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UUM M HchkiAiii Amkizn Tsgrblstt. ^va LVW 40. JahvgauK Sonntag, de« 0. November 1018 Das große Sterben Astronomische Skizze von Dr. A. D o l fiE l s. Nachdruck verboten. „Alles Entstehende kommt mit seinem To desurteil aus die Welt." Wenn je ein Dich terwort seinem Inhalte und seiner Bedeutung nach wahr gewesen ist und immerdar wahr sein wird, io ist es dieser Ausspruch Georg Ebers. Jeder Winter zerstört die schönen, duftigen Gebilde unserer Fluren. Zahlreiche Familien uud ganze Geschlechter von Tieren sind bis aus die letzten Reste derselben ver gangen, uud selbst ganze Völkerschaften!, welt- beberrschende Nationen ziehen an uns vor über wie Bilder eines Schattenspiels, und alles, alles, was uns hier nicken umgibt, wird von dem Strome der Zeit fortgerissen und eilt unaufhaltsam seinem Endzustände der Auslösung uud Zerstörung entgegen. Un ser Wohnort ist mit den Ruinen und mit dem Staube von Pflanzen und Tieren der Vor- welt bedeut, und es wird eine Zeit kommen, Ivo man über die Pyramiden, über die Haupt städte Europas wie jetzt über Babylon und Kavthago, über Pompeji und Troja hingehen und kaum eine Spur derselben erblicken wird. Wir seben somit, das? allen Dingen auf dieser Erde nur eine oft sehr kurze Periode ihres Daseins angewiesen ist, nach welcher sie alle versckwinden uud, wenigstens in die ser Gestalt, nicht mehr wiederkommen. Von diesem, wie es scheint, nicht minder allgemei nen Gesetze der Natur, dessen zerstörende Wir kungen uns von allen Seiten in der Nähe umgeben — sollten davon die „ewigen" Sterne, also auch unsere Sonne mitsamt ihren Pla. neten und deren Trabanten, eine Ausnahme machen? Oder müssen wir vermuten, daß auch sie allmählich ihrer Bestimmung entgegen reifen und altern und von denselben Kräften, die sie erzeugt und so lange erhalten haben, auch einstmals wieder zerstört werden? Schon der altgriechische Philosoph Hera klit lehrte die Ekpyrose oder den Weltenbrand, den Untergang der Erde durch Verbrennung ihrer SteMc, und diese Mythe rinden wir spä ter wieder in den kosmogonischen Anschau ungen der Stoiker, sowie bei den alten Deut schen in ihrer Sage von der Ragnarökkr — Götterdämmerung —. Noch älter aber ist die Ansicht, daß der Erde durch einen Zusam menstoß mit einem Kometen, der „Zuchtrute Gottes", wie ihn zuerst Johannes Damas- cenus in der ersten Hälfte des achten Jahr hunderts nach Christi nannte, möglicherweise den Todesstoß versetzt werden könne. Als der Athener Gesetzgeber Solon, einer der sogenannten sieben Weisen Altgriechenlands, um das Jahr 600 v. Ehr. Aegypten besuchte, erklärten ihm die Priester im Neithtempel zu Sais, daß der Mythos vom Phaeton, dem Sohn des Sonnengottes Helios, der den Sonnenwagen lenken wollte, dabei aber die Erde anzündete, sich auf eine Abweichung im Laufe jener Körper bezöge, „die sich um die Erde und im Himmelsraume bewegen", und daß durch dieselbe aus der Erde eine große Feuersbrunst hervorgerufen wurde, vor der nur diejenigen entkamen, die in der Nähe von Flüssen und Seen lebten. Man hat diese sich um die Erde und im Himmelsraume be wegenden Körper für Kometen gedeutet u-nd daraus hingewiesen, daß die Traditionen der Aegypter möglicherweise auf eine ungeheure, durch den Zusammenstoß eines Kometen mit der Erdoberfläche entstandene Feuerkatastrophe hindeuten. Aber diese Annahme entbehrt jeg licher Begründung, da durch die Beobachtung erwiesen ist, daß man die sonst am Azur er kennbaren Sterne selbst durch den dichtesten Schweif eines Kometen noch wahrnehmeu kann, während beispielsweise schon eine dünne Rauchwolke den Anblick der Sterne verhindert. Die Kometen müssen demnach überaus lockere Gebilde sein, und die einzige Folge des „Zu sammenstoßes" würde ein prächtiger Stern schnuppen- und Meteoritenfall sein, gegen den unsere Atmosphäre einen überaus wirksamen Schutz bietet. Fällt nun aber mal ein be sonders großer Meteorstein zur Erde, so kann allerdings nicht in Abrede gestellt werden, daß derselbe einen Menschen erschlagen kann. Die Statistik hat aber gezeigt, daß in jedem Jahr hundert nur einmal ein Mensch durch ein Meteor erschlagen wird, sodaß zu Befürchtun gen, namentlich zu solchen einer Gefährdung dos Bestandes der Erde, absolut kein Anlaß vorliegt. Hat daher heutzutage die Annahme eines verderbenbringenden Zusammenstoßes der Erde mit einem Kometen keinerlei Berechtigung mehr, so besitzt die des etwaigen Zusammen stoßes derselben mit ihrem Zentralkörper — der Sonne —weit größere Wahrscheinlichkeit. Neber diese wollen wir jetzt reden. Seit nunmehr drei Jahrhunderten wissen wir, daß die Fortpflanzung der oszillierenden Bewegung von Licht und Wärme eines kör perlichen, den ganzen Raum erfüllenden Sub strats, des sogenannten Aothers, bedarf, und dieser muß der Bewegung der Himmelskör per einen wenn auch noch so geringen Wider stand entgegensetzen und deren Geschwindigkeit und Umlausszeit vermindern. Dieselbe Wir kung müssen die fortwährend niederfallenden Meteormassen ausüben, und diese Erscheinun gen werden ein überaus langsames, aber ste tig fortschreitendes Ueberwiegen der durch die Schwerkraft hervorgebrachten Anziehung der Sonne über die zentrifugale Kraft der Planeten lervorbringen. Die Planeten wer den demnach nicht Ellipsen, sondern sehr enge Spiralen beschreiben, und sich immer mehr der Sonne nähern, bis sie endlich aus diese niederstürzen. Natürlich wird Merkur zuerst dies Schicksal erleiden, ihm werden Venus, dann die Erde, schließlich — die dauernde Wirksamkeit der erwähnten Ursachen voraus gesetzt — alle übrigen Planeten folgen. Jene Ursachen wirken aber auch aus die Bewegun gen der Satelliten ein und müssen zu deren Vereinigung mit den Planeten führen, lange Zeit bevor letztere in die Sonne stürzen. Voraussichtlich wird also in sehr ferner Zukunft aller in unserem Sonnensysteme vor handene Stoff sich wieder in der Sonne ver einigt finden. Der unaufhörliche Zusammen stoß kleinerer und größerer Welt.'örper mit der Sonne wird inzwischen diese in ihrem gegenwärtigen Zustande erhalten. Die Wärme zusuhr, die die Sonne durch diese Zusam menstöße empfängt, wird aber aufhören, so bald alle in ihr System gehörigen, jetzt noch selbständigen Planeten, Satelliten, Kometen und Meteore in ihr untergegangen sein wer den. Für die Wärme, die sie durch Aus strahlung in den Weltenraum fortwährend ver liert, wird dann kein Ersatz mehr geboten: der Connenball wird immer kälter werden und die ganze Masse wird schließlich die Tem peratur des Woltenraumes annehmen. A er auch die anderen Fixsterne müssen dieses Schicksal der Sonne -teilen, auch sie mässen schließlich ihren gesamten Licht- und Wärmevorrat in den Weltenraum ausstrahlen. Hierzu sagt Helmholtz: „Wenn sämtliche Kör per der Natur eine und dieselbe Temperatur hätten, so würde es unmöglich sein, einen Teil ihrer Wärme wieder in Arbeitskraft zu rückzuverwandeln. Aber die Wärme heißer Körper strebt fortwährend durch Leitung und Strahlung aus weniger warme überzugehen und ein Temperaturgleichgewicht hervorzu bringen. Bei jeder Bewegung irdischer Kör per gebt durch Reibung oder Stoß ein Teil mechanischer Kraft in Wärme über, von der nur ein Teil wieder zurückverwandelt werden kann. — Und wenn also das Weltall unge stört dem Ablaute seiner physikalischen Pro zesse überlassen wird, so muß endlich aller Kraftaufwand in Wärme übergeben und alle Wärme in das Gleichgewicht der Temperatur kommen. Tann ist jede Möglichkeit einer wei teren Veränderung erschöpft, dann muß ein vollständiger Stillstand aller Naturprozesse von jeder mögslicken Art eintreten; auch das Le ben der Pflanzen, Tiere und Menschen kann natärlicki nicht weiterbestehen, wenn die Sonne ibre höhere Temperatur und damit chr Licht verloren bat, wenn sämtliche Bestandteile der Erdoberfläche die chemischen Verbindungen ge schlossen haben, die ihre Verwandschaftskräfte fordern. Kurz, das Weltall wird von da ab zu einer ewigen Ruhe verurteilt sein." Die Ewigkeit der Atome endigt also in der Ewig keit des ruhenden Chaos, und das Weltall wird wieder jener träge rudis indigestaguc moles, der nach unserer Meinung vor Beginn alles Zeitlichen den Raum gleichmäßig erfüllte. Der Weltpvozeß wäre damit tatsächlich beendet und das wahre Ende der Welt eingetreten. Diese Ausführungen sind später von Clau sius im Anschlusse an den französischen Phy siker Sadi Carnot noch vervollständigt worden « K ANerlei^Kttrzweil. » K « Denksvrüche. Tuen Lüfte noch so klar, Sei die Tiefe noch so still, In Gefahr ist immerdar, Wer durchs Leben schiffen will. * * * Durch fremden Schaden wirst Du Klugheit nie erringen; Durch eignen Schaden kannst Du's bis zur Weisheit bringen. Bilder-Rätsel. Rätselecke. Rätsel. 1. Was ist größer als Gott, Aergcr als Satan, der Vater der Sünden? Tote esscn's — und Lebende finden, Wenn sic es essen — den Tod! — 2. S.'adt in Württemberg bin ich, Drei Laute nennen dir mich, Füg' mir an einen Laut, Werd ich zum stattlichen Baum. Buchstaben-Rätsel. Z, W und G steis zugcspitzt! Der Zopf auf dem Kopfe sitzt. Im W ein Chor von Sängern sitzt; Der G hoch in den Wolken sitzt. Scharade. Das Erste hüllt in Trauer Der Schöpfung Zauber ein. Stets müssen auf der Lauer Die andern Beiden sein. Es wandelt seine Wege Das Ganze friedlich hin; Doch immer sind es Schläge, Die es von hinnen zieh'n. Gleichklang. Beim Wetter wird es sehr beachtet, Bald wird's gefürchtet, bald erhofft. Wie man es anlegt, hab' betrachtet Genau ich; Heilung bringt es oft. Dem Händler ist's von Wichtigkeit Auf Markt und Messen allezeit. Vexierbild. Jetzt rasch noch ein Kränzlein für unsere große Schwester, die dort kommt! Wo ist sie denn? (Auflösungen in nächster Nummer.) «uflSsunge« au» Nummer 44. Der Rätsel: 1. Traum — Raum. 2. Kette — Klette. 3. Schleier — Leier. Des Gleichklang-Rätsels: Bestand. Des Silben-Rätsels: Wortwechsel. Des Logogriphs: Eugen — Augen — Fugen. Des Buchstaben-Rätsels: Brieg — Krieg. Des Scherzrätsels: Aster (—er), Ast. Des Bilder-Rätsels: Winternacht. Lill-er-Zeitvag. MU Mchu Dr d-M tzkHasi SASstzÄkL. Nr. 45. Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. 1913. Hänschen im Winde. Von Helene Koch. (Nachdruck verboten.) „Huh, Herr Wind, wie bläst du so kalt! Reißt an den Bäumen mit Gewalt, Wirfst mit Aepfeln und Birnen herum, Zerrst und zausest die Bäumchen krumm, Hebst aus den Angeln die Fenster schier — Nimmer, Herr Wind, gefällst du so mir!" Doch der Wind saust weiter ums Haus, Hänschens Schelten macht ihm nichts aus; Aber ans Fenster klopft — hui! — er an: „Komm doch her«us, du kleiner Mann! Lauf' einmal um die Wette mit mir, Sollst dann sehn, ich gefalle dir!" Und unser HänSchen versteht den Wind, Greift nach Jacke uud Mütze geschwind, Springt und macht einen Wettlauf fein — Pustend saust Herr Wind hinterdrein! „Herrlich war's!" rief Hänschen und lacht: „Morgen komm wieder ich! Heut gute Nacht!" Was die Lampe erzählt. Von Hans Jung. (Nachdruck verboten.) Die kleine Ursel liegt still auf dem Sofa. Sie ist krank gewesen und ist noch ein wenig matt. Keine ihrer Schulfreundinnen darf zu ihr, und die Mutter kann nicht immer bei ihr sitzen — ach, wie schleicht da die Zeit! Im Stübchen ist's warm und gemütlich; der Ka chelofen meint es gut. Ursels Blick hängt träumerisch an dem rot durchscheinenden Licht kegel der sorglich vom Schirm verhüllten Lampe. Leise summt die Flamme, fast melodisch — Ursel wundert sich, daß sie früher nie auf dieses zarte Summen achtgegeben hat. Und wie das kleine Mädchen aufhorcht, da formt sich eine leise Sprache — und die singende Flamme erzählt: „Gefangen hat mich der Mensch, der mäch tige, der sich alle Elemente dienstbar macht. Einst gab es eine Zeit, da ich frei loderte zum Himmel, aus welchem ich als Blitzfunke ent sprungen war. Wem mag der kräftige Arm gehört haben, der zuerst den brennenden Baum ast brach und mit geschwungener Fackel das erste Lagerfeuer für den Familienstamm an zündete? Heilig war ich fortan, und schwere Strafe traf den Hüter, der mich achtlos ver löschen ließ. Licht spendete ich in langen, öden Winternächten, Wärme im starrenden Frost — Wohlgeschmack den Speisen. Ich härtete die ersten Tongefäße, lehrte das Erz schmelzen, scheuchte die hungrigen Raubtiere. Und viele Jahre vergingen — Jahrhun derte. Da fing man die freie Flamme noch enger ein; die Oelschale wurde die erste Lampe. Nicht nur ans Ton, sondern bald auch aus getriebenem Kupfer, Silber oder gar Gold ver fertigt, schimmerte sie in den zarten Händen der griechischen und römischen Frauen. Und wieder vergingen die Jahrhunderte. Im festlichen Rittersaal loderte ich, wie in ur alter Zeit, als Kienfackel von der Wand und leuchtete den festlich geschmückten Herren und Edelfrauen zum Neigen. Ringsum zierten kunstvolle Teppiche die rauhen Steinwände; alle waren von den fleißigen Händen der Burgfrauen gestickt oder gewebt in den langen Winterabenden, beim Schein der stillen Oel- lampe. Aber jetzt wurde die einfache Oel schale von oben verschlossen, so daß der schwim mende Docht nur ein wenig aus der Tülle herausgezogen zu werden brauchte. Immer enger wurde die Gefangenschaft der freige borenen Flamme. Was Wunder, daß ich im wilden Grimm nach meiner Freiheit strebte? Und wenn es mir bisweilen gelang, die Knechtschaft abzuschütteln, daun hob ich mich himmelhoch als wütende Feuersbrunst und fraß in furchtbarer Wut alles, was Menschen hand mühsam erschaffen hatte. Doch immer wieder fing man den wilden Flüchtling ein, und immer enger wurde mein