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VMM M L«srblatt. Nr. 263 Mittwoch, de« 12 November 1»1» 40. Jahrgang Sturmvögel. Ein Schisfsromtm aus dem Nordland von Anny Wothe. 1V. Forts (Nachdruck verboten.) Lop^r-t^tr 1910 Xvo/ V^otko, Was fiel denn eigentlich diesem Bengel, diesem Siudenteil ein«, so vertraut mit der i le inen Gerstenlerger zu tun, wo er, Baron Illgenstein, die ganze Nacht, nein, eine Stunde, aber doch wenigstens in der Nacht, eS sich reichlich überlegt hatte, ob er am Ende nicht doch gescheit täte, eine von den Gerstenbergers zu heiraten? Vor der großen mit den tot- ernsten Augen hatte er zwar gelinde Furcht, aber die Kleine war doch gerade so übel nicht, obwohl ibm bei seinem hocharistokra tischen Selbstbewußtsein ein Schauer über den Rücken rann, wenn er an die Schwiegereltern dachte. Und nun, wo er sich schon soweit in seiner Ueberlegung durchgerungen, stand so 'n dum mer Junge da und tat schön mit dem Mäd chen, dem er die Ehre antun wollte, Ba ronin Jllgenstein zu werden. „Ah, lieber Graf/ rief er Dombrowsky an, der, beide Hände in den Taschen des wasserdichten Ueberrocks vergraben, vorüber ging, „is ja ne ganz scheußliche Geschichte." „Was gibt es denn?" fragte Dombrowsky gleichgültig. „Hat die „Ozeana" ein Leck, sitzen wir fest, oder fürchten Sie, das Nord kap nicht zu erreichen?" Jllgenstein versuchte den Kopf zu schüt teln, was ihm aber nicht gelang. „Ich werde sie wohl nicht nehmen, Graf,." antwortete er mit Grabesstimme, den Hals noch steifer aufoichtend, „ich glaube, ich schenke mir diese Mesalliance." Der Graf sah ihn an, als hätte er einen Irrsinnigen vor sich, dann aber kam ihm die Erleuchtung, und er sagte, Jllgenstein wohl wollend auf die Schulter klopfend: „Das ma chen Sie recht, Baron. Ueberlegen Sie sich mau die Sache reiflich. Es kommt bei der artigen Verbindungen ja nie etwas Gescheites heraus. Wir müssen in unseren Kreisen blei ben, Baron, müssen, müssen, müssen." „Verdammter Idiot," murmelte er dann, als er außer Hörweite war, „nun fängt die ser Kerl noch an, von Ueberlegnng zu reden, wo jede Minute hier aus dem Schiff die bei den Goldfische weggekapert werden können. Mama meint ja zwav, sie hätte alles so ta dellos eingefädelt, und ich könnte bei der Aeltesten ruhig anklopfen, aber trau schau einer den Weibern. Wie ich heute in ihre großen, kühlen, sogar etwas spöttischen Augen sah, da hatte ich die unbehagliche Empfin dung, daß ich meine nächste große Wechsel schuld schwerlich von dem Geld ihres Vaters bezahlen werde. Aber Mama hofft ja noch immer. Sie geht wieder mit allen Segeln ins Zeug. Verfluchtes Geld! Verfluchtes Lebens Das Letzte auf eine Karte gesetzt. Mama meinte, aus solchen Vergnügungsdamp fern wimmelte es immer von Goldfischen. Es scheinen ja auch genug von der Sorte vorhanden zu sein, aber die Reise, die so viel Geld kostet, ist bald zu Ende, und ich blöder Tor habe die Chargen, die sich mir boten, bei anderen nicht ausgenutzt, weil Mama die Gerstenbergers für totsicher hielt. Na, noch heute will ich den Sturm wagen. Diesen Wunsch, fürchte ich, teile ich mit vielen Passa gieren der „Ozeana", höhnte er voll bitterer Selbstironie, „und es kommt nun eben dar auf an, wer bei diesem edlen Wettrennen den ersten Preis erjagt." Fast zuckte es boshaft in seinen grauen Augen auf, und ein kalter, grausamer Zug beherrschte sein ganz fahl gewordenes Gesicht. „Das Meer ist weit und rief," ging es dann durch seine Seele, als er über das un endliche Wasser sich, und ein Schauer kroch ihm zu Herzen. „Haarig, haarig, haarig ist die Katz," spielte die Musikkapelle, und singend zog Nep tun mit feinem Hofstaat, da soeben die Taus- feieriichkeiten zu Ende waren, an dem Gra fen vorüber. Wie ihn die harmlose Fröhlichkeit der Leute anwiderte, und da, wahrhaftig, da saß Rita Gerstenberger auf dem Hals eines Schorn steins mitten in dem Gewühl und lachte über den Medikus, der den letzten Taufgästen noch aus einer großen Spritze etwas Taufwasser nachsandte. Rita Gerstenberger lachte! Wer harte die- ses ernste Mädchen lachen gelehrt? Doch nicht etwa dieses alberne Spiel, das soeben die ganze Gesellschaft auf das Höchste ergötzte? Forschend sah sich der Graf um. Er konnte aber niemand in Ritas Nähe entdecken, der ihm verdächtig war. Nur der SchUsarzt stand nicht weit von ihr und hielt einen Ne ger lachend fest, um ihn auf die Echtheit sei ner Farbe zu prüfen. Ng, da konnte er ruhig sein- Ein Schiffs arzt zählre für den Grafen Dombrowsky gar nicht mit. Diese Konkurrenz brauchte er nicht zu fürchten. Stöhnend schlugen die Wellen an die Schiffs wand. Dämmernd kam der Abend über das Polarmeer. Und immer weiter ging die Fahrt durch unendliche Wasser. Klare Tage und stille, sonnenklare Nächte. Mitternacht geistert auf den Wogen. Wie rote Korallenriffe steigen die Wolken aus dem Meere empor. Ringsum flammende Himmelsglut, dazwischen ein Stück blaßblauen Himmels, wie ein stiller, klarer, goldum säumter See. Sigrun steht oben am Bootsdeck, wo es ganz einsam ist, und blickt in die bilderreiche Zaubernacht hinaus. In ihrer Brust ist eine nagende Un'ruhe, eine tiefe Pein. Sie hätte so gern bei Einar nach ihrem Kinde geforscht, ihn tausend Dinge über ihren Liebling fragen mögen, die er nicht erwähnte- Oft lag sie in ihrer Kabine schluchzend vor Seligkeit auf den Knien und dankte Gott für das 'Himmelsgeschenk, das sie selber noch kaum fassen konnte. Die geistige Nacht von ihrem Kinde genommen, hieß für sie ein anderes, ein neues Leben beginnen. Wie wollte sie ihr Kind pflegen, es behüten, vor jedem rau- hen Hauch bewahren. Wie wollte sie nur für ihren Knaben denken und sein Glück ballen. Um hohen Preis, mußte sie sich oft sagen, aber sie wollte nur vorwärts, nicht zurück bleiben. Was tat es, daß sie wieder in das verhaßte Haus ihres Mannes zurück mußte? Nein, nicht doch. In Westrum hatte er sich ja angekauft. Nicht weit von Bodenbringks Gut, wo ihn Thit vergeblich ausgesucht!, als sie durchaus frei werden wollte. Der Junge würde alfo durch nichts an die traurige Ver gangenheit erinnert werden. Sie würde mit ihrem Kinde erst lernen müssen, in dem fremden Hause — sie schauerte — Fuß zu fassen. (Fortsetzung folgt.) Werdende Mter und Selbststillende vermögen Unterernäh rung und damit zusammenhängenden Be schwerden wirksam vorzubeugen, wenn sie regelmäßig Scotts Emulsion nehmen. Her gestellt aus feinstem Lebertran mit Kalk- und Natronsalzen, ist sie ein leicht zu nehmender und verdauliches Stärkungs- mittel, das die Eßlust dauernd anregt.