt. Die Sturmvögel ziehen von dannen. Beide streben einem stillen Nest zu, fern übers Meer. Ich lächle dazu, denn sie gehen den Weg, den ich sie gelehrt, den Weg, den das Herz gebietet. Heißa, mein Falke, kühn ist der Flug, fahr wohl!" Er neigte feierlich das weißhaarige Haupt, dann schritt er zur Halle hinaus. Einar Everson und Olaf von Bodenbringk rüsteten zum Aufbruch. Sigrun war dem Vater stumm gefolgt, aber Thit stand wie ein Königsliud mit dem lang herabwallenden Schleier in der Halle und gab Gnudson, dem Knecht, der die beiden Männer geleiten solt.c, ihre Befehle. Es war fast Mittagszeit, aber sie mochten nicht Speise noch Trank, die geboten wurden. Es drängte sie, die Frauen allein zu lassen mit dem atten Vater zur kurzen Gemeinschaft. Wie zwei Freunde ritten mitsammen die Männer von dannen. Der Regen hatte nachgelassen. Graues, zer fetztes Gewölk jagte über die dunkle Land schaft an dem schwefelgelben Mittagshimmel dahin. Thit stand an der Tür und sah den Män nern nach- Olaf wandte sich bittend zurück. Da ließ sie ihren weißen Schleier grüßend im Winde wehen. Heute abend noch würde sic ihn Wiedersehen, heute abend noch würde er vielleicht zu Marne Jensen sagen, wie so oft in der letzten Zeit: Mein lieber Junge. Oder »ein? Würde er das jetzt nicht mehr tu», wo er wußte — — — Glühend stieg das Bhnt in Thits Gesicht. Beide Hände preßte sie gegen ihre glühende Schläfe, sie schämte sich zum ersten Male ihrer Jungenkleider, die sie heute abend wie der anlcgen mußta, und wußte doch selbst nicht, warum eine so heiße Schani ihre junge Seele überflutete. Einar Everson sah nicht nach dein Gunar- hofe zurück. Er wußte, daß dort kein lieben des Auge sehnsüchäg ihm nachblicktc. Er sah starr auf den Weg geradeaus. Der war müh selig und holperig. Er meinte, den Geist der alten Sagen zu spüren, der über dem wei ten-, öden Lavafeld schwebte, das sie durch ritten. Er meinte, das Schlagen der Herzen aus grauer Vorzeit zu vernehmen, das wild aus dein lote» Gestei» hervorbrach, währe»d ei» Adler küh» zur Sonne stieg, die jetzt durch die Wolken b>rach. Wie rinnendes Kristättgcsunkel sah er wiche Wasser von den Fjelde» herniederstürzon in das brausende Meer, und er hatte das Gc fühl, als wenn ein geheimnisvoller Strom, Schranken niederreißend, durch Nacht und Graus den Weg von Herz zu Herzen fand. Seine Seele war still geworden. Er sjühltc, während er an Olafs Seite Islands Haup«- jtadt zurilt, daß er heute nicht nur Sigrun zu sich zurückgezwungen, sondern daß er auch in Olaf von Bodenbringk einen Freund fürs Leben gefunden, lind das rinnende Rätsel der Liebe versank vor ihm. Kei» Wünschen und Begehren war mehr in ihm, nur der eine große, heilige Wunsch: zu sühne». lieber Reykjavik flog der weiße Schaum des Meeres wie stiebender Schnee, und blut rot stand am Himmel die Sonne. Fern über dem Gunarhos kreiste ein Aar in der Luft, lind dann ging es hinein in die laue Commcrriackst von Islands ewigem Tag. Eine Nacht voller Schauer und gcheimnis- tiestn Entzückens, eine Nacht der Sehnsucht und des Glückes, die zwei wilde Vögel wie der zurückführtc aus das stille, weiße Schiff, das mit klopfenden Putlsen auf den smarag denen Wollen lag und sich leise auf den wei ßen Schaumkronen wiegte. Und über die Wellen klang die attc Hymne, die ernste, isländische Frauen schwermütig am Ufer sangen: „Ein Tag ist für dich wie tausend Jahr, Ein Jahrtausend ein Tag, der verglüht«, Ein Ewigkeitsblümlein mit zitternder Trä» Das, Gott anbetend, verblüht. Islands tausend Jahr' — Ein Ewigkeitsblümlein mit zitternder Trän Das, Gott anbetend, verblüht." Eine blauende Nacht lag über dem Hasen von Reykjavik. (Fortsetzung folgt.)
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