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ßMW m Hsheiißkii-Elsßlhlllkr Dstizn Tr-eblatk. Sonntag, den IS November ISIS. Nr. 267 Aus der Zopfzeit Novellette von A. Hinze. Nachdruck verboten. Die Jahreszahl 1789 stand in dem Giebel des neuen Hauses eingemauert, das der Ratsherr, Herr Balduin Mohrmann, sich von dem Rest seines Vermögens, das er aus den unlängst beendeten Kriegsjahren sich gereitet, hatte bauen lassen. Das alte PatrizievhauS der Mohrmanns war ein Oper der Kriegsfurie geworden. Das neue Haus war sehr „commode" ein gerichtet. Die Zimmer hatten Tapeten mit gemalten, bunten Vögeln, die den Beschauer entzückten, sowie blaue Kachelöfen. Die Haupt sache aber war, daß das neue Haus ersicht lich Glück krachte, denn das erste Fest, das man darin gefeiert hatte, war ein Vevlobungs- schmaus gewesen. Der Ratsherr hatte seine einzige Tochter, die liebliche, kleine Demoiselle Philine, dem reichen Arnsberger zugesprochen. Ungeachtet des Weh und Ach, mit dem die ahnungslose Kleine des Vaters Machtwort ausgenommen. Die Fran Mutter, welche just am Arbeits zimmer ihres Ehe^errn vorübergekommen war, als dahinter die Stimmen sich erhoben, war lauschend stehen gMieben. Von Schrecken er faßt und die Hände ringend, hatte sie Phi- linchens zwitscherndes Stimmchen vernommen, und daß das unvernünftige Kind es wagte, gegen den Willen des Herrn Vater zu eifern. „Die Leute sagen, der Heer Arnsberger sei ein Filou!" hatte Philine geschluchzt. Des Ratsherrn Hand war schwer auf die Tischplatte niedexgesaust: „Was erlaubt die Demoiselle Tochter sich»!?" hatte er sie niederdisputiert. „Ein gar repu- tierlicher und gewichtiger Mann ist der Herr Arnsberger und mir als Freiersmann hoch- wMommen. Sein Reichtum wird unserem Hause den Glanz miedergeben, den die Kriegs zeiten ihm geraubt, und die Demoiselle Toch ter eine vielbeneidete Frau werden." „O, Herr Vater," war da wieder das zwit schernde Stimmchen ertönt, „die Leute erzäh len sich, der Herr Arnsberger liebe Wein, Weib und Gesang. Und — und — ach, Herr Vater, mir graut vor dem Arnsberger." „Wo hat die Jungfer Naseweis solche Re den ausgefangen, wo sie doch bewacht wird wie ein Augapfel!" hatte nun Herr Balduin Mohrmann geschrien. „Zu gehorchen ihrem Herrn Vater, der nur ihr Bestes will, hat die Demoiselle! Und liebreich zu sein, aber auch züchtig, so wie die Männer es an den Frauenzimmern gern haben, wenn ihr Herr- Bräutigam kommt. Punktum." Philine schritt an der Seite der Fran Mutter durch die Straßen. Die Damen wa ren auf der Wohnungssuche. Fein züchtig trippelte Philine aus ihren Stöckelschuhen neben der Mutter her. Sie trug ein buntgeblümtss Seidenkamisoh auf dem hochtoupierten, gepuderten Haar schwebte ein winziges Hütchen. Weich der Mutter trug sie Pompadour und Fächer. Mitunter seu zte sie schwer. Das war, wenn ihr Mick auf den dicken, schlichten Goldreif fiel, der unter dem Filethandschuh an ihrer Linken blinkte. Mit diesem Ring hatte der Herr Arns berger sie zu seiner Braut geküßt. In dem Zimmer mit den gemalten Vö geln war es gewesen, wo der Vater sie dem Arnsberger zugeführt. Das vollwangige Gesicht des stattlichen Vierzigers hatte in Befriedigung geglänzt. „Mein auserwähltes Herz!" Damit hatte er die reizende Philine in die Arme geschlossen. Wie ein geängstigtes Vö- gelchen hatte -sie an seiner breiten Birust ge ruht, wo das fein gekältete Spitzenjabot unter den Atemzügen des Arnsberger erzittert war. Allerhand zierliche, werbende Worte hatte er in ihr Ohr geflüstert und mit sengendem Kuß sie geküßt. Und dann hatte er ein Halsband aus Karfunkelsteinen ihr um den Hals gelegt, und die Mutter hatte getrumpft:. „Das muß man sagen, der Herr Bräutigam versteht es, die Mamsell Braut zu hofieren!" Philine aber war es, als ginge von dem kostbaren Geschmeide ein kalter, hochmütiger Glanz aus, vor dem all das unverstandene junge Sebnen und Wünschen, das in ihrer Brust lebte, dahinsterben würde, wie diejun- j gen Triebe sterben, wenn ein Reis sie trifft zur Frühlingszeit. — Der Herr Avnsberger wünschte bald Hoch zeit zu halten — in der Landgrafenstraße war eine commode Wohnung freigeworden. Sie eigne sich vortrefflich für ein junges Paar, hatte der Herr Agent Frau Christine Mohrmann versichert. Deren Stimme riß Philine aus ihren Grübeleien. „Wer ist der junge Mosjö dort, der sich herausnimmt, uns zu grüßen-?" klang es in scharfem Ton., als sie an einem stattlichen Hause vorbeikamen, unter dessen Tür ein jun ger Mann mit unbedecktem Haupt getreten war, etwas hassig, und sich vor den Damen verneigte. Ein süßer Schrecken war in Philine und ihr Herz klopfte hörbar. So war es ihr die wenigen Male geschehen, wo sie dem jungen Herrn begegnet war. Einmal, als sie zur Mamsell Röper gegangen, die sie im Spirwit- sstielen unterrichtete. Das nächste Mal, als Peter, der alte Diener, sie in die Kirche be gleitet- Um die Abendstunde war es gewesen. In der bläulichen Dämmerung hatte sie plötz lich den Mosjö dastehen fehen, gerade, als habe er aus ihr Herankommen gewartet. Und in dem Dämmerschein hatte sie seine Augen auf sich gerichtet gesehen — große, dunkle, bewundernde Augen. Seitdem war das Sehnen in ihr — Wie aus einer Sünde ertappt, schrak sie zusammen — die Mutter fuhr sie heftia an. Wie sie sich habe erdreisten dürfe», den Gruß des fremden Mosjö zu erwidern. Als Braut des Herrn Arnsberger dürfe sie kein Tüpfel chen von ihrer Züchtigkeit abweichen. „Ich will nicht hoffen, daß Du den Herrn etwa kennst?" schloß Frau Christine drohend. Philine verneinte; das durfte sie getrost. Aber im Geiste sah sie das Schild, das neben dem messingnen Klopfer an dem Hause an- gebracht war, vor dem eben der junge Mosjö gestanden. Ernestus von Rieben-, Rechtskon sulent, stand daraus. Ob „Er" der Ernestus von Rieben war? Die Damen hatten die Landgrafenstraße erreicht. Frau Christine redete davon, daß 40. Jahrgang. cs wünschenswert sei, die Wohnung sei schon mit Spiegeln ausgestattet, was dazumal nicht selien war, damit der Herr Arnsberger nicht die Maladresse hätte. -- „Meiner Six nicht übel!" nickte Frau Chri stine, als sie jetzt vor dem gesuchten Hause Halt machten, und ihre Augen hafteten an der stattlichen Fenstersront mit den Butzen scheiben. „Wenn das Innere des Hauses so commode ist, wie sein Aussehen, so ... . Wie hat doch der Herr Agent gesagt? Der Schlüssel zur Wohnung ist abzuholen bei der Witwe Siebel nebenan? Nicht wahr, Phi line?" „Ja. Frau Mutter." Diese schritt bereits auf das Neben-Haus zu. Es Wass ein Eckhaus. Eine große?, hünst- liche Weintraube hing an einer Stange über dem Eingang. Weinstube von Marianne Siebel stand aus einem Schild zu lesen. Die Weinstube der Witwe Siebel war be rühmt durch den guten Tropfen, der hier ge schenkt wurde, und ein gern gesuchter Auf enthaltsort der Ratsherren und Notabilitäten der Stadt. Man wußte zu erzählen von den Weingelagen, die hier abgehalten wurden, und daß die Stimmen der fröhlichen Zecher gar oft hinausschallten und in den Ruf des Nachtwächters, wenn er die Stunden abrief. Eine rüstige, sauber aussebende Frau kam den Eintretenden entgegen, als sie in den weiten, kühlen Hausflur traten. Die Frau trug einen steifgestärkten Rock aus Glanzkat tun, und aus den straff emporgekämmten Haaren eine hohe Flügelhaube. „Ich bin die Siebeln," sagte sie mit einem Knix. „Womit kann ich den liebwerten Herr schaften dienen?" Frau Christine berichtete. Sie tat es von obenhin, wie stets, wenn sie mit gewöhnlichen Leuten sprach. Doch ihr Mitteilungsbedürf nis, das oftmals sie Hinriß, ließ auch jetzt sie melr sagen», als sie gewollt. „Mein Eleherr, der Herr Ratsherr Mohr mann, Hot sich ja ein neues, sehr commodes Haus bauen lassen — aber zu einem zweiten Haushalt reicht es doch nicht aus; das würde doch gar zu sehr deprefsieren. Die Wohnung » « Allerlei Kurzweil. « » Denksprüche. Und wärest du dem ärmsten Bettler gleich: Bleibt dir ein Freund, so bist du reich; Und wer den höchsten Königsthron gewann Und keinen Freund hat, ist ein armer Mann. * * * Schmeichler sind wie Sonnenblumen, Blicken nach dem Himmel hin, Wurzeln aber in der Erde, Suchen Vorteil und Gewinn. Rätselecke. Rätsel. 1. Ein Gau in Schwcizerlanden, Der liegt in festen Banden In einer italienischen Stadt. Sag', was das zu bedeuten hat! 2. Die erste Silbe deutet meist auf alte Zeit, Die zweite Silbe uns im Lenz das Äug' erfreut, Das Ganze liebt immer gar sehr der Soldat, Doch auch mancher andre es gerne hat. Schirme. Das Erste macht gar mancher Im Leben bald toll, bald schlecht. Das Zweite steht im Walde, — Doch überleg' es recht. Das Ganze dient uns täglich, Es schläft im engen Haus. Jst's erst erwacht, dann läßt sich's Nicht halten und geht auS. Homonym. Mich hat das Gebirge — Mich tragen die Hähne — Hab' auch keinen Mund ich, So hab' ich doch Zähne. Wer bin ich? Buchstaben-Rätsel. Mit K auf Köpfen werden sie getragen, 'In Farbe sehr verschieden und Gestalt. Mit L den Volksstamm kannst du nur erfragen Im Norden von Europa, rauh und kalt. Mit M zur Schule trägt sie jung und alt, Mit R zteh'n feurig Schlitten sie und Wagen. Arithmogriph. 123456789 10 eine preußische'Stadt. 2 3 2 3 2 4 ein asiatischer Berg. 3 8 5 10 5 6 eine Insel. 4 3 2 8 6 ein Nebenfluß der Donau. 5 8 3 5 ein französischer Fluß. 68 5 96753 10 eine bayrische Stadt. 7 5 2 9 6 eine französische Provinz. 8 3 7 2 6 ein männlicher Name. 9 5 10 5 6 ein atmosphärischer Niederschlag. 10 5 6 8 2 eine italienische Stadt. Scherzfrage«. 1. Welches Land ist eine Stadt? 2. Welche Zeit ist die beste? 3. Welche Rolle nimmt jeder gern? 4. Welcher Schlag schmerzt nicht? 5. Welcher Baum wächst nicht? 6. Welche Gatten haben keine Kinder? 7. Welches Wissen hat jeder? 8. Wer hat das schnellste Avancement? 9. Welcher Fall ist immer erhebend? 10. Warum biß Adam in den Apfel? Bilder-Rätsel. (Auflösungen in nächster Nummer.) ««flösKNgeu a«- Rümmer 45. Der Rätsel: 1. Nichts. 2. Ulm — Ulme. Des Buchstaben-Rätsels: Zipfel — Wipfel — Gipfel. Der Scharade: Nachtwächter. Des Gleichklangs: Umschlag. Des Bilder-Rätsels: Lug und Trug. Des Vexierbildes: Im Hintergrund unter den Gebäuden. Liuder-Zeitllllg. Rp RvchN Di y» DiDWtiW DchvM Nr. 46. I Redaktion, Druck und Vertag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. 1913. Hans und Liefe. Von Lina Helmburg. (Nachdruck verboten.) Drüben auf der Wiese Spielen HanS und Liese; Er ist Fuhrmann, sie der Gaul: „Hüh, mein Pferdchen, sei nicht faul! Drüben auf der Wiese Zanken Hans und Liese, Toben, heulen laut und schrein — Pfui! Wer wird so garstig sein! Drüben auf der Wiese Plagt der Hans die Liese; Pufft und knufft sein Pferdchen sehr — „Böser Hans! Ich kann nicht mehr!" Drüben auf der Wiese Schelt' ich Hans und Liese: „Gleich seid artig, brav und nett, „Sonst geht's — marsch! — nach Haus, zu Bett!" Drüben auf der Wiese Bitten HanS und Liese: „Sei nicht bös, lieb Mütterlein, „Wollen auch recht artig sein!" Zwei Kinderfeste in Japan. Von Lanthilt Germa. (Nachdruck verboten.) Meine kleine Freundin Taito kam ganz auf geregt auf mich zugelaufen, als ich sie an eitlem schönen Vorfrühlingstage zufällig auf der Straße traf. Sie war acht Jahr alt und das älteste Töchterchen eines wohlhabenden TeehändlerS in der japanischen Hauptstadt Tokio. „Wirst du mich am Puppenfest besuchen?" rief sie mir zu. Ich bekomme wunderschöne neue Puppen, und das Zimmer wird mit Blumen geschmückt, und ich werde dir Reis und Kuchen onbieten." Ich muß gestehen, daß ich vom Puppenfest noch nicht« gehört hatte; war ich doch noch nicht lange im Lande. Sonst freilich hätte ich wissen müssen, daß alljährlich am dritten Tage des dritten Monats allen kleinen Mädchen dies reizend, Fest gegeben wird. So sah ich denn lächelnd auf das zierliche Japanerkind herab, streichelte sein dunkelhaariges Köpfchen und auch die Wangen deS zweijährigen Schwe sterchens, das von Taito Huckepack getragen wurde. Dies war aber nicht etwa ein Extra- Vergnügen von ihr, vielmehr ist eS in Japan Sitte, daß die kleinen Mädchen, oft schon fünf jährige, ihren Eltern di« jüngeren Geschwister- chen abnehmen. Ueberall in den Straßen sieht man diese drolligen kleinen Mütterchen mit den ganz kleinen Kindern auf dem Rücken herum laufen. Andere wiederum, die keine Brüder chen und Schwesterlein haben, tragen ihre geliebten Puppen auf die gleiche Weise. Wäh. rend ich nun bei Taito und ihrem Schwester chen verweilte, dessen Kopf, bis auf je ein Haarbüschelchen vorn, im Nacken und über den Ohren ganz kahl rasiert war, berichtete mir meine kleine Freundin strahlenden AugeS von den zu erwartenden Freuden. Natürlich ging ich einige Tage danach zu dem Fest. AIS ich das HauS des TeehändlerS betrat, strömte mir schon starker Blumendust entgegen, — der Japaner ist ein großer Blu- menfreund — gleich darauf erschienen meine kleine Taito und ihre Mutter, beide im Höch- sten Staat. Aeußerst drollig sah daS Mädel- chen aus; denn die Kinder gehen dort ganz wie die Erwachsenen gekleidet. Der Kimono, das weite buntseidene Obergewand, hatte flat ternde Aermel, die fast zur Erde hinabreichten. Darüber strahlte das frohe Gesichtchen, das — ich bekam fast einen Schreck — wie das der Mutter geschminkt war, Blendendweiß