Volltext Seite (XML)
WM m Hohkißrlii-ElnIIlWln ämn-ri Tageblatt.—, Nr. 254. Freitag, den 31. Oktober 1V13 40 , I! - i-fi-,-—W——i-r-E Zum Reformationsfeft. Unsere evangelische Kirche gründet sich, wie schon Ur Name sagt, einzig und allein auf das Evangelium von der sreien Gnade Got tes in Christo. Ein evangelischer Christ weiß nichts von fürbittenden Heiligen, nichts von einem Stellvertreter Christi ans Erden, nichts von einer Rechtfertigung durch seine Werle. Worauf der Protestantismus sich verläßt, ist allein die Kraft der evangelischen Wahrheit. Was es um diese Kraft der evangelischen Wa'rheit ist, hat sich schon gezeigt in den Tagan der Reformation- Wer hätte deinen sollen, daß ein armer Mönch vollbringen würde, was selbst die größten Concilion nicht zu erreichen imstande waren! Niemand hätte geahnt, daß von den 95 Thesen, die doch eigentlich nur ein Aufruf zu einer Disputa tion unter Gelehrten waren, daß von diesen eine Bewegung ausgehen würde, die für die ganze Welt von dauernder Bedeutung und von segensreichem Einfluß war. Es ist bekannt, daß Luther eine ungeheure Macht über die Gemüter seiner Zeitgenossen ausübte, über den Monn aus dem Volle, wie über den Fürsten auf dem Thron. Gewiß trug dazu viel die Macht seiner persönlichen Neberzeugung bei, ater diese persönliche Ueberzeugung wurzelte doch im letzten Grunde in der Kraft der evangelischen Wahrheit. Bei Luther ging's wie bei selten einem Diener der Kirche durch schwere Kämpft und harte Anfechtungen hin durch, aber in allen Dingen bewahrte er sich ein unerschütterliches Gottvertrauen und eine freudige Glaubenszuversicht, wir brauchen nur an sein Lied „Ein' feste Burg ist unser Gott" zu erinnern, es singt's ihm nicht gleich je mand nach: „Nehmen sie uns den Leib, Gut, Ehr', Kind und Weib, laß Zähren dahin, sie haben's kein Gewinn, das Reich mich uns doch bleiben." Es ist einer der erhebendsten Momente im Leben Lu'hers, wie in der gan zen Ncformationsgeschiä te, als er vor Kaiser und Reich bezeugt: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen!" Ist nickt das alles rin Zeugnis von der Kraft der evangelischen Wahrheit? Alich der Segen, der von einem Luther ausgegangen ist, bezeugt diese Kraft der evan gelischen Wahrheit. Die Reformation ist es gewesen, die die Wissenschaft von dem rö mischen Gebundensein befreit hat, sie hat den Grund gelegt zu dem Volksschulunterricht, wie wir ihn heute haben, sie hat dem deutschen Volk in der Bibelübersetzung den Reichtum und die Schönheit der deutschen Sprache wie- der zum Bewußtsein gebrach.. Verdanftn wir nicht gerade der Reformation die herrlichen Glaubens- und Trostlieder, an denen sich noch beute unsere Gemeinden erbauen? Welche Völ ker sieben denn heutzutage auf der höchsten Stufe der Kultur? Welche Völker haben denn dft Staatsidee am schönsten und reinsten ent faltet und bewahrt? Die, die unter dem Joche Roms gestanden, oder die, die sich aus dem Boden der evangelischen Freiheit ent wickelt haben? Noch heute singt zwar Rom das alte Lied, als sei die Reformation die Mutter der Revolution. Entstammt denn aber nicht ge rade der düstere Geist der Revolution den romanischen Völkern? Gewiß, die Reforma tion predigt die Freiheit, aber nur die Frei heit, die die Gewissen zugleich auch bindet an Gottes Wort, die oberste Richtschnur des Glaubens und Lebens. Die Reformation soll die Schuld tragen an der Zersplitterung des deutschen Volkes, aber nicht die Reformation bat die Spaltung verursacht, sondern die „jesuitische Reaktion" gegen dieselbe. Was liegt darin für uns evangelische Christen für ein unendlicher Trost, daß wir unsere Heilsgewißheit einzig und allein grün den auf die Gnade Gottesi Was ist das für ein erbebendes Bewußtsein, daß wir uns ohne Umwege im Glauben frei erheben kön nen und dürfen zu unserem Heiland und Herrn, in der Gewißheit, daß Er uns geben wird, was zu unserem Frieden dient. Es ist etwas Großes um die Kraft der evangelischen Wahrheit! Das Neformations- fest will uns ermuntern, diese Krast auch zu betätigen in unserem Leben! Die Einweihung des neuen wissenschaftlichen Instituts für experimentelle Therapie. Der Berliner Vorort Dallem entwickelt sich immer mehr zum Mittelpunkt der großen wissenschaftlichen Institute der Reichshaupt stadt. Am Dienstag hat dort, Ivie schon ge stern gemeldet, die Einweihung des neuen von der „Kaiser Will elm-Gesellschaft" begrün deten Instituts für experimentelle Therapie stattgefundcn, das für die medizinische For schung von außerordentlicher Bedeutung ist und für Tausende von Kranken eine unge heuer segensreiche Tätigkeit entfalten dürfte, da es dem Kampf gegen zwei der schlimmsten Geißeln der Menschheit, die Tuberkulose und den Krebs, gewidmet ist. Unser Bild zeigt aw dem Wege bei der Besichtigung des Instituts in der Mitte des sen Leiter, Geheimrat Professor Dr. v. Was sermann, diesem zur Rechten den Kaiser a/s Begründer und Förderer der Kaiser Wilhelm- Gesellschaft und deren Präsidenten, Exzellenz Harnack, aus der anderen Seite. Sturmvögel Ein Schiffsroman aus dem Nordland von Anny W o t h e. 40. Forts <Nnchd'iick verboten.) liNO k;' Der blasse Mairn mit den dunkelglül enden Augen, die hinter der blauen Brille so heiß auftcucktteten, zuckte bei Sigruns schonungs- loftn Woven zusammen, dann aber sagte er langsam: „Sigrun Everson häuft schwere Schuld auf das Haupt eines Maunes, der wohl gefehlt, aber nicht schlecht Ivar." „Was wissen Sie von ihm," rief Sigrun leidenschaftlich. „Nein, Herr von Bodenbringk. bleiben Sie," flehte sie, als sie sah, daß Olaf etwas unschlüssig sich anschickte, die Halle zu verlassen, „wir sind Ihnen sowieso ia eine Aufklärung schuldig. Sie waren selber Zeuge, wie sich dieser fremde Manu da ans dem Schiss immer wieder in meine Nähe dräng, gedungen, wie er ja selbst zugibt, von dem Manu, den ich einst geliebt, dessen vertrauendes Weib ich wurde, und der nun, nachdem ich eingeschen gelernt, daß unsere Wege sich scheiden müssen, mir seine Häscher uachschickt, um mich wieder zurückzuzwingen in das verhaßte Joch, in die brutale Faust, vor der mich Grauen packt. Werden Sie es glauben, Herr von Bo- dcubringf, daß Einar Everson in seiner un gezügelten Heftigkeit einst sein einziges Kind, seinen süßen, blonden Jungen,, der aus Furcht vor ihm gelogen hatte, so lange züch tigte, bis der Junge sich besinnungslos in Krämpfen wand? Ich stürzte mich dazwischen!, und ich selbst brach unter den Streichen zu sammen, die mein armes Kind unfehlbar ge tötet haben würden. Da starb das letzte Nest chen Liebe zu Einar Everson in meiner Brust, da verabscheute ich ihn, der so zügellos sein Kind seinen Leidenschaften zum Opfer brachte. „So, mein Herr," wandte sie sich an den Fremden, „das können Sie Einar Everson, dem Mörder seines Kindes, sagen. Mein Junge," ful r sie mit leiser, von Tränen er stickter Stimme fort, „fiel in ein hitziges Ner vensieber. Entsetzlich waren die wilden Fie berphantasien des Kindes, in denen es schrie, sein Vater wolle ihn und die Mutter töten, entsetzlicher aber noch, als die Fiebcrglut schwand, die Erkenntnis, daß der Geist meines Kindes umnachtet war. Er erkannte niemand, nur wenn sein Vater an sein Lager trat, schrie er wild und wand sich in Krämpfen und Zuckungen. Die be- rühmteßen Aerzte, die ich zu meinem armen Kinde rief, zuckten die Achseln. Eine unge heure An regung hatte das empfindliche Ner venftiftein des Kindes für immer vernichtet. Ich war gezwungen, mein einziges und letz tes Glück in eine Nervenheilanstakt zu geben. Zuerst schien der dirigierende Arzt noch etwas Hoffnung zu legen, dann aber wurde sein Antlitz immer ernster und verschlossener, und eines Tages sprach er, auf mein Drängen und Bitten, mir die Wabrbeit zu sagen, das Entsetzliche aus: Unheilbar! Da habe ich des Kindes ruchlosem Vater, dem Mann, den ich einst lieb gehabt, geflucht. In wildem Haß Hobe ich mich von ihm ge wandt voll Grauen aus seiner Nähe. Un glaublich waren die Verfolgungen Einars, der mich mit Gewalt wieder in sein Haus znrückschleppcn wollte. Von Ort zu Ort floh ich vor ibm. Zu Tode erschöpft, überließ ich es schließlich meiner Schwester Thit, mich vor dem Schrecklichen in Sicherbeit zu bringen, als ihre Verhandlungen mit ibm, mich frei zu geben, an seinem Eigensinn scheiterten. Fede Minute fühlte ich mich von Einars Hä- schern umlauert. Ich wußte, jeder Schritt van mir wurde bewacht, und Einar würde sich nicht scheuen, mich wieder mit roher Ge walt an sich zu reißen, weil er nicht ertra gen konnte, der Verschmähte und Verachtete zu sein. Da, eines Tages, als er wieder meinen Aufenthalt in Berlin ausgekundschaftet hatte, und mir durch den Rechtsanwalt eine Auf forderung zuging, unverzüglich in sein Haus zurückzukehren, faßten wir den Plan, zurück in die Heimat zu flüchten. In Island würde ich, im Vaftrhause, vor seinen Nachstellungen sicher sein. Es war unglaublich schwierig, die Flucht zu bewerkstelligen. Thits Plan, in Knaben kleidern, die uns seit Kindertagen vertraut waren, die Reife zu wagen, erschien mir erst zu- abenteuerlich. Ich mußte mir aber sagen, daß Einar sich sofort aus den Schisfslisten orientieren konnte, und weil mich eine heiße Angst folterte vor seinen Nachstellungen, ließ ich es geschoben, daß Tbit sich in Männer kleider steckte. Wir wußten es einzurichien, vor Toresschluß unftre Karten zu lösen und erst im letzten Augenblick auf die „Ozeana" zu gelangen, so daß eine Verfolgung, wenn Einar wirklich durch einen Zufall Kunde von unserer Reise erhielt, fast unmöglich schien." Der Fremde nickte. „Ganz recht, verehrte Fran. Sie kannten Einar Everson doch nicht ganz,' als Sie an nahmen, daß er Sie und Ihre Schwester auch nur einen Moment aus den Augen ver loren hftte. Er kannte Ihren Plan. Er er fuhr ihn zu spät, nm die Reise zu verhin dern!, und ich war es, der Sie schon erwar tete, als Sie das Schiff betraten, um Sie wieder mit heimzunehmen in Einars Haus." Halfdan Oddui-son, der ganz stille, wie lauschend dagestanden hatte, strich sich jetzt das Weiße Haar aus der Stirn und sagte, aus den Fremden zutrctend: „Meine Tochter steht jetzt unter meinem Schutz und unter den Gesetzen unseres Landes. Glaubt ihr Mann, irgendwelche Ansprüche an sie zu haben, jo soll er diese Ansprüche hier bei der Ge richtsbarkeit geltend machen. Und nun, mein Herr, ist unsere Unterredung wohl beendet." „Noch nicht," entgegnete der Mann mit der blauen Brille kalt, und mit raschem Schritt vor Sigrun tretend, faßte er mit har tem Griff ihre Hand und herrschte ibr zu: „Sage es noch einmal, daß Du ihn nie Wie dersehen willst, daß Du ihm fluchst, daß Du ihn verabscheust, den, der Dich so heiß geliebt!" Entsetzt wich Sigrun von ihm zurück. „Ich lasse ihn," rang es sich aus ihrem Mnnde, „nun aber gehen Sie, um ihm die Kunde zu bringen, daß unsere Geschicke auf ewig getrennt sind. Es ist mir nicht leicht geworden," fuhr sie, zu Olaf gewandt, fort, „Deutschland zu stieben, Ivo ich mein armes Kind zurücklassen mußte, aber da man mir jeden Zutritt zu dem Kinde weigerte, weil jeder Besuch nene Aulrcgungszuständc verur sachte, riß ich mich blutenden Herzens los, und wenn ich auch hier im Gunarhos Hei mat und Schutz finde, meine Seele fliegt doch j immer wieder über das Meer zu meinem ! unglücklichen Kinde, das mich nie wieder er kennen, das niemals wieder ein Lächeln für mich haben wird, das in ewiger Nacht lebt, in ewiger Nacht durch seines Vaters Schuld." War es nicht, als wanke die schlanke Ge stalt des Fremden? Tbit trat schnell an ihn heran und flü sterte ihm einige Worte zu. Da flog ein schmerzliches Lächeln Wer das blasse Gesicht, und den Schlapphut, den er noch immer tief in das Gesicht gedrückt hatte, vom Haupte nehmend, sagte er langsam: „Der Mann, den diese Frau da eines so grausamen Verbre chens zeiht, steht hier. Einar Everson will hier richten und gerichtet sein." (Forts, folgt.) 8Lek8isekv8 Ssräsrodv-llLMi Mvk. VslMitr L. Lrrevd. (Vnrl«t/t« Hfstion). MM»»»»»»»« Ul ?3le1ol8, 6l6N3nt6l- 7üngling8- unä Knsben- " Kleiäung, lueksn unä 8uok8l(jn8, Mtsn unä