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tlwM NIM HihrilAkm-EniAhliln .üonlin Tsgeblstt. Nr. IW. Dienstag, den 3 Juni 1313 40. Jahrgang Jrn Labyrinth des Lebens. Roman von M. Knesch!e-Tchöuau. 8. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Auch Signes Briefe werden immer seltener und kühler. Sie kann ihm nicht vergessen, daß er das Weihnachtsfest fern von ihr ver lebt hat, das ihn bisher immer, wo er auch weilte, nach Romsdal zu Onkel und Coußne gezogen hatte. Seit Wochen hat Cedrik weder von ihr noch von dem Onkel Nachvicht und er kann sich der Furcht nicht erwehren, daß letzterer Erkundigungen nach ihm eingezogen und von seiner Ehe gehört habe. Voll ängstlicher Span nung sieht er dem nächsten Quartals ersten ent gegen und die Frage, ob Onkel Harald die Vievteljalnsrente wie bisher schicken wird, peinigt ihn unsäglich. Was soll werden, wenn er ihn im Stich läßt und sich im Zorn von ihm abwendet? Aus diesem Grunde arbeitet er auch so rast los und hat mehrere schöne Landschaftsbilder, zu denen ihn die herrliche Umgegend Florenz angeregt, geschaffen und sie einer Kunsthand lung in München zrnn Verkauf übergeben. Aber trotzdem sie ziemlich rasch und leidlich gut erkauft wurden, fühlt er doch, daß Mei ster Salvini recht hat, wenn ec behauptet, sein Talent sei mehr ftir das Porträt geeignet und nur auf diesem Gebiete werde er Großes leisten. Der Meißer begreift sein Zögern nicht, diese Seite 'eines Talents auszubilden. Er ahnt ja nicht, daß die fast wahnwitzige Eifer sucht Gabvielens der Grund ist, der den jun gen Mann hindert. Ihr ist die ganze Malerei ein Dorn im Auge und erst nach heftigen Kämpfen hat sie sich darein gefunden, sie als ein durchaus notwendiges Uebel zu betrachten und duldsam Hingunehmen. Aber mit Händen und Füßen wehrt sie sich dagegen, daß Cedrik das PorträHach erwählt. Die Angst, ihn zu verlieren, ist zu groß und ihr Mißtrauen und ihre Eifersucht lassen sie in jedem schönen, weiblichen Modell eine gefährliche Nebenbuhlerin ahnen. Seufzend hat sich Cedrik gefügt und bisher nur Kin der, Fischerknaben und Männer gemalt, die in Italien, dem Lande der Schönheit, ja reich lich genug in prächtigen Exemplaren zu fin den sind. Nun hat er aber hier in Torbole in der kleinen Schenke, aus der das junge Ehepaar seine Mittagsmahlzeften geliefert erhält, in der glutäugigen Wirtstochter Giovanna ein Mo dell entdeckt, das sein Künstlerauge entzückt und den Wunsch, es auf die Leinewand zu zaubern, immer mehr steigert. Gabriele ist außer sich darüber, muß aber diesmal nachgeben, zumal Cedrik verspricht, daß die Sitzungen nur in ihrer Gegenwart stattfinden sollen. Dieses Zugeständnis hätte eigentlich ihr Mißtrauen beseitigen müssen, aber es verringerte keineswegs die Eifersuchtsqua len, die sie empfindet, wenn Cedriks leuch tende Blicke, aus denen nur zu deutlich sein Entzücken, seine Bewunderung für das schöne Mädchen spricht, an seinem Modell heften, oder wenn seine Hand das blauschwarze Haar tiefer in die Stirn der Schönen zieht und die Falten des farbenprächtigen Busentuches ma lerischer um die stolze Miste ordnet. Auch heute hat sie wieder unsäglich bei der Sitzung gelitten, zumal es ihr erscheinen wollte, als ob die schwarzen Augen des Mäd chens allzu ost die ihres Gatten gesucht und sie selbst mit einem Ausdruck von Spott und Schadenfreude gestreift hätren. Das kokette Geschöpf mag Wohl gemerkt haben, mit wel chem heimlichen Grimm die blasse Frau des Künstlers diese Sitzung duldet und im Be wußtsein ihrer Schönheit triumphiert sie über die Eifersüchtige. Auch Cedrik hat Aelias tiefe Verstimmung bemerkt und so sehr ihn diese kmdische Eifer sucht ärgert, so sehr bedauert er seine Frau, ob ihres unbezähmbaren Temperamentes. Zärtlicher als seit langem versucht er, sie heute aus ihrer trüben Stimmung Herauszu reißen. „Komm Liebchen, laß uns einen kleinen Streifzug am Seeufer hin unternehmen," ruft er fröhlich und zieht sie von der Bank unter dem Feigenbaum in die Höhe. „Sieh, Deinen Hut und Regenschirm habe ich gleich mitge bracht. Und nun laß uns in den wonnigen Frühlingstag hineinwandern. Ich sehne mich nach einem Gang ins Freie und nach andc- ren Menschen. Dieses ewige Tete a tete mit Giovanna wird mit der Zeit ermüdend, so schön sie ist, so fad ist sie auch und hinter der klassischen Stirn birgt sich ein Spatzenge hirn." Gabriele atmet erleichtert auf, sucht aber dennoch argwöhnisch seine Augen, ob das auch seins wahre Meinung sei. Aber er blickt sie so ehrlich und oß'en an, daß sie ibm glau ben muß. Nun wird auch ihr Gösichtsaus- druck heiterer und fester drückt sie den Arm des Gatten, als sie nun am Ufer des herr lichen Sees dahinwandern. Cedrik l>at ein mäßiges Marschtempo an geschlagen und es wird Gabriele schwer, mit ihm Schritr zu hjalten. Das Gehen fällt ilr in letzter Zeit überhaupt schwer und oft über fällt sie eine Atemnot, die sie zingt, stehen zu bleiben. So auch heute. „Was hast Dti nur?" fragt Cedrik halb ärgerlich, halb besorgt, als sie schon zum drit ten Male zurückbleibt. „O nichts," erwidert sie, mühsam nach Atem ringend. „Dn gehst mir ei» wenig zu schnell, auch brennt die Sonne recht heiß." „Aber Kind, wir kriechen wie die Schnek- ken," lacht er. Doch als er sich umwendet und ihr gcaubleiches Gesicht erblickt und ihr müh sames Atmen bemerkt, erschrickt er. „Du bist krank Gabriele und willst es mir verheim lichen! Gleich lagst Du mir, was Dir fehlt! Komm dort zu jener Klippe, dort wollen wir rasten. Du siehst ja entsetzlich elend aus." Er führt sie zu einem weit in den See vorspringenden Felsen, von wo aus man einen reizenden Blick nach dem jenseitigen Ufer ge nießt. Als er bemerkt, daß ihr das Hinauf- klimmen schwer fällt, hebt er sie auf und trägt sie wie ein kleines Kind die Felsstufen hin auf. Oben läßt er sich mit ihr nieder, nimmt sie auf seinen Schoß und bettet ihr Köpfchen an seine Brust. „So, nun ruhe Dich aus, lieb Herze, und dann lege einmal Geueralbeichte ab! Willst Du?" fragt er liebreich und streichelt ihr schmal gewordenes Gesicht. „Ach laß," wehrt sie leise ab. „Mir ist nichts." „Nein, so lasse ich mich heme nicht abspei sen! Heute verlange ich entschieden zu wissen, was Dir fehlt. Nun? Gabriele, hast Du kein Vertrauen zu mir?" Sie bricht in Tränen aus und birgt das Antlitz an seiner Brust. Ruhig läßt er sic ge währen, aber zwischen leinen Brauen zeigt sich wieder jenes kleine, senkrechte Fältchen, der Vorbote des Zornes. „Nun, Gabriele!" sragl er wieder, als sie noch immer still vor sich hin weinte. „Sei nicht böse, Cedrik," sagt sie leise, „aber ich habe Heimweh!" „Heimweh? Du? Nach wem denn sehnst Du Dich?" fragt er in unliebsamer Ueber- raschung, und als sie nicht gleich antwovcet, fügt er bitter hinzu: „Nach Deiner Tante vielleicht? Sehr schmeichelhaft für mich, wenn Dn Dich nach der Hölle bei ihr zuriicksebust und ein recht deutlicher Beweis für das Glück, daß Du bei mir — —" (Fortsetzung folgt.)