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VMM M WEMMMMtt Kmngtt Nr. S38 Sonntag, de« 12 Oktober 1V18 4». Jahrgang Die schöne Mama. Von S. Halm. Nachdruck verboten. Frau Erika war Witwe geworden — mit .W Jahren. — Sie war eine jener üppigen bbonden Frauen, die es vergehen, nicht alt zu werden, die eine Nolle spielen, wo sie auch immer erscheinen. Der Witwenschleier stand ihr gut. Nur die lebensfrohen Augen paßten nicht zu dem Tranergewand, das dar schonen Frau bald genug lästig ward. Gewiß — sie hatte mit ihrem Egon gut gelebt. Er war ein Üischen schwach gewesen — besonders gegen seine schöne Frau. Die Schönheit hatte ihn nicht gedrückt; dennoch war Erika dem Gatten eine treue Frau ge wesen — er hatte sie ja auch nicht von sei ner Seite gelassen; — sie hätte ehrlich um U.n geweint — denn wer nahm ihr jetzt alle Lwrgen und Unbequemlichkeiten des Lebens ad? lind darum Hatte sie jedem, der es hö ren wollte, versichert, ihr Egon werde ihr einig unvergeßlich sein. — Jetzt Ivar das Trauerjahr bald zu Ende Gottlob! Denn man sehnte sich doch end lich einmal heraus aus den schwarzen Ge- wändern. Neue Pflichten traten an Frau Erika heran — Pflichten, vor denen ihr ganz im Geheimen Maate — kam doch ihr ein ziges Töchterchen, die kleine Lu, aus der Pcnjsson. Sie hatte jetzt eine erwachsene Doch- icr. Das kam davon, wenn man so jung heiratete. Ihre Eltern hätten ihr noch ein bisä en Zeit lassen sollen. Lu durfte sicher nicht unter 25 heiraten. Sonst ward sie, Fran Erika, vielleicht gar mit -10 Jalren Großmutter. Es schauderte sie. Gott, wie sie neugierig war auf das Kind! Vor einein. Jahr, als sie zur Beerdigung gekommen, Ivar Lu noch ein recht unfertiger Backfisch gewesen, trotz ihrer 17 — lang aufgeschossen und mager- Sie hatte ja des Vaters Figur Aber jetzt Ivar sie eben 18 geworden, und Lu besaß der Mutter ihre Augen — blau, tiefblau — hatte blonde Haare — der Him mel mochte wissen, woher der rötliche Ein schlag kam — aber Lu's Haare waren schön. Na, man würde ja sehen. Lu kam. Als Frau Erika sie aus dem Kupee steigen sah, zogen sich ihre Brauen ein ganz klein wenig höher — mvn Dieu — wahrhaftig. — das war schon eine junge Dame — noch ein bischen überschlank — aber das war ja modern! Noch die Sicher heit der Bewegungen, der Gang — der gute Egan raite nichts von dieser jugendlichen Elastizität gehabt — und das Gesicht? Ein paar Sommersprossen darin und der kleine Mund etwas aufgeworfen — die Zähne — ach ja, Frau Erika muhte seufzend an ihren Zahnersatz denken — die Zähne waren Egons einzige Schönheit gewesen. Lu hatte sie geerbt. Fast wollte es die weltgewandte Frau wie eine Beklemmung überkommen dieser jungen Danie gegenüber^ die ihre Tochter war. Lu aber half selbst all; Fremdheit verscheuchen. Sie land schnell den Ton, die Mama in gute Laune zu versetzen. Sie war begeistert von der Mutter Aussehen. „Gott, wie jung Du noch bist, wenn ich denke, wie Ellis Mutter dagegen ausjsieht — wie 60, und dabei ist sie kaum ein Paar- Jahre älter als Du. Ach Muttchen, wenn Du wüßtest, wie oft wir von Dir gesprochen haben. Keine wollte glauben, daß ich als Aelteste von ihnen die jüngste und schönste Mama hätte!" „Geh, Du Kindskopf." „Warum? Sage ich etwa die Unwahr heit? Gott, ich bin ja ganz verliebt in Dich, Mama." „Närrchen bist — wenn Dich die Leute hörten. Aber ich kann Dir nur die Kompli mente zurückgeben. Du hast Dich herausgc- macht, bist Deiner armen Mutier über den Kopf gewachsen." Lu lachte fröhlich. In ihr Ivar alles so hell und fröhlich. Kaum, daß der Gedanke an den toten Vater ihre Freude cindämmte. Sie wollte der Mutter ivoch nicht von ihm sprechen. Es tat ihr gewiß weh. Vor ihr lag das Leben. Es lockte — schillernd, ver heißend. Ach, jetzt mußte ja alles herrlich werden. Und das Leben ward abwechslungs reich genug für die Frauen. Nur ihrer Toch ter zulieb — wie Frau Erika nie zu beto nen unterließ — wurden Theater und Kon zerte besucht, Besuche gemacht und empfan gen, und als der Winter kam, nahm man auch Einladungen an. Lu mußte ja in die Welt eingeführt werden. Gesund und jung wie sie war, genoß sie das Gebotene harmlos-fröhlich, sich dem Reiz des Neuen überlassend. Anders ihre schöne Mutier. In Frau Erikas sonnige Augen war etwas Beobach tendes gekommen. Nie ließ sie die Tochter aus den Augen. War es mütterliches Ver- antwovtungsgesiM allein? Kaum. Sie hatte sich schon in jüngeren Jahren nie damit be schwert, und Lu's Erziehung ganz dem Gat ten und fremden Leuten überlassen. Boshafte Freunde meinten, Frau Erika überwache die Erfolge der Tochter nicht ohne Eifersucht. Dennoch war sie eine gütige Mutter, und es war sicher ein dem Auge wohltuendes Bild, die beiden- schönen Erscheinungen nebenein ander zu sehen. Gewiß, Frau Erika half ihrem Teint ein bischen nach. Welche Frau von Welt tut das in ihren Jahren nicht? Dennoch sah sie neben Lu aus wie deren ältere Schwester. Lu freute sich, wenn sie hin und wieder solches Urteil hörte — nichi min der wie Frau Erika selbst. „Mutti-Schwesterchen," sagte sie Wohl zu wetten zärtlich, „Du glaubst gar nicht, wie eingebildet ich auf Dich bin." Lu durchtanzte zwei anstrengende Winter, ohne von ihrer kindlichen Lebensfreude etwas cinzubüßen. Sie dachte an nichts Ernstes, flirtete munter darauf los, ohne sich zu enga gieren, und beichtete der schönen Mutter all ihre kleinen Eroberungen mit selbstverständ licher Unbefangenheit. Plötzttch aber ward alles anders. Frau Erika hatte sich mit der Tochter vor der Glut hitze der Stadt ins Seebad zurückgezogen. Man hatte Bekanntschatten gemacht und er neuert, und die schöne blonde Frau war wie alle Sommer der Mittelpunkt der Badegesell- schast geworden; nur daß sich jetzt das Bild ein bischen verschoben und neben ihr die rot blonde Tochter stand. Verdroß es die schöne Frau? Aeußarlich merkte man nickM davon. Wie zwei gute Freundinnen sah man die beiden überall-Arm in Arm miteinander sich redlich in die Be wunderung ihres Verehrerschwgrms teilen. Immer ehrlich? War es Frau Erika wirk lich gleichgültig, ob zum Beispiel Hans-Kratt zu Neubach seiner Courtoisie gegen Lu einen Unterton bau mehr Herzlichkeit beimischte als seinen Galanterien für die Mutter? Herr von Neubach war ein Mann Ende der Dreißiger. Früher Ofizier, hatte er den Dienst quittiert, um sich der Verwaltung sei ner Güter in Ungarn zu widmen. Echt seit einigen Wochen kannte er die Damen, und bald war er ihr ständiger Begleiter geworden. Seinetwegen hatte sich Frau Erika, der das Spiel ihrer Fülle wegen wenig zujagte, wie der harbeigelassen, Tennis zu spielen. Einer garde dame hätte Lu kaum dabei bedurft — allein — Frau Erika sand ihre Teilnahme plötzlich angebrachter. In der Badegesellschaft witzelte mpn ein bischen über diese allzu große Aengstlichkeit — indess', wenn es der immer noch ^eschen Frau gefiel — —. Hans- Kraft schien nichts zu me-rken; auch nicht, daß ihn die schöne Frau absichtlich etwas zu ent fernen strebte. Gewohnt, ein einmal ins Auge gefaßtes Ziel auch zu erreichen, wollte er kein Hindernis sehen. Er war reich genug, sich eine Frau nach seinem Herzen zu wählen. Er liebte Lu. Und er glaubte, in ihssen Augen Herzensneigung lesen zu dürfen. War um sollte er also eine Abweisung fürchten? Lu dagegen war nicht so hossnungsfrendig. Mit dem Instinkt des Weibes ahne sie der Mutter Abneigung gegen ihre frühe Wahl, und als Hans-Kraft sich ihr erklärte, hielt sie auch ihm gegenüber nicht mit ihren Be denken zurück. Er lachte und nannte sie ein ängstliches Häschen. Ani Tage darauf stand er vor Frau Erika. Sie empfing ihn mit vollendeter Liebenswürdigkeit und doch ein ganz klein wenig reserviert. Sein Anliegen aber leinte sie rundweg ab. Lu sei noch zu jung, zu kindisch für die Ehe. Sie habe selbst viel zu jung geheiratet und wollte ihr Kind vor Ueberettung in einer so ernsten Lebensfrage schützen. Sie sagte das ruhig, bestimmt, ohne mit einem Zucken der Wim pern zu verraten, was in ihr vorging. — 4 K K Allerlei Kurzweil. « « Denksprüche. Trag du geduldig dein; Last lind laß dich nichts verdrießen: Was du mit Gott begonnen hast, Kannst du mit Gott beschließen. * * * Tausendfach wird dem gegeben, Tausendfach das Glück erneut, Wer sich jeden Tag im Leben Dankbar seiner Gaben freut. Rätselecke. Rätsel. 1. Mein erstes führt ein Häuflein an, Das Wunderdinge schon getan, lind seit gar langer, langer Zeit Die Welt beherrschet weit und breit. Zwei drei, die sind ein Vögclein, Geschwätzig, lustig, bunt und klein. Mein Ganzes sammelt sonder Nutz lind trägts der düstern Wohnung zu, Die cs mil duftigen Gaben füllt, Drum gilt es als des Fleißes Bild. 2. Ich bin ein Gewinn Im Whist und im Skat Und läßt man dich drin, Sv schreist du: Verrat. Gleichklang. Einer hat cs einen Beruf, Hofft damit sich durchzuschlagen. Einer wards von einem Lied Aus den seligen Kindertagen. Einen hat mnns, der bei Nacht Einen Einbruch wollte wagen. Buchstaben-Rätsel. Mit B im Schnee Mit K im See Mit Z im Mund, Nun gib es kund. Homonym. Sage nur, was kann das sein? Scheint es doch ein seltsam HauS: Die Zigarre kommt hinein, Die Frau Venus kam heraus. Scharade. Mein erstes Wort ist und bleibt wahr, Mein zweites sagt oft, was nicht wahr. Mein Ganzes ist am wenigsten wahr, Nnr zufällig kanns treffen, daß es wahr. Scherzrätsel. Im wunderschönen Monat Mai, Wo alle Knospen sprangen, Da sah ich es in duft'ger Pracht In meinem Garten prangen. Doch als verändert nur ein Laut, War Duft und Glanz vergangen. Es schimpft und flucht und raucht und kant Und trägt nach Rum Verlangen. Vexierbild. jz ^Wo ist die Tochter des Touristen? (Auflösungen in nächster Nummer.) ««flSsungen aus Nummer 4V. DeS Rätsels: Das Echo. Der Scherz-Scharade: Beiträge. Der Hieroglyphen: Dem Verzagten schlägt alles fehl. Des Vexierbildes: Quer übcrm Dach des mittleren Hauses. Man betrachte das Bild von der rechten oberen Ecke. Linder-Zeitung. Wös Röchln Die den HUDE! OvilöiHoUes. Nr. 41. Redaktion, Druck und Berlag von Horn L Lehmann, Hoheustein-Ernstthal. j 1913. Der Schlägst das prächtige Gefieder An des Käfigs Harle Wand, Flatterst ängstlich ans und nieder, Schöner Prinz vom Sonnenland! Als durch Madagaskars Lüfte Frei sich noch dein Fittich schwang, lieber Wald und Felsenklüfte Froh dein Heller Lockruf klang! Wenn du dich im scharlachroten Kleid gezeigt der Wilden Schar, Dann, als ihrer Gottheit Voten, Brachten sie dir Opfer dar. — Papagei. Und nun sitzest du gefangen, Ferne deiner Httmatwelt, Auf des Käfigs kahlen Stangen, Der gewohnt im Palmenzelt. Gib dich immerhin zufrieden, Schöner Prinz vom Sonnenland, Bist der Einz'ge nicht hieniedcn, Der ein solches Schicksal fand! Mancher, den ein heiß Verlangen Hoch trug übers Erdenrund, Schlägt zuletzt an Kerkerstangen Sich die stolzen Flügel wund. „Nun ja — meinetwegen! Wo das Wetter so wundervoll ist!" brummte er. „Wir könn ten ja ein Rennen veranstalten mit Preisen." Hei, war das ein Jabel in Schneckenburg, als die Schneckenkinderchen und die vielen Vettern und Basen, die zum Besuch zugegen waren, von Wettlaufen hörten! Das ist nämlich ihr allerliebstes Spiel, aber es läßt sich eben nur bei so wundervollem Regen wetter spielen, nicht wenn die Sonne scheint, und alles trocken und staubig ist Heute sollte cs aber extrafein werden, ordentlich mit Hin dernissen und einem großen Preise, auf so etwas verstand sich Papa Schneck, denn cr war ein welterfahrener Mann. Der große Preis bestand m drei prachtvollen Walderd beeren. Die durfte der Sieger ganz allein verzehren! Aber leicht sollte der Sieg nicht gemacht werden, wahrhaftig nicht! Boa Villa Schneckenburg an, den Grabenrand hinauf — dann über die ganze Landstraße weg, ein Stückchen in die Wiese hinein, wo Vie Erd beeren wuchsen, einen Fuß hoch am Stamme der alten Eiche hinauf — und dann zurück, wo die Schneckenmama die drei Erdbeeren hütete. Ja, das war wirklich eine große Lei stung, die da verlangt wurde! Und nun fing das Wettrennen an. Alle Das Wettrennen in Schneckenbnrg. Ein Waldmärchen von Käthe Schubert. (Nachdruck verboten.) Auf die großen Blätter des Klettenbusches am Waldrande trommelte cs nun schon stun denlang: terom-tom-tom! Die dicken Regen tropfen besorgten das Trommeln; sie liefen immer einer hinter dem anderen her vom Himmel herunter und hatten gar keine Eile, aufzuhörcn. Auf den Klettenblättcrn bildeten sich kleine Wassertümpel, und zuweilen bog sich so ein Blatt zur Seite und schüttelte vor sichtig das Wasser fort, damit die Mietwoh nung unter seinen: Dach nicht naß würde. Der Klcttenbusch hatte nämlich eine Sommer villa für eine herrschaftliche Schncckenfamilie eingerichtet und wußte mit Herrschaften nm- zugehen. „Welch herrliche« Wetteri" sagte die Schneckenmama eben und steckte den Kopf aus dem Fenster, das heißt unter einem Blatte hervor. Ihr wißt doch, daß Schnecken sich gar nichts Schöneres denken können, als so einen richtigen langen Landregen? „Eigent lich müßten wir heute etwas Besonderes vor nehmen, noch dazu, wo wir jetzt Besuch haben. Was meinst du, Papa?" Und sie ließ ver gnügt ihre Fühlhörner spielen und wandte sich dem Papa Schneck zu, der noch beim Morgenimbiß war und sich ein zartes Blätt chen gutschmecken ließ.